identifizierende
Berichterstattung,
BGH, Urteil
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Aktenzeichen: VI ZR 244/08 | Verkündet
am: 09.02.2010 |
BUNDESGERICHTSHOF
Im
Namen
des Volkes
Urteil
in
dem
Rechtsstreit
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Beklagter
-
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
Der
VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die
mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, die Richter
Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz für Recht
erkannt:
Auf die Rechtsmittel der
Beklagten werden das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen
Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Juli 2008 aufgehoben und das Urteil
des Landgerichts Hamburg vom 18. Januar 2008 abgeändert.
Die Klage wird
abgewiesen.
Die Kosten des
Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand:
Der
Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der
individualisierenden Berichterstattung über eine Straftat in
Anspruch.
Der Kläger
wurde im Jahr 1993 zusammen mit seinem Bruder wegen Mordes an dem
bekannten Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt. Die Tat hatte erhebliches Aufsehen erregt.
Im Jahr 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf
Wiederaufnahme des Verfahrens, vor dessen Zurückweisung er
sich an die Presse wandte. Im Januar 2008 wurde der Kläger auf
Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Die Beklagte betreibt
das Internetportal www. spiegel. de. Dort hielt sie in der Rubrik
"Dossiers" unter dem Titel "Walter Sedlmayr Mord mit dem Hammer" eine
Zusammenstellung von fünf älteren - jeweils durch
Angabe der Überschrift und des Datums näher
bezeichneten - Veröffentlichungen aus der Druckausgabe des
Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" bzw. ihrem Internetauftritt zum
kostenpflichtigen Abruf bereit. In mehreren dieser Meldungen war der
Kläger als wegen Mordes an Walter Sedlmayr Angeklagter bzw.
Verurteilter namentlich bezeichnet. Die Veröffentlichungen vom
21. September und 30. November 1992, in denen über die
Anklageerhebung bzw. den Beginn der Hauptverhandlung berichtet wurde,
enthielten jeweils ein Foto des Klägers.
Der Kläger
sieht in dem Bereithalten der seinen Namen und sein Bild enthaltenden
Veröffentlichungen zum Abruf im Internet eine Verletzung
seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nachdem das
Landgericht Frankfurt am Main seinen Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für eine entsprechende Unterlassungsklage
wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen hatte, hat der
Kläger sein Begehren vor dem Landgericht Hamburg
weiterverfolgt. Mit der dort nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe
erhobenen Klage verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen,
über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller
Namensnennung zu berichten, solche Berichte zu verbreiten oder
öffentlich zugänglich zu machen sowie die in den
Artikeln vom 21. September und 30. November 1992 enthaltenen Bilder im
Zusammenhang mit Berichten über den Mord zu
veröffentlichen oder zugänglich zu machen. Die Klage
hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf
Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage bejaht.
Der Partei, der mehrere Gerichtsstände zur Auswahl
ständen, sei es nicht versagt, in ihre Entscheidung
über die Auswahl des Gerichts auch die Frage einzubeziehen,
vor welchem Gericht sie mit ihrem Klagebegehren am ehesten Erfolg haben
werde. Die Klage sei auch begründet. Dem Kläger stehe
gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§
823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog i. V. m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG
zu, weil die Verbreitung der den Kläger identifizierenden
Meldung diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletze.
Ende des Jahres 2006,
als das Dossier noch verbreitet worden sei, habe sich der
Kläger kurz vor der Entlassung aus der Strafhaft unter
Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung befunden, weshalb
eine Konstellation gegeben gewesen sei, wie sie der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1973 (BVerfGE 35, 202 ff. -
Lebach I) zugrunde gelegen habe. Das im Hinblick auf seine
bevorstehende Wiedereingliederung in die Gesellschaft besonders
schutzwürdige Interesse des Klägers, nicht weiterhin
öffentlich mit der Tat konfrontiert zu werden,
überwiege das Interesse der Beklagten an der weiteren
Verbreitung der Meldung umso mehr, als die Einschränkungen,
die dem Verbreiter solcher Meldungen auferlegt würden, denkbar
gering seien. Diesem werde nämlich nicht die Berichterstattung
über die Tat, sondern nur die Nennung der Namen der
Täter untersagt.
Der Umstand, dass - wie
auch im Streitfall - Meldungen im Internet häufig dauerhaft
abrufbar gehalten würden und als ältere Meldungen
erkennbar seien, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es mache keinen
Unterschied, ob die Identität des Betroffenen in einer neuen
oder in einer älteren Meldung preisgegeben werde. Es komme
auch nicht darauf an, ob die beanstandete Meldung mittels Suchmaschinen
oder Querverweisen über ein auf die Tat bezogenes Schlagwort
oder über den Namen des Täters auffindbar sei. Auch
der Umstand, dass über das Internet verbreiteten Meldungen in
der Regel noch ein geringerer Verbreitungsgrad zukomme als Meldungen,
die über die Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen verbreitet
würden, lasse nicht die Anlegung anderer als der vom
Bundesverfassungsgericht für die Massenmedien entwickelten
Maßstäbe zu.
Die Beklagte sei
hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung auch Störer.
Ihre Störereigenschaft könne insbesondere nicht im
Hinblick darauf verneint werden, dass es sich bei dem Teil des
Internetauftritts, in dem die beanstandete Meldung zum Abruf
bereitgehalten worden sei, um ein privilegiertes Internetarchiv handle.
Denn eine über das Internet allgemein zugängliche, in
die Rubrik "Archiv" eingestellte Äußerung werde
ebenso verbreitet wie jede andere Äußerung auch. Der
Rubrik, in der die beanstandete Meldung zum Abruf bereitgehalten werde,
komme auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Kontrolle
über den eigenen Internetauftritt keine Bedeutung zu. Ferner
sei unerheblich, ob bereits die erstmalige Veröffentlichung
der beanstandeten Inhalte rechtswidrig oder ob die Verbreitung der
Meldung ursprünglich rechtmäßig gewesen sei.
B. Diese
Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Dem Kläger stehen
die geltend gemachten Unterlassungsansprüche
gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004
Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG,
§§ 22, 23 KUG nicht zu.
I. Die Klage ist
zulässig.
1. Der Klageantrag ist
dahingehend auszulegen, dass der Beklagten untersagt werden soll, das
angegriffene Dossier mit Altmeldungen auf ihrer Internetseite zum Abruf
bereit zu halten, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter
Sedlmayr der Name des Klägers genannt wird und die im Tenor
des landgerichtlichen Urteils näher bezeichneten Fotos
wiedergegeben werden. Der Klageantrag ist dagegen nicht auf
Unterlassung jedweder künftiger Berichterstattung gerichtet.
Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Klagebegründung, die zur
Ermittlung des Klagebegehrens heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteil vom
26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 - VersR 2009, 1269, 1271 m. w. N.; BGHZ
173, 188, 192 jeweils m. w. N.). Der Kläger hat
schriftsätzlich deutlich gemacht, dass er sich lediglich gegen
das weitere Vorhalten des streitgegenständlichen Dossiers mit
den ihn identifizierenden früheren Veröffentlichungen
zum Abruf im Internet wendet. In diesem Sinne haben auch die
Vorinstanzen das Begehren des Klägers verstanden. Dieses
Verständnis hat der Kläger auch in der
Revisionserwiderung bestätigt.
2. Der Klage fehlt auch
nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Entgegen der Auffassung
der Revision ist die Klageerhebung nicht deshalb
rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger sein
Unterlassungsbegehren unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe
verfolgt und sein erster Prozesskostenhilfeantrag vom Landgericht
Frankfurt am Main mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen
worden ist. Der zuletzt genannte Umstand hätte allein im
Prozesskostenhilfeverfahren Berücksichtigung finden und unter
Umständen zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses
für den beim Landgericht Hamburg eingereichten zweiten
Prozesskostenhilfeantrag führen können (vgl. BGH,
Beschluss vom 16. Dezember 2008 - VIII ZB 78/06 - NJW 2009, 857). Die
Zulässigkeit der im Anschluss an die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe erhobenen Klage wird hiervon jedoch nicht
berührt.
II. Die Klage ist aber
nicht begründet.
1. Dem Kläger
steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 823
Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1
GG zu, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite ein Dossier mit
Altmeldungen zum Abruf bereit zu halten, in denen im Zusammenhang mit
dem Mord an Walter Sedlmayr der Name des Klägers genannt wird.
a) Das Berufungsgericht
hat allerdings mit Recht angenommen, dass das Bereithalten der den
Kläger namentlich als wegen Mordes Angeklagten bzw.
Verurteilten bezeichnenden Meldungen zum Abruf im Internet einen
Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über
eine Straftat unter Nennung des Namens des Straftäters
beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz
seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, weil
sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine
Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert
(vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 202 f.; 178, 231 Rn. 33; vom 15.
November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; BVerfGE 35, 202, 226;
BVerfG NJW 2006, 2835; AfP 2009, 365 Rn. 15). Dies gilt nicht nur bei
aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im
Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse,
Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im
Streitfall - den Täter identifizierende Inhalte lediglich auf
einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf
bereitgehalten werden (vgl. BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17). Diese Inhalte
sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten
Internetnutzer zugänglich (vgl. Verweyen/Schulz, AfP 2008,
133, 137).
b) Im Ausgangspunkt
zutreffend hat es das Berufungsgericht auch für geboten
erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer
Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner
Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Artt. 1
Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG,
Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und
Medienfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des
Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine
Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich
geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen
Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte
und Gewährleistungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu
berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003
- VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523; vom 11. März 2008 - VI
ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 13; vom 11. März 2008 - VI ZR
7/07 - VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 -
VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 - VersR
2009, 1545 Rn. 16; BVerfGE 114, 339, 348 m. w. N.; 120, 180, 200 f.;
AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das
Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der
anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005
- VI ZR 122/04 - VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR
226/08 - z. V. b. m. w. N.).
c) Rechtsfehlerhaft hat
das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Klägers durch das
Bereithalten der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet in
rechtswidriger Weise verletzt worden sei. Das Berufungsgericht hat die
besonderen Umstände des Streitfalles nicht ausreichend
berücksichtigt und das von der Beklagten verfolgte
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf
freie Meinungsäußerung mit einem zu geringen Gewicht
in die Abwägung eingestellt.
aa) In der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene
Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten
Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17;
AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils m. w. N.). Danach müssen
wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn
sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen
nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das
Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen
Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer
Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit
steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen
geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine
besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass
sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung
und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG
AfP 2009, 365 Rn. 17).
Geht es um eine
Berichterstattung über eine Straftat, so ist zu
berücksichtigen, dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen
gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die
Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung
individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die
Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem
vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein
anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an
näherer Information über Tat und Täter.
Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in
Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen
Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der
Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust
hinausgehendes Interesse an näherer Information über
die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters
und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen
(vgl. BVerfGE 35, 202, 231; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 18; vgl. auch BGHZ
143, 199, 204).
Bei der
Abwägung des Informationsinteresses der
Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit
zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts des Täters verdient
für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten
das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den
Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen
angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür
verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss
auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der
Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen
befriedigt wird (vgl. BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn.
19; vgl. auch Senatsurteile BGHZ 143, 199, 204; 178, 213 Rn. 22 f.; vom
15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 Rn. 14).
Mit zeitlicher Distanz
zur Straftat gewinnt dagegen das Interesse des Täters, vor
einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben,
zunehmende Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz
vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit
der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre
(vgl. BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 21).
Hat die das
öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und
Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die
Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert
worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das
Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein
Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne
weiteres rechtfertigen. Hiermit ist allerdings keine
vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung
persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse gemeint. Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht vermittelt Straftätern keinen
Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt
nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die
Verbüßung der Straftat führt nicht dazu,
dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch
erwirbt, mit der Tat "allein gelassen zu werden". Maßgeblich
ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das
Persönlichkeitsrecht einschließlich des
Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der
Berichterstattung unter den konkreten Umständen des
Einzelfalls beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG NJW 2000, 1859,
1860; AfP 2009, 365 Rn. 21; EGMR, Urteil vom 7. Dezember 2006 -
Beschwerde Nr. 35841/02 - Österreichischer Rundfunk gegen
Österreich, Nr. 68, ÖJZ 2007, 472, 473, jeweils m. w.
N.). Für die Intensität der Beeinträchtigung
des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise
der Darstellung, insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums
an. So stellt eine Fernsehberichterstattung in der Regel einen weitaus
stärkeren Eingriff in die Privatsphäre des
Betroffenen dar als eine Wortberichterstattung (vgl. BVerfG NJW 2000,
1859, 1860 und AfP 2009, 365 Rn. 21, jeweils m. w. N.).
bb) Nach diesen
Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz
seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens
vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf
freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Zwar
kommt dem Interesse des Klägers, vor einer Reaktualisierung
seiner Verfehlung verschont zu bleiben, vorliegend erhöhtes
Gewicht zu. Die von ihm begangene Straftat und die Verurteilung liegen
lange zurück; der Kläger ist im Januar 2008 aus der
Strafhaft entlassen worden. Andererseits beeinträchtigen die
in dem beanstandeten Dossier zusammengefassten Meldungen sein
Persönlichkeitsrecht einschließlich seines
Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des
Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie sind insbesondere nicht
geeignet, ihn "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an
das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die ihn als
Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte.
Die in dem Dossier
zusammengefassten Meldungen enthalten
wahrheitsgemäße Aussagen über ein
Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches
öffentliches Aufsehen erregt hatte. In ihnen werden die
Umstände der Tat, das Straf- und das Wiederaufnahmeverfahren
sachbezogen und objektiv dargestellt. Entgegen der Auffassung der
Revisionserwiderung wird der Kläger nicht in
reißerischer Weise als Mörder qualifiziert. Vielmehr
wird mitgeteilt, dass er wegen Mordes angeklagt bzw. verurteilt worden
sei. Zugleich wird seine Haltung zu dem Tatvorwurf geschildert und auf
ungeklärte Umstände hingewiesen, was für den
Leser die Möglichkeit offen lässt, dass er zu Unrecht
angeklagt bzw. verurteilt worden sei. Die den Kläger
identifizierenden Angaben in den Meldungen waren angesichts der Schwere
des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens,
das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte und des
Umstands, dass sich die Verurteilten noch im Jahr 2004 unter
Inanspruchnahme aller denkbaren Rechtsbehelfe um die Aufhebung ihrer
Verurteilung bemühten, zum Zeitpunkt der erstmaligen
Veröffentlichung unzweifelhaft zulässig.
In der Art und Weise,
wie das beanstandete Dossier zum Abruf bereitgehalten wurde, kam ihm
eine nur geringe Breitenwirkung zu. Der Verbreitungsgrad des konkret
gewählten Mediums war gering; eine Fallgestaltung, wie sie der
Lebach-I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202)
zugrunde lag, ist nicht gegeben. Gegenstand dieser Entscheidung war
eine Fernsehdokumentation zur besten Sendezeit, die zu einem intensiven
Nacherleben der Straftat unter Betonung der emotionalen Komponente
führte (vgl. BVerfGE 35, 202, 228 f.). Unter den damaligen
Fernsehbedingungen war gerade für eine solche Sendung mit
einer besonders hohen Einschaltquote zu rechnen (BVerfG aaO). Hingegen
setzte eine Kenntnisnahme vom Inhalt der in dem beanstandeten Dossier
zusammengefassten und den Kläger identifizierenden Meldungen
im Streitfall zum einen eine gezielte Suche und zum anderen die Zahlung
eines Entgelts für den Abruf des Dossiers voraus. Das Dossier
wurde nur auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten
Website angeboten, die typischerweise nur von solchen Nutzern zur
Kenntnis genommen wird, die sich selbst aktiv informieren (vgl. BVerfG
NJW 2003, 2818, 2819; NJW 2008, 1298, 1299; Feldmann, JurisPR-ITR
15/2009 Anm. 5). Es war auch nicht auf den aktuellen Seiten des
Internetauftritts der Beklagten zugänglich, wo es dem Nutzer
unmittelbar nach Aufruf der Homepage der Beklagten ins Auge
hätte fallen können. Vielmehr wurde das Dossier
ausweislich der Feststellungen des Landgerichts, auf die das
Berufungsgericht Bezug genommen hat, nur als Zusammenstellung von
Altmeldungen angeboten und enthielt eindeutig - und für den
Nutzer ohne weiteres ersichtlich - nur ältere
Veröffentlichungen. Es war auch nicht in sonstiger Weise in
einen Kontext eingebettet, der ihm den Anschein der Aktualität
oder den Charakter einer erneuten Berichterstattung verlieh und die
Annahme rechtfertigen würde, die Beklagte habe sich erneut
bzw. zeitlich uneingeschränkt mit der Person des
Straftäters befasst (vgl. dazu Hoecht, AfP 2009, 342, 346 f.;
von Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102, 107; Feldmann, aaO; LG
Düsseldorf, ZUM 2008, 156). Darüber hinaus war eine
Kenntnisnahme von den den Kläger identifizierenden Inhalten
nicht ohne weiteres möglich, sondern setzte den
kostenpflichtigen Abruf des Dossiers voraus, wodurch der Zugang zu den
beanstandeten Inhalten zusätzlich erschwert wurde.
Zugunsten der Beklagten
fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass ein
anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an
der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch
an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche
Ereignisse zu recherchieren (vgl. OLG Köln, AfP 2007, 126,
127; KG, AfP 2006, 561, 563; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 917; AfP
2006, 568, 569; Hoecht, aaO, 345 ff.; Libertus, MMR 2007, 143, 148).
Dementsprechend nehmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung
der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an
der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass
sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für
interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Ein generelles
Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der
Löschung aller früheren den Straftäter
identifizierenden Darstellungen in "Onlinearchiven" würde dazu
führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter
vollständig immunisiert würde (vgl. Hoecht, aaO, S.
345 f.; Dreier, FS Loewenheim, 2009, S. 67, 68, 76 m. w. N.). Hierauf
hat der Täter aber keinen Anspruch (vgl. BVerfG, NJW 2000,
1859, 1860; AfP 2009, 365 Rn. 21). Dies gilt insbesondere bei einem
schweren Kapitalverbrechen wie im vorliegenden Fall, das in der
Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erregt hat.
Weiterhin ist zu
beachten, dass das vom Kläger begehrte Verbot einen
abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit
hätte, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess
einschnüren würde (vgl. BVerfGE 93, 266, 292; 99,
185, 197; AfP 2009, 480 Rn. 62; vgl. ferner BGH, BGHZ 158, 343, 353).
Die Beklagte könnte ihren verfassungsrechtlichen Auftrag, in
Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu
informieren, nicht vollumfänglich wahrnehmen, wenn es ihr
generell verwehrt wäre, dem interessierten Nutzer den Zugriff
auf frühere Veröffentlichungen zu
ermöglichen. Würde auch das weitere Bereithalten als
solcher erkennbarer und im Zeitpunkt der erstmaligen
Veröffentlichung zulässiger Altmeldungen auf
für Altmeldungen vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet
nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der
zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig
und wäre die Beklagte verpflichtet, sämtliche
archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre
Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die
Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise
eingeschränkt.
Angesichts des mit einer
derartigen Kontrolle verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands
bestünde die erhebliche Gefahr, dass die Beklagte entweder
ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen
Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen
Veröffentlichung die Umstände ausklammern
würde, die - wie vorliegend der Name des Straftäters
- das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig
werden lassen könnten, an deren Mitteilung die
Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen
Berichterstattung ein schützenswertes Interesse hat.
d) Entgegen der
Auffassung der Revisionserwiderung ist eine andere rechtliche
Beurteilung auch nicht nach den Grundsätzen des
Datenschutzrechts geboten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der
persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften
des Bundesdatenschutzgesetzes überhaupt eröffnet ist,
insbesondere ob es sich bei dem beanstandeten Bereithalten der den
Namen des Klägers enthaltenden und in dem beanstandeten
Dossier zusammengefassten Meldungen zum Abruf im Internet um ein
"Verarbeiten" personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 4
Satz 1 BDSG handelt. Denn das Bereithalten dieser Meldung
unterfällt jedenfalls dem sogenannten Medienprivileg des
§ 57 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags für Rundfunk
und Telemedien (RStV) mit der Folge, dass seine Zulässigkeit
weder von einer Einwilligung des Betroffenen noch von einer
ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des
§ 4 BDSG abhängig ist.
aa)
Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV gelten,
soweit Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse als Anbieter von
Telemedien personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen
journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben,
verarbeiten oder nutzen, nur die §§ 5, 7, 9 und 38 a
BDSG mit der Maßgabe, dass nur für Schäden
gehaftet wird, die durch die Verletzung des Datengeheimnisses nach
§ 5 BDSG oder durch unzureichende technische oder
organisatorische Maßnahmen im Sinne des § 9 BDSG
eintreten. § 4 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und
Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig sind, soweit
dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder
anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat, kommt dagegen nicht zur
Anwendung (vgl. Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 57
RStV Rn. 6 f., 15 f.; Keber in Schwartmann, Praxishandbuch Medien-, IT-
und Urheberrecht, 2. Teil, 16. Abschnitt, Rn. 25, 27;
Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, § 41 BDSG Rn.
6, 10a; vgl. zu § 41 BDSG: Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl.,
§ 41 Rn. 2). Das in § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV
angeordnete Medienprivileg ist Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG
verankerten Medienfreiheit. Ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung
personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen
wäre journalistische Arbeit nicht möglich; die Presse
könnte ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2
EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht
wahrnehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - VersR
2009, 1131 Rn. 20; Waldenberger in Spindler/Schuster, Recht der
elektronischen Medien, Presserecht Rn. 118 ff., 140; Keber in
Schwartmann, aaO; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 6 ff.;
Dörr, ZUM 2004, 536, 540 f.; vgl. auch Art. 9 sowie
Erwägungsgründe 17 und 37 der Richtlinie 95/46/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; EuGH, Urteile vom
6. November 2003 - Rs. C-101/01 - Lindqvist gegen Schweden - ZUM-RD
2004, 107 Rn. 90; vom 16. Dezember 2008 - Rs. C-73/07 -
Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan Markkinapörssi Oy -
EuGRZ 2009, 23 ff.; Schlussanträge der
Generalanwältin Kokott vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache
C-73/07 - zitiert nach Juris, Rn. 37, 39, 66 ff., 81 f.).
bb) Die Voraussetzungen
einer datenschutzrechtlichen Privilegierung gemäß
§ 57 Abs. 1 Satz 1 RStV sind vorliegend erfüllt. Die
Beklagte als Anbieterin von Telemedien hat die den Namen des
Klägers enthaltenden Meldungen ausschließlich zu
eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken in ihren Internetauftritt
eingestellt, zu einem Dossier zusammengefasst und zum Abruf im Internet
bereitgehalten.
(1) Daten werden dann zu
journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die
Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen
unbestimmten Personenkreis besteht (vgl. Hahn/Vesting, aaO, Rn. 13;
Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 23). Es muss die Absicht einer
Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - worunter auch
die Meinungsäußerung fällt (vgl. BVerfGE
60, 53, 63 f.; Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 5 Abs. 1 Rn. 201
f.) - gegeben sein (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 26;
Schmittmann in Schwartmann, aaO, 1. Teil, 6. Abschnitt Rn. 26 ff.).
Denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der
Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks
dienen, werden vom Medienprivileg erfasst (Waldenberger in
Spindler/Schuster, aaO, Rn. 137). Dementsprechend gilt die
datenschutzrechtliche Privilegierung beispielsweise nicht für
im Rahmen der Personaldatenverarbeitung anfallende oder im Zusammenhang
mit dem Gebühreneinzug, zur Akquisition von Abonnenten oder
zur (kommerziellen) Weitergabe an Dritte gespeicherte Daten (vgl.
BT-Drucks. 11/4306, S. 55 zu Art. 1 § 37 Abs. 1 des Entwurfs
eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des
Datenschutzes; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 29; Waldenberger
in Spindler/Schuster, aaO, Rn. 137; Schaffland/Wiltfang, BDSG Stand
7/2009, § 41 Rn. 4). Demgegenüber sind die Recherche,
Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung
personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend
geschützt (vgl. Waldenberger in Spindler/Schuster, aaO, Rn.
138). Das durch die Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich
vorgegebene Medienprivileg schützt insbesondere auch die
publizistische Verwertung personenbezogener Daten im Rahmen einer in
den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK
fallenden Veröffentlichung (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember
2008 - Rs. C-73/07 - Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan
Markkinapörssi Oy - EuGRZ 2009, 23 Rn. 61 f.;
Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. Mai
2008 in der Rechtssache C-73/07 - zitiert nach Juris, Rn. 65 ff., 81 f.
zur Richtlinie 95/46/EG).
Von einer Verarbeitung
ausschließlich zu eigenen Zwecken ist dann auszugehen, wenn
die Daten eigenen Veröffentlichungen des betroffenen
Presseunternehmens dienen (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn.
30).
(2) Diese
Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat
die den Namen des Klägers enthaltenden Meldungen
ausschließlich zu dem Zweck in ihren Internetauftritt
eingestellt, zu einem Dossier zusammengefasst und zum Abruf
bereitgehalten, damit sie von der interessierten
Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden. Sie hat damit
unmittelbar ihre verfassungsrechtliche Aufgabe wahrgenommen, in
Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu
informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken.
Sowohl das Einstellen der beanstandeten Inhalte ins Internet als auch
ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den
Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden
Publikationsvorgangs. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu
ändern, dass seit der Einstellung der Meldungen ins Internet
mittlerweile mehrere Jahre vergangen sind.
2. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger auch kein
Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln vom
21. September und 30. November 1992 enthaltenen Bilder entsprechend
§§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V.
m. §§ 22, 23 KUG, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Bei
den beanstandeten Abbildungen handelt es sich um Bildnisse aus dem
Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs.
1 Nr. 1 KUG, die auch ohne Einwilligung des Klägers als Teil
des beanstandeten Dossiers zum Abruf im Internet bereitgehalten werden
durften. Ihrer Verbreitung stand kein berechtigtes Interesse des
Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG entgegen.
a) Nach der gefestigten
Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Zulässigkeit von
Bildveröffentlichungen nach dem abgestuften Schutzkonzept der
§§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. Senatsurteile BGHZ
171, 275; 178, 213; 180, 114; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR
2007, 1135; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283; vom 24.
Juni 2008 - VI ZR 156/06 - VersR 2008, 1268; vom 1. Juli 2008 - VI ZR
67/08 - VersR 2008, 1411 und - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506; vom 14.
Oktober 2008 - VI ZR 256/06 - VersR 2009, 76 und - VI ZR 272/06 - VersR
2009, 78 sowie - VI ZR 271/06 - VersR 2009, 513 und - VI ZR 260/06 -
VersR 2009, 511; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 2009 - I
ZR 8/07 - NJW 2009, 3032), das sowohl mit verfassungsrechtlichen
Vorgaben (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1798 f.) als auch mit der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (nachfolgend: EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, NJW
2004, 2647 und NJW 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer
Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet
werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings
gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn
es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese
Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die
berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23
Abs. 2 KUG).
aa) Die Beurteilung, ob
ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i. S. v. § 23 Abs.
1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen
den Rechten des Abgebildeten aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8
Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG,
Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. Senatsurteile BGHZ 180, 114 Rn.
10; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957, 958 m.
w. N.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1413 und - VI ZR 243/06
- aaO, S. 1507; BVerfG NJW 2008, 1793 Rn. 55, 85). Denn die Vorschrift
des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach
der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem
Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem
Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der
Presse Rechnung tragen. Dabei ist der Beurteilung ein normativer
Maßstab zu Grunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und
zugleich den Schutz der Persönlichkeit und ihrer
Privatsphäre ausreichend berücksichtigt
(Senatsurteile BGHZ 178, 213 Rn. 10; vom 6. März 2007 - VI ZR
51/06 - VersR 2007, 957, 958 m. w. N.; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06
- VersR 2007, 1135, 1136 und vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S.
1412 f.; BVerfG NJW 2000, 1021 Rn. 87 f.). Maßgebend ist
hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an
vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der
Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem
weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von
historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem
gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht
allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die
persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt
(auch hierzu Senatsurteile BGHZ 178, 213 Rn. 14; 180, 114 Rn. 10; vom
1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1412 und - VI ZR 243/06 - aaO, S.
1506 f., jeweils m. w. N.).
bb) Bei der Gewichtung
des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden
Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der
Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist
insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen
erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums
erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung
beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen
Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (vgl.
Senatsurteile BGHZ 180, 114 Rn. 12; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 -
aaO, S. 1508; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, NJW 2006,
3406, 3407; NJW 2008, 1793, 1796). Geht es um eine identifizierende
Bildberichterstattung über eine Straftat, so sind
darüber hinaus die oben unter 1. c) aa) dargestellten
Grundsätze zu beachten. Denn auch eine solche
Berichterstattung greift in das Recht des abgebildeten
Straftäters auf Schutz seiner Persönlichkeit und
Achtung seines Privatlebens ein, weil sie sein Fehlverhalten
öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der
Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BGHZ 178, 213 Rn.
22, 33 m. w. N.). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass
mit zeitlicher Distanz zur Straftat das Interesse des Täters,
vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben,
zunehmende Bedeutung gewinnt.
Der Informationsgehalt
einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext, in den das
Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der
zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind
für die Gewichtung der Belange des
Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung
und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter
denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher
Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. BGHZ
178, 213 Rn. 24; BVerfG NJW 2008, 1793, 1796 Rn. 65).
b) Nach diesen
Grundsätzen ist das Bereithalten der die Fotos des
Klägers enthaltenden Meldungen vom 21. September und 30.
November 1992 als Teil des angegriffenen Dossiers zum Abruf im Internet
rechtlich nicht zu beanstanden. Das Interesse des Klägers am
Schutz seiner Persönlichkeit und seiner Privatsphäre
hat vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten
Informationsinteresse der Öffentlichkeit
zurückzutreten.
Die angegriffenen
Aufnahmen zeigen den Kläger mit einem Justizvollzugsbeamten
bzw. als Angeklagten im Gerichtssaal. Sie illustrieren die Meldungen
vom 21. September bzw. 30. November 1992, in denen
wahrheitsgemäß, sachbezogen und objektiv
über die Anklageerhebung gegen den Kläger wegen
Mordes an einem bekannten Schauspieler bzw. den Beginn der
Hauptverhandlung berichtet wird und die damit an ein
zeitgeschichtliches Ereignis anknüpfen. Wie unter 1. c) bb) im
Einzelnen ausgeführt, durfte die Beklagte über dieses
Ereignis wie geschehen unter Namensnennung des Klägers
berichten und die als frühere Veröffentlichungen
erkennbaren Meldungen in Form des beanstandeten Dossiers auch noch im
Jahr 2006 zum kostenpflichtigen Abruf im Internet bereithalten.
Die beanstandeten
Aufnahmen sind bei den berichteten Ereignissen entstanden. Die
Veröffentlichung kontextbezogener Fotos ist als Visualisierung
des berichteten Ereignisses aber regelmäßig
zulässig (vgl. Senatsurteil BGHZ 178, 213 Rn. 39; BVerfG, NJW
2001, 1921, 1925). Die verwendeten Aufnahmen beeinträchtigen
den Kläger nicht stärker als kontextneutrale
Portraitaufnahmen.
Sie stellen den
Kläger nicht ungünstig dar und berühren
nicht seine Intimsphäre. Als kontextbezogene Aufnahmen
unterstreichen sie mehr als ein kontextneutrales Bild die
Authentizität des Berichts (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1797).
Die Verbreitung der
angegriffenen Fotos ist auch im Übrigen nicht geeignet, den
Kläger "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise
"an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die ihn als
Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte. Die
Aufnahmen sind Bestandteil einer ausdrücklich als solcher
gekennzeichneten Altmeldung, der in der Art und Weise, wie sie zum
Abruf bereitgehalten wurde, eine nur geringe Breitenwirkung zukam. Sie
stammen aus dem Jahr 1992 und illustrieren allein das damalige Aussehen
des Klägers. Im Übrigen wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen unter 1. c) bb) Bezug
genommen, die auch im vorliegenden Zusammenhang Geltung beanspruchen.
Bei der gebotenen
Würdigung der Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit
sind keine überwiegenden berechtigten Interessen des
Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der
Verbreitung der ihn zeigenden Fotos im Rahmen des angegriffenen
Dossiers entgegengestanden hätten (vgl. Senatsurteil vom 6.
März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697, 700).
c) Eine andere
rechtliche Beurteilung ist auch nicht nach den Grundsätzen des
Datenschutzrechts geboten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der
persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften
des Bundesdatenschutzgesetzes überhaupt eröffnet ist,
insbesondere ob es sich bei Fotografien um personenbezogene Daten im
Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes handelt (bejahend: Gola/Schomerus,
aaO, Rn. 6a; VG Hamburg, DuD 1981, 57) und ob das Bereithalten der die
Fotos des Klägers enthaltenden und in dem beanstandeten
Dossier zusammengefassten Meldungen zum Abruf im Internet ein
"Verarbeiten" personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 4
Satz 1 BDSG darstellt. Denn wie unter 1. d) ausgeführt
unterfällt das Bereithalten dieser Meldungen jedenfalls dem
sogenannten Medienprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV mit der
Folge, dass seine Zulässigkeit weder von einer Einwilligung
des Betroffenen noch von einer ausdrücklichen gesetzlichen
Ermächtigung im Sinne des § 4 BDSG abhängig
ist.
III. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.