Bundesverwaltungsgericht BVerwG 6 C 35.13, Urteil Persönlichkeitsrecht Namensnennung Nennung Namen Urteil Richter Staatsanwalt Rechtsanwalt Anwalt
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Aktenzeichen: BVerwG 6 C 35.13
Urteil vom 01.10.2014
Vorinstanzen
VG Stuttgart - 18.04.2012 - AZ: VG 1 K 57/12
VGH Mannheim - 11.09.2013 - AZ: VGH 1 S 509/13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn, Prof. Dr. Hecker und Dr. Decker
für Recht erkannt:

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. September 2013 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. April 2012 werden geändert. Es wird festgestellt, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen verpflichtet gewesen ist, dem Kläger auch Auskunft über die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts, die am Strafverfahren des Amtsgerichts Nürtingen - 20 Ls 56 Js 18187/09 jug - mitgewirkt haben, durch Überlassung einer hinsichtlich dieser Personen nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 zu erteilen.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Beklagte zwei Drittel und der Kläger ein Drittel. Unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Teils der Kostenentscheidung tragen von den Kosten des Berufungsverfahrens und den Kosten des erstinstanzlichen Klageverfahrens der Kläger zwei Fünftel und der Beklagte drei Fünftel.

Gründe

I

1 Im Streit ist der Umfang des Presseauskunftsrechts in Bezug auf die Namen von Personen, die an einem strafgerichtlichen Verfahren mitgewirkt haben.

2 Der Kläger ist Redakteur der juristischen Fachzeitschrift „Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht“ (ANA-ZAR). Er wurde durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010 auf ein Strafurteil des Amtsgerichts Nürtingen - Jugendschöffengericht - vom 2. Juli 2009 aufmerksam, mit dem ein afghanischer Staatsangehöriger zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war. In den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. März 2010, das die Ausweisung des Verurteilten betraf, war das Strafurteil als rechtsfehlerhaft bezeichnet worden.

3 Der Kläger bat den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen um Übersendung einer Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 zwecks Publikation in den ANA-ZAR. Er erhielt eine anonymisierte Urteilsabschrift. Mitgeteilt wurde ihm später der Name der Berufsrichterin. Mit Schreiben vom 25. Mai 2010 lehnte der Direktor des Amtsgerichts das Ersuchen des Klägers ab, ihm eine hinsichtlich der Personen, die berufsmäßig am Verfahren mitgewirkt haben, nicht anonymisierte Urteilsabschrift zu übersenden. Sinngemäß hieß es in dem Schreiben, die Belange der Schöffen, des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle und des Verteidigers seien bei Abwägung gegen die Belange der Presse als vorrangig einzustufen. Der Kläger legte Widerspruch ein. Der Präsident des Landgerichts Stuttgart wertete diesen als Dienstaufsichtsbeschwerde und teilte dem Kläger mit, er sehe keine Veranlassung für Maßnahmen der Dienstaufsicht.

4 Der Kläger hat daraufhin Klage mit dem Begehren erhoben, unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 den Beklagten zu verpflichten, durch Übersendung einer nur hinsichtlich des Verurteilten anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Verweis auf vorrangige schutzwürdige private Interessen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) dieser Personen abgewiesen.

5 Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat er mitgeteilt, das Strafurteil vom 2. Juli 2009 in den ANA-ZAR 2010, 32 unter Erwähnung des Namens der Berufsrichterin und des Verteidigers besprochen zu haben. Den Namen des Verteidigers habe er anderweitig erfahren. Hinsichtlich der Auskunft über den Namen der Berufsrichterin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Kläger hat daraufhin vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und festzustellen, dass die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 rechtswidrig war, soweit keine Auskunft über den Namen des Verteidigers erteilt worden ist, sowie den Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 zu verpflichten, dem Kläger durch Übersendung einer - mit Ausnahme der Angaben zum Verurteilten, zur Berufsrichterin und zum Verteidiger - nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen der Personen zu erteilen, die an dem Strafverfahren beteiligt waren.

6 Im Umfang der Erledigungserklärung der Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt und das erstinstanzliche Urteil für unwirksam erklärt. Er hat ferner den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren mitwirkenden Schöffen zu erteilen, und die Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts Nürtingen vom 25. Mai 2010 insoweit aufgehoben. Die Klage im Übrigen hat er abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt:

7 Die Klage sei hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers unbegründet. Der Auskunftserteilung hätten schutzwürdige private Interessen des Verteidigers (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG) entgegengestanden, die das Informationsinteresse des Klägers überwogen hätten. Bei Anwendung von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG bedürfe es der grundrechtlichen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Betroffener. Das Gewicht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verteidigers werde in der vorliegenden Konstellation durch den Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (§ 169 GVG) gemindert. Ein Verteidiger müsse sich grundsätzlich auf die Beobachtung seines beruflichen Verhaltens und eine in der Öffentlichkeit verbreitete Kritik unter Namensnennung einstellen. Das Informationsinteresse des Klägers habe im Ausgangspunkt ein erhebliches Gewicht, da es eine Frage betreffe - ob nämlich der im Strafverfahren Verurteilte eine unangemessen harte Bestrafung erfahren habe -, welche die Öffentlichkeit wesentlich angehe. Es sei zudem nicht mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen gewesen, dass die namentliche Benennung des Verteidigers in einer Veröffentlichung des Klägers eine unzulässige Pranger- oder Stigmatisierungswirkung erzeugt hätte. Dem Informationsinteresse des Klägers sei jedoch durch die Übersendung der anonymisierten Urteilsabschrift sowie die Nennung des Namens der Berufsrichterin bereits ganz überwiegend nachgekommen worden. Der Kläger habe so den Kern der die Öffentlichkeit angehenden Frage, ob der Verurteilte unangemessen hart bestraft worden sei, in der Fachzeitschrift hinreichend erörtern können. Der Name des Verteidigers sei für das Verständnis des Falls nicht wesentlich gewesen. Dieser trage unmittelbar keine Verantwortung für das Strafurteil. Das Informationsinteresse des Klägers sei daher als sehr gering und folglich nachrangig gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Verteidigers einzustufen.

8 Die Klage sei begründet, soweit der Kläger Auskunft über die Namen der an dem Strafverfahren beteiligten Schöffen verlange. Die Namen der Schöffen hätten im Unterschied zum Namen des Verteidigers eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung des Verurteilten. Die Schöffen verantworteten das Urteil in gleicher Weise wie ein Berufsrichter.

9 Die Klage sei im Hinblick auf die begehrte Auskunft über die Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unbegründet. Insoweit würden, wie im Fall des Verteidigers, überwiegende schutzwürdige Interessen in Gestalt der Persönlichkeitsrechte dieser Personen der Auskunftserteilung entgegenstehen. Auch ihre Namen besäßen keinen eigenen Informationswert für die Erörterung der Frage nach einer etwaigen unangemessen harten Bestrafung. Staatsanwalt und Urkundsbeamtin trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil.

10 Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil, soweit hiermit seiner Klage nicht stattgegeben worden ist. Sein bereits in der Vorinstanz anhängig gemachtes Fortsetzungsfeststellungsbegehren im Hinblick auf die unterbliebene Auskunftserteilung zum Namen des Verteidigers verfolgt der Kläger unverändert weiter. Nachdem das Amtsgericht Nürtingen dem Kläger mit Schreiben vom 20. März 2014 eine vollständig ungeschwärzte Ablichtung des Strafurteils vom 2. Juli 2009 übermittelt hatte, hat er auch hinsichtlich der Auskunftserteilung zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren durch ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ersetzt.

11 Der Kläger trägt in der Sache im Wesentlichen vor, die Presse müsse keine Gründe für ein Verlangen angeben, Informationen zu einem ihr bekannt gewordenen Strafverfahren zu erhalten. Ohne Kenntnis der Namen der am Verfahren Beteiligten seien bestimmte weitergehende Recherchen nicht möglich. Der Verwaltungsgerichtshof gehe fehl, wenn er dem Verteidiger und dem Staatsanwalt eine Mitverantwortung für den Verfahrensausgang abspreche. Das Gewicht ihres Persönlichkeitsrechts sei durch die Öffentlichkeit der Verhandlung erheblich gemindert.

12 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II

13 Die zulässige Revision ist begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen sei verpflichtet gewesen, ihm durch Überlassung einer insoweit ungeschwärzten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 Auskunft über die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts zu erteilen, die an dem betreffenden Strafverfahren mitgewirkt haben. In Bezug auf die verweigerte Auskunft über den Namen der mitwirkenden Urkundsbeamtin ist die Revision unbegründet. Da der Sachverhalt geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO).

14 1. Die Revision des Klägers richtet sich gegen das Berufungsurteil im Hinblick auf die Auskunftsansprüche zu allen drei genannten Personen. Unschädlich ist, dass der Kläger in der Revisionsbegründung vom 2. Januar 2014 den Auskunftsanspruch hinsichtlich des Verteidigers nicht in dem dort formulierten Antrag aufgeführt hat. In den weiteren Ausführungen der Revisionsbegründung hat er hinreichend deutlich gemacht, das Berufungsurteil auch im Hinblick auf die Verneinung eines Auskunftsanspruchs zum Namen des Verteidigers für fehlerhaft zu halten und daher angreifen zu wollen; bereits bei Einlegung der Revision hatte er angegeben, das Berufungsurteil zur revisionsgerichtlichen Überprüfung stellen zu wollen, „soweit der Klage nicht stattgegeben wurde“ (Schriftsatz vom 24. Oktober 2013). Damit ist den aus § 139 Abs. 3 VwGO folgenden Anforderungen an die Bestimmung des Revisionsgegenstandes innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Genüge getan (vgl. Urteil vom 27. August 2008 - BVerwG 6 C 32.07 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn. 19). Der Revisionsbegründung kann ferner entnommen werden, dass es dem Kläger nicht nur um die Auskunftserteilung als solche geht, sondern auch um ihre spezifische Modalität in Gestalt der Überlassung einer nicht anonymisierten Urteilsabschrift.

15 2. Die Klage ist mit dem Fortsetzungsfeststellungsbegehren, das nunmehr die Auskunftsansprüche zu den Namen aller drei Personen einschließt, zulässig.

16 a. Der Beklagte hat während des Revisionsverfahrens den Klageanspruch nicht anerkannt. Die Übermittlung einer ungeschwärzten Ablichtung der ersten Seite des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mit Schreiben des Amtsgerichts Nürtingen an den Kläger vom 20. März 2014 erfüllt nicht die Anforderungen an ein Anerkenntnis im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO.

17 b. Der Rechtsstreit ist nicht im Nachgang zu der genannten Übermittlung aufgrund übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache beendet worden. Zwar sind dahingehende Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 18. Juni 2014 sowie im Schriftsatz des Klägers vom 14. Juli 2014 enthalten. Aus dem letztgenannten Schriftsatz ergibt sich jedoch hinreichend deutlich, dass es dem Kläger in Wahrheit nicht um eine Beendigung des Rechtsstreits gegangen ist, sondern er - nachdem durch die Übermittlung ein erledigendes Ereignis eingetreten war - die Absicht gefasst hat, nunmehr die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der früheren Auskunftsverweigerung zu erwirken. Der Übergang zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO schließt es aus, gleichzeitig eine Erledigungserklärung nach § 161 Abs. 2 VwGO abzugeben (vgl. Urteil vom 9. Dezember 1981 - BVerwG 8 C 39.80 - Buchholz 448.0 § 9 WPflG Nr. 7 S. 2). Da hinsichtlich des wahren Willens des Klägers kein Zweifel besteht, kann sein auf eine Erledigungserklärung weisendes Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 14. Juli 2014 als unbeachtlich gewertet werden.

18 c. Die im Revisionsverfahren auch hinsichtlich der Auskunft zu den Namen des Staatsanwalts und der Urkundsbeamtin erfolgte Umstellung der Klage auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren ist statthaft. Da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, handelt es sich hierbei nicht um eine im Revisionsverfahren unzulässige (§ 142 Abs. 1 VwGO) Klageänderung (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO; vgl. etwa Urteil vom 28. Oktober 1999 - BVerwG 7 C 32.98 - BVerwGE 110, 17 <19 f.> = Buchholz 406.252 § 7 UIG Nr. 1 S. 3). Das entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse liegt unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr vor. Es besteht die nicht entfernt liegende Möglichkeit, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen in künftigen vergleichbaren Fällen ein Auskunftsbegehren des Klägers abschlägig bescheiden wird. An der Gefahr einer Wiederholung fehlt es entgegen dem Beklagten nicht deshalb, weil der Entscheidung über entsprechende Auskunftsbegehren stets eine am Einzelfall orientierte Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse der Presse und dem Persönlichkeitsrecht betroffener Personen voraus zu gehen hat. Eine solche Abwägung folgt, auch wenn sie Gegebenheiten des Einzelfalls einbezieht, bestimmten abstrakten Kriterien. Es ist denkbar, dass der Direktor des Amtsgerichts Nürtingen zukünftig gerade aufgrund der Kriterien, auf die er sich im vorliegenden Fall gestützt hat, dem Kläger eine Auskunft über die Namen von Personen verwehrt, die an Gerichtsverfahren mitwirken.

19 3. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts begründet. Die gegenteilige Annahme des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht in Gestalt der Pressefreiheit des Klägers gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (§ 137 Abs. 1 VwGO). Dass sich das Berufungsurteil insoweit aus anderen Gründen als richtig darstellen könnte (§ 144 Abs. 4 VwGO), ist für den Senat nicht ersichtlich.

20 a. Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung, schutzwürdige private Interessen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG hätten der Auskunftserteilung entgegen gestanden, mit der Annahme begründet, dass die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte dieser Personen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unter den vorliegend gegebenen Umständen das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Auskunftsinteresse des Klägers überwogen hätten. Insoweit beruht seine Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPresseG auf einer bestimmten Gewichtung und Abwägung revisiblen Rechts. Ein Instanzgericht wendet revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden sieht (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 160 S. 96).

21 b. Mit der genannten Annahme hat der Verwaltungsgerichtshof die in Rede stehenden grundrechtlichen Positionen fehlerhaft abgewogen. Die Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts standen der Auskunftserteilung an den Kläger nicht entgegen, da dessen Auskunftsinteresse unter den gegebenen Umständen Vorrang zukam.

22 aa. Dem vom Kläger verfolgten Auskunftsinteresse kam im vorliegenden Fall hohes Gewicht bei.

23 (1) Das Auskunftsbegehren unterfiel dem Schutzbereich der Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

24 Der Schutz der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung. Der publizistischen Vorbereitungstätigkeit ist besonderes Gewicht beizulegen. Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zur Information versetzt die Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende Funktion wirksam wahrzunehmen. Das gilt auch im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren. Die Pressefreiheit umschließt auch das Recht der im Pressewesen tätigen Personen, sich über Vorgänge in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu informieren (BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1994 - 1 BvR 1595, 1606/92 - BVerfGE 91, 125 <134>). Auch die Recherche über Gerichtsverfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet, ist von der Pressefreiheit umfasst.

25 (2) Das Auskunftsinteresse hatte unter den gegebenen Umständen hohes Gewicht.

26 Die Pressefreiheit ist grundrechtlich im Hinblick darauf besonders geschützt, dass eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte Presse ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für eine Demokratie unentbehrlich ist (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <174>; Beschluss vom 6. November 1979 - 1 BvR 81/76 - BVerfGE 52, 283 <296>). Der Presse kommt neben einer Informationsfunktion insbesondere auch eine Kontrollfunktion zu (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 - DVBl 2009, 1166 Rn. 62; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 = Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 12). Beide Funktionen sind berührt, wenn ein Pressevertreter zum Zwecke der Berichterstattung über ein gerichtliches Strafverfahren recherchiert. In diesem Verfahren wird staatliche Gewalt - überdies in besonders einschneidender Weise - ausgeübt. Der Schutz der Pressefreiheit reicht hier weiter als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung über private Umstände zu Unterhaltungszwecken anstrebt (vgl. zu dieser Abstufung BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, 269 <283>; Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <391>).

27 Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse in Bezug auf Gerichtsverfahren erstreckt sich auch auf Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege an einem Gerichtsverfahren mitwirken. Sie erschöpft sich nicht in der Berichterstattung zu sachlichen Verfahrensinhalten.

28 (3) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine Gerichtsverhandlung bezog, an der er selbst nicht als Zuschauer teilgenommen hatte. Die Informations- und Kontrollfunktion der Presse greift gleichermaßen bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter beigewohnt hat, wie bei Verhandlungen, denen ein Pressevertreter nicht beigewohnt hat. Sie greift auch in Bezug auf Verfahren, in denen keine öffentliche Verhandlung stattfindet.

29 (4) Das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers war ferner nicht deshalb gemindert, weil es sich auf eine frühere Gerichtsverhandlung bezog. Zum Zeitpunkt der Anfrage des Klägers lag der Erlass des Strafurteils weniger als ein Jahr zurück und war daher weiterhin von aktuellem Interesse.

30 bb. Die Persönlichkeitsrechte eines Verteidigers und eines Staatsanwalts, nach deren Namen die Presse wegen ihrer Verfahrensmitwirkung fragt, sind infolge des Grundsatzes der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen in ihrem grundrechtlichen Gewicht gemindert.

31 Der einfachgesetzlich in § 169 Satz 1 GVG normierte Grundsatz der Öffentlichkeit gerichtlicher Verhandlungen besitzt als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 - 1 BvR 2623/95, 622/99 - BVerfGE 103, 44 <63>). Die Verfassung setzt damit als Regelfall voraus, dass die Mitwirkung des Verteidigers und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft bei einer Gerichtsverhandlung unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet und so ihre Namen öffentlich bekannt werden können.

32 Der Gesetzgeber ist zwar befugt, die Öffentlichkeit auf die im Raum der Verhandlung Anwesenden zu beschränken; von dieser Befugnis hat er in § 169 Satz 1 GVG Gebrauch gemacht. Eine derart beschränkte Öffentlichkeit genügt dem rechtsstaatlichen Interesse der öffentlichen Kontrolle des Gerichtsverfahrens sowie dem im Demokratieprinzip verankerten Grundsatz der Zugänglichkeit von Informationen, die für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 65 f.). Wie anderen Personen ist aber auch Pressevertretern der Zugang zum Gerichtssaal eröffnet. Pressevertreter können so an Gerichtsverhandlungen teilnehmen und anschließend über sie berichten. Hierin wird berücksichtigt, dass Informationen in erster Linie über die Presse an die Öffentlichkeit vermittelt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Januar 2001 a.a.O. S. 66). Ohne diese mediale Vermittlungsmöglichkeit würde der Kontroll- und Informationszweck des verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatzes unzureichend umgesetzt werden. Bürger, die nicht selbst an einer Gerichtsverhandlung teilnehmen, sind auf Presseberichterstattung angewiesen, um sich ein Bild von der Verhandlung machen und das Verfahren würdigen zu können. Die Zugänglichkeit der Gerichtsverhandlung gerade für Pressevertreter ist daher verfassungsrechtlich von besonderem Gewicht. Wenn die Verfassung voraussetzt, dass die Mitwirkung des Verteidigers sowie des Staatsanwalts bei einer Gerichtsverhandlung regelmäßig unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet, rechnet sie ein, dass es sich hierbei potentiell um eine Medienöffentlichkeit handelt, d.h. die Namen der genannten Personen auch Vertretern der Presse bekannt werden können.

33 Die Möglichkeit des (presse-)öffentlichen Bekanntwerdens der namentlichen Identität von Personen, die in amtlicher Funktion oder als Organ der Rechtspflege in Gerichtsverhandlungen mitwirken, wird von der Verfassung nicht lediglich als tatsächliche Konsequenz des Öffentlichkeitsgrundsatzes bloß hingenommen, sondern sie entspricht der normativen Stoßrichtung dieses Grundsatzes. Das Bedürfnis, die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen, erstreckt sich auch auf die Identität der hieran mitwirkenden nichtrichterlichen, aber in weitem Umfang unabhängig handelnden Funktionsträger. Die Öffentlichkeit der Verhandlung soll unter anderem auch die Möglichkeit eröffnen, personelle Zurechnungszusammenhänge deutlich zu machen und so persönliche Verantwortlichkeiten zu markieren. Die mitwirkenden Funktionsträger sollen für die Art und Weise der Mitwirkung öffentlich einstehen.

34 Hieraus erschließt sich, dass das Gewicht der Persönlichkeitsrechte mitwirkender Verteidiger oder Staatsanwälte nicht nach dem Zeitpunkt variieren kann, zu dem ein Auskunftsbegehren gestellt wird, das auf die Kenntnis ihrer namentlichen Identität gerichtet ist. Fragt ein Pressevertreter erst nach Abschluss einer Gerichtsverhandlung, an der er selbst nicht teilgenommen hat, nach den Namen des mitwirkenden Verteidigers bzw. des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, ist das Gewicht ihrer Persönlichkeitsrechte nicht höher einzustufen als in dem Fall, dass ein Pressevertreter ihre Namen aufgrund eigener Sitzungsteilnahme erfährt. Das rechtsstaatliche Bedürfnis, persönliche Verantwortlichkeiten für Akte der dritten Gewalt transparent zu machen, besteht im einen wie im anderen Fall gleichermaßen. Es kommt konsequenterweise auch nicht darauf an, ob im Einzelfall überhaupt eine Verhandlung bzw. eine öffentliche Verhandlung stattfindet. Die dem verfassungsrechtlichen Öffentlichkeitsgrundsatz innewohnende Wertung, amtliche Funktionsträger in gerichtlichen Verfahren hätten ebenso wie mitwirkende nichtamtliche Organe der Rechtspflege für ihre Mitwirkung öffentlich einzustehen, gilt unabhängig davon, welche Regelungen die Prozessordnungen über die Möglichkeit von Entscheidungen im schriftlichen Verfahren oder über den Ausschluss der Öffentlichkeit treffen.

35 cc. Aus dem Vorstehenden folgt als Ergebnis, dass in einer Konstellation wie der Vorliegenden die Persönlichkeitsrechte von Staatsanwälten und Verteidigern das publizistische Informations- und Verbreitungsinteresse regelmäßig nicht überwiegen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht anlässlich von Streitfällen entschieden, in denen die Zulässigkeit der Erstellung und Verbreitung von Bild- und Tonaufnahmen vor und nach gerichtlichen Verhandlungen oder in Sitzungspausen in Frage stand. Es hat hierbei ausgesprochen, dass Richter, Verteidiger und Staatsanwälte kraft des ihnen übertragenen Amtes bzw. ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege anlässlich ihrer Teilnahme an Gerichtsverhandlungen im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen und ein berechtigtes Interesse dieser Personen, nur durch die in der Sitzung Anwesenden wahrgenommen zu werden, angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit für ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren regelmäßig nicht anzunehmen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 21. Juli 2000 - 1 BvQ 17/00 - DVBl 2000, 1778 <1779> und vom 7. Juni 2007 - 1 BvR 1438/07 - NJW-RR 2007, 1416; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 620/07 - BVerfGE 119, 309 <323 f.>; Kammerbeschluss vom 30. März 2012 - 1 BvR 711/12 - NJW 2012, 2178 <2179>). Diese auf das Recht am eigenen Bild bezogene Rechtsprechung kann auf den Fall, dass das Recht am eigenen Namen betroffen ist, übertragen werden.

36 Etwaigen persönlichkeitsrechtlichen Risiken sind die genannten Personen hier-durch nicht schutzlos ausgesetzt. Die Rechtsordnung gibt ihnen Instrumente an die Hand, um sich gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Seiten der Presse angemessen zur Wehr setzen zu können. Die Offenbarung ihres Namens an die Presse entbindet diese nicht davon, beim weiteren Umgang mit der erlangten Information ihre Persönlichkeitsrechte zu wahren. Auch öffentliche Amtsträger sind - auch hinsichtlich ihrer Amtstätigkeit - in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts einbezogen (vgl. Urteil vom 23. Juni 2004 - BVerwG 3 C 41.03 - BVerwGE 121, 115 <125 f.> = Buchholz 115 Sonst. Wiedervereinigungsrecht Nr. 49 S. 89).

37 dd. Ein Vorrang der Persönlichkeitsrechte von mitwirkenden Verteidigern und Staatsanwälten gegenüber dem Informationsinteresse der Presse ist bei Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann anzunehmen, sofern diese Personen erhebliche Belästigungen oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter zu befürchten haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 a.a.O. S. 324; Kammerbeschluss vom 21. Juli 2000 a.a.O.). Für solche Befürchtungen bestand nach dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt jedoch kein Grund. Dies gilt auch für die - hier maßgebliche - Erkenntnislage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Direktors des Amtsgerichts über das Auskunftsersuchen des Klägers.

38 ee. Der Verwaltungsgerichtshof durfte dem Auskunftsinteresse des Klägers nicht aufgrund der Erwägung Nachrang gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Verteidigers und des Staatsanwalts einräumen, diese trügen keine unmittelbare Verantwortung für das Strafurteil vom 2. Juli 2009, so dass die Kenntnis ihrer Namen für das Verständnis des Falles nicht bedeutsam gewesen sei.

39 (1) Mit dieser Erwägung lässt sich zum einen nicht begründen, dass das grundrechtliche Gewicht der Persönlichkeitsrechte des Verteidigers und des Staatsanwalts höher als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen wäre. Zwar ist ihre Verantwortung für Verlauf und Ausgang des gerichtlichen Verfahrens nicht dieselbe wie bei Mitgliedern des gerichtlichen Spruchkörpers. Jedoch verfügen Verteidiger und Staatsanwalt über eigene Verfahrensrechte und haben hierüber substantiellen Einfluss auf die gerichtliche Wahrheits- und Entscheidungsfindung. Die Informations- und Kontrollzwecke des Öffentlichkeitsgrundsatzes greifen aus diesem Grund auch ihnen gegenüber.

40 (2) Die genannte Erwägung rechtfertigt zum anderen nicht, das grundrechtliche Gewicht des Auskunftsinteresses des Klägers geringer als vorstehend ausgeführt zu veranschlagen.

41 Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse wäre es nicht vereinbar, wenn die Durchsetzung ihres Informationsinteresses von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhinge. Die Presse muss nach publizistischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für Wert hält und was nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - BVerfGE 101, 361 <389>; Kammerbeschluss vom 28. August 2000 - 1 BvR 1307/91 - NJW 2001, 503 <505>). Diese Maßgaben, die sich als Gebot staatlicher Inhaltsneutralität verstehen lassen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 a.a.O. S. 506), sind nicht nur für das Stadium der Publikation, sondern auch für das vorgelagerte Stadium der Recherche von Belang. Es ist Sache der Presse, selbst zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer möglichen Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Staatlichen Stellen dürfen sich keine Möglichkeiten bieten, über den Informationswert bestimmter Gegebenheiten mit zu entscheiden und auf diese Weise mittelbar auf den Publikationsinhalt Einfluss zu nehmen. Dem Einwand fehlender Eignung einer Information für die Aufbereitung eines bestimmten Themas steht darüber hinaus entgegen, dass die Bedeutung einer Information vielfach im Stadium vor ihrer Erhebung und zuweilen selbst im unmittelbaren Anschluss hieran noch nicht abschließend bewertet werden kann. Es liegt im Wesen der journalistischen Recherche, dass sie teilweise von unbewiesenen Hypothesen ausgeht und sich so ihr Zweck auch in der Falsifizierung bzw. darin erfüllen kann, dass von einer Publikation Abstand genommen wird. Der Aussagegehalt einzelner Informationen ergibt sich unter Umständen erst aus der Verknüpfung mit anderen, möglicherweise später gewonnenen Informationen. Einzelne Informationen können, auch wenn sie selbst nicht publikationswürdig sind, Anhaltspunkte für die Gewinnung weiterer Informationen liefern oder zur Neubewertung bereits vorliegender Informationen führen. Aus alledem ergibt sich die Notwendigkeit journalistischer Freiräume im Rahmen von Informationsanfragen und hier insbesondere bei der Beurteilung der sachlichen Notwendigkeit angefragter Informationen. Der Komplexität und möglichen Zweckfülle von Rechercheprozessen werden staatliche Stellen grundsätzlich nicht gerecht, wenn sie das grundrechtliche Gewicht eines von der Presse geltend gemachten Auskunftsinteresses von einer journalistischen Relevanzprüfung abhängig machen. Sie würden hiermit auf einen Maßstab zugreifen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ihnen, sondern der Presse überantwortet.

42 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Presse im Rahmen der Recherche zu Gerichtsverfahren auch solche personenbezogenen Informationen herausverlangen dürfte, denen selbst bei Anlegung eines großzügigen, den besonderen Funktionsbedürfnissen und Arbeitsweisen der Presse vollauf Rechnung tragenden Maßstabs jede erkennbare materielle Bedeutung im Zusammenhang mit dem verlautbarten Thema der Recherche bzw. der ins Auge gefassten Berichterstattung abgeht. Das Auskunftsinteresse der Presse genießt keinen Vorrang gegenüber dem Persönlichkeitsrecht eines an einem Gerichtsverfahren mitwirkenden nichtrichterlichen Funktionsträgers, wenn es speziell in Bezug auf diese Person im Dunkeln bleibt und so die Vermutung naheliegen muss, das Informationsverlangen erfolge insoweit „ins Blaue“ hinein oder besitze jedenfalls keinen ernsthaften sachlichen Hintergrund. Verweigert eine staatliche Stelle aus diesen Gründen die Herausgabe einer personenbezogenen Information und erläutert die Presse daraufhin nicht zumindest ansatzweise die von ihr zugrunde gelegte Einschätzung des Werts dieser Information für ihre Recherche bzw. die ins Auge gefasste Berichterstattung, muss die staatliche Stelle davon ausgehen, dass dem Informationsverlangen ein ernsthafter Hintergrund fehlt, und ist sie daher ausnahmsweise nicht zur Informationsherausgabe verpflichtet.

43 Richtet sich wie hier das Informationsverlangen darauf, bei Überlassung einer Urteilsabschrift zu Publikationszwecken auch die Namen des mitwirkenden Verteidigers und des mitwirkenden Staatsanwalts zu erfahren, kann in Anbetracht der dargelegten Stellung dieser Personen im Rahmen des Gerichtsverfahrens indes schon den äußeren Umständen nach nicht davon ausgegangen werden, das Verlangen erfolge „ins Blaue“ hinein oder ihm fehle ein ernsthafter sachlicher Hintergrund. Der Kläger war folglich insoweit nicht gehalten, gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts nähere Erläuterungen vorzunehmen.

44 (3) Keiner Erörterung bedarf im vorliegenden Zusammenhang die Frage, in welchem Umfang der Presse bei Auskunftsverlangen gegenüber staatlichen Stellen, die sich auf nicht frei zugängliche Informationen beziehen, vorgelagert die Spezifizierung des von ihr anvisierten Recherche- bzw. Publikationsthemas obliegt, um die staatliche Stelle überhaupt erst in den Stand zu versetzen, eine Abwägung mit etwaigen entgegenstehenden Rechtspositionen vorzunehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger gegenüber dem Direktor des Amtsgerichts angegeben, es gehe ihm um eine mögliche Publikation in einer juristischen Fachzeitschrift. Zu hierüber hinausgehenden Angaben war er nicht gehalten.

45 c. Der Kläger besaß einen Anspruch darauf, dass ihm die Namen des Verteidigers und des Staatsanwalts im Wege der Überlassung einer hinsichtlich dieser Personen nicht anonymisierten Abschrift des Strafurteils vom 2. Juli 2009 mitgeteilt werden. Insoweit genügt der Hinweis auf das Berufungsurteil, mit dem der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 1 LPresseG hinsichtlich der Namen der mitwirkenden Schöffen der Verpflichtungsklage des Klägers stattgegeben hat. Diese Entscheidung ist mangels entgegenstehender Hinweise in den Entscheidungsgründen so zu verstehen, dass sie - entsprechend dem ausdrücklich hierauf abzielenden Klagebegehren - den Beklagten zur Nennung der Namen der Schöffen speziell im Wege der Urteilsüberlassung verpflichtet hat. Für den Anspruch auf Auskunft über den Namen von Verteidiger und Staatsanwalt kann im Hinblick auf diese Modalität der Auskunftserteilung landesrechtlich nichts anderes gelten.

46 4. Das Feststellungsbegehren ist hinsichtlich der Auskunftserteilung über den Namen der Urkundsbeamtin unbegründet. Ihr Persönlichkeitsrecht überwog im vorliegenden Fall das Auskunftsinteresse des Klägers. Insoweit verstößt das Berufungsurteil im Ergebnis nicht gegen revisibles Recht.

47 Es kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass der Urkundsbeamtin eine vergleichsweise untergeordnete Funktion im Rahmen der gerichtlichen Wahrheits- und Entscheidungsfindung zukommt. Jedenfalls musste für den Direktor des Amtsgerichts Nürtingen hinsichtlich ihrer Person im Dunkeln bleiben, welches Informationsinteresse der Kläger mit seinem Auskunftsverlangen verfolgte. Weder im Rahmen eines bloßen Urteilsabdrucks, noch im Rahmen einer Urteilsbesprechung entspricht es auch nur annähernd einer geläufigen journalistischen Praxis, auf die Person des Urkundsbeamten einzugehen oder gar dessen Namen zu publizieren. Der Verdacht, dass insoweit dem Auskunftsverlangen des Klägers ein ernsthafter sachlicher Hintergrund fehlte, lag daher nahe. Ausgehend von den oben dargelegten Maßstäben hätte es bei dieser Sachlage dem Kläger oblegen, sein Auskunftsinteresse zumindest ansatzweise zu substantiieren, nachdem ihm von Seiten des Amtsgerichtsdirektors die Einschätzung mitgeteilt worden war, der Name der Urkundsbeamtin sei „ohne Belang“. Zu diesem Schritt hat sich der Kläger jedoch nicht bereitgefunden.

48 5. Kein anderes Ergebnis ergibt sich im Lichte sonstiger Vorschriften.

49 a. Dies gilt zum einen für § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO, sofern man diese Vorschrift hier überhaupt für anwendbar halten sollte. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO sind Auskünfte zu erteilen, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse dargelegt wird. Gemäß § 475 Abs. 1 Satz 2 StPO sind sie zu versagen, wenn der hiervon Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat. Bei Anwen-dung dieser Maßgaben gelangt man jeweils zu den gleichen Erwägungen, wie sie vorstehend ausgeführt worden sind.

50 b. Für einen Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 GG bestand schon in Anbetracht der abschließenden, die verfassungsrechtliche Position der Presse hinreichend berücksichtigenden gesetzlichen Regelungen in § 4 LPresseG kein Raum.

51 c. Der Senat hat in einem Urteil vom 26. Februar 1997 - BVerwG 6 C 3.96 - (BVerwGE 104, 105 ff. = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 155) aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährleistungspflicht, dem Demokratiegebot sowie dem Grundsatz der Gewaltenteilung einen Verfassungsauftrag aller Gerichte hergeleitet, die Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 108 f. bzw. 8 f.). Hierzu seien zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten, des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses auf einer ersten Stufe herausgabefähige, insbesondere anonymisierte und neutralisierte Fassungen der zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen herzustellen (Urteil vom 26. Februar 1997 a.a.O. S. 111 f. bzw. 10 f.). Für das vorliegende Verfahren kann dieses Urteil außer Betracht bleiben. Die danach bestehende verfassungsunmittelbare Herausgabepflicht reicht nicht weiter als die Herausgabepflicht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 LPresseG, die gegenüber jener Anwendungsvorrang genießt. Auf der anderen Seite hat der Senat mit diesem Urteil ersichtlich nicht zum Ausdruck bringen wollen, es sei unter jeglichen Umständen verfassungsrechtlich geboten, Gerichtsentscheidungen Dritten, insbesondere auch Pressevertretern, ausschließlich bei Anonymisierung sämtlicher am Gerichtsverfahren mitwirkenden Personen zugänglich zu machen.

52 6. Das im Berufungsurteil hervorgehobene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 14. November 2002 in der Sache „Wirtschafts-Trend“ Zeitschriften-Verlagsgesellschaft mbH gegen Österreich - Nr. 62746/00 - (Slg. 2002-X, 281 ff.) steht nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung. Zu entscheiden war dort über einen Pressebericht zu einem Abschiebungsversuch, der mit dem Tod des Abzuschiebenden endete. In dem Pressebericht waren Details aus strafrechtlichen Vorermittlungen gegen drei die Abschiebung begleitende Polizeibeamte sowie der Name eines dieser Beamten veröffentlicht worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seinem Urteil das Persönlichkeitsrecht des namentlich erwähnten Polizeibeamten höher gewichtet als das Auskunftsinteresse der Presse und es hiervon ausgehend für vereinbar mit Art. 10 EMRK gehalten, dass das Presseunternehmen zur Schadensersatzleistung gegenüber dem Polizeibeamten verurteilt worden war. Er hat sich hierbei mit auf die Erwägung gestützt, die Offenlegung des Namens des Polizeibeamten hätte keinen zusätzlichen Informationswert von derartigem Gewicht gehabt, dass er das Interesse dieses Beamten an der Nichtoffenlegung seiner Identität überwogen hätte („The disclosure of his full name did not add anything of public interest to the information already given in the article that could have outweighed the interests of the person concerned in non-disclosure of his identity“). Der Gerichtshof hat sich allerdings zusätzlich auf weitere Erwägungen gestützt, insbesondere darauf, dass sich die strafrechtlichen Vorermittlungen noch in einem frühen Stadium befunden hatten und dass das Privatleben des benannten Polizeibeamten durch die Veröffentlichung tatsächlich beeinträchtigt worden war. Der im hier zu entscheidenden Fall zentrale Gesichtspunkt, dass das Persönlichkeitsrecht von Verteidigern und Staatsanwälten, die an gerichtlichen Verhandlungen mitwirken, infolge des Öffentlichkeitsgrundsatzes in seinem Gewicht gemindert ist, konnte in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall nicht zum Tragen kommen. Mit Rücksicht auf diese Umstände ist die genannte Erwägung des Gerichtshofs zum fehlenden Informationswert des offengelegten Namens des Polizeibeamten auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

53 7. Die Kostenentscheidung, in die der rechtskräftig gewordene Teil der vorinstanzlichen Kostenentscheidung einzubeziehen ist, beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Neumann    Dr. Möller    Hahn    Prof. Dr. Hecker    Dr. Decker