Beschluss
TenorAuf die Rechtsbeschwerde
des Klägers wird der Beschluss des 8. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Juli 2009 aufgehoben.Die Sache wird zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.Beschwerdewert: 1.669
€GründeI.Die Parteien streiten um
Abänderung eines Urteils zum nachehelichen Unterhalt aus der
geschiedenen ersten Ehe des Klägers. Das Urteil des
Amtsgerichts vom 5. Februar 2009 ist dem Kläger nicht in
Ausfertigung, sondern in beglaubigter Abschrift am 27. März
2009 zugestellt worden. Die Berufung des Klägers gegen dieses
Urteil ist am 23. Mai 2009 beim Oberlandesgericht eingegangen, die
Berufungsbegründung am 27. Mai 2009.Das Oberlandesgericht
hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht
innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingegangen sei.
Die Berufungsfrist habe mit Zustellung der beglaubigten Abschrift des
Urteils begonnen.Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er die Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses und eine Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Berufungsgericht begehrt.II.Für das
Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das
bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der
Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl.
Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - XII ZR 50/08 - FamRZ 2010, 357 Tz.
7 m.w.N.).Die Rechtsbeschwerde ist
gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522
Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2
ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Sie ist auch
begründet.1. Die Monatsfrist zur
Einlegung der Berufung beginnt nach § 517 ZPO mit Zustellung
des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Die Zustellung
erfolgt nach § 317 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 166 Abs. 2
ZPO von Amts wegen. Freilich bleibt das Original des Urteils stets bei
den Akten. Stattdessen ist eine Ausfertigung zuzustellen
(Wieczorek/Schütze/Rensen ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7).a) Eine Ausfertigung ist
eine in gesetzlich bestimmter Form gefertigte Abschrift, die dem Zweck
dient, die bei den Akten verbleibende Urschrift nach außen zu
vertreten (Senatsbeschluss vom 30. Mai 1990 - XII ZB 33/90 - FamRZ
1990, 1227). Durch die Ausfertigung soll dem
Zustellungsempfänger die Gewähr der
Übereinstimmung mit der bei den Akten verbleibenden
Urteilsurschrift geboten werden (BGHZ 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868
m.w.N. sowie BGH Beschlüsse vom 20. Juni 1989 - X ZB 12/87 und
vom 28. November 2006 - VIII ZB 116/05 - jeweils
veröffentlicht bei juris). Der Ausfertigungsvermerk bezeugt
als eine besondere Art der Beurkundung, dass die Ausfertigung mit der
Urschrift des Urteils übereinstimmt. Wegen dieser Besonderheit
verlangt das Gesetz, dass die Ausfertigung von einem Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel
zu versehen ist (§ 317 Abs. 4 ZPO).Mit der Unterschrift
erklärt der Urkundsbeamte, dass die in der Ausfertigung
wiedergegebenen Teile des Urteils gleich lautend mit denen der
Urschrift sind. Diese Erklärung braucht nicht
wörtlich in dem Ausfertigungsvermerk enthalten zu sein. Das
Gesetz sieht eine bestimmte äußere Form für
den Ausfertigungsvermerk nicht vor (BGH Urteil vom 13. März
1969 - III ZR 178/67 - VersR 1969, 709, 710). Die Urteilsabschrift muss
aber zumindest durch die Unterschrift des Urkundsbeamten, das
Gerichtssiegel oder den Dienststempel und Worte wie "Ausfertigung" oder
"ausgefertigt" erkennen lassen, dass es sich um eine Ausfertigung im
Sinne des § 317 Abs. 4 ZPO handeln soll (BGH Urteil vom 18.
Mai 1994 - IV ZR 8/94 - VersR 1994, 1495). Der Bundesgerichtshof hat
deswegen bereits mehrfach die Zustellung beglaubigter Abschriften, die
den Beglaubigungsvermerk nicht enthielten oder ihn
unvollständig wiedergaben, für unwirksam gehalten,
weil es damit für den Zustellungsempfänger an der
Gewähr fehle, dass das ihm zugestellte Schriftstück
der Urschrift entsprach (vgl. BGHZ 100, 234, 237 f. = NJW 1987, 2868).b) Ob an Stelle einer
Urteilsausfertigung auch eine beglaubigte Urteilsabschrift die
Zustellungswirkung des § 517 ZPO begründen kann, ist
in der Literatur umstritten (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 1994 - IV ZR
8/94 - VersR 1994, 1495).aa) Teilweise wird
vertreten, dass die in § 517 ZPO vorausgesetzte Amtszustellung
statt in der Form einer vollständigen Urteilsausfertigung auch
durch eine beglaubigte Abschrift des Urteils erfolgen kann
(Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. § 517 Rdn. 2;
Hk-ZPO/Wöstmann 3. Aufl. § 517 Rdn. 2 und
MünchKommZPO/Rimmelspacher 3. Aufl. § 517 Rdn. 9).Überwiegend
wird allerdings unter Hinweis auf die Bedeutung einer Ausfertigung und
die Vorschrift des § 317 Abs. 1 und 4 ZPO vertreten, dass nur
die Zustellung einer Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung die
Berufungsfrist nach § 517 ZPO in Lauf setzen kann
(Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 317 Rdn. 4;
Musielak/Musielak ZPO 7. Aufl. § 317 Rdn. 3;
Wieczorek/Schütze/ Rensen ZPO 3. Aufl. § 317 Rdn. 7
und Prütting/Gehrlein/Lemke ZPO § 517 Rdn. 5).bb) Der Senat
schließt sich der letztgenannten Auffassung an.Die nach § 166
Abs. 2 ZPO von Amts wegen zuzustellenden Dokumente können
grundsätzlich in Urschrift, Ausfertigung oder (beglaubigter)
Abschrift zugestellt werden. Dabei ist die Zustellung einer
beglaubigten Abschrift stets dann ausreichend, wenn das Gesetz keine
andere Regelung enthält (Zöller/Stöber ZPO
28. Aufl. § 166 Rdn. 5). Denn eine besondere Form der
Zustellung hat der Gesetzgeber ausdrücklich speziellen
materiell- oder prozessrechtlichen Vorschriften vorbehalten (BT-Drucks.
14/4554 S. 15). Eine solche spezielle Vorschrift enthält das
Gesetz in § 317 ZPO für die Zustellung von Urteilen.Dass die
Übergabe einer bloßen Abschrift des Urteils nicht
die Anforderungen an eine ordnungsgemäße und
wirksame Zustellung erfüllt, hat der Bundesgerichtshof bereits
entschieden (BGH Beschluss vom 20. Juni 1989 - X ZB 12/87 -
veröffentlicht bei juris). Soweit die Zustellung einer
beglaubigten Abschrift für ausreichend erachtet wird, geht
dies auf das frühere Recht zurück, das bis Juni 1977
eine Zustellung im Parteibetrieb vorsah. Die darauf beruhende
Rechtsprechung beschränkt sich deswegen auf Fälle, in
denen eine beglaubigte Abschrift einer bereits vorliegenden
Urteilsausfertigung zugestellt wurde (BGH Urteil vom 10. Juni 1964 -
VIII ZR 286/63 - MDR 1964, 916 und Beschlüsse vom 1. Juli 1974
- VIII ZB 17/74 - BGHWarn 1974, 475 und vom 29. September 1959 - VIII
ZB 5/59 - NJW 1959, 2117, 2118 m.w.N.). Auf die Zustellung einer
beglaubigten Abschrift des Urteils ohne vorliegende Ausfertigung des
Urteils ist diese Rechtsprechung nicht übertragbar. Solange
keine Ausfertigung der in den Akten verbleibenden Urschrift des Urteils
erstellt ist, ist der Zweck, das Urteil nach außen zu
vertreten, nicht erreicht (vgl. BGH Beschluss vom 28. November 2006 -
VIII ZB 116/05 - veröffentlicht bei juris). Nach gefestigter
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht die Form der
Ausfertigung der besonderen Bedeutung und Wichtigkeit der
kundzugebenden Entscheidung. Erst der Ausfertigungsvermerk verleiht der
Ausfertigung die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde und
bezeugt deren Übereinstimmung mit der in den Akten
verbleibenden Urschrift (BGHZ 100, 234, 237 = NJW 1987, 2868 m.w.N.;
vgl. auch § 47 BeurkG). Entsprechend lautet die amtliche
Überschrift des § 317 ZPO auch "Urteilszustellung und
-ausfertigung" und für schriftlich vorliegende Urteile sieht
§ 317 Abs. 4 ZPO lediglich die Erstellung von Ausfertigungen
und Auszügen vor.Für die
Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der
Rechtsmittelfrist kommt es entscheidend auf äußere
Form und Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an; bei
Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung ist allein die
Ausfertigung maßgeblich, weil allein sie nach außen
in Erscheinung tritt und die Beschwerdepartei ihre Rechte nur anhand
der Ausfertigung wahrnehmen kann und muss (Senatsbeschluss vom 24.
Januar 2001 - XII ZB 75/00 - NJW 2001, 1653, 1654 und BGH Beschluss vom
25. Mai 2006 - IV ZB 47/05 - FamRZ 2006, 1114, 1115).2. Die danach
für den Beginn der Berufungsfrist nach §§
517, 317 ZPO notwendige Ausfertigung des angefochtenen Urteils ist dem
Kläger nicht bereits am 27. März 2009 zugestellt
worden.a) Allerdings mangelt es
nicht schon deshalb an einer wirksamen Zustellung des Urteils, weil -
wie die Rechtsbeschwerde meint - die Unterschrift der mitwirkenden
Richterin in der zugestellten beglaubigten Abschrift nicht
ordnungsgemäß wiedergegeben sei. Das ist nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Fall, wenn die Unterschrift
in Klammern gesetzt und kein weiterer Hinweis (etwa "gez.")
hinzugefügt ist, dass der Richter das Urteil unterschrieben
hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es
allerdings aus, wenn in der Ausfertigung die Namen der beteiligten
Richter in Maschinenschrift ohne Klammern angegeben sind. Dann ist im
Allgemeinen ein weiterer auf die Unterzeichnung hinweisender Zusatz
nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 30. Mai 1990 - XII ZB 33/90 -
FamRZ 1990, 1227; BGH Urteil vom 18. Mai 1994 - IV ZR 8/94 - VersR
1994, 1495 und Beschluss vom 1. April 1981 - VIII ZB 24/81 - VersR
1981, 576).b) Bei der dem
Kläger zugestellten Abschrift handelt es sich jedoch nicht um
eine Ausfertigung des Urteils. Denn dieser Abschrift fehlt ein
Ausfertigungsvermerk, der - wie ausgeführt - nicht durch den
vorhandenen Beglaubigungsvermerk ersetzt werden kann.3. Entgegen der
Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ergibt sich eine wirksame
Zustellung am 27. März 2009 auch nicht aus der
früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur
Parteizustellung.Soweit im Rahmen der bis
Juni 1977 vorzunehmenden Parteizustellung eine beglaubigte Abschrift
der Urteilsausfertigung zugestellt werden durfte, hing die Wirksamkeit
der Zustellung davon ab, dass die beglaubigte Abschrift in allen
wesentlichen Punkten mit der zuvor erteilten Ausfertigung
übereinstimmte (BGH Beschluss vom 1. Juli 1974 - VIII ZB 17/74
- BGHWarn 1974, 475). Es folgt schon aus der Natur der Sache, dass eine
beglaubigte Abschrift nicht erstellt werden kann, bevor das Original -
und im Falle einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung die
Ausfertigung selbst - erstellt ist. Entsprechend sieht § 317
Abs. 2 ZPO vor, dass Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften
eines Urteils nicht erteilt werden dürfen, solange das Urteil
nicht verkündet und nicht unterschrieben ist (vgl.
Senatsbeschluss vom 30. Mai 2007 - XII ZB 82/06 - NJW 2007, 3640 Tz.
20).Hier wurde die
vollstreckbare Ausfertigung des angefochtenen Urteils ausweislich der
Gerichtsakten erst am 4. Mai 2009 erstellt. Bei der schon zuvor am 27.
März 2009 zugestellten beglaubigten Abschrift kann es sich
mithin nicht um die Beglaubigung der erst später erstellten
Urteilsausfertigung handeln.4. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt der
Lauf der einmonatigen Berufungsfrist aus § 517 ZPO nicht, wenn
den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße
Ausfertigung und Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu stellen
sind, nicht Genüge getan ist (BGH Urteil vom 18. Mai 1994 - IV
ZR 8/94 - VersR 1994, 1495). Das ist auch hier der Fall.Im Zeitpunkt der
Zustellung am 27. März 2009 war entgegen der zwingenden
Vorschrift des § 317 ZPO noch keine Ausfertigung des
angefochtenen Urteils erteilt. Die Zustellung der beglaubigten
Abschrift des Urteils hat die Berufungsfrist deswegen noch nicht in
Lauf gesetzt. Selbst nach Erteilung der vollstreckbaren
Urteilsausfertigung am 4. Mai 2009 ist keine weitere Zustellung an den
Kläger erfolgt. Er hat folglich mit der am 23. Mai 2009
eingegangenen Berufungsschrift die Berufungsfrist des § 517
ZPO und mit der am 27. Mai 2009 eingegangenen
Berufungsbegründung die Begründungsfrist des
§ 520 Abs. 2 ZPO gewahrt. Das Berufungsgericht hat die
Berufung deswegen zu Unrecht verworfen. Auf die Rechtsbeschwerde des
Klägers ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses zur weiteren Veranlassung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.Hahne
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Vorinstanzen:AG Dülmen,
Entscheidung vom 05.02.2009 - 6 F 271/07 -OLG Hamm, Entscheidung
vom 01.07.2009 - II-8 UF 103/09 -