Namensnennung
Namen Nennung Veroeffentlichung Presse Pressemitteilung Geschaeftsfuehrer
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Aktenzeichen: VI ZR 259/05
|
Verkündet
am:
21.11.2006 |
BUNDESGERICHTSHOF
Im
Namen
des Volkes
Urteil
in
dem
Rechtsstreit
...
-
Kläger -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
-
Beklagte -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
Der
VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 21. November 2006
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des
Kammergerichts vom 7. November 2005 aufgehoben. Die Berufung des
Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.
August 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger, der seit dem 10. Juli 2000
Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH war, die drei
Krankenhäuser in Brandenburg mit ca. 900 Mitarbeitern
betreibt, verlangt von der beklagten Presseagentur Unterlassung einer
identifizierenden Berichterstattung unter Nennung seines Namens
über die Tatsache und die Umstände seiner Abberufung
im Juni 2002.
Am 18. Juni 2002 wurde der Vertrag mit dem Kläger ordentlich
zum 31. Dezember 2002 gekündigt und der Kläger wurde
gemäß der in seinem Anstellungsvertrag enthaltenen
Regelung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der
Verpflichtung zur Dienstleistung freigestellt.
Am 20. Juni 2002 brachte die Beklagte über ihre
Nachrichtenagentur im Landesspiegel Berlin-Brandenburg unter
namentlicher Nennung des Klägers folgende Pressemeldung heraus:
"Klinik-Geschäftsführer abberufen
Der Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH in S., H.-W.
I. [Anonymisierungen
durch den Senat], ist mit sofortiger Wirkung beurlaubt
worden. Die Gesellschafterversammlung fasste am Dienstag einen
entsprechenden Beschluss, teilte Landrat H. B. (SPD) als Vorsitzender
der Versammlung am Mittwoch mit. Das Vertrauensverhältnis
zwischen I. und einem Großteil der Mitarbeiter im Klinikum
sei nachhaltig gestört. Mitarbeiter werfen I. Beleidigungen,
massive Bedrohungen, Lügen, Verleumdungen und Diffamierungen
vor. Die Belegschaft hatte in einem offenen Brief die sofortige
Entlassung I. gefordert."
Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter
Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu
unterlassen, in identifizierender Weise im Zusammenhang mit der
Abberufung des Klägers als Geschäftsführer
der Klinikum N. GmbH in S. die in ihrem Wortlaut wiedergegebene
Pressemeldung wörtlich oder sinngemäß zu
veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder
veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des
Klägers hat das Kammergericht unter Abänderung des
landgerichtlichen Urteils der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich
die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit
der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch des
Klägers analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m.
§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG im Sinne
des Klagebegehrens als begründet erachtet, weil die
angegriffene Agenturmeldung, mit der die Beklagte unter Nennung des
Namens des Klägers über dessen Abberufung als
Geschäftsführer der Klinikum N. GmbH im gesamten Raum
Berlin-Brandenburg und damit überregional berichtet habe, den
Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletze. Dass der Kläger ein öffentliches
Informationsinteresse gerade auch in Bezug auf seine Person geweckt
habe, das sein Recht auf Anonymität überrage und die
Mitteilung der Abberufung als Geschäftsführer unter
Hinweis auf eine angeblich nachhaltige Störung des
Verhältnisses zu den Mitarbeitern, deren Forderung nach einer
Entlassung und die sofortige Freistellung von der Dienstverpflichtung
rechtfertige, könne für das Verbreitungsgebiet der
angegriffenen Meldung nicht angenommen werden. Zwar sei der
Kläger bereits vorher in den Medien in Erscheinung getreten.
Die Presseveröffentlichungen aus dem Jahr 2000, in denen der
Kläger erwähnt und teilweise auch zitiert werde,
bezögen sich jedoch auf Probleme des Klinikbetriebes,
insbesondere zum Zeitpunkt der Übernahme der
Geschäftsführung durch den Kläger. In keinem
der Artikel sei es in erster Linie um die Person des Klägers
gegangen, insbesondere sei dieser nicht im Zusammenhang mit den
angeblich der Kündigung vorausgegangenen Vorgängen an
die Öffentlichkeit getreten. Ein überwiegendes
Informationsinteresse an der Namensnennung des Klägers habe
allenfalls in der Region Niederlausitz bestanden; allenfalls dort sei
der Kläger als relative Person der Zeitgeschichte anzusehen.
Dies gelte jedoch nicht für die Region Berlin-Brandenburg.
Dort habe das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch
ohne Namensnennung des Klägers befriedigt werden
können. Bei den in der Berichterstattung der Beklagten
wiedergegebenen Vorwürfen, die von Falschinformationen
über persönliche Beleidigung, massive Bedrohungen bis
zu Lügen, Verleumdungen und sogar Diffamierungen reiche,
handele es sich um einseitige Vorwürfe, die den
Kläger in ein besonders schlechtes Licht rückten und
die - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur
Verdachtsberichtserstattung bei Straftaten - eine einseitige
Berichterstattung unter Namensnennung nicht rechtfertigen
könnten.
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision nicht
stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision scheitert die
Zulässigkeit der vorliegenden Unterlassungsklage nicht daran,
dass der Klageantrag zu unbestimmt wäre. Der
Unterlassungsantrag umfasst durch den Zusatz "in identifizierender
Weise" in Verbindung mit "wörtlich oder
sinngemäß" lediglich auch sonstige leicht
abgewandelte Verletzungshandlungen, die im Kern und Wesen der konkret
genannten Verletzungshandlung entsprechen und deshalb ebenfalls von
einem Unterlassungsanspruch aufgrund der konkreten Verletzungshandlung
getragen werden können. Der Begriff der identifizierenden
Berichterstattung ist ein durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs geprägter
allgemeiner Rechtsbegriff (vgl. etwa BVerfGE 35, 202, 219 ff. - Lebach;
Senatsurteil vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274,
275), dessen Sinngehalt jedenfalls im vorliegenden Kontext nicht
zweifelhaft oder zwischen den Parteien streitig ist und deshalb als
Verallgemeinerung der konkreten Verletzungsform im Interesse einer
sachgerechten Titulierung unbedenklich ist (vgl. etwa
Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006,
§ 12 Rn. 2.38 m.w.N.).
2. Die Angriffe der Revision haben jedoch in der Sache Erfolg. Das
Berufungsgericht hat bei seiner Abwägung zwischen dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und dem
Grundrecht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit einen
unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die
Beklagte keinen Anspruch analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB
i.V.m. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
auf Unterlassung der angegriffenen Berichterstattung.
a) Das Berufungsgericht ist zwar im Grundsatz zutreffend davon
ausgegangen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das
Recht beinhaltet, in gewählter Anonymität zu bleiben
und die eigene Person nicht in der Öffentlichkeit dargestellt
zu sehen (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 - Lebach; 54, 148, 155 - Eppler).
Dieses Grundrecht wird jedoch auch in dieser Ausprägung nicht
grenzenlos gewährt. Vielmehr können im Einzelfall das
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und die
Pressefreiheit Vorrang haben. Dies ist hier der Fall.
Es geht um eine namentliche Berichterstattung der Beklagten
über die berufliche Tätigkeit des Klägers,
an der die Öffentlichkeit nach Lage des Falles ein
beträchtliches Interesse hat. Dass es sich bei der beruflichen
Tätigkeit des Klägers um seine
"Sozialsphäre" handelt, hat das Berufungsgericht im Ansatz
zwar nicht verkannt. Es legt aber bei der auch hier erforderlichen
Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und den
Grundrechten aus Art. 5 GG Maßstäbe an, die dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht gerecht werden,
zumal diese durch Vorgänge im Gesundheitswesen angesichts der
aktuellen Diskussion über dieses Thema unmittelbar
berührt wird.
Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen,
über den berichtet wird, dürfen nur im Falle
schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit
negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine
Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen
sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender
Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein
Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die
persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des
Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich aufgrund des Sozialbezuges nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine
Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über
den berichtet wird (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 - Lebach; 97, 391, 406;
BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 2000 - 1 BvR 1582/94 - NJW 2000,
2413, 2414; BVerfG Beschlüsse vom 17. Dezember 2002 - 1 BvR
755/99 und 756/99 - AfP 2003, 43, 46).
b) Der erkennende Senat hat für eine Berichterstattung
über die berufliche Sphäre des Betroffenen
klargestellt, dass der Einzelne sich in diesem Bereich von vornherein
auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere
Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine
Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss (vgl.
Senatsurteil vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79 - VersR 1981, 384,
385). Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in
erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus (vgl. BGH,
Urteil vom 10. November 1994 - I ZR 216/92 - AfP 1995, 404, 407 f. -
Dubioses Geschäftsgebaren - und Senatsurteil BGHZ 138, 311,
320 m.w.N.). Zu einer solchen Kritik gehört auch die
Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen
Fällen ein legitimes Interesse daran zu erfahren, um wen es
geht und die Presse könnte durch eine anonymisierte
Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht
erfüllen. Insoweit drückt sich die Sozialbindung des
Individuums in Beschränkungen seines
Persönlichkeitsschutzes aus. Denn dieser darf nicht dazu
führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von
öffentlicher Kritik und Kommunikation allein deshalb
auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins
Licht der Öffentlichkeit geraten (vgl. Senatsurteil vom 20.
Januar 1981 - VI ZR 163/79 - aaO).
c) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war der
Kläger Geschäftsführer einer landeseigenen
GmbH, die ein Klinikum mit ca. 900 Mitarbeitern in einer
strukturschwachen Region Brandenburgs unweit von Berlin betreibt. Er
war nach einem medienwirksamen Skandal im Zusammenhang mit der
Abberufung seines Vorgängers angetreten, um als neuer
Geschäftsführer das Klinikum aus der Krise
herauszuführen und ist damit über den lokalen Bereich
hinaus auch mit Interviews an die Öffentlichkeit getreten. Wer
im Wirtschaftsleben - noch dazu im Bereich der öffentlichen
Hand - als Geschäftsführer eines großen
Klinikums eine solch herausragende Position wie der Kläger
innehat, muss es grundsätzlich hinnehmen, dass die Presse auch
über seine Abberufung wegen einer nachhaltigen
Störung des Vertrauensverhältnisses mit einem
Großteil der Mitarbeiter als Vorgang von
öffentlichem Interesse unter namentlicher Nennung des
Betroffenen berichtet. Da der Kläger nicht in seiner Privat-,
sondern in der Sozialsphäre betroffen ist, kann er, - wie oben
ausgeführt - der Beklagten eine entsprechende
Berichterstattung nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf sein
Persönlichkeitsrecht verbieten, so etwa dann, wenn eine
Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen
ist. Anhaltspunkte hierfür lassen sich den Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht entnehmen. Die in der Pressemitteilung des
Landrats mitgeteilten Umstände der Abberufung des
Klägers hat der Kläger ebenso wenig in Frage gestellt
wie die Tatsache, dass Mitarbeiter in einem offenen Brief
Vorwürfe gegen ihn erhoben haben.
d) Auch kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, die Pressemeldung
über die Abberufung des Klägers im vorgenannten
Umfang über den regionalen Bereich Niederlausitz hinaus in den
Bundesländern Berlin und Brandenburg zu verbreiten. Ist eine
Berichterstattung im Hinblick auf das Informationsinteresse der
Öffentlichkeit grundsätzlich gerechtfertigt, so ist
es in erster Linie Sache der Presse, zu entscheiden, in welchem
geographischen Bereich sie ein öffentliches Interesse ihrer
Leser an der Meldung erwartet. Dies gilt im vorliegenden Fall umso
mehr, als es sich bei der Beklagten um eine Presseagentur handelt,
welche eine Meldung in den entsprechenden Landesdienst einstellt, um es
den dort ansässigen Presseorganen zu überlassen, die
von ihnen veröffentlichten Agenturmeldungen nach dem
mutmaßlichen Interesse ihrer Leserschaft und ihrem
Verbreitungsgebiet selbst auszuwählen. Darüber hinaus
ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass der Kläger
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - wenn auch nur
vereinzelt und im Zusammenhang mit der Übernahme der
Geschäftsführung und sonstigen allgemeinen Problemen
des Klinikbetriebs - überregional über die Medien an
die Öffentlichkeit getreten ist. Schließlich vermag
auch der Umstand, dass das Klinikum nach den weiteren Feststellungen
des Berufungsgerichts von einer landeseigenen GmbH betrieben wird, ein
überregionales Interesse zu begründen, welches unter
den Umständen des Streitfalles dem geltend gemachten Interesse
des Klägers, in der Pressemeldung der Beklagten nicht
namentlich genannt zu werden, vorgeht.
4. Da keine weiteren Feststellungen mehr erforderlich sind, konnte der
Senat in der Sache selbst entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.08.2004 - 27 O 343/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.11.2005 - 10 U 218/04 -