BGH,
Urteil, Anspruch, Vernichtung, Fotos, Nackfotos, Intimfotos, erotische
Fotos, Geschlechtsverkehr, Sex, Loeschung, loeschen
zurück
Aktenzeichen: VI ZR 271/14
Verkündet am:
13.10.2015
BUNDESGERICHTSHOF
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Im
Namen des Volkes
Urteil
Tenor
Die
Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenates des Oberlandesgerichts
Koblenz vom 20. Mai 2014 wird auf Kosten des Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die
Klägerin nimmt den Beklagten - soweit im Revisionsverfahren
noch von Interesse - auf Löschung von Fotos und Filmaufnahmen
in Anspruch, die sie zeigen und sich auf elektronischen Speichermedien
des Beklagten befinden.
Die Parteien hatten eine -
für die Klägerin außereheliche - intime
Liebesbeziehung. Der Beklagte, der von Beruf Fotograf ist, erstellte
während dieser Zeit zahlreiche Bild- und Filmaufnahmen von der
Klägerin, auf denen diese unbekleidet und teilweise bekleidet
sowie vor, während und nach dem Geschlechtsverkehr mit dem
Beklagten zu sehen ist. Teilweise hat die Klägerin intime
Fotos von sich selbst erstellt und dem Beklagten in digitalisierter
Form überlassen. Ferner besitzt der Beklagte Aufnahmen von der
Klägerin, die sie bei alltäglichen Handlungen ohne
intimen Bezug zeigen. Die Beziehung ist mittlerweile beendet, die
Parteien sind zerstritten.
Der Beklagte ist - auf
sein Anerkenntnis hin - rechtskräftig verurteilt, es zu
unterlassen, die Klägerin zeigende Lichtbilder und/oder
Filmaufnahmen ohne deren Einwilligung Dritten und/oder
öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen.
Dem
weiteren Antrag der Klägerin, den Beklagten zur
Löschung aller in seinem Besitz befindlichen elektronischen
Vervielfältigungsstücke von die Klägerin
zeigenden Lichtbildern und Filmaufnahmen zu verurteilen, hat das
Landgericht teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten verurteilt,
die in seinem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz befindlichen
elektronischen Vervielfältigungsstücke von die
Klägerin zeigenden Lichtbildern und/oder Filmaufnahmen, auf
denen die Klägerin
- in unbekleidetem
Zustand,
- in teilweise unbekleidetem Zustand,
soweit der Intimbereich der Klägerin (Brust und/oder
Geschlechtsteil) zu sehen ist,
- lediglich ganz oder
teilweise nur mit Unterwäsche bekleidet,
-
vor, während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr,
abgebildet
ist, vollständig zu löschen; die weitergehende Klage
hat es abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen beider Parteien
hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es
zur Fortbildung des Rechts zugelassen, um die Frage zu klären,
ob und unter welchen Voraussetzungen außerhalb des
Anwendungsbereichs des § 37 KUG und des § 98 Abs. 1
UrhG ein Anspruch auf Löschung von
Vervielfältigungsstücken besteht. Mit seiner Revision
verfolgt der Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung.
Gründe
I.
Das
Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZUM 2015, 58, abgedruckt
ist, hat den Löschungsantrag der Klägerin
für hinreichend bestimmt gehalten. Erfasst seien alle im
Besitz des Beklagten befindlichen Medien, auf denen sich die
beanstandeten Aufnahmen befänden. Auch dem Tenor des
landgerichtlichen Urteils fehle es nicht an der Bestimmtheit, soweit
der Beklagte zur Löschung von Aufnahmen, die die
Klägerin "im Anschluss an den Geschlechtsverkehr" zeigten,
verurteilt worden sei. Hiermit seien Aufnahmen gemeint, die einen
objektiven Bezug zum Geschlechtsverkehr erkennen ließen und
damit erkennbar noch in einem Zusammenhang mit dem zuvor
durchgeführten Geschlechtsverkehr stünden.
Das
Landgericht habe auch nicht gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO
verstoßen. Es habe der Klägerin nicht etwas
zugesprochen, was diese nicht beantragt habe. Vielmehr sei das
Landgericht hinter deren Löschungsantrag
zurückgeblieben und spreche ihr - was zulässig sei -
ein "Minus" zu.
Ein Anspruch der Klägerin
auf Löschung der Aufnahmen ergebe sich nicht aus § 6
Abs. 1 BDSG. Denn dieses Gesetz sei im Streitfall, der einen rein
privaten Sachverhalt betreffe, nach § 1 Abs. 2 Nr. 3,
§ 27 BDSG nicht anwendbar. Die Aufnahmen seien unstreitig
nicht zur Veröffentlichung und Verbreitung bestimmt und
ausschließlich zu persönlichen bzw. privaten Zwecken
gefertigt worden.
Ein Löschungsanspruch
folge auch nicht aus § 37 KUG. Die in Rede stehenden
Lichtbilder und Vervielfältigungsstücke seien nicht
widerrechtlich hergestellt, sondern vielmehr mit dem
Einverständnis der Klägerin vom Beklagten erstellt
bzw. ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellt
worden, soweit diese die Aufnahmen selbst hergestellt habe.
Das
Landgericht habe jedoch - im tenorierten Umfang - zu Recht einen
Löschungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004
BGB hergeleitet. Zwar stellten die Fertigung der Lichtbilder und
Filmaufnahmen zunächst keinen rechtswidrigen Eingriff in das
allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin dar, da
sie mit deren Einverständnis erstellt worden seien.
Die
Einwilligung der Klägerin in die Anfertigung der betreffenden
Aufnahmen schließe jedoch einen Widerruf des
Einverständnisses für die Zukunft nicht aus. Die
Rechtsnatur der Einwilligung und die Möglichkeit des Widerrufs
einer einmal erteilten Einwilligung für die Zukunft seien
umstritten. Nach Auffassung des Berufungsgerichts handele es sich um
eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung,
deren Widerruf dann erfolgen könne, wenn die Bedeutung des
Persönlichkeitsrechts dies gebiete. Nur so könne dem
allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das auch das Recht am
eigenen Bild umfasse, Geltung verschafft werden.
Im
Streitfall sei dabei zu berücksichtigen, dass die Aufnahmen im
privaten Bereich im Rahmen einer Liebesbeziehung gefertigt worden
seien. Daher sei der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit
des Beklagten nicht berührt. Im Raum stünden das
Recht des Beklagten auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG, auf
Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG und auf allgemeine
Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG. Da der Beklagte verurteilt
sei, die Aufnahmen nicht ohne Einwilligung der Klägerin
Dritten zugänglich zu machen, beschränke sich sein
Anliegen darauf, sich die Aufnahmen anschauen zu dürfen. Daher
falle das Recht des Beklagten auf Kunstfreiheit in Abwägung
mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägerin
nicht mehr erheblich ins Gewicht. Auch die Kunstfreiheit sei nicht
schrankenlos gewährleistet.
Entsprechendes
gelte für die Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2
Abs. 1 GG. Sei die Beziehung zwischen den Parteien beendet, so
überwiege das Interesse der Klägerin an der
Löschung das auf seinem Eigentumsrecht begründete
Recht des Beklagten an der Existenz der Aufnahmen.
Das
Berufungsgericht halte für fraglich, ob die Foto- und
Filmaufnahmen dauerhaft und umfassend gegen den unbefugten Zugriff
Dritter gesichert seien. Aus Sicht der Klägerin
bestünde Anlass zu Zweifeln, ob der Beklagte mit den Aufnahmen
mit der gebotenen größtmöglichen Sorgfalt
umgehe. Immerhin habe dieser vertrauliche E-Mails der Klägerin
mit intimem Inhalt an die Firmenadresse des Ehemanns der
Klägerin mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch
unbeteiligte Dritte weitergeleitet.
Außerdem
sei die Einwilligung in die Erstellung und die damit verbundene Nutzung
der in Rede stehenden Lichtbilder zeitlich auf die Dauer der zwischen
den Parteien bestehenden Beziehung beschränkt gewesen.
Das
Begehren der Klägerin auf Löschung aller sie
zeigenden Aufnahmen könne aber keinen Erfolg haben.
Lichtbilder, die die Klägerin in bekleidetem Zustand in
Alltags- oder Urlaubssituationen zeigten, tangierten das allgemeine
Persönlichkeitsrecht in geringerem Maße und seien
weniger geeignet, das Ansehen der Klägerin gegenüber
Dritten zu beeinträchtigen. Insoweit müsse sich die
Klägerin an der einmal erteilten Einwilligung zur Erstellung
der Fotos und der Nutzung durch den Beklagten festhalten lassen.
II.
Die
Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsurteil
hält den Angriffen der Revision stand.
1.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht in der von ihm
bestätigten Tenorierung des landgerichtlichen Urteils, durch
das der Beklagte zur Löschung von Lichtbildern und
Filmaufnahmen verurteilt worden ist, auf denen die Klägerin in
bestimmter, näher bezeichneter Weise abgebildet ist, keinen
Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesehen. Nach
§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dessen Voraussetzungen auch vom
Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen sind, ist das
Gericht nicht befugt, der Partei etwas zuzusprechen, was nicht
beantragt ist. Zulässig ist es jedoch, der Partei ein im
Klageantrag enthaltenes Weniger zuzusprechen (vgl. Senatsurteil vom 31.
Januar 1984 - VI ZR 150/82, VersR 1984, 389, 390; BGH, Urteile vom 11.
April 2006 - X ZR 139/03, BGHZ 167, 166 Rn. 10; vom 20. November 1992 -
V ZR 82/91, BGHZ 120, 239, 248). So liegt der Fall hier. Denn die
Löschung nur eines näher umschriebenen Teils der
Lichtbilder und Filmaufnahmen ist in der von der Klägerin
begehrten umfassenden Löschung als Minus enthalten.
b)
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die Urteilsformel (§ 313
Abs. 1 Nr. 4 ZPO) des vom Berufungsgericht bestätigten
landgerichtlichen Urteils, die den Anforderungen an die Bestimmtheit
des Klageantrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zu genügen
hat (BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 104/05, NJW 2008,
2647 Rn. 21 mwN). Auch diese Frage ist im Revisionsverfahren von Amts
wegen zu prüfen (vgl. nur BGH, Urteile vom 10. Februar 2011 -
I ZR 164/09, NJW 2011, 2657 Rn. 16; vom 16. November 2006 - I ZR
191/03, WM 2007, 1190 Rn. 15; jeweils mwN).
aa) Ein
Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch
konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang
der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322
ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des
Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den
Beklagten abwälzt und schließlich eine
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im
Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Welche Anforderungen
an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu
stellen sind, hängt jedoch auch von den Besonderheiten des
anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des
Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags
sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses
des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu
können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und
Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem
ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an
einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (BGH, Urteil vom 28. November
2002 - I ZR 168/00, BGHZ 153, 69, 75 f. mwN).
bb)
Ausgehend von diesen Grundsätzen begegnet es keinen Bedenken,
dass das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil insoweit als
hinreichend bestimmt angesehen hat, als es im unmittelbaren oder
mittelbaren Besitz des Beklagten befindliche elektronische
Vervielfältigungsstücke erfasst. Zwar ist nach
§ 854 Abs. 1 BGB ein Besitz nur an Sachen und somit an
körperlichen Gegenständen (vgl. § 90 BGB)
möglich, wozu elektronische
Vervielfältigungsstücke als solche - anders als deren
Verkörperung auf einem Datenträger (vgl. BGH, Urteile
vom 15. November 2006 - XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394 Rn. 15; vom 14.
Juli 1993 - VIII ZR 147/92, NJW 1993, 2436, 2437 f.; jeweils mwN) -
gerade nicht zählen. Nichtdestotrotz lässt sich dem
Tenor hinreichend genau entnehmen, dass von ihm solche Dateien erfasst
sein sollen, auf die der Beklagte wie ein unmittelbarer Besitzer eine
jederzeitige Einwirkungsmöglichkeit hat oder bei denen - wie
im Fall des mittelbaren Besitzes - Dritte von ihm eine derartige
Einwirkungsmöglichkeit ableiten. Letztlich kommt es also
darauf an, ob der auf Löschung in Anspruch genommene Beklagte
eine (ggf. mittelbare) Funktionsherrschaft über die Daten
innehat (vgl. Bohne in Wandtke/Bullinger, 4. Aufl., § 98 UrhG
Rn. 19).
cc) Der Tenor ist auch nicht insoweit
unbestimmt, als er die Löschung von Lichtbildern und/oder
Filmaufnahmen anordnet, auf denen die Klägerin vor,
während oder im Anschluss an den Geschlechtsverkehr abgebildet
ist.
Das Berufungsgericht hat das für den
letztgenannten Punkt zutreffend dahingehend konkretisiert, dass damit
Aufnahmen gemeint seien, die einen objektiven Bezug zum
Geschlechtsverkehr erkennen lassen und damit noch erkennbar mit dem
zuvor durchgeführten Geschlechtsverkehr in Zusammenhang
stehen. Ein solcher objektiver Bezug ist auch für die
Bestimmung der Aufnahmen unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr
möglich. An der Bestimmbarkeit von Aufnahmen während
des Geschlechtsverkehrs können keine Zweifel bestehen.
2.
Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des
Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein
Löschungsanspruch hinsichtlich des Teils der sie im
vorbeschriebenen Zusammenhang zeigenden Aufnahmen zu.
a)
Das Berufungsgericht hat einen Löschungsanspruch
bezüglich aller Aufnahmen, die den Intimbereich der
Klägerin betreffen und sich beim Beklagten befinden,
geprüft. Ausweislich der Gründe seiner Entscheidung
hat es über den Wortlaut des Klageantrages und der Tenorierung
des Landgerichts hinausgehend, die nur zu löschende
Vervielfältigungsstücke nennen, den Beklagten
verurteilt, auch die sich bei ihm befindlichen Originalaufnahmen, das
heißt, die jeweils ersten Speicherungen der digitalen
Bilddateien auf dem Speichermedium der Kamera(s) zu löschen;
denn das Berufungsgericht deutet den Klagantrag zutreffend und von der
Revision unangegriffen dahingehend, dass er alle im Besitz des
Beklagten befindlichen Medien betrifft, auf denen sich die
beanstandeten Aufnahmen befinden.
b) Soweit das
Berufungsgericht etwaige Löschungsansprüche nach
§ 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG, § 37 Abs. 1 KUG und
§ 98 Abs. 1 UrhG verneint hat, nimmt die Revision dies als ihr
günstig hin. Das begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.
c)
Zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der
Klägerin hinsichtlich der Aufnahmen mit Intimbezug
Löschungsansprüche aus § 823 Abs. 1,
§ 1004 BGB wegen der Verletzung ihres
Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1
GG) zustehen.
aa) Im Streitfall sind bei der
Klägerin aus dem Schutzbereich des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts ihr Recht auf Bildnisschutz und - mit
diesem verknüpft - ihre absolut geschützte
Intimsphäre berührt. Denn die fraglichen Aufnahmen
zeigen sie in intimsten Situationen.
bb)
Über die bloße Berührung des Schutzbereichs
hinaus liegt ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Klägerin - in seiner
bildnis- und Intimsphäre schützenden Funktion -
darin, dass der Beklagte die Verfügungsmacht über die
vorbeschriebenen, die Klägerin zeigenden Aufnahmen gegen deren
Willen weiterhin ausübt.
(1) Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht ist ein Rahmenrecht, dessen Reichweite
nicht absolut feststeht. Diese muss vielmehr durch eine
Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich
geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen
Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und
Gewährleistungen der Europäischen
Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu
berücksichtigen sind. Der Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das
Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der
anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 30. September
2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534, 536; vom 29. April 2014 - VI ZR
137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ
199, 237 Rn. 22). Der Bereich der Intimsphäre
genießt überragend bedeutenden Schutz (vgl. BVerfGE
119, 1 Rn. 102). Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung
ist einer Abwägung nach Maßgabe des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht
zugänglich (BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 25).
(2)
Von der gesetzlichen Regelung des Rechts am eigenen Bild in
§§ 22 ff. KUG, die eine besondere Ausprägung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, wird das
bloße Innehaben und Betrachten von Bildaufnahmen gegen den
Willen des Abgebildeten wie im Streitfall nicht erfasst. Aus dieser
Regelung wird abgeleitet, dass grundsätzlich allein dem
Abgebildeten die Befugnis zusteht, darüber zu befinden, ob und
in welcher Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt
wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR
15/95, BGHZ 131, 332, 336; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06,
BGHZ 171, 275 Rn. 5; jeweils mwN). Nach der verfassungsgerichtlichen
Rechtsprechung gibt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 1 Abs. 1 GG kein
allgemeines oder gar umfassendes Verfügungsrecht über
die Darstellung der eigenen Person. Das Recht am eigenen Bild
gewährleistet dem Einzelnen aber Einfluss- und
Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und
Verwendung von Bildaufzeichnungen seiner Person durch andere geht. Das
Schutzbedürfnis ergibt sich vor allem aus der
Möglichkeit, das auf eine bestimmte Situation bezogene
Erscheinungsbild eines Menschen davon zu lösen und das Abbild
jederzeit unter für den Betroffenen nicht
überschaubaren und/oder nicht beherrschbaren Voraussetzungen
vor Dritten zu reproduzieren. Je leichter dies ist, umso
größer kann das Schutzbedürfnis sein. So
sind mit dem Fortschritt der Aufnahmetechniken wachsende
Möglichkeiten der Gefährdung von
Persönlichkeitsrechten verbunden (vgl. BVerfGE 101, 361, 381;
120, 180, 198).
Diesem Schutzbedürfnis
Rechnung tragend zielt der Bildnisschutz der §§ 22
ff. KUG auf das Verbreiten und die öffentliche
Zurschaustellung des hergestellten Bildes ab (vgl. Götting in
Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn. 5;
BGH, Urteil vom 10. Mai 1957 - I ZR 234/55, BGHZ 24, 200, 208). Er
stellt aber nur eine teilweise Ausformung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts dar und schließt einen
weitergehenden Bildnisschutz nicht aus (vgl. Lorenz in
Kahl/Waldhoff/Walter, BK, Art. 2 Abs. 1 GG Rn. 297, Stand April 2008).
Durch die Sonderregelung des § 22 KUG wird ein
Rückgriff auf das Persönlichkeitsrecht nicht verwehrt
(vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 1974 - VI ZR 121/73, NJW 1974, 1947,
1948). So hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass ein
Löschungsanspruch in Betracht kommt, wenn bereits durch die
Anfertigung von Fotos das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Abgebildeten verletzt wurde, der Besitz an den Fotos Folge dieser
Verletzung ist und der hierdurch hervorgerufene
Störungszustand aufrechterhalten wird (vgl. Senatsurteile vom
24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 119 Rn. 30; vom 16. September
1966 - VI ZR 268/64, NJW 1966, 2353, 2354; BGH, Urteil vom 10. Mai 1957
- I ZR 234/55, BGHZ 24, 200, 208; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht
der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 9 Rn. 4). Zum
rechtlich geschützten Bereich des
Persönlichkeitsrechts gehört in Ausformung der
verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und Art. 2 GG
zugunsten des freien, eigenverantwortlichen Individuums auch, dass der
Einzelne grundsätzlich allein zur Verfügung
über die Verwendung seines Bildnisses - nicht nur in der
Öffentlichkeit sondern auch sonst - berechtigt ist.
(3)
Danach kann unter besonderen Umständen schon das Innehaben der
Verfügungsmacht über Bildaufnahmen durch einen
Dritten gegen den Willen des Abgebildeten, sei es nur durch Behalten
und Betrachten, dessen Persönlichkeitsrecht verletzen.
(a)
Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende
allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der
Privat- und Intimsphäre des Einzelnen auch Aspekte des
Geschlechtslebens und das Interesse, diese nicht offenbaren zu
müssen. Der Schutz der Privat- und Intimsphäre
umfasst Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts
typischerweise als "privat" eingestuft werden, insbesondere weil ihre
öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als
unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder
nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es gerade auch
im Bereich der Sexualität der Fall ist. Fehlte es hier an
einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wäre die
sexuelle Entfaltung erheblich beeinträchtigt, obwohl es sich
um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl.
BVerfGE 101, 361, 382 mwN). Mit dem Recht auf Achtung der Privat- und
Intimsphäre spezifisch geschützt ist das Recht,
geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner nicht offenbaren zu
müssen, sondern selbst darüber befinden zu
können, ob, in welcher Form und wem Einblick in die
Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt
wird (vgl. BVerfGE 117, 202, 233 mwN; BVerfG NJW 2015, 1506 Rn. 29).
Wie
bereits dargelegt gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im
Kernbereich höchstpersönlicher, privater
Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der
Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur
Menschenwürde absolut geschützt und einer
Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht
zugänglich ist (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR
332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; vgl.
auch BVerfGE 80,
367, 373; 120, 224, 239; 130, 1, 22; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25).
Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich
Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfGE 119, 1, 29).
Die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist,
hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob
er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters
ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die
Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft
berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09,
aaO; vgl. auch BVerfGE 80, 367, 374; 120, 224, 239; 130, 1, 22; BVerfG,
AfP 2009, 365 Rn. 25).
(b) Die Funktionsherrschaft
des Beklagten über die intimen Aufnahmen gegen den Willen der
Klägerin ist dem vorbeschriebenen Kernbereich zuzuordnen. Wer
nämlich - wie hier - Bildaufnahmen oder Fotographien, die
einen anderen darstellen, besitzt, erlangt allein durch diesen Besitz
eine gewisse Herrschafts- und Manipulationsmacht über den
Abgebildeten (vgl. Götting in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht, 4. Aufl., § 22 KUG Rn. 1), selbst wenn eine
Verbreitung oder Weitergabe an Dritte nicht beabsichtigt oder untersagt
ist. Diese Macht ist umso größer, als Aufnahmen eine
vollständige Entblößung des
gänzlich Privaten, der grundsätzlich absolut
geschützten Intimsphäre des Einzelnen, insbesondere
im Zusammenhang mit gelebter Sexualität, zeigen. Diese
Entblößung wird von dem Abgebildeten
regelmäßig als peinlich und beschämend
empfunden, wenn sich der Situationszusammenhang wie hier durch die
Beendigung der Beziehung geändert hat. Die zur Anregung des
gemeinsamen Sexuallebens erbrachte Entblößung wird
als demütigend wahrgenommen, wenn das gemeinsame Erleben
entfällt, sie aber dauerhaft sichtbar bleibt, wenn das aktive
Subjekt gegen seinen Willen zum reinen Objekt des Bildbetrachters wird.
So liegt es im Streitfall. Die Klägerin erfährt durch
die gegen ihren Willen fortbestehende Verfügungsmacht des
Beklagten über die Aufnahmen, die die Öffnung ihrer
Intimsphäre sichtbar festschreiben, ein Ausgeliefertsein und
eine Fremdbestimmung, durch die sie im unantastbaren Kernbereich ihres
Persönlichkeitsrechts verletzt wird.
(4)
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann allerdings entfallen
oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten,
wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten
Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem
unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der
Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich
die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft
berührt (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR
332/09, aaO Rn. 12 mwN; vgl. auch BVerfGE 80, 367, 374; 101, 361, 385;
BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25). Denn niemand kann sich auf den Schutz
seiner Intim- oder Privatsphäre hinsichtlich solcher Tatsachen
berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat
(vgl. Senatsurteile vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085
Rn. 26; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; vom 20. Dezember 2011
- VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 16; jeweils mwN; vgl. auch BVerfGE
101, 361, 385; BVerfG, NJW-RR 2007, 1191, 1193). So liegt der
Streitfall jedoch nicht.
Zwar hat die
Klägerin nicht der Öffentlichkeit, aber dem Beklagten
Einblick in ihre Intimsphäre gewährt und ihm die
Aufnahmen zum Teil selbst überlassen, im Übrigen
gestattet. Diese Einwilligung war aber begrenzt auf die Dauer ihrer
Beziehung zu dem Beklagten. Das ergibt sich aus der - rechtlich nicht
zu beanstandenden - Auslegung der von der Klägerin konkludent
erklärten Gestattung durch das Berufungsgericht.
(a)
Maßstab für die Frage nach der Wirksamkeit und dem
Umfang einer solchen Einwilligung können die für die
Einwilligung nach § 22 KUG entwickelten Grundsätze
sein. Die Einwilligung kann danach grundsätzlich im privaten
Bereich konkludent und auch formlos (vgl. zur Abgrenzung BAG, BB 2015,
1276, 1277), beschränkt oder unbeschränkt erteilt
werden, die Beschränkung kann etwa in räumlicher oder
zeitlicher Hinsicht oder im Hinblick auf einen bestimmten Zweck oder
für bestimmte Medien erfolgen (vgl. nur Götting in
Schricker/Loewenheim aaO Rn. 43 mwN; vgl. Soehring in ders./Hoene,
Presserecht 5. Aufl., § 19 Rn. 46a; Engels in Beck OK
Urheberrechtgesetz § 22 Rn. 37; Senatsurteil vom 14. Oktober
1986 - VI ZR 10/86, NJW-RR 1987, 231). Nach der Rechtsprechung des
Senats ist die Reichweite der Einwilligung durch Auslegung nach den
Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. zu § 22
Satz 1 KUG Senatsurteile vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR
2005, 83; vom 14. November 1995 - VI ZR 410/94, VersR 1996, 204, 205;
vom 14. Oktober 1986 - VI ZR 10/86, NJW-RR 1987, 231; vom 6. Februar
1979 - VI ZR 46/77, NJW 1979, 2203). Das Revisionsgericht kann diese
Auslegung nur darauf überprüfen, ob
Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln,
Verfahrensvorschriften, anerkannte Denkgesetze oder
Erfahrungssätze vorliegen und ob der Tatrichter sich mit dem
Verfahrensstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat
(st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteil vom 21. Oktober 2014 - VI ZR 507/13,
VersR 2014, 1510 Rn. 9 mwN).
(b) Das
Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Bilder im privaten Bereich
und nur im Rahmen dieser Liebesbeziehung ohne vertragliche
Vereinbarungen und unentgeltlich entstanden sind, nur zu
persönlichen bzw. privaten Zwecken gefertigt wurden und nicht
zur Veröffentlichung und Verbreitung bestimmt waren. Es hat
weiter festgestellt, dass die Einwilligung in die Nutzung zeitlich auf
die Dauer der zwischen den Parteien bestehenden Beziehung
beschränkt war. Fehler hinsichtlich des hier der Auslegung der
konkludenten Willenserklärung zugrunde zulegenden
Tatsachenstoffs zeigt die Revision nicht auf. Von Amts wegen zu
prüfende Rechtsfehler der Auslegung sind nicht ersichtlich.
(5)
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin etwa
zurückdrängende grundrechtlich geschützte
Positionen des Beklagten sind schon im Ansatz nicht gegeben.
(a)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schutzbereich der
Berufsausübungsfreiheit des Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG)
nicht berührt. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.
(b)
Das ideelle Interesse des Beklagten, die Bilder zur Pflege der
Erinnerung an die gemeinsame Beziehung behalten zu dürfen,
kann eine schutzwürdige Rechtsposition schon deshalb nicht
begründen, weil ihm der Gewahrsam an den Bildern von
vornherein nur für die Dauer der Beziehung gestattet war. Aus
entsprechenden Gründen ist dem Beklagten auch die Berufung auf
Art. 14 GG und die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) versagt.