BGH
Urteil Domain „kinski-klaus.de“ Klaus Kinski
zurück
Aktenzeichen:I
ZR 277/03
Urteil vom: 5. Oktober
2006
|
Im
Namen
des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
................................
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 5. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr.
Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin, Zivilkammer 52,
vom 30. Oktober 2003 wird auf Kosten der Kläger
zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Erben des am 23. November 1991
verstorbenen Klaus Nakszynski, der unter dem Künstlernamen
Klaus Kinski sehr bekannt geworden ist. Sie haben mit Abmahnungen vom
21. März 2002 beanstandet, dass die Beklagten den Domain-Namen
„kinski-klaus.de“ zur Registrierung angemeldet und
benutzt hätten, um für eine von ihnen veranstaltete
Ausstellung über Klaus Kinski zu werben, und von diesen die
Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen gefordert. Die
Beklagten hätten in ihr absolutes Recht an der Vermarktung der
Prominenz des Erblassers eingegriffen. Mit ihrer Klage verlangen die
Kläger als Schadensersatz die Erstattung der Abmahnkosten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der
Kläger hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer (vom Landgericht zugelassenen) Revision beantragen die
Kläger, das Berufungsurteil aufzuheben und auf ihre Berufung
das landgerichtliche Urteil abzuändern und nach ihren in
zweiter Instanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das
Berufungsgericht hat die Klage schon deshalb als unbegründet
angesehen, weil die Kläger bei den Abmahnungen
rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten. Sie
hätten ihre behaupteten Ansprüche auch in einer Weise
geltend machen können, die die Beklagten weniger mit Kosten
belastet hätte. Die Klage sei im Übrigen auch deshalb
unbegründet, weil den Beklagten nicht verboten werden
könne, für eine Ausstellung zu werben, die das
Interesse an Klaus Kinski als Person der Zeitgeschichte befriedigen
solle.
II.
Die
Revision der Kläger hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht
hat die Klage im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen.
1.
Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche können
nicht auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. mit § 12 BGB
gestützt werden.
Zu
Lebzeiten hätte allerdings Klaus Kinski selbst ein
Unterlassungsanspruch aus § 12 BGB gegen einen anderen als
einen Namensträger zugestanden, der sich den Domain-Namen
„kinski-klaus.de“ registrieren lässt. Der
Namensträger braucht nicht zu dulden, dass er seinen Namen
nicht als Internetadresse nutzen kann, weil ein Nichtberechtigter ihm
bei der Registrierung zuvorgekommen ist (vgl. BGHZ 155, 273, 276 f. -
maxem.de; BGH, Urt. v. 19.2.2004 - I ZR 82/01, GRUR 2004, 619, 620 =
WRP 2004, 769 - kurt-biedenkopf.de).
Nach
dem Tod einer Person kann aber die Benutzung ihres Namens als
Internetadresse nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der
Namensanmaßung untersagt werden. Das Namensrecht einer Person
aus § 12 BGB, das auch ihren Künstlernamen
schützt (vgl. BGHZ 30, 7, 9 - Caterina Valente), erlischt mit
dem Tod des Namensträgers (vgl. BGHZ 8, 318, 324; offen
gelassen von BGHZ 107, 384, 390 - Emil Nolde; a.A. v. Gamm,
Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 2. Halbbd, Kap. 53 Rdn. 20; Schack, JZ
1987, 776). Ein Toter ist nicht mehr Rechtssubjekt und kann daher nicht
mehr Träger des Namensrechts sein. Eine Schutzlücke
entsteht dadurch nicht. Das Namensrecht ist eine Erscheinungsform des
durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen
Persönlichkeitsrechts (vgl. BGHZ 143, 214, 218 - Marlene
Dietrich). Wird der Name nach dem Tod der Person in einer Weise
benutzt, die in das postmortale allgemeine
Persönlichkeitsrecht eingreift, besteht weiterhin Schutz.
2.
Die Kläger können die Abmahnkosten auch nicht nach
§ 823 Abs. 1 BGB als Schadensersatz wegen Eingriffs in das
postmortale Persönlichkeitsrecht des Klaus Kinski, dessen
Erben sie sind, verlangen.
a)
Die Persönlichkeit des Menschen wird auch über den
Tod hinaus geschützt. Dies folgt für das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, soweit es verfassungsrechtlich
gewährleistet ist, aus dem Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG,
wonach die Würde des Menschen unantastbar ist.
Demgegenüber besteht kein Schutz des Verstorbenen durch das
Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2
Abs. 1 GG, weil Träger dieses Grundrechts nur die lebende
Person ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 594; BVerfG NJW 2001, 2957, 2959;
BVerfG, Beschl. v. 22.8.2006 - 1 BvR 1168/04, WRP 2006, 1361, 1363 Tz
24; BGH, Urt. v. 6.12.2005 - VI ZR 265/04, GRUR 2006, 252, 253 Tz 9 =
WRP 2006, 359, für BGHZ 165, 203 vorgesehen).
b)
Bei einer Verletzung der ideellen Bestandteile des zivilrechtlichen
postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen dem
Wahrnehmungsberechtigten Abwehransprüche, nicht auch
Schadensersatzansprüche zu (vgl. BGH GRUR 2006, 252, 253 Tz
11).
c)
Das zivilrechtliche postmortale allgemeine
Persönlichkeitsrecht schützt allerdings mit seinen
vermögenswerten Bestandteilen auch vermögenswerte
Interessen der Person. Bei einer Verletzung können
Schadensersatzansprüche bestehen, die von den Erben des
Verstorbenen geltend gemacht werden können (vgl. BGHZ 143,
214, 220 ff. - Marlene Dietrich; vgl. dazu BVerfG WRP 2006, 1361, 1363
Tz 17 ff.; vgl. auch BGH GRUR 2006, 252, 254 Tz 15 ff.).
Die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts behalten dem Erben trotz ihrer
Vererblichkeit nicht in gleicher Weise wie die urheberrechtlichen
Verwertungsrechte bestimmte Nutzungshandlungen vor. Das zivilrechtliche
allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sog. offener oder
Rahmentatbestand, bei dem der Eingriff nicht die Rechtswidrigkeit
indiziert, sondern in jedem Einzelfall durch eine
Güterabwägung ermittelt werden muss, ob der Eingriff
durch schutzwürdige andere Interessen gerechtfertigt ist oder
nicht (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR 373/02, NJW 2004, 762, 764;
Urt. v. 19.4.2005 - X ZR 15/04, NJW 2005, 2766, 2770, jeweils m.w.N.).
Die Befugnisse des Erben aus den vermögenswerten Bestandteilen
des postmortalen Persönlichkeitsrechts leiten sich zudem vom
Träger des Persönlichkeitsrechts ab und
dürfen nicht gegen dessen mutmaßlichen Willen
eingesetzt werden (vgl. BGHZ 143, 214, 226 - Marlene Dietrich). Sie
sollen es nicht dem Erben ermöglichen, die
öffentliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk des
Verstorbenen zu kontrollieren oder gar zu steuern. Die Verwendung
seines Namens kann danach nicht ohne weiteres als ein zum
Schadensersatz verpflichtender Rechtseingriff in die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts beurteilt werden.
Eine
Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts kann nur nach sorgfältiger
Abwägung angenommen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn
sich der in Anspruch Genommene für seine Handlungen auf
Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung
(Art. 5 Abs. 1 GG) und die Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG)
berufen kann (vgl. dazu auch BGH GRUR 2000, 709, 711 - Marlene
Dietrich, insoweit nicht in BGHZ 143, 214). Die mitwirkende Absicht der
Gewinnerzielung schließt die Unbedenklichkeit des Vorgehens
nicht ohne weiteres aus (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1995 - VI ZR 410/94,
GRUR 1996, 195, 198; vgl. auch BGH GRUR 2000, 709, 711 - Marlene
Dietrich - zur Werbung für ein Musical über das Leben
von Marlene Dietrich, insoweit nicht in BGHZ 143, 214).
d)
Ein Schadensersatzanspruch der Kläger unter dem Gesichtspunkt
des Eingriffs in die vermögenswerten Bestandteile des
postmortalen Persönlichkeitsrechts von Klaus Kinski ist aber
bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen. Ein solcher
Anspruch ist schon deshalb nicht gegeben, weil dieser Schutz mit dem
Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod von Klaus Kinski am 23. November
1991 erloschen ist. Die Abmahnungen vom 21. März 2002, deren
Kosten als Schadensersatz verlangt werden, bezogen sich lediglich auf
die zukünftige Unterlassung der Nutzung des Domain-Namens
„kinski-klaus.de“.
In
seiner Entscheidung „Marlene Dietrich“ (BGHZ 143,
214, 227 f.) hat der Senat die Frage dahinstehen lassen, wie lange die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts geschützt sind (vgl. dazu auch
- nicht tragend - BGHZ 151, 26, 29). In der Literatur ist dies
umstritten; dabei werden recht unterschiedliche Ansichten zur
Schutzdauer vertreten (zum Meinungsstand vgl. Wortmann, Die
Vererblichkeit vermögensrechtlicher Bestandteile des
Persönlichkeitsrechts, 2005, S. 306 ff.; Lichtenstein, Der
Idealwert und der Geldwert des zivilrechtlichen
Persönlichkeitsrechts vor und nach dem Tode, 2005, S. 362 ff.;
Jung, Die Vererblichkeit des Allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, 2005, S. 256 ff.). Teilweise wird
befürwortet, für die vermögenswerten
Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts so lange
Schutz zu gewähren, wie auch dessen ideellen Bestandteile
geschützt sind (vgl. Staudinger/Schmidt, JURA 2001, 241, 246;
vgl. auch Frommeyer, JuS 2002, 13, 18). Aber auch soweit eine bestimmte
Schutzdauer vorgeschlagen wird, gehen die Meinungen weit auseinander
(für eine Schutzdauer von 30 Jahren nach dem Tod:
Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5.
Aufl., Kap. 5 Rdn. 124; Gregoritza, Die Kommerzialisierung von
Persönlichkeitsrechten Verstorbener, 2003, S. 128 ff., 131;
Lichtenstein a.a.O., S. 369 ff.; von 35 Jahren: Jung a.a.O., S. 260
ff.; ders., AfP 2005, 317, 322 f.; von 70 Jahren:
Schricker/Götting, Urheberrecht, 3. Aufl., Anhang zu
§ 60 UrhG § 22 KUG Rdn. 63; Fischer, Die Entwicklung
des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004, S. 260 f.;
Claus, Postmortaler Persönlichkeitsschutz im Zeichen
allgemeiner Kommerzialisierung, 2004, S. 218 ff.). Die Frage ist dahin
zu entscheiden, dass der Schutz für die
vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts in entsprechender Anwendung der
Schutzfrist für das postmortale Recht am eigenen Bild
(§ 22 Satz 3 KUG) auf zehn Jahre begrenzt ist (ebenso Magold,
Personenmerchandising, 1994, S. 573 f.; Schulze Wessel, Die Vermarktung
Verstorbener, 2001, S. 141 ff.; Wortmann a.a.O., S. 308 ff., 311;
Ullmann, AfP 1999, 209, 214; ders., WRP 2000, 1049, 1053; vgl. auch
Taupitz in: Taupitz/Müller, Rufausbeutung nach dem Tode: Wem
gebührt der Profit?, 2002, S. 1, 48 f.).
Das
Recht am eigenen Bild, das zu den Erscheinungsformen des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts gehört (vgl. BGHZ 143, 214, 218
- Marlene Dietrich), hat nach der Entscheidung des Gesetzgebers eine
Schutzdauer von zehn Jahren. Die Begrenzung der Schutzdauer beruht
nicht nur auf dem Gedanken, dass das Schutzbedürfnis nach dem
Tod mit zunehmendem Zeitablauf abnimmt (vgl. BVerfGE 30, 173 = NJW
1971, 1645, 1647). Sie schafft auch Rechtssicherheit und
berücksichtigt das berechtigte Interesse der
Öffentlichkeit, sich mit Leben und Werk einer zu Lebzeiten
weithin bekannten Persönlichkeit auseinandersetzen zu
können.
Die
Entscheidung des Gesetzgebers über die Dauer des Schutzes des
postmortalen Rechts am eigenen Bild ist auf die Dauer des Schutzes
für die vermögenswerten Bestandteile des postmortalen
Persönlichkeitsrechts zu übertragen. Das
Persönlichkeitsbild einer zu Lebzeiten sehr bekannten Person
ist nach ihrem Tod auch Teil der gemeinsamen Geschichte. Das Interesse
der Angehörigen (§ 22 KUG) oder - bei den
vermögenswerten Bestandteilen des postmortalen
Persönlichkeitsrechts - das der Erben (BGHZ 143, 214, 220 ff.
- Marlene Dietrich) an einer wirtschaftlichen Verwertung des
Persönlichkeitsbildes muss deshalb nach Ablauf von zehn Jahren
zurücktreten. Eine darüber hinausgehende zeitliche
Ausdehnung der Schutzdauer der vermögenswerten Bestandteile
des postmortalen Persönlichkeitsrechts wäre mit der
Wertung des § 22 KUG nicht vereinbar. Der postmortale Schutz
des allgemeinen Persönlichkeitsrechts endet damit nicht
insgesamt nach Ablauf von zehn Jahren. Unter den Voraussetzungen und im
Umfang des postmortalen Schutzes der ideellen Bestandteile des
postmortalen Persönlichkeitsrechts besteht er fort.
3.
Auf die - vom Berufungsgericht im Übrigen zu Unrecht bejahte -
Frage, ob die Kläger bei ihren Abmahnungen
rechtsmissbräuchlich gehandelt haben, kommt es nach dem
Vorstehenden nicht mehr an.
III.
Danach
war die Revision der Kläger zurückzuweisen. Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.