Staatssicherheitsdienst
Stasi IM-Sekretär Berlin Ministerpräsident BGH
Urteil
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Aktenzeichen: VI ZR 233/05
|
Verkündet
am:
07.05.2007 |
BUNDESGERICHTSHOF
Im
Namen
des Volkes
Urteil
in
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Beklagte -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 7. Mai 2007
beschlossen:
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Mit den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der
Parteien zur Hauptsache sind die Urteile der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Potsdam vom 14. November 1996 und des 1. Zivilsenats des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 18. Juni 1997 wirkungslos
geworden.
Gründe:
I.
Mit dem nunmehr in der Hauptsache für erledigt
erklärten Rechtsstreit hat der Kläger vom Beklagten
die Unterlassung folgender Äußerung begehrt:
"Die Tatsache, dass Herr Stolpe, wie wir alle wissen,
IM-Sekretär, über 20 Jahre im Dienste des
Staatssicherheitsdienstes tätig, dass der die Chance
erhält, 1999 hier in Berlin, auch über Berlin
Ministerpräsident zu werden, d.h. dass ich sein Landeskind
werde, zusammen mit anderen, das verursacht mir doch erhebliche
Kopfschmerzen."
Der Kläger war in der DDR Konsistorialpräsident der
Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und nach der deutschen
Einigung Ministerpräsident des Bundeslandes Brandenburg. In
seiner Eigenschaft als Vertreter der Kirche unterhielt er von 1969 bis
1989 Kontakte zu hauptamtlichen Mitarbeitern des Ministeriums
für Staatssicherheit (MfS), welches ihn unter der Bezeichnung
"IM-Sekretär" als inoffiziellen Mitarbeiter (IM) in einem
IM-Vorgang registriert hatte.
Im Vorfeld der Volksabstimmung über die Vereinigung der
Bundesländer Berlin und Brandenburg hat der Beklagte -damals
stellvertretender Fraktions-vorsitzender der CDU im Abgeordnetenhaus
von Berlin - die umstrittene Äußerung aufgestellt.
Ihr lagen keine eigenen Recherchen des Beklagten zugrunde; dieser
verweist insoweit auf die Berichterstattung in den Medien,
behördliche Stellungnahmen, bekannt gewordene Stasi-Unterlagen
und frühere Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema.
Der Kläger begehrt die Unterlassung der
Äußerung, er sei "IM-Sekretär,
über 20 Jahre im Dienste des Staatssicherheitsdienstes
tätig" gewesen, weil dies nicht zutreffe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des
Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Mit
der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat der Beklagte
zunächst sein Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Der
Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 16. Juni 1998 (VI ZR 205/97 - BGHZ
139, 95) das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage u.a. deshalb
abgewiesen, weil die Äußerung mehrdeutig sei. Auf
die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das
Bundesverfassungsgericht das Revisionsurteil mit Beschluss vom 25.
Oktober 2005 (1 BvR 1696/98 - BVerfGE 114, 339 = NJW 2006, 207)
aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof
zurückverwiesen, weil es für künftige
Äußerungen nicht darauf ankomme, ob sie einer
für den Äußernden günstigeren
Auslegung zugänglich seien. In der mündlichen
Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof haben die Parteien die Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärt,
nachdem der Beklagte sich verpflichtet hat, die
streitgegenständliche Äußerung bei Meidung
einer Vertragsstrafe künftig weder aufzustellen noch zu
verbreiten.
Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien jeweils
beantragt, diese dem Gegner aufzuerlegen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Beklagten aufzuerlegen.
1. Über diese Kosten hat der Senat nach den - auch noch im
Revisionsverfahren zulässigen - übereinstimmenden
Erledigungserklärungen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen
gemäß § 91a ZPO zu entscheiden. Insoweit
kommt es vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits
aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht
einvernehmlich für erledigt erklärt worden
wäre (vgl. BGHZ 123, 264, 265 f.).
2. Ohne die übereinstimmende Erledigung der Hauptsache
wäre die Revision des Beklagten zurückzuweisen
gewesen.
a) Nach der durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gebotenen
Auslegung der fraglichen Äußerung hat der Beklagte
das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch eine
Tatsachenbehauptung verletzt, deren Wahrheit nicht festgestellt werden
konnte. Insbesondere war der Beklagte hierzu nicht in Wahrnehmung
berechtigter Interessen zum Zwecke der öffentlichen und
politischen Meinungsbildung des Wahlvolks in der Zeit einer
Volksabstimmung berechtigt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht auch
die Stellung des Beklagten als Parteipolitiker und Abgeordneter des
Berliner Abgeordnetenhauses mit berücksichtigt. Bei dieser
Sachlage hätte ein Unterlassungsanspruch des Klägers
analog § 1004 BGB bejaht werden müssen.
Für diese Beurteilung kommt es nicht darauf an, inwieweit den
Beklagten bei seiner Äußerung ein Verschulden traf;
denn der allein auf die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch setzt
kein schuldhaftes Verhalten voraus. Entgegen der Auffassung der
Revision ist deshalb auch ohne Bedeutung, inwieweit der Beklagte auf
Grund vorangegangener Gerichtsentscheidungen gegen den Kläger
aus dem Jahre 1993 (vgl. LG Berlin AfP 1993, 675; KG NJW-RR 1994, 926)
die Äußerung für berechtigt halten konnte.
b) Im Revisionsverfahren wäre der Sachverhalt auch nicht
anders zu beurteilen gewesen, nachdem der Beklagte nunmehr
Schriftstücke vorgelegt hat, die gemäß
§ 580 Nr. 7 lit. b ZPO einen Grund zur Wiederaufnahme des
Verfahrens darstellen sollen.
Mit Ausnahme eines Vermerks über eine
Abteilungsleiterbesprechung in der Staatssicherheit der DDR stellen die
neu vorgelegten Schriftstücke schon deshalb keinen
Wiederaufnahmegrund dar, weil sie erst nach dem Schluss der
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erstellt worden
sind. Dies schließt eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach
§ 580 Nr. 7 lit. b ZPO aus (vgl. BGHZ 30, 60, 64 f.; 46, 300,
303; BGH, Urteile vom 8. Februar 1984 - IVa ZR 203/81 - VersR 1984,
453, 455; vom 21. Dezember 1988 - IVb ZR 1/88 - NJW-RR 1989, 258).
Auch der vorgelegte Vermerk über eine
Abteilungsleiterbesprechung, wonach vom Staatssicherheitsdienst der DDR
Anfang 1970 u.a. ein "IMV" unter dem Namen Sekretär "geworben"
worden sein soll, hätte eine Aufhebung des Berufungsurteils
aus Gründen der Prozessökonomie nicht gerechtfertigt,
denn allein die Prozessökonomie würde nicht
ausreichen, im Revisionsverfahren wegen eines Restitutionsgrundes
gemäß § 580 Nr. 7 b ZPO das neu vorgelegte
Schriftstück entgegen § 559 Abs. 2 ZPO zu
berücksichtigen, um damit eine Wiederaufnahme vorwegzunehmen
(vgl. BGHZ 18, 59, 60; BGH, Urteile vom 13. Januar 2000 - IX ZB 3/99 -
BGHR ZPO § 561 Abs. 1 Satz 1 Tatsachen, neue 3; vom 18.
März 2003 - XI ZR 188/02 - NJW 2003, 2088, 2089).
c) Soweit der Beklagte geltend macht, die Verurteilung durch das
Berufungsgericht sei zu weitgehend, ist es nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht Sache des Gerichts, dem
Verletzer die Wege aufzuzeigen, die aus dem Verbot
herausführen. Vielmehr durfte die Behauptung des Beklagten in
ihrer konkret geäußerten Fassung ohne
Einschränkung verboten werden (vgl. zuletzt BGHZ 118, 53, 56;
BGH, Urteil vom 11. April 2002 - I ZR 317/99 - NJW 2002, 2096 unter II
1 b cc (3); Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und
Verfahren, 9. Aufl., 51. Kap., Rn. 25 m.w.N.).
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 14.11.1996 - 3 O 438/96 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 18.06.1997 - 1 U 33/96 -