Bundesgerichtshof,
Zustandekommen Vertragsstrafe
Vereinbarung
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Aktenzeichen: I ZR 32/03 |
Verkündet
am:
18.05.2006
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
Bundesgerichtshof
URTEIL
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln vom 20. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Kammer
für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 2. Mai 2002 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Tatbestand
Die
Parteien stehen als Anbieter von Internet-Zugängen miteinander
im Wettbewerb.
Die
Beklagte
warb im Sommer 2001 für den von ihr angebotenen DSL-Zugang mit
der
unrichtigen Behauptung, dieser weise eine
Übertragungsgeschwindigkeit von 1.024 kbit/s auf. Mit
Schreiben
vom 2. Juli 2001 mahnte die Klägerin die Beklagte deswegen
unter
Beifügung des Entwurfs einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung ab. Die Beklagte gab am 5. Juli 2001
eine
Unterlassungserklärung ab. Sie verwendete dabei aber nicht den
von
der Klägerin vorgeschlagenen, sondern einen von ihr selbst neu
formulierten Text. Dieser unterschied sich von dem Entwurf der
Klägerin u. a. durch eine niedrigere Vertragsstrafe
und den
Vorbehalt von Aufbrauchsfristen für verschiedene Medien. Auf
telefonische Nachfragen der Beklagten vom 6. und 11. Juli 2001
erklärte der anwaltliche Vertreter der Klägerin,
diese habe
noch nicht über die Annahme der
Unterlassungserklärung
entschieden. Mit Schreiben vom 11. Juli 2001 nahm die Klägerin
diese dann an.
In
der
Zwischenzeit war in der Ausgabe des K. Stadtanzeigers vom 7./8. Juli
2001 eine weitere Anzeige der Beklagten erschienen, in der die von der
Klägerin beanstandete unrichtige Aussage erneut enthalten war.
Die
Klägerin ist der Ansicht, der Unterlassungsvertrag zwischen
den
Parteien sei bereits am 5. Juli 2001 zustande gekommen, so dass die
darin enthaltene Vertragsstrafe
durch die Anzeige vom 7./8. Juli 2001
verwirkt sei. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, weil sie das
Erscheinen der Anzeige hätte verhindern können.
Die
Klägerin hat die Beklagte daher auf Zahlung der Vertragsstrafe
in
Höhe von 5.164,05 € nebst Zinsen in Anspruch
genommen.
Die
Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das
Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage mit
Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben (OLG Köln
OLG-Rep 2003, 150).
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die Klage für im Wesentlichen
begründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Der
Unterlassungsvertrag sei zwar erst mit der Annahmeerklärung
der
Klägerin am 11. Juli 2001 zustande gekommen. Die inhaltlich
von
der Vorgabe der Klägerin deutlich abweichende
Erklärung der
Beklagten vom 5. Juli 2001 habe gemäß § 150
Abs. 2 BGB
einen neuen Antrag dargestellt, den die Klägerin nicht nach
§
151 BGB angenommen habe.
Der Vertrag sei jedoch nach seinem Wortlaut und unter Abwägung
der
beiderseitigen Interessen dahin auszulegen, dass sich die Beklagte
bereits ab dem Zeitpunkt der Abgabe ihrer Erklärung am 5. Juli
2001 strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet habe. Die Beklagte habe
ihre Unterlassungspflicht auch schuldhaft verletzt, weil sie vor Abgabe
der Unterlassungserklärung nicht sichergestellt habe, dass die
betreffende Anzeige nicht mehr erscheinen würde.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen
Überprüfung
nicht stand. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der
Unterlassungsvertrag erst am 11. Juli 2001 zustande gekommen ist. Mit
Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht
vorgenommene Auslegung des Vertrags, nach der die Vertragsstrafe
auch
bei vor dem 11. Juli 2001 begangenen Verstößen
verwirkt sein
sollte.
1.
Das
Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt
des Erscheinens der zweiten Anzeige am 7./8. Juli 2001 zwischen den
Parteien noch keine Vertragsstrafevereinbarung
bestanden hat. Der
Vertrag ist erst am 11. Juli 2001 geschlossen worden.
a)
Die
Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe
wird nicht schon durch
eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet,
sondern
setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und
dem
Schuldner voraus. Für das Zustandekommen eines solchen
Vertrags
gelten die allgemeinen Vorschriften über
Vertragsschlüsse
(vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und
Verfahren, 8.
Aufl., Kap. 20 Rdn. 7 f.; Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2004,
§ 339 Rdn. 20 f. m.w.N.; a.A. Köhler, Festschrift
für
Gernhuber, 1993, S. 207 ff.). Dem Anspruchsteller bleibt es
grundsätzlich unbenommen, seinen Unterlassungsanspruch
gegebenenfalls im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes
durchzusetzen, wenn der Schuldner nach Zugang der Abmahnung
die Abgabe
einer die Wiederholungsgefahr
beseitigenden
Unterlassungserklärung
verzögert.
b)
Durch Abgabe
ihrer neu formulierten strafbewehrten Unterlassungserklärung
hat
die Beklagte das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines
strafbewehrten Unterlassungsvertrags abgelehnt und zugleich ein neues
Angebot abgegeben (§ 150 Abs. 2 BGB).
c)
Nicht zu
entscheiden ist im Streitfall die Frage, ob die Beklagte bei ihrem
neuen Angebot gemäß § 151 BGB auf den
Zugang der
Annahmeerklärung verzichtet hat. Denn auch dann wäre
ein nach
außen hervortretendes Verhalten des Empfängers
erforderlich
gewesen, aus dem der Annahmewille unzweideutig hervorging (BGHZ 74,
352, 356; 111, 97, 101; BGH, Urt. v. 10.2.2000 - IX ZR 397/98, NJW
2000, 1563). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die
Klägerin die Unterlassungserklärung der Beklagten
aber erst
am 11. Juli 2001 angenommen.
2.
Mit Erfolg
wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene
Auslegung des zwischen den Parteien zustande gekommenen
Unterlassungsvertrags.
a)
Das
Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass
Unterlassungsverträge nach den auch sonst für die
Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen sind.
Maßgebend ist demnach der wirkliche Wille der
Vertragsparteien
(§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem
Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände
wie
insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung,
deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien
sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (vgl. BGH, Urt. v.
20.6.1991 - I ZR 277/89, GRUR 1992, 61, 62 = WRP 1991, 654 -
Preisvergleichsliste; BGHZ 121, 13, 16 - Fortsetzungszusammenhang; BGH,
Urt. v. 17.7.1997 - I ZR 40/95, GRUR 1997, 931, 932 = WRP 1997, 1067 -
Sekundenschnell; BGHZ 146, 318, 322 - Trainingsvertrag).
b)
Demgegenüber findet die Beurteilung des Berufungsgerichts, die
vereinbarte Vertragsstrafe
habe rückwirkend auch den am 7./8.
Juli
2001 begangenen Verstoß erfassen sollen, weder im Wortlaut
der
Vereinbarung noch in der Interessenlage der Parteien eine
Stütze.
Sie widerspricht insbesondere dem Grundsatz einer nach beiden Seiten
hin interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGHZ 150, 32, 39 -
Unikatrahmen; BGH, Urt. v. 25.4.2002 - I ZR 296/99, GRUR 2002, 824 =
WRP 2002, 824 - Teilunterwerfung). Der Senat kann den
Unterlassungsvertrag insoweit anhand der vom Berufungsgericht
getroffenen Feststellungen und des unstreitigen Parteivorbringens
selbst entsprechend auslegen.
aa)
Richtig ist
allerdings, dass die vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte
Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und auch
inhaltlich
den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen
entspricht, die Wiederholungsgefahr
unabhängig von einer
Annahmeerklärung des Gläubigers und daher
gegebenenfalls auch
schon vor einer solchen entfallen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH,
Urt.
v. 9.11.1995 - I ZR 212/93, GRUR 1996, 290, 292 = WRP 1996, 199 -
Wegfall der Wiederholungsgefahr
I, m.w.N.). Ansprüche aus der
strafbewehrten Unterlassungserklärung auf Zahlung der
Vertragsstrafe
kann der Gläubiger aber grundsätzlich
allein
für ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses begangene
Verstöße geltend machen (BGH, Urt. v. 10.10.1991 - I
ZR
147/89, GRUR 1993, 34, 37 = WRP 1992, 160 - Bedienungsanweisung;
Ahrens/Schulte, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 10 Rdn. 15;
Staudinger/Rieble aaO § 339 Rdn. 20 f.). Dass die Parteien im
Streitfall davon abweichend die rückwirkende Verpflichtung zur
Zahlung der Vertragsstrafe
bereits ab dem Zeitpunkt der Abgabe des
Vertragsangebots durch die Beklagte gewollt haben, ist weder dem
Wortlaut der getroffenen Vereinbarung noch der vorangegangenen
Korrespondenz zu entnehmen.
bb)
Aus der
Sicht des Schuldners soll eine durch ein Vertragsstrafeversprechen
gesicherte Unterlassungsverpflichtung sicherstellen, dass für
von
ihr erfasste Handlungen weder eine Wiederholungsgefahr
noch eine
Erstbegehungsgefahr besteht. Aus der Sicht des Gläubigers geht
es
in erster Linie um die Sicherung seines als schutzwürdig
angesehenen Interesses am Unterbleiben weiterer Zuwiderhandlungen.
Außerdem dient die strafbewehrte
Unterlassungserklärung aus
der Sicht des Gläubigers dazu, einen gerichtlichen
Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im Allgemeinen weder
dem Interesse des Gläubigers noch dem Interesse des Schuldners
entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter gestellt
zu werden als durch ein entsprechendes Urteil (vgl. BGHZ 146, 318, 325
f. - Trainingsvertrag).
cc)
Die vom
Berufungsgericht vorgenommene Auslegung wird dem nicht gerecht. Sie
stellt den Schuldner vielmehr schlechter als im Falle der Erwirkung
eines Unterlassungstitels. Der Umstand, dass der Schuldner
während
der Vertragsverhandlungen sein als unlauter angesehenes
Wettbewerbsverhalten fortsetzen kann, ohne von der geforderten
Vertragsstrafe
getroffen zu werden, liegt in der Natur der Sache.
Insoweit würde auch eine Unterlassungsklage keine schnellere
Abhilfe schaffen (vgl. Staudinger/Rieble aaO § 339 Rdn. 21).
Zu
Recht weist die Revision zudem darauf hin, dass es die
Klägerin in
der Hand hatte, wie schnell sie das Angebot der Beklagten annahm.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin
dadurch in dem Zeitraum bis zum Zustandekommen der
Unterlassungsvereinbarung auch nicht etwa rechtlos gestellt. Zwar war
nach dem vorstehend Ausgeführten die Wiederholungsgefahr
für
den ursprünglichen Unterlassungsanspruch entfallen. Jedoch
begründete der erneute Verstoß einen neuen
gesetzlichen
Unterlassungsanspruch, den die Klägerin hätte geltend
machen
können (vgl. BGHZ 130, 288, 294 - Kurze
Verjährungsfrist;
BGH, Urt. v. 23.10.1997 - I ZR 98/95, GRUR 1998, 1043, 1044 = WRP 1998,
294 - GS-Zeichen).
3.
Da aus den
vorstehend dargelegten Gründen bereits kein Anspruch der
Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe
besteht, braucht nicht
entschieden zu werden, ob die gegen die Bejahung eines schuldhaften
Verhaltens der Beklagten gerichteten Rügen der Revision
ebenfalls
durchgreifen.
III.
Danach war
das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten hin aufzuheben und
die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende
Urteil
des Landgerichts zurückzuweisen.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1
ZPO.