Tenor:
1.Der
Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.08.2010 zu bezahlen.
2.Der
Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin wegen der
unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des
geschützten Musikalbums "Dxxxx" des Künstlers "SXXXX"
Schadensersatz in Höhe von 2.250 EUR nebst
Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 26.08.2010 zu zahlen.
3.Der
Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4.Das
Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz und die
Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen der
öffentlichen Zugänglichmachung eines Musikalbums.
Ausweislich der als Anlage K9 vorgelegten Ablichtung des CD-Covers des
Musikalbums "DXXXX" des Künstlers "SXXXX" mit 15
Musikaufnahmen, das am 28.08.2009 veröffentlicht wurde,
heißt es in dem auf diesem abgedruckten P-Vermerk "2009 M
XXXXX GMBH" und C-Vermerk „ 2009XXXXX.
In einem Auszug aus dem Phononet eMedia-Catalog betreffend das
Musikalbum "DXXXXX" des Künstlers "SXXXXX" werden die als
Label und XXXXX als Lieferant des bezeichneten Musikalbums benannt
Anlage K 13 .
Als Anlage K 12 legt die Klägerin einen Ausdruck von; der
Webseite „www.schlagerhits.de" vor,der die "KXXXXX" als XXXXX
bezeichnet.
Die Klägerin beauftragte die proMedia Gesellschaft zum Schutz
geistigen Eigentums mbH (im Folgenden die „proMedia GmbH")
mit der Ermittlung von Rechtsverletzungen. Hierzu erteilte die
Klägerin der XXXXXXXX die Genehmigung zur
Verfügbarmachung bestimmter Musikaufnahmen im Sinne von
§ 19a UrhG und zur Teilnahme an dem Filesharing-System.
Die proMedia GmbH stellte fest, dass am 19.09.2009 von 22:04:52 Uhr bis
01:01:44 Uhr mittels der Filesharingsoftware „Azureus
4.2.0.4" über die IP-Adresse "XXXXXX", die ausweislich der den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin von der
Deutschen Telekom AG und der 1 & 1 Internet AG erteilten
Auskunft zu dieser Zeit dem Internetanschluss des Beklagten zugewiesen
gewesen ist, das Musikalbum XXXXX des Künstlers XXXXX mit 15
Musikaufnahmmen in dem Filesharingnetzwerk „BitTorrent" einer
Vielzahl von weiteren Teilnehmern dieses Netzwerks illegal zum
Herunterladen verfügbar gemacht wurde.
Mit Anwaltsschreiben vom 12.01.2010 (Anlage ) mahnte die
Klägerin den Beklagten ab und forderte ihn zur Abgabe einer
Unterlassungsverpflichtungserklärung und zur Zahlung eines
Vergleichsbetrages in Höhe von EUR 1.200,00 auf. Am 14.01.2010
teilte der Beklagte der Rechtsanwältin MXXXX aus der Kanzlei
der Prozessbevollmächtigten der Klägerin telefonisch
mit, er nutze die Software „Azureus" und habe das hier in
Rede stehende Musikalbum auch herunter geladen, aber nicht
verfügbar gemacht.
Unter dem 21.01.2010 ließ der Beklagte eine
Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben. Eine Zahlung
durch den Beklagten erfolgte nicht.
In der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2011 hat der
Beklagtenvertreter klargestellt, dass die dem Beklagten von der
Klägerin vorgeworfene Rechtsverletzung nicht weiter bestritten
werde. Die Klägerin trägt vor, der Beklagte habe ihre
Rechte aus den §§ 85, 19a UrhG an dem
streitgegenständlichen Musikalbum verletzt. Sie habe einen
Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung einer 1,3-Gebühr
nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 EUR nebst Auslagenpauschale
gemäß Ziff. 7002 VV RVG in Höhe von
insgesamt EUR 1.359,00
für die Abmahnung des Beklagten sowie auf Zahlung von
Schadensersatz.
Die Klägerin beantragt,
1.den
Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.379,80 EUR nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.den
Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin wegen der
unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des
geschützten Musikalbums des Künstlers "SXXXXX" einen
angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe germ. § 287
ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch nicht
weniger als 1.000,00 EUR betragen soll, nebst Zinsen daraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise,
1.den
Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von ihr entstandenen
Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen,
2.den
Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin wegen der
unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung des
geschützten Musikalbums "DXXXX" des Künstlers
"SXXXXX" Schadensersatz in Höhe von 2.250 EUR nebst Zinsen
daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage
abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin stünden
die von dieser geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die
Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Mit der Beauftragung der
proMedia GmbH zur Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen habe die
Klägerin konkludent ihr Einverständnis dazu erteilt,
dass das streitgegenständliche Album über
Internettauschbörsen verbreitet wird. Hierdurch habe sich die
Klägerin als „agent provocateur" an der
Rechtsverletzung beteiligt. Die mit dem Klageantrag zu Ziff. 1
verlangten Rechtsanwaltskosten hätten die
Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieser nicht in
Rechnung gestellt. Auch der Höhe nach sei der von der
Klägerin geltend gemachte, Anwaltskostenersatzanspruch
übersetzt. Auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch
sei — zumal unter Berücksichtigung der Entscheidung
des Landgerichts Hamburg vom 03.10.2010 zum dortigen Aktenzeichen 308 0
710/09 - weit übersetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
die Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt des Protokolls
der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2011 verwiesen
(§ 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf
Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 EUR aus den
§§ 97a Abs. 1 Satz 2, 85, 19a UrhG zu. Zudem hat die
Klägerin gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in
Höhe von 2.250,00 EUR aus den §§ 97, 85, 19a
UrhG.
1. Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen
Nutzungsrechte an dem hier in Rede stehenden Tonträger. Diese
Nutzungsrechte umfassen das Recht zur öffentlichen
Zugänglichmachung gemäß den
§§ 85, 19a UrhG. Die Klägerin ,hat ihre
Aktivlegitimation durch Vorlage einer Ablichtung des CD-Covers mit den
auf diesem abgedruckten IP- und C-Vermerken hinreichend substantiiert
dargelegt. Hieraus folgt auch, dass es sich bei XXXXX lediglich um ein
Label der Klägerin handelt. Das Bestreiten dieses
Klagevortrages mit Nichtwissen durch den Beklagten ist
demgegenüber nicht hinreichend substantiiert. Der Beklagte,
der sich eines eigenen Rechts gemäß §19a
UrhG im Hinblick auf das hier in Rede stehende Musikalbum nicht
berühmt, hat nicht vorgetragen, aus welchen Gründen
im Einzelnen der Klagevortrag zur Aktivlegitimation der
Klägerin unter Berücksichtigung der von dieser
vorgelegten Anlagen unzutreffend sein sollte.
Der Beklagte hat unstreitig am 19.09.2009 von 22:04:52 Uhr bis 01:01:44
Uhr mittels der Filesharingsoftware „Azureus 4.2.0.4" das
hier in Rede stehende Musikalbum in dem Filesharingnetzwerk
„BitTorrent" einer Vielzahl von weiteren Teilnehmern dieses
Netzwerks illegal zum Herunterladen verfügbar gemacht und
dadurch täterschaftlich die Rechte der Klägerin aus
den §§ 85, 19a UrhG verletzt.
Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Beklagten, die
Klägerin habe sich durch die Beauftragung der proMedia GmbH,
der sie die Genehmigung zur Verfügbarmachung bestimmter
Musikaufnahmen im Internet erteilt hat, mit der Ermittlung von
Rechtsverletzungen als „agent provocateur" an der
Rechtsverletzung durch den Beklagten beteiligt und in
Rechtsverletzungen durch Dritte eingewilligt. Keinesfalls kann in der
Genehmigung ausschließlich gegenüber der proMedia
GmbH und nur zu dem Zweck der Ermittlung von Rechtsverletzungen durch
Dritte eine (konkludente) Einwilligung in den Down- sowie den damit
verbundenen Upload der Musikaufnahmen durch Dritte, welcher einer
Vielzahl weiterer Nutzer in dem Filesharing-Netzwerk einen Download der
Musikaufnahmen ermöglicht, erblickt werden.
2. Damit steht der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf
Erstattung der Kosten der Rechtsverfolgung aus § 97a Abs. 1
Satz 2 UrhG zu.
Der Höhe nach kann die Klägerin eine
1,3-Gebühr nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 EUR
zuzüglich Auslagenpauschale nach Ziff. 7002 VV RVG verlangen.
Maßgeblich für die Wertbemessung des
Gegenstandswerts sind nach allgemeiner Meinung das Ausmaß und
die Gefährlichkeit der Verletzung (Angriffsfaktor). Dabei war
im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die
Musikaufnahmen auf dem hier in Rede stehenden Album über den
Anschluss des Beklagten einer unbegrenzten Zahl von
Tauschbörsenteilnehmern zum Download angeboten worden sind.
Die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 UrhG, der für
eine erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit
einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des
geschäftlichen Verkehrs eine Begrenzung der
Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung auf den
Betrag von 100,00 EUR vorsieht, liegen nicht vor, da die
öffentliche Zugänglichmachung des
streitgegenständlichen Tonträgers gegenüber
einer unbegrenzten Anzahl von Dritten im Rahmen einer
Tauschbörse keine unerhebliche Rechtsverletzung ist.
Eine Kostenrechnung im Sinne des § 10 Abs. 1 RVG ist keine
Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin gegen
die Beklagte auf Erstattung der Abmahnkosten. Voraussetzung ist nur die
Fälligkeit im Sinne des § 8 RVG. § 10 Abs. 1
RVG ist eine Schutzvorschrift zugunsten des Mandanten im
Innenverhältnis zu seinem Anwalt, so dass es auf die Frage, ob
hier aufgrund der Umstände davon auszugehen ist, dass auf die
Berechnung verzichtet wurde, nicht ankommt. Dieser Rechtsauffassung
steht auch nicht das Urteil des BGH vom 04.12.2007 (GRUR 2008, 367,
368, Rz. 13) entgegen, welches sich zu dieser Frage nicht
verhält. Der der Klägerin zunächst
zustehende Freihalteanspruch hat sich durch die endgültige
Zurückweisung des Anspruchs durch den Beklagten in einen
Zahlungsanspruch verwandelt (§ 250 BGB analog).
3. Der von der Klägerin geltend gemachte
Schadensersatzanspruch ist in Höhe von 2.250,00 EUR
begründet, wobei dahinstehen kann, ob der unbezifferte
Hauptantrag zu Ziff. 2 zulässig ist, da das Gericht den hier
angemessenen Schadensersatz auf den mit dem Hilfsantrag zu Ziff. 2
geltend gemachten Betrag schätzt und eine Entscheidung
über den Hilfsantrag danach keine Streitwerterhöhung
veranlasste (§ 45 Abs. 1 Sätzei2 und 3 GKG).
Der Beklagte hat die Klägerin jedenfalls fahrlässig
in deren Rechten verletzt.
Die Klägerin kann den Ersatzanspruch nach den
Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Hiernach steht der
Klägerin eine angemessene Lizenzgebühr in der
Höhe zu, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines
fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der
konkreten Umstände des Einzelfalls als angemessene
Lizenzgebühr vereinbart hätten. Die Höhe des
Schadensersatzanspruchs kann anhand der Angaben der Klägerin
auf 2.250,00 EUR geschätzt werden (§ 287 ZPO). Der
von der Klägerin herangezogene GEMA-Tarif VR-W I, der
für bis zu 10.000 Streams eine Mindestvergütung yon
100,00 EUR vorsieht, erscheint dem erkennenden Gericht als
Ausgangspunkt für die Schätzung geeignet. Die Anzahl
der Downloads ist nicht bekannt und Filesharing-Programme sind nicht
auf eine Erfassung der Anzahl der Downloads angelegt. Die
Möglichkeit, dass sich die Abrufe
zahlenmäßig im unteren Bereich halten,
führt indes nicht zur Untauglichkeit des Tarifs als
Schätzungsgrundlage, da der Verletzer das Risiko der
wirtschaftlichen Verwertung einer Pauschallizenz trägt (vgl.
Dreier/Schulze, 3. Aufl. 2008, § 97 UrhG Rn. 62). Im Gegensatz
zu den von dem Beklagten ermöglichten Downloads sind Streams
nicht auf eine dauerhafte Speicherung ausgerichtet. Die Zahl
möglicher Tauschbörsenteilnehmer und Downloads ist
unkontrollierbar. Die Ermöglichung eines Downloads in einem
Filesharing-Netzwerk führt mittelbar zu einer Vervielfachung
der Verbreitung, da die Filesharing-Programme in ihren
Grundeinstellungen vorsehen, dass eine heruntergeladene Datei
ihrerseits wieder zum Abruf bereitgehalten wird. Aus diesen
Gründe ist ein Aufschlag von 50 % gerechtfertigt, so dass im
Ergebnis ein Betrag von 150,00 pro Titel als angemessen erscheint.
Daraus ergibt sich bei 15 Musikaufnahmen ein Gesamtbetrag in
Höhevon 2.250,00 EUR.
Soweit der Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des Landgerichts
Hamburg vom 08.10.2010 zum dortigen Aktenzeichen 308 0 710/09
vorträgt, dass pro Musikaufnahme lediglich ein
Schadensersatzbetrag in Höhe von 15,00 EUR und danach hier ein
Gesamtbetrag in Höhe von 225,00 EUR angemessen sei, ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei der der landgerichtlichen
Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhaltsgestaltung um
Musikaufnahmen zwar bekannter Künstler, die indes 12 bzw. 18
Jahre alt gewesen sind und bei denen deshalb nur noch von einer
begrenzten Nachfrage ausgegangen worden ist, gehandelt hat. Die in
dieser Entscheidung vorgenommene Wertung kann auf den hier zu
beurteilenden Sachverhalt bei einem am 28.08.2009
veröffentlichten Musikalbum nicht übertragen werden.
4. Die Zinsforderung ist jeweils gemäß §
291 Satz 1 BGB seit dem 26.08.2010 begründet
(Rechtshängigkeitszinsen). Die geltend gemachte
Zinshöhe folgt aus den §§ 291 Satz 2, 288
Abs. 1 Satz 2 BGB
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den
§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Unterschrift