Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
BESCHLUSS
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, die in F. eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben hat.
Die
Beklagte zu 1 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung,
deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist. Sie
sandte am 22. Februar 2006 eine E-Mail an die Klägerin, mit
der sie einen von ihr erstellten Newsletter übersandte. Das 15
Seiten umfassende Schriftstück enthielt Informationen
für Kapitalanleger.
Mit
Schreiben vom 23. Februar 2006 mahnte die Klägerin die
Beklagte ab. Diese weigerte sich, die begehrte
Unterwerfungserklärung abzugeben; sie erklärte
stattdessen, von einer weiteren Zusendung des Newletters an die
Klägerin abzusehen.
Die
Klägerin hat beantragt,
die
Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
verurteilen, es zu unterlassen, die Klägerin
geschäftsmäßig per E-Mail anzuschreiben, um
Informationen zu Entwicklungen am Kapitalmarkt in Form eines
Newsletters zu übermitteln und/oder solche Handlungen durch
Dritte vornehmen zu lassen, ohne dass das tatsächliche oder
vermutete Einverständnis der Klägerin vorhanden ist.
Das
Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß
verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage
geführt.
Dagegen
richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der
Klägerin. Während des Revisionsverfahrens ist die
Klägerin aufgelöst worden. Im Hinblick darauf haben
die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, der
jeweils anderen Partei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des
Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstands nach billigem Ermessen gemäß §
91a Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Dabei ist der mutmaßliche
Ausgang des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen.
Danach
sind die Kosten in vollem Umfang den Beklagten aufzuerlegen, weil die
Klage bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung
zulässig und begründet war. Der Klägerin
stand der begehrte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu.
1.
Die Klägerin konnte das Verbot allerdings nicht aus
§§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG
2004 und § 7 Abs. 2 Nr. 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG 2008
herleiten. Der Klägerin stand ein wettbewerbsrechtlicher
Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG nicht zu. Zu
Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Parteien
nicht Mitbewerber im Sinne dieser Vorschrift sind. Mitbewerber ist
gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder
Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder
Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten
Wettbewerbsverhältnis steht. Ein konkretes
Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien
gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben
Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das
konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den
anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz
behindern oder stören kann (BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 19/05, GRUR
2007, 978 Tz. 16 = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung durch
Haftpflichtversicherer). Das Berufungsgericht hat nicht
festgestellt,
dass die Parteien gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben
Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Die Revision zeigt in
dieser Hinsicht auch keinen Sachvortrag der Parteien als
übergangen auf. Soweit die Revision unter Vorlage eines
Ausdrucks der Homepage der Beklagten geltend macht, diese biete
Kapitalanlegern Rechtsberatung an, handelt es sich um neuen Vortrag,
mit dem die Klägerin in der Revisionsinstanz nach §
559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen ist.
2.
Der Klägerin stand der in Rede stehende Unterlassungsanspruch
jedoch wegen eines Eingriffs in ihren eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 Abs. 1,
§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
a)
In Rechtsprechung und Schrifttum ist die Frage umstritten, ob die
unverlangte Zusendung von E-Mails mit Werbung an Gewerbetreibende einen
rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb darstellt. Zum Teil wird ein rechtswidriger Eingriff in
das geschützte Rechtsgut des eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetriebs jedenfalls bei einer einmaligen
Zusendung einer E-Mail mit Werbung verneint (AG Dresden NJW 2005, 2561;
Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl.,
§ 7 Rdn. 199; Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 7
Rdn. 22; Baetge, NJW 2006, 1037, 1038). Die überwiegende
Ansicht in der Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums bejahen
dagegen auch bei einer einmaligen E-Mail-Versendung eine entsprechende
Rechtsverletzung (KG MMR 2002, 685; GRUR-RR 2005, 66; OLG
München MMR 2004, 324; OLG Düsseldorf MMR 2004, 820;
OLG Bamberg MMR 2006, 481; OLG Naumburg DB 2007, 911; LG
Berlin NJW
2002, 2569; Fezer/Mankowski, UWG, § 7 Rdn. 97; Koch in
Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 189). Der
letztgenannten Ansicht ist zuzustimmen.
b)
Die Zusendung einer Werbe-E-Mail ohne vorherige Einwilligung des
Adressaten stellt einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb
dar. Davon ist auszugehen bei Eingriffen, die gegen den Betrieb als
solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom
Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder
Rechtsgüter betreffen (BGHZ 29, 65, 74; 69, 128, 139; 86, 152,
156). Unverlangt zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt
regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit
dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein
zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Zudem können,
soweit kein festes Entgelt vereinbart ist, zusätzliche Kosten
für die Herstellung der Online-Verbindung und die
Übermittlung der E-Mail durch den Provider anfallen. Die
Zusatzkosten für den Abruf der einzelnen E-Mail
können zwar gering sein. Auch der Arbeitsaufwand für
das Aussortieren einer E-Mail kann sich in engen Grenzen halten, wenn
sich bereits aus dem Betreff entnehmen lässt, dass es sich um
Werbung handelt. Anders fällt die Beurteilung aber aus, wenn
es sich um eine größere Zahl unerbetener E-Mails
handelt oder wenn der Empfänger der E-Mail
ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails widersprechen
muss. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails
ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch verschiedene
Absender ist aber immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung
einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die
billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende
Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der
E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart
zu rechnen (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2004 - I ZR 81/01, GRUR
2004, 517, 518 = WRP 2004, 731 - E-Mail-Werbung).
Ohne
Erfolg macht die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang geltend,
die E-Mail der Beklagten enthalte keine Werbung. Werbung ist jede
Äußerung bei der Ausübung eines Handels,
Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von
Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern
(vgl. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG über
irreführende und vergleichende Werbung). Dazu zählt
auch die in Rede stehende E-Mail der Beklagten, mit der sie ihre
Geschäftstätigkeit gegenüber der
Klägerin darstellt.
Der
Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
der Klägerin ist auch rechtswidrig. Die insoweit erforderliche
Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu
Lasten der Beklagten aus. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt von
dem hier nicht interessierenden Ausnahmetatbestand des § 7
Abs. 3 UWG abgesehen jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post
ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten eine
unzumutbare Belästigung dar. Diese gesetzgeberische Wertung
ist bei der Beurteilung der Generalklauseln des Bürgerlichen
Gesetzbuches ebenfalls heranzuziehen, um Wertungswidersprüche
zu vermeiden (vgl. Köhler in
Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 7 Rdn. 14; Koch in
Ullmann, jurisPK-UWG aaO § 7 Rdn. 189). Wegen des unzumutbar
belästigenden Charakters derartiger Werbung gegenüber
dem Empfänger ist die Übersendung einer Werbe-E-Mail
ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung
grundsätzlich rechtswidrig.
Für
die unerlaubte Handlung haftet auch der Beklagte zu 2, weil er Absender
der in Rede stehenden E-Mail auf Seiten der Beklagten zu 1 war.