Kuendigung,
Unterlassungsvertrag, BGH, Urteil
zurück
Aktenzeichen: VI ZR 52/09
|
Verkündet
am:
09.03.2010 |
BUNDESGERICHTSHOF
Im
Namen
des Volkes
Urteil
in
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
-
Beklagte -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
Tenor:
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 9. März 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter
Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz für Recht
erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. Januar 2009 wird als
unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Feststellung
des Nichtbestehens einer Rückzahlungsverpflichtung der
Klägerin in Höhe von 775, 64 € und die
Verurteilung der Beklagten zur Freistellung der Klägerin von
der Gebührenforderung ihrer Anwälte in Höhe
von 430, 66 € richtet.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand:
Die
Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung aus einem
presserechtlichen Unterlassungsvertrag sowie auf Freistellung von der
Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in
Anspruch.
Die
Beklagte veröffentlichte am 25. März 2007 u. a. auf
ihrer Internetseite einen Artikel über drei ehemalige, zu
dieser Zeit noch inhaftierte RAF-Terroristen, der mit einem
kontextneutralen Foto der Klägerin illustriert war. In der
Bildunterschrift hieß es, auch die Klägerin
könnte auf Bewährung aus der Haft entlassen werden.
Am 27. März 2007 mahnte die Klägerin die Beklagte
wegen der Veröffentlichung ihres Fotos unter Hinweis darauf
ab, dass sie beim Landgericht Berlin gegen mehrere andere Presseorgane
einstweilige Verfügungen erwirkt habe, mit denen u. a. die
Verbreitung des betroffenen Bildnisses verboten worden sei. Mit
Schreiben vom 28. März 2007 verpflichtete sich die Beklagte
zur Vermeidung einer weiteren Auseinandersetzung strafbewehrt, das
Bildnis der Klägerin im Zusammenhang mit Berichten
über deren Haftlockerungen und/ oder bevorstehende Entlassung
künftig nicht mehr zu verbreiten. Die Klägerin nahm
die Erklärung an. Die Beklagte beglich die der
Klägerin für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten
in Höhe von 775, 64 €.
Mit
Urteilen vom 3. bzw. 8. Mai 2007 hob das Landgericht Berlin die von ihm
in zwei der von der Klägerin gegen andere Presseorgane
eingeleiteten Verfahren erlassenen Beschlussverfügungen auf,
weil die beanstandeten Veröffentlichungen
rechtmäßig seien und ein Unterlassungsanspruch nicht
bestehe.
Die
Beklagte begehrte am 14. Mai 2007 die Rückzahlung der an die
Klägerin gezahlten Anwaltskosten, weil sich aus den Urteilen
des Landgerichts Berlin ergebe, dass auch ihre
Veröffentlichung nicht rechtswidrig gewesen sei. Am 16. Mai
2007 kündigte die Beklagte den Unterlassungsvertrag. Mit
Beschlüssen vom 2. Juli 2007 wies das Kammergericht die
Anträge der Klägerin auf Gewährung von
Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen die
Urteile des Landgerichts Berlin mangels hinreichender Erfolgsaussicht
zurück.
Die
Klägerin begehrt die Feststellung der Verpflichtung der
Beklagten, es zu unterlassen, das Bildnis der Klägerin im
Zusammenhang mit Berichten über Haftlockerungen und/ oder ihre
bevorstehende Entlassung, wie in dem Artikel der Beklagten vom 25.
März 2007 geschehen, zu verbreiten. Darüber hinaus
begehrt sie die Feststellung, dass sie zur Rückzahlung der
Kosten in Höhe von 775, 64 € nicht verpflichtet sei,
sowie Freistellung von der infolge der Kündigung des
Unterlassungsvertrags durch die Beklagte entstandenen
Gebührenforderung ihrer Rechtsanwälte in
Höhe von 430, 66 €.
Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil
aufgehoben und der Klage stattgegeben. Mit der vom Oberlandesgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung
der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte sei an den
Unterlassungsvertrag gebunden. Der Vertrag sei weder angefochten noch
unter eine auflösende Bedingung gestellt worden. Auf eine
Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB
könne sich die Beklagte nicht berufen, weil es an der
erforderlichen nachträglichen, aus der Risikosphäre
der Klägerin stammenden Veränderung der
Vertragsgrundlage fehle. Die Abänderung der
Beschlussverfügungen durch das Landgericht Berlin und die
Versagung von Prozesskostenhilfe durch das Kammergericht
hätten nicht im Risikobereich der Klägerin gelegen,
sondern beruhten auf dem Widerspruch des dortigen Prozessgegners der
Klägerin und der geänderten Sichtweise des
Landgerichts Berlin.
Die
Kündigung könne auch nicht auf § 313 Abs. 3
Satz 2 BGB gestützt werden. Die Parteien hätten zur
Vermeidung einer weiteren Auseinandersetzung eine unbedingte
Unterlassungsverpflichtung vereinbart, die nicht von späteren
Ereignissen abhängig gemacht und insbesondere nicht an den
Bestand der einstweiligen Verfügungen geknüpft worden
sei. Die einstweiligen Verfügungen und deren Richtigkeit seien
zwar möglicherweise Geschäftsgrundlage gewesen, weil
sich die Klägerin auf sie berufen habe und ihr
Unterlassungsanspruch durch die mitgeteilte erfolgreiche gerichtliche
Geltendmachung besonderes Gewicht erhalten habe. Allerdings sei zu
berücksichtigen, dass die Vereinbarung der Unterlassung nur
auf der Basis einer Beschlussverfügung eines erstinstanzlichen
Gerichts erfolgt sei, bei der ein hohes Risiko einer späteren
Abänderung bestehe. Der Beklagten sei diese Problematik
bewusst gewesen, da ihre Personal- und Rechtsabteilung die
Erklärung abgegeben habe.
Von
einer schwerwiegenden Änderung der Verhältnisse sei
nicht auszugehen. Die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen
und die Feststellung der Rechtmäßigkeit der
Veröffentlichung hätten dem geltend gemachten
Unterlassungsanspruch zwar den Boden entzogen, denn Grundlage des
Unterlassungsvertrags sei auch die gerichtlich festgestellte
einstweilige Unterlassungsverpflichtung in einem praktisch identisch
gelagerten Sachverhalt gewesen. Die Abänderung der
einstweiligen Verfügungen sei aber in einem dafür
vorgesehenen Verfahren erfolgt und deshalb vorherzusehen gewesen. Die
Beklagte habe sich trotz der Vorläufigkeit einer einstweiligen
Verfügung und deren möglicher Abänderung auf
eine endgültige vertragliche Bindung eingelassen, womit die
Unterlassungsverpflichtung von den einstweiligen Verfügungen
losgelöst worden sei. Dieses von ihr übernommene
vertragliche Risiko gehe zu Lasten der Beklagten. Aufgrund der
vertraglichen Zuweisung des Risikos einer Abänderung in die
Sphäre der Beklagten sei es dieser auch zuzumuten, an dem
Unterlassungsvertrag festgehalten zu werden. Die Parteien
hätten eine endgültige Regelung der
Unterlassungsansprüche der Klägerin vereinbart. Ziel
sei auch die Beseitigung der rechtlichen Unsicherheit über das
Bestehen eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs gewesen. Die
Beklagte könne sich nicht unter Berufung auf einen Wegfall der
Geschäftsgrundlage von einer Unterlassungsverpflichtung
befreien, die sie aufgrund besserer Rechtskenntnis bereue, eingegangen
zu sein. Auch der hohe Stellenwert der Meinungs- und Pressefreiheit
ändere daran nichts.
Da
der Unterlassungsvertrag Bestand habe, stehe der Beklagten ein Anspruch
auf Rückzahlung der bezahlten Anwaltskosten in Höhe
von 775, 64 € nicht zu. Die Klägerin habe Anspruch
auf Freistellung von den weiteren Anwaltskosten, weil die Berufung der
Beklagten auf ein ihr nicht zustehendes Kündigungsrecht eine
Verletzung der Pflichten aus dem Unterlassungsvertrag nach §
280 Abs. 1 BGB darstelle.
B.
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Die Revision ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen die
Feststellung des Nichtbestehens einer
Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin in
Höhe von 775, 64 € und die Verurteilung der Beklagten
zur Freistellung der Klägerin von der
Gebührenforderung ihrer Anwälte in Höhe von
430, 66 € richtet. Insoweit fehlt es an einer hinreichenden
Rechtsmittelbegründung (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
ZPO). Die Revisionsbegründung muss erkennen lassen, aus
welchen Gründen das angefochtene Urteil in rechtlicher und/
oder tatsächlicher Hinsicht unrichtig sein soll. Im Falle
einer uneingeschränkten Anfechtung wie im Streitfall muss die
Revisionsbegründung das gesamte Urteil in Frage stellen. Daran
fehlt es, soweit bezüglich quantitativ abgegrenzter Teile des
Streitgegenstands oder hinsichtlich eines von mehreren
Streitgegenständen kein konkreter Angriff erfolgt, es sei
denn, es wird wenigstens eine den gesamten Anspruch durchgehend
erfassende Rüge erhoben (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar
1990 - IX ZB 89/ 89 - NJW 1990, 1184; Urteile vom 13. Februar 1997 -
III ZR 285/ 95 - NJW 1997, 1309; vom 13. November 1997 - VII ZR 199/ 96
- NJW 1998, 1081, 1082; vom 11. November 1999 - III ZR 98/ 99 - NJW
2000, 947; Musielak-Ball, ZPO, 6. Aufl., § 551 Rn. 8 und
§ 520 Rn. 38 ff.). Diesen Anforderungen genügt die
Revisionsbegründung nicht. Die Revision hat sich nicht mit den
für die Feststellung des Nichtbestehens einer
Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin und
für die Zuerkennung des Freistellungsanspruchs tragenden
Gründen des angefochtenen Urteils auseinandergesetzt.
II.
Soweit die Revision zulässig ist, hat sie in der Sache keinen
Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte
zur Unterlassung der Verbreitung des Bildes der Klägerin im
Zusammenhang mit Berichten über Haftlockerungen oder
über ihre bevorstehende Entlassung, wie im Artikel der
Beklagten vom 25. März 2007 geschehen, verpflichtet ist.
1.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen den
Parteien aufgrund der Unterwerfungserklärung der Beklagten vom
28. März 2007 und der Annahme dieser Erklärung durch
die Klägerin ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist,
der weder aufgrund einer Anfechtung durch die Beklagte nach §
119 Abs. 2, §§ 123, 142, 143 BGB nichtig noch infolge
des Eintritts einer auflösenden Bedingung
gemäß § 158 Abs. 2 BGB beendet ist. Dies
nimmt die Revision hin und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
2.
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, die Beklagte habe sich von diesem Vertrag nicht
durch außerordentliche Kündigung lösen
können.
a)
Ein Unterlassungsvertrag kann wie jedes andere
Dauerschuldverhältnis auch ohne eine entsprechende
vertragliche Vereinbarung gemäß § 314 BGB
aus wichtigem Grunde gekündigt werden (vgl. BGHZ 133, 316, 319
ff. - Altunterwerfung I; 133, 331, 335 ff. - Altunterwerfung II;
MünchKomm-BGB/ Gaier, 5. Aufl., § 314 Rn. 5;
Gottschalk, GRUR 2004, 827, 829). Voraussetzung für eine
solche außerordentliche Kündigung ist, dass dem
Unterlassungsschuldner die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der
beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann (§ 314
Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn
die Gründe, auf die die Kündigung gestützt
wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen (vgl. BGHZ
133, 316, 320 f. - Altunterwerfung I; 133, 331, 336 ff. -
Altunterwerfung II; 136, 161, 164; BGH, Urteil vom 27. März
1991 - IV ZR 130/ 90 - NJW 1991, 1828, 1829; Urteil vom 29. November
1995 - XII ZR 230/ 94 - NJW 1996, 714, jeweils m. w. N.). Die
Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem
Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (vgl.
BGHZ 101, 143, 151 f.; 152, 114; 181, 77, 97 - DAX; BGH, Urteile vom
16. Februar 2000 - XII ZR 279/ 97 - NJW 2000, 1714, 1716; vom 21.
September 2005 - XII ZR 66/ 03 - NJW 2006, 899, 901 f.; Palandt/
Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 314 Rn. 9, §
313 Rn. 19; Bamberger/ Roth/ Unberath, BGB, 2010, § 314 Rn.
13, § 313 Rn. 27). Das Kündigungsrecht trägt
damit auch dem Umstand Rechnung, dass sich bei einem auf Dauer
angelegten Vertragsverhältnis im Laufe der Zeit
unvorhergesehene Umstände einstellen können, die die
Parteien - wären sie ihnen bekannt gewesen - bei
Vertragsschluss berücksichtigt hätten (vgl. BGHZ 133,
316, 320 f. - Altunterwerfung I; 133, 331, 336 ff. - Altunterwerfung
II).
b)
Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das
Berufungsgericht in der Aufhebung der einstweiligen
Beschlussverfügungen durch das Landgericht Berlin keinen die
Beklagte zur außerordentlichen Kündigung
berechtigenden Grund gesehen hat, weil dieser Umstand nicht im
Risikobereich der Klägerin gelegen habe.
aa)
Die Frage, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 BGB
gegeben ist, ist weitgehend eine Tatsachenfrage; sie ist
revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das
Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt hat,
ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensfehler unterlaufen
sind und ob es den Tatsachenstoff vollständig
gewürdigt hat (vgl. BGHZ 154, 146, 153; BGH, Urteil vom 17.
Januar 2001 - VIII ZR 186/ 99 - NJW-RR 2001, 677, 678).
bb)
Dieser Überprüfung hält das Berufungsurteil
im Ergebnis stand.
(1)
Das Berufungsgericht ist zutreffend von den unter a) dargestellten
Grundsätzen ausgegangen. Es hat - von der Revision
unbeanstandet - festgestellt, dass der Beklagten das Risiko, dass die
ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangenen einstweiligen
Verfügungen des Landgerichts Berlin im weiteren Verfahren
abgeändert werden würden, bekannt war, und dem
Unterlassungsvertrag im Wege der Auslegung entnommen, dass die Beklagte
dieses Risiko vertraglich übernommen habe. Denn sie habe sich
trotz der ihr bekannten Vorläufigkeit der gerichtlichen
Entscheidungen und deren möglicher Abänderung im
weiteren Verfahren auf eine endgültige und
uneingeschränkte vertragliche Bindung eingelassen und ihre
Unterlassungsverpflichtung damit von den ergangenen einstweiligen
Verfügungen losgelöst. Ziel der Vereinbarung sei die
Beseitigung der rechtlichen Unsicherheit gewesen, ob ein
Unterlassungsanspruch bestehe, sowie die kostengünstige
Streitbeilegung.
(2)
Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das
Berufungsgericht hat weder Auslegungsregeln, Denkgesetze oder
Erfahrungssätze verletzt noch wesentliche Umstände
unbeachtet gelassen (vgl. zur eingeschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung individueller
Unterlassungsvereinbarungen BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - I ZR 37/ 07
- WRP 2010, 100 - Unrichtige Aufsichtsbehörde, m. w. N.).
Für die Auslegung des Berufungsgerichts spricht der Wortlaut
der von der Beklagten abgegebenen Unterwerfungserklärung,
wonach sich die Beklagte zur Vermeidung einer weiteren
Auseinandersetzung endgültig und uneingeschränkt zur
Unterlassung verpflichtet hat.
Soweit
die Revision geltend macht, es sei der für die
Klägerin erkennbare Wille der Beklagten gewesen, sich
rechtmäßig zu verhalten, also rechtswidrige
Bildveröffentlichungen zu unterlassen, ohne einen weiteren
Rechtsstreit zu beginnen, mit der Folge, dass sie zur fristlosen
Kündigung berechtigt sei, wenn keine
Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliege, setzt sie lediglich
in revisionsrechtlich unbeachtlicher Weise ihre eigene Beurteilung an
die Stelle der tatrichterlichen Würdigung. Sie
berücksichtigt überdies nicht hinreichend, dass der
Unterlassungsvertrag eine abstrakte Unterlassungsverpflichtung schafft,
die in ihrem Bestand nicht davon abhängig ist, dass das
fragliche Verhalten auch mit Hilfe eines gesetzlichen
Unterlassungsanspruchs unterbunden werden könnte. Der
Unterlassungsvertrag dient in aller Regel einer
kostengünstigen Streitbeilegung; dem Wesen eines solchen
Vertrages widerspräche es, wenn der Schuldner seine
vertragliche Unterlassungspflicht jederzeit mit dem Argument
ausräumen könnte, das nach dem Vertrag untersagte
Verhalten sei in Wirklichkeit nicht rechtswidrig (vgl. BGHZ 133, 331,
333 - Altunterwerfung II).
(3)
Entgegen der Auffassung der Revision ist eine abweichende Beurteilung
auch nicht deshalb geboten, weil ein der Risikosphäre des
Gläubigers zuzurechnender und die außerordentliche
Kündigung des Unterlassungsvertrags rechtfertigender Umstand
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann
anzunehmen ist, wenn der einem vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde
liegende gesetzliche Unterlassungsanspruch infolge einer
nachträglichen Gesetzesänderung weggefallen ist. Denn
eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Die erneute
Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos,
wie in dem Artikel der Beklagten vom 25. März 2007 geschehen,
ist nicht infolge einer Gesetzesänderung nachträglich
rechtmäßig geworden. Die
streitgegenständliche Fallkonstellation kann der zuvor
genannten auch nicht gleichgestellt werden. Fällt der dem
vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde liegende gesetzliche
Unterlassungsanspruch durch eine Gesetzesänderung weg, wird
die Vertragsfortsetzung für den Unterlassungsschuldner u. a.
deshalb als unzumutbar angesehen, weil er im Falle des Vorliegens eines
Unterlassungstitels die Möglichkeit hätte, die
Zwangsvollstreckung aus diesem Titel im Wege einer
Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO für
unzulässig erklären zu lassen (vgl. BGHZ 133, 316,
319 ff.; 133, 331, 334 f.). Die Unterwerfung dient der
außergerichtlichen Streiterledigung und soll dem
Gläubiger ein Mittel an die Hand geben, das dem
Vollstreckungstitel zwar nicht gleichsteht, als Sanktionsmittel aber
vergleichbare Wirkungen hat (vgl. BGHZ 130, 288, 294 - Kurze
Verjährungsfrist; ferner Teplitzky, WRP 1996, 171 ff. und WRP
1996, 1004, 1006). Sie soll den Gläubiger aber auch nicht
besser stellen, als er bei einem rechtskräftigen
Hauptsachetitel stünde. Daraus folgt, dass der
Gläubiger an der Fortsetzung des Unterlassungsvertrages kein
schützenswertes Interesse haben kann, wenn ein entsprechender
Unterlassungstitel mit der Vollstreckungsabwehrklage aus der Welt
geschafft werden könnte (vgl. BGHZ 133, 316, 322 ff.; 133,
331, 334 f.).
Im
Streitfall könnte sich die Beklagte gegen die Vollstreckung
eines inhaltsgleichen Unterlassungstitels in Gestalt eines Urteils aber
nicht erfolgreich mit einer Vollstreckungsabwehrklage wenden. Zwar ist
der Anwendungsbereich des § 767 ZPO jedenfalls im Bereich des
Wettbewerbsrechts auch eröffnet, wenn das dem
Unterlassungsschuldner untersagte Verhalten aufgrund einer
höchstrichterlichen Leitentscheidung nunmehr eindeutig als
rechtmäßig zu beurteilen ist (vgl. BGHZ 181, 373 -
Mescher weis). Denn auf diesem Rechtsgebiet hat ein Wandel in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung ähnliche
Auswirkungen wie eine Gesetzesänderung (ebenda). Dies verhilft
der Revision jedoch nicht zum Erfolg. Dabei kann dahin gestellt
bleiben, ob diese Grundsätze auf Unterlassungstitel wegen
Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die auf einer
Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen im
Einzelfall beruhen, übertragen werden können (vgl.
den Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung als
Einwendung im Sinne des § 767 ZPO grundsätzlich
verneinend BGHZ 151, 316, 326). Denn es fehlt jedenfalls an einer - in
ihren Auswirkungen einer Gesetzesänderung gleichkommenden, d.
h. die Rechtslage allgemein verbindlich klärenden (vgl.
Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 206/ 95 - GRUR 1997, 125, 128;
BGH, BGHZ 148, 368; 161, 73, 78; Urteil vom 1. April 1993 - I ZR 136/
91 - GRUR 1993, 677, 679 - Bedingte Unterwerfung; Ahrens/ Schulte, Der
Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 7 Rn. 85 ff.) -
höchstrichterlichen Leitentscheidung, aufgrund derer die
Veröffentlichung des streitgegenständlichen Fotos,
wie in dem Artikel der Beklagten vom 25. März 2007 geschehen,
nunmehr eindeutig als rechtmäßig zu beurteilen
wäre. Im Streitfall hat sich lediglich die rechtliche
Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse durch ein
erstinstanzliches Gericht nachträglich geändert, ohne
dass die Parteien des vorliegenden Verfahrens daran in irgendeiner
Weise gebunden wären. Das Landgericht Berlin hat die
Verbreitung des Bildes der Klägerin durch andere Presseorgane
in vergleichbarem Kontext im Rahmen einstweiliger
Verfügungsverfahren aufgrund einer - gegenüber der
ursprünglichen Einschätzung bei Erlass der
Beschlussverfügungen - geänderten rechtlichen
Beurteilung für rechtmäßig gehalten. Das
Kammergericht hat hiergegen gerichtete Anträge der
Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für
das Berufungsverfahren zurückgewiesen. Diese Entscheidungen
klären weder eine bislang zweifelhafte Rechtsfrage noch kommt
ihnen allgemein verbindliche Wirkung zu. Sie entfalten
gegenüber der Beklagten weder Rechtskraft noch eine sonstige
rechtliche Bindungswirkung. Das Bundesverfassungsgericht hat die
Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen die Versagung von
Prozesskostenhilfe unter anderem deshalb nicht angenommen, weil die von
der Beschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Rechtsfragen
bereits hinreichend geklärt seien (vgl. BVerfGK 12, 60).
3.
Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage zur Kündigung des
Unterlassungsvertrags berechtigt gewesen (§ 313 Abs. 3 Satz 2
BGB).
a)
Gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB kann
ein Dauerschuldverhältnis gekündigt werden, wenn sich
die Umstände, die Grundlage des Vertrags geworden sind, nach
Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien
deshalb den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen
hätten und das Festhalten am unveränderten Vertrag
nicht zumutbar ist. Während die außerordentliche
Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses ein
vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung
darstellt, durch das der Grundsatz der Vertragstreue nicht unmittelbar
berührt wird, begründet die Auflösung eines
Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine
außerhalb des Vertrages liegende, von vornherein auf
besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche
Möglichkeit, sich von den vertraglich übernommenen
Verpflichtungen zu lösen (vgl. BGHZ 133, 316, 319 ff. -
Altunterwerfung I; 133, 331, 335 ff. - Altunterwerfung II; Palandt/
Grüneberg, aaO, § 313 Rn. 1; § 314 Rn. 1).
Die Auflösung (oder Anpassung) eines Vertrages wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage muss zur Vermeidung untragbarer, mit
Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweislich
erscheinen (vgl. BGHZ 133, 316, 319 ff. - Altunterwerfung I; 133, 331,
335 ff. - Altunterwerfung II; 181, 77, 97 - DAX). Wie das
Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist für
eine Berücksichtigung von Störungen der
Geschäftsgrundlage grundsätzlich kein Raum, soweit es
um Erwartungen und Umstände geht, die nach den vertraglichen
Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen.
Eine solche vertragliche Risikoverteilung schließt
für den Betroffenen regelmäßig die
Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf den
Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. Senatsurteile
vom 28. Februar 1961 - VI ZR 95/ 60 - VersR 1961, 382 f.; vom 12. Juli
1983 - VI ZR 176/ 81 - VersR 1983, 1034, 1035; vom 19. Juni 1990 - VI
ZR 255/ 89 - VersR 1990, 984; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 154/ 07 -
NJW-RR 2008, 649, 650; vom 16. September 2008 - VI ZR 296/ 07 - VersR
2008, 1648; BGH BGHZ 120, 10, 24; 121, 378, 392; 129, 236, 253; 181,
77, 97 - DAX; Urteile vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/ 97 - aaO; vom
21. September 2005 - XII ZR 66/ 03 - aaO).
b)
Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht eine
schwerwiegende Änderung der Umstände, die die
Grundlage des Unterlassungsvertrags bildeten, zu Recht verneint. Wie
bereits unter 2. b) bb) (1) ausgeführt, hat das
Berufungsgericht - von der Revision unbeanstandet - festgestellt, dass
der Beklagten das Risiko, dass die ohne vorherige mündliche
Verhandlung ergangenen einstweiligen Verfügungen des
Landgerichts Berlin im weiteren Verfahren abgeändert werden
würden, bekannt war, und dem Unterlassungsvertrag im Wege der
Auslegung entnommen, dass die Beklagte dieses Risiko vertraglich
übernommen habe. Diese Auslegung ist, wie bereits
ausgeführt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
c)
Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, es sei der Beklagten zumutbar, an dem
Unterlassungsvertrag festgehalten zu werden. Die Revision zeigt nicht
auf, dass eine fortbestehende Bindungswirkung der von der Beklagten
eingegangenen Unterlassungsverpflichtung zu einem untragbaren, mit
Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis
führen würde. Entgegen der Auffassung der Revision
wird die Beklagte durch die vertraglich vereinbarte
Unterlassungsverpflichtung nicht "ewig" und über
Gebühr in ihrer Pressefreiheit beschränkt.
Die
übernommene Verpflichtung schränkt die Beklagte in
ihrer Berichterstattung nur geringfügig ein. Ihr ist nicht
jegliche Bildberichterstattung über die Klägerin
untersagt, sondern lediglich die Veröffentlichung eines
konkreten Fotos der Klägerin im Zusammenhang mit Berichten
über Haftlockerungen oder ihre bevorstehende Haftentlassung,
wie im Artikel der Beklagten vom 25. März 2007 geschehen.
Nachdem die Beklagte im August 2007 unter Aussetzung des Rests der
Freiheitsstrafe zur Bewährung aus der Haft entlassen worden
ist, sind Verstöße gegen diesen eng gefassten
Verbotstatbestand nur noch unter der Voraussetzung denkbar, dass die
Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen und die
Klägerin erneut inhaftiert wird. Diese Möglichkeit
besteht nur bis zum Ablauf der fünfjährigen
Bewährungszeit im Jahr 2012 (vgl. § 57a Abs. 3 Satz
1, Satz 2 i. V. m § 56 g StGB). Dabei wird auch nicht jede
erneute Veröffentlichung des streitgegenständlichen
Fotos in Zusammenhang mit einem Widerruf der Strafaussetzung einen
Verstoß gegen die von der Beklagten übernommene
Unterlassungsverpflichtung begründen.
Auf
eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 GG kann sich die Beklagte in diesem
Zusammenhang nicht berufen. Die Beklagte hat sich durch den Abschluss
des Unterlassungsvertrags selbst in der Freiheit der Berichterstattung
beschränkt. Sie hatte es in der Hand, ob und in welchem Umfang
sie sich zur Unterlassung der Bildberichterstattung verpflichtete.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO