hat die 3.
Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Kirchhof, den Richter
Masing und die
Richterin Baer
am 26.
Februar 2015 einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Amtsgerichts Bückeburg
vom 7. November 2013 - 60 Ds 407 Js 4872/13 (39/13) -, soweit
die Beschwerdeführerin wegen Beleidigung verurteilt ist, und
der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 11. März 2014 -
31 Ss 14/14 -, soweit die Revision der Beschwerdeführerin
gegen den Schuldspruch wegen Beleidigung verworfen wird, verletzen die
Beschwerdeführerin jeweils in ihrem Grundrecht aus Artikel 5
Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.
Die
Entscheidungen werden hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Beleidigung
und der gemäß § 15 Jugendgerichtsgesetz
verhängten Auflage aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der
Aufhebung zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht
Bückeburg zurückverwiesen.
Das Land
Niedersachsen hat der Beschwerdeführerin die notwendigen
Auslagen zu erstatten.
Der Wert
des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im
Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten:
fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt. Gründe:
I.
Die
Verfassungsbeschwerde betrifft eine strafrechtliche Verurteilung wegen
Beleidigung.
1. Im Juli
2013 wurde die Beschwerdeführerin von einer Polizeistreife in
ihrem Wohnort Bückeburg
angetroffen, als sie einen Anstecker trug, der mit der
Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschriftet war.
Sie war auf Aufforderung nicht bereit, ihn abzunehmen. Auf diesen
Vorgang beziehen sich Verurteilung und Verfassungsbeschwerde.
Einige
Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, bei
dem die Beschwerdeführerin ein T-Shirt mit der genannten
Buchstabenfolge getragen hatte und anlässlich dessen die
kontrollierenden Polizeibeamten geäußert hatten, das
Tragen dieses Schriftzugs stelle eine Beleidigung dar, die in Zukunft
nicht mehr toleriert werde.
2. Mit
angegriffenem Urteil verurteilte das Amtsgericht - Jugendrichter - die
Beschwerdeführerin aufgrund dieser hinsichtlich der
äußeren Vorgänge unstreitigen
Feststellungen zum Sachverhalt wegen Beleidigung und gab ihr unter
Einbeziehung einer hier nicht angegriffenen tatmehrheitlichen weiteren
Verurteilung die Erbringung von 15 Stunden gemeinnütziger
Arbeit auf. Das Gericht begründete die Verurteilung damit,
dass „FCK CPS“ als Abkürzung für
„Fuck Cops“ stehe, was mittlerweile einem
großen Personenkreis bekannt sei. Diese
Äußerung sei eine Kundgabe der Missachtung, weil sie
den sozialen Wert der betroffenen Personen im Amt betreffe und
schmälern solle. Bei verständiger Würdigung
der Gesamtumstände und insbesondere der früheren
Kontrolle liege eine hinreichende Individualisierung der
Äußerung auf die Beamten des örtlichen
Polizeikommissariats vor, die eine überschaubare und
hinreichend abgrenzbare Gruppe bildeten.
3. Die
hiergegen gerichtete Revision der Beschwerdeführerin verwarf
das Oberlandesgericht gemäß § 349 Abs. 2
StPO mit angegriffenem Beschluss als unbegründet.
4. Mit
ihrer daraufhin erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Meinungsfreiheit aus
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
5. Dem
Niedersächsischen Justizministerium wurde Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die
Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.
II.
Die
Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs.
2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur
Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt
ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende
Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Das
Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits
entschieden. Dies gilt namentlich für den Einfluss des
Grundrechts der Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung von dieses
Grundrecht beschränkenden Strafvorschriften (vgl. BVerfGE 43,
130 <136 f.>; 82, 43 <50 ff.>; 93, 266
<292 ff.>).
2. Die
Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des §
93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die
angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin
in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
a) Die
strafrechtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin greift in
die Freiheit der Meinungsäußerung ein. Das Tragen
des Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“
fällt in den Schutzbereich des Grundrechts. Meinungen sind im
Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung
des sich Äußernden zum Gegenstand der
Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil
über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266
<289>). Sie genießen den Schutz des
Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die
Äußerung begründet oder grundlos, emotional
oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder
harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241
<247>; 124, 300 <320>). Der Aufdruck
„FCK CPS“ ist nicht von vornherein offensichtlich
inhaltlos, sondern bringt eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein
Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen
Ordnungsmacht zum Ausdruck. Es handelt sich um eine
Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG. Die
an die Äußerung anknüpfende strafrechtliche
Verurteilung greift in das Grundrecht ein.
b) Das
Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos
gewährleistet, sondern unterliegt nach Art. 5 Abs. 2 GG den
Schranken, die sich aus den allgemeinen Gesetzen sowie den gesetzlichen
Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der
persönlichen Ehre ergeben. § 185 StGB ist als
allgemeines Gesetz geeignet, der freien
Meinungsäußerung Schranken zu setzen (vgl. BVerfGE
93, 266 <290 f.>).
c) Der
Eingriff in die Meinungsfreiheit ist nicht gerechtfertigt, weil die
verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Anwendung und Auslegung des
§ 185 StGB als Schranke der freien
Meinungsäußerung nicht gewahrt sind.
Die
Auslegung und Anwendung der Strafgesetze ist grundsätzlich
Aufgabe der Fachgerichte. Gesetze, die in die Meinungsfreiheit
eingreifen, müssen dabei jedoch so interpretiert werden, dass
der prinzipielle Gehalt dieses Rechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Es
findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar
dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus
der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im
freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das
Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt
werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>;
124, 300 <324>; stRspr).
Es bedarf
hier keiner Entscheidung, wieweit die Verwendung des bewusst
kryptischen und damit bewusst unklar oder mehrdeutig gehaltenen
Kürzels einer Beurteilung zugänglich ist, als ob der
diesen Kürzeln unterliegende Sinn ausdrücklich
geäußert worden wäre. Denn das Amtsgericht
hat die verfassungsrechtlichen Maßstäbe jedenfalls
dadurch verkannt, dass es eine hinreichende Individualisierung des
negativen Werturteils angenommen hat.
Allerdings
findet die Meinungsfreiheit in den allgemeinen Gesetzen und der durch
diese geschützten Rechte Dritter ihre Grenze. Dies ist der
Fall, wenn eine Meinungsäußerung die Betroffenen
ungerechtfertigt in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und
der durch sie geschützten persönlichen Ehre verletzt.
Dabei kann eine herabsetzende Äußerung, die weder
bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen
bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein
Kollektiv erfasst, unter bestimmten Umständen auch ein Angriff
auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein
(vgl. BVerfGE 93, 266 <299>).
Je
größer das Kollektiv ist, auf das sich die
herabsetzende Äußerung bezieht, desto
schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des
einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an
große Kollektive meist nicht um das individuelle
Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den
aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und
seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen
Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der
imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle
Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren
Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende
Äußerung über menschliche Eigenschaften
schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder
Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die
persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93,
266 <301 f.>). Es ist verfassungsrechtlich nicht
zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im
Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als
auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu
behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der
allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE
93, 266 <302 f.>).
Diesen
Vorgaben wird das Urteil des Amtsgerichts nicht gerecht. Es fehlt an
hinreichenden Feststellungen zu den Umständen, die die
Beurteilung tragen könnten, dass sich die
Äußerung auf eine hinreichend überschaubare
und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Es reicht nach den dargelegten
Maßstäben nicht aus, dass die Kräfte des
örtlichen Polizeikommissariats eine Teilgruppe aller
Polizisten und Polizistinnen sind. Vielmehr bedarf es einer
personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich
ist. Es kann nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu
entnehmende Äußerung allein durch das
Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den
kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese
konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hat. Auch die Feststellung des
Amtsgerichts, die Konkretisierung sei wegen des Vorfalls einige Wochen
früher eingetreten, ist nicht tragfähig. Es liegen
keinerlei Feststellungen dazu vor, dass sich die
Beschwerdeführerin vorsätzlich in eine Situation
begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger
Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Der bloße
Aufenthalt im öffentlichen Raum reicht nach den
verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Benennung der Umstände
nicht aus, die eine aus dem Wortlaut einer Äußerung
nicht erkennbare Konkretisierung bewirken.
d) Da das
Oberlandesgericht die Revision als offensichtlich unbegründet
erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln
wie das Urteil des Amtsgerichts.
e) Die
angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten
verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen,
dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen
Entscheidung in der Sache kommen wird.
3. Die
Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der
Beschwerdeführerin folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2
Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365
<366 ff.>).