Aktenzeichen: 26 Ds-10 Js 1977/08-282/08
Beschluss vom 03.08.2010
Amtsgericht
Wuppertal
BESCHLUSS
In der
Strafsache
gegen
[...]
wegen
Ausspähen von Daten
Der
Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus rechtlichen
Gründen abgelehnt.
Die
Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten
hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
Nach
den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens.erscheint der
Angeschuldigte einer Straftat nicht hinreichend verdächtig.
Hinreichender Tatverdacht im Sinne des §203 StPO ist zu
bejahen,
wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des
Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung
wahrscheinlich ist.
Dies
ist vorliegend nicht der Fall. Eine Strafbarkeit des
Angeschuldigten ist nicht ersichtlich. Vorgeworfen wird ihm, sich am
26.08.2008 und am 27.08.2008 mit seinem Laptop mittels einer drahtlosen
Netzwerkverbindung in das offene Funknetzwerk des Zeugen I.
eingewählt zu haben, um ohne Erlaubnis und ohne Zahlung eines
Entgeltes die Internetnutzung zu erlangen.
Dieses
Verhalten ist jedoch nicht strafbar.
Es
erfüllt weder den Tatbestand des unbefugten Abhörens
von
Nachrichten nach §89 I 1 TKG noch des unbefugten Abrufens oder
Verschaffens personenbezogener Daten nach §§44, 43 II
Nr.3
BDSG.
Zwar
wurde in der Entscheidung des Amtsgerichts Wuppertal vom
03.04.2007 (NStZ 2008, 161) ein solches Verhalten als strafbar gesehen.
Danach sei der WLAN-Router eine elektrische Sende- und
Empfangseinrichtung und damit eine Funkanlage im Sinne des §89
TKG. Die aufgrund der Internetnetzung abgehörte
“Nachricht” sei in der Zuweisung einer IP-Adresse
durch den
Router zu sehen. Das Verhalten sei unbefugt, weil die IP-Adresse nicht
für den Angeklagten bestimmt gewesen sei.
Zudem
sei eine Strafbarkeit nach §44 i.V.m. §43 II Nr.3
BDSG
gegeben, da durch Zugriff auf den Router personenbezogene Daten
abgerufen würden. Da der Angeklagte des Nichtvorhandensein
einer
Flatrate des “Opfers” zumindestens billigend in
Kauf nehme,
handele er auch in Bereicherungs- bzw. Schädigungsabsicht.
Diese
Ansicht überspannt jedoch den Schutz- und Strafbereich der
hier in Betracht kommenden Strafvorschriften.
Eine
Strafbarkeit nach §89 S.1 TKG ist nicht gegeben. Als
“Nachricht” kommt hier allenfalls die automatische
Zuweisung einer IP-Adresse an den Computer in Betracht (so AG
Wuppertal, NStZ 2008, 161). Hierbei ist aber bereits
äußerst
fraglich, ob die Zuweisung einer IP-Adresse eine
“Nachricht” im Sinne dieser Vorschrift darstellt
(vgl.
Popp, jurisPR-ITR 16/2008 Anm.4). Dass der Angeschuldigte andere
Nachrichten des Zeugen I. unbefugt empfangen haben könnte,
lässt sich nach dem Ermittlungsergebnis gerade nicht
feststellen
(BL. 79 d.A.). Jedenfalls ist durch das vorgeworfene Nutzen des
Internetzugangs kein “abhören” im Sinne
des §89
TKG gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift.
Unter Abhören ist das unmittelbare Zuhören oder das
Hörbarmachen für andere, aber auch das Zuschalten
einer
Aufnahmevorrichtung zu verstehen. Dies erfordert jedenfalls einen
zwischen anderen Personen stattfindenden Kommunikationsvorgang, den der
Täter als Dritter mithört (vgl. Bär MMR
2005, 434, 440).
Es müsste ein bewusster und gezielter Empfang fremder
Nachrichten
und das bewusste und gezielte Wahrnehmen fremder Nachrichten durch den
Täter gegeben sein, um von einem Abhören von
Nachrichten
sprechen zu können. Dies ist bei dem Nutzer eines fremden WLAN
nicht der Fall.
Für
einen solchen bewussten und gezielten Empfang von Nachrichten
durch den Angeschuldigten gibt es keine Anhaltspunkte. Dem
Angeschuldigten kam es ausweislich der Anklage und des
Ermittlungsergebnisses nur darauf an, durch Einwählen in das
Netzwerk des Zeugen dessen Internetzugang mitbenutzen zu
können.
Das dabei notwendige Empfangen der IP-Adresse stellt kein
Abhören
fremder Nachrichten dar, denn hierdurch wird die Vertraulichkeit
fremder Kommunikation nicht angegriffen (vgl. Popp, jurisPR-ITR 16/2008
Anm.4). Die IP-Adresse ist im Übrigen auch für den
Angeschuldigten bestimmt gewesen, da er der einzige Teilnehmer der
Internetverbindung gewesen ist. Damit ist er nicht Mithörer
eines
fremden Datenaustauschs (vgl. Bär MMR 2005, 434, 440).
Auch
ist der Tatbestand des §44 I i.V.m. §43 II Nr.3 BDSG
nicht erfüllt. Der Angeschuldigte hat ausweislich der Anklage
und
des Ermittlungsergebnisses keine personenbezogenen Daten abgerufen oder
sich verschafft. In Betracht kommen auch hier allenfalls die IP-Daten.
Die IP-Daten sind jedoch keine personenbezogenen Daten im Sinne des
§3 I BDSG (vgl. auch Popp, jurisPR-ITR 16/2008
Anm.4).
Personenbezogene Daten sind hiernach alle Informationen über
persönliche und sachliche Verhältnisse, die einer
natürlichen Person zuzuordnen und nicht allgemein
zugänglich
sind. Die IP-Adresse wird frei an den jeweiligen, das
Netzwerk
nutzenden Computer vergeben. Die Daten waren im Zeitpunkt des Empfangs
durch den Angeschuldigten für diesen – als Nutzer
des
Computers der sich in das netzwerk einwählt –
bestimmt und
somit der Schutzbereich der Datendelikte nicht berührt (vgl.
Popp,
JurisPR-ITR 16/2008 Anm.4). Wer sich in ein WLAN einwählt,
kann
grds. nicht erkennen, wer der Betreiber des WLANs ist (MMR 2008, 632,
635). Dass dies bei dem Angeschuldigten anders sein sollte,
ist
nicht ersichtlich und wäre nach dem derzeitigen
Ermittlungsstand
nicht nachweisbar (vgl. Aktenvermerk Bl. 79 d.A.).
Eine
Strafbarkeit nach §202b StGB ist nicht gegeben, da die
empfangenen IP-Daten für den Angeschuldigten als Nutzer des
Netzwerks bestimmt sind (vgl. hierzu MMR 2008, 632, 634).