Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
BESCHLUSS
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 20.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2006
aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird das
Anerkenntnisurteil der 2 a. Zivilkammer des Landgerichts
Düsseldorf vom 26. Oktober 2005 im Kostenpunkt abgeändert.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Der Beklagte hat auch die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 4.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger hat Klage auf Unterlassung bestimmter Handlungen,
Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie
Löschung eines Domain-Namens erhoben. Das Landgericht hat
Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und dem Beklagten
eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt. Der Beklagte hat die erhobenen
Ansprüche innerhalb der ihm gesetzten Frist unter Verwahrung
gegen die Kostenlast anerkannt. Er hat geltend gemacht, er habe keine
Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, da ihn das von dem
Kläger behauptete vorprozessuale Abmahnschreiben vom 25.
Februar 2005 nicht erreicht habe.
Das
Landgericht hat dem Kläger durch Anerkenntnisurteil vom 26.
Oktober 2005 die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil ein Zugang
seines vorprozessualen Abmahnschreibens vom 25. Februar 2005 nicht
nachgewiesen sei. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des
Klägers ist erfolglos geblieben.
Mit
der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen
Antrag, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen,
weiter. Der Beklagte hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht
geäußert.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2
ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige
Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Beklagte, der den geltend
gemachten Anspruch sofort anerkannt habe, habe keine Veranlassung zur
Klageerhebung gegeben. Der Kläger habe den Zugang des
Abmahnschreibens vom 25. Februar 2005 nicht nachweisen können.
Aus der Absendung des Schreibens und der Tatsache, dass es nicht wieder
an den Kläger bzw. seine Bevollmächtigten
zurückgelangt sei, könne nicht auf einen Zugang beim
Beklagten geschlossen werden. Diese Beurteilung hält der
rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts liegen die
Voraussetzungen für eine Kostenentscheidung nach § 93
ZPO nicht vor, weil im Streitfall davon auszugehen ist, dass der
Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.
a)
Es ist allerdings umstritten, ob der Abmahnende den Zugang des
Abmahnschreibens beim Verletzer beweisen muss, oder ob es ausreicht,
dass er die ordnungsgemäße Absendung eines den
inhaltlichen Anforderungen genügenden Abmahnschreibens
nachweist.
In
der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur wird
überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Abmahnende den
tatsächlichen Zugang eines vorprozessualen Abmahnschreibens
nicht zu beweisen hat, das Risiko des Verlustes eines solchen
Schreibens vielmehr vom Verletzer zu tragen ist (vgl. OLG Köln
WRP 1985, 360; OLG Hamm WRP 1987, 43; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 62;
OLG-Rep 1996, 42; OLG Stuttgart WRP 1996, 477; OLG Jena OLG-NL
1998, 110; OLG Karlsruhe WRP 2003, 1146; OLG Dresden WRP 2004, 970,
unter Aufgabe von WRP 1997, 1201; OLG Braunschweig GRUR 2004, 887;
Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9.
Aufl., Kap. 41 Rdn. 6b; ders., WRP 2005, 654, 655;
MünchKomm.UWG/Ottofülling, § 12 Rdn. 25 f.;
Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 6; Melullis, Handbuch
des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdn. 793a;
Harte/Henning/Brüning, UWG, § 12 Rdn. 24 f.; Ekey in
HK-Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., § 12 UWG Rdn. 44;
Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 1 Rdn. 100 ff.;
Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., §
75 Rdn. 30). Es wird insbesondere darauf verwiesen, dass es auch unter
dem Gesichtspunkt der Effektivität der
Rechtsschutzgewährung unbillig und nicht zumutbar erscheine,
dass der (jedenfalls auch) im Interesse des Rechtsverletzers
tätig werdende Gläubiger die Kosten des Verfahrens
tragen solle, wenn er mit der Absendung der Abmahnung
das für
den Zugang seinerseits Erforderliche getan habe und der Schuldner den
Zugang bestreite.
Nach
anderer Ansicht obliegt es im Bestreitensfall grundsätzlich
dem Verletzten, nicht nur die ordnungsgemäße
Absendung eines Abmahnschreibens, sondern auch dessen Zugang
nachzuweisen (vgl. OLG Köln WRP 1984, 230; KG WRP 1992, 716;
OLG Düsseldorf NJWE-WettbR 1996, 256; GRUR-RR 2001, 199;
Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24.
Aufl., § 12 UWG Rdn. 1.32 ff.; Piper in Piper/Ohly, UWG, 4.
Aufl., § 12 Rdn. 12; Großkomm.UWG/Kreft, Vor
§ 13C Rdn. 73; Fritzsche, Unterlassungsanspruch und
Unterlassungsklage, S. 296).
b)
Im Rahmen dieser Kontroverse wird teilweise dem prozessrechtlichen
Kontext nicht hinreichend Rechnung getragen, in dem sich die Frage der
Beweislast stellt. Denn die maßgebliche Frage lautet nicht,
wer für den Zugang der Abmahnung
die Beweislast
trägt; sie lautet vielmehr, wer darzulegen und gegebenenfalls
zu beweisen hat, ob der Beklagte im Falle eines sofortigen
Anerkenntnisses Anlass zur Klage gegeben hat (§ 93 ZPO). Dass
dies nicht der Kläger, sondern allein der Beklagte ist, ist im
Prozessrecht allgemein anerkannt.
aa)
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die
unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; dies gilt
grundsätzlich auch dann, wenn der Beklagte aufgrund eines
Anerkenntnisses in der Hauptsache unterliegt. Hiervon macht §
93 ZPO eine Ausnahme zugunsten des Beklagten, wenn dieser keine
Veranlassung zur Klage gegeben und den geltend gemachten Anspruch
sofort anerkannt hat. In diesem Fall sind dem Kläger die
Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, obwohl er in der Hauptsache
obsiegt hat. Ist nach einem sofortigen Anerkenntnis des Beklagten
streitig, ob er Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, so
trifft ihn die Beweislast für die fehlende Klageveranlassung
(vgl. OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 62;
OLG-Rep 1996, 42; OLG Hamm
MDR 2004, 1078; MünchKomm.ZPO/Belz, 2. Aufl., § 93
Rdn. 8; Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 93 Rdn. 2;
Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rdn. 16;
Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 93
Rdn. 4; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 93
Rdn. 28; HK-ZPO/Gierl, § 93 Rdn. 32). Denn nach den
allgemeinen Beweislastregeln muss diejenige Partei, die sich auf einen
Ausnahmetatbestand zu ihren Gunsten beruft, dessen
Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl.
BGH, Urt. v. 18.7.2003 – V ZR
431/02, NJW-RR 2003, 1432, 1434; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 62;
Zöller/Greger, ZPO,
26. Aufl., Vor § 284 Rdn. 17a; Thomas/Putzo/Reichold aaO
Vorbem. § 284 Rdn. 24; HK-ZPO/Saenger, § 286 Rdn.
58). Dementsprechend obliegt dem Beklagten die Darlegungs- und
Beweislast für die Tatbestandsvoraussetzungen des §
93 ZPO.
bb)
Bei der Ausgestaltung der danach den Beklagten treffenden Darlegungs-
und Beweislast ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich
bei dem vom Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Umstand um eine
negative Tatsache handelt (hier: kein Zugang des Abmahnschreibens des
Klägers vom 25. Februar 2005). Dies führt indes nicht
zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast, sondern allenfalls zu
einer sekundären Darlegungslast des Klägers. Der
Beklagte kann sich zunächst auf die schlichte Behauptung der
negativen Tatsache – das Abmahnschreiben sei ihm nicht
zugegangen – beschränken. Nach dem auch im
Prozessrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) ist der Kläger ausnahmsweise
verpflichtet, dem einfachen Bestreiten mit eigenem qualifizierten
Vortrag entgegenzutreten. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass
der <br>Kläger die für einen
substantiierten Vortrag notwendigen Informationen im Allgemeinen
besitzt oder sich diese jedenfalls leichter beschaffen kann als die
darlegungspflichtige Partei. Im Anschluss daran muss jedoch die
darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag konkretisieren und
detailliert – gegebenenfalls unter Beweisantritt –
auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen (vgl. BGHZ 100, 190, 195;
OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 1996, 62;
Musielak/Stadler aaO § 138
Rdn. 10). Auf den Zugang des Abmahnschreibens bezogen bedeutet dies,
dass der Kläger gehalten ist, die genauen Umstände
der Absendung vorzutragen und gegebenenfalls unter Beweis zu stellen.
Eine weitergehende Verpflichtung des Klägers – etwa
dahingehend, dass er besondere Versendungsformen zu wählen
habe, die einen Nachweis des Zugangs ermöglichten –
kann aufgrund der sekundären Darlegungslast dagegen nicht
begründet werden.
Damit
wird dem Beklagten keine unzumutbare Belastung aufgebürdet. Er
hat die Möglichkeit, die Tatsache, aus der sich ergibt, dass
er keinen Anlass zur Klage gegeben hat – etwa den Umstand,
dass ihm kein Abmahnschreiben des Klägers zugegangen ist
– durch Benennung von Zeugen – beispielsweise von
Büropersonal – unter Beweis zu stellen. Gelingt dem
Beklagten dieser Beweis (§ 286 ZPO), ist
grundsätzlich Raum für eine Kostenentscheidung zu
seinen Gunsten (§ 93 ZPO). Denn das Risiko, dass ein
abgesandtes Abmahnschreiben auf dem Postweg verlorengegangen ist,
trägt grundsätzlich der Kläger. An den
Nachweis der negativen Tatsache dürfen auch keine
übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Denn ein
Missbrauch ist nicht nur auf Seiten des Beklagten denkbar, der zu
Unrecht den Zugang einer Abmahnung
bestreitet; er ist auch auf Seiten
des Klägers nicht auszuschließen, der
wahrheitswidrig die Absendung einer Abmahnung
behauptet. Der
Kläger wiederum kann das Risiko, dass dem Beklagten der
Nachweis des fehlenden Zugangs eines vorprozessualen Abmahnschreibens
gelingt, dadurch verringern, dass er eine besondere Versandform
– beispielsweise Einschreiben mit Rückschein
– wählt oder in Eilfällen das
Abmahnschreiben mit einfacher Post und parallel dazu noch per Telefax
und/oder E-Mail übermittelt. Steht fest, dass die Abmahnung
als Brief, als Telefax und als E-Mail abgesandt worden ist, erscheint
das Bestreiten des Zugangs von vornherein in einem wenig glaubhaften
Licht (§ 286 ZPO).
c)
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte der ihm obliegenden
Darlegungslast nicht genügt. Er hat in seiner Klageerwiderung
vom 15. Juni 2005 lediglich vorgebracht, keine Veranlassung zur
Klageerhebung gegeben zu haben, da ihm zu keinem Zeitpunkt eine
Abmahnung
des Klägers zugegangen sei. Der Kläger hat
daraufhin mit Schriftsatz vom 8. Juli 2005 unter Beweisantritt
erwidert, die Abmahnung
vom 25. Februar 2005 sei am selben Tag von
einer Angestellten seiner Prozessbevollmächtigten in den
Briefkasten des Postamts auf der Brunnenstraße in
Düsseldorf eingeworfen worden. Das Abmahnschreiben sei nicht
wegen Unzustellbarkeit an seine Prozessbevollmächtigten
zurückgelangt. Damit ist der Kläger der ihn
treffenden (sekundären) Darlegungslast nachgekommen. Der
Beklagte hätte nunmehr Beweis dafür antreten
müssen, dass ihm das Abmahnschreiben nicht zugegangen ist. Der
Beklagte ist jedoch diesen Beweis und damit den – ihm
obliegenden – Beweis für das Vorliegen der
Voraussetzungen des § 93 ZPO schuldig geblieben mit der Folge,
dass er nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des
Rechtsstreits zu tragen hat.