[…]
Kläger
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Beklagter
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main, Abteilung 31, durch Richterin
[…] im schriftlichen Verfahren für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreites zu
tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der
Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden wenn
nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Freistellung des Klägers von
Anwaltskosten aufgrund einer Aufforderung zur Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung wegen ehrverletzender
Äußerungen in dem nicht kommerziellen Blog unter der
Internetadresse […].
In dem […] wurde ein Beitrag unter der Überschrift
“[…]” veröffentlicht. In dem
Artikel wurde u.a. ausgeführt, dass der Kläger
[…] zum Terror anstifte. Zudem heißt es
über den Kläger: […]
In dem zu dem Artikel veröffentlichten Kommentaren
verschiedener Nutzer wird u.a. ausgeführt, dass “der
Kläger es gar nicht möge als […] und
rassistisch bezeichnet zu werden”. Zudem wird mehrfach das
Wort Hassprediger verwendet und der Name des Klägers im
Zusammenhang mit dem Vornamen “Adolf“ genannt.
Nachdem von einem Kommentator die Telefonnummer des Klägers
genannt wurde, wurde diese durch einen Administrator gekürzt
und zudem der Hinweis in den Blog eingestellt: “Keine
Telefonnummern von [Kläger] etc.” Wegen der
näheren Einzelheiten wird auf Ausdruck des Artikels nebst der
von den Teilnehmern des Blogs abgegeben Kommentare ([…])
Bezug genommen.
Der Beklagte selbst hat weder den Artikel verfasst noch Kommentare zu
diesem abgegeben. Er wird auf der streitgegenständlichen
Internetseite unter der Rubrik “Kontakt”
für den Bereich “technische Betreuung und
Administration” genannt. Dort heißt es weiter:
“Bitte wendet euch mit allem was nicht technischer Natur ist
in eurem eigenen Interesse direkt an die Autoren!”. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf BI. 42 d.A. Bezug genommen.
Durch Schreiben vom 21.8.2007 ([…]) forderten die
Verfahrensbevollmächtigten den Beklagten unter Hinweis auf die
Rechtswidrigkeit der Äußerungen und unter
Fristsetzung zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung auf. Dabei handelt es sich um die erste
Aufforderung zur Abgabe einer solchen, die [das Weblog] erhalten hat.
Zuvor gab es zudem weder Beanstandungen oder Bitten Dritter
eingestellte Texte zu entfernen.
Der Beklagte nahm den Artikel am 22.8.2007 aus dem Netz. Durch
Schreiben vom 27.8.2007 gab der Beklagte die geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung ab.
Der Kläger behauptet:
Der Beklagte habe sich die ehrverletzenden
Äußerungen zu eigen gemacht und sich als
Mitorganisator der Aktion geriert. Er habe zudem Kenntnis der
ehrverletzenden Äußerungen gehabt, wie sich
insbesondere aus dem Umstand ergebe, dass er zuvor Kürzungen
vorgenommen habe.
Der Kläger ist der Ansicht, dass den Beklagten gerade bei
einem [Blog mit politischen Diskussionen] gesteigerte
Prüfpflichten obliegen, da die Diskussionen sehr
personenbezogen geführt werden. Zudem ist der Kläger
der Ansicht, dass dem Beklagten auch deshalb gesteigerte
Prüfpflichten aufzuerlegen seien, da Verfassen von Kommentaren
unter Pseudonymen möglich ist.
Zudem hält der Kläger den für die Berechnung
der angesetzten Rechtsanwaltsgebühren zu Grunde gelegten Wert
von € 40.000,00 für angemessen.
Der Kläger beantragt,
den
Beklagten zu verurteilen, den Kläger gegenüber seinem
Rechtsanwalt […], von Verbindlichkeiten in Höhe von
€ 1.419,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage
abzuweisen.
Der Beklagte behauptet:
Er sei nicht der alleinige Administrator des Blogs. Vielmehr
hätten neben ihm weitere Personen Administratorenrechte. Er
sei auch nicht derjenige Administrator gewesen, der die
veröffentlichte Telefonnummer des Klägers entfernt
habe.
Der Beklagte ist zudem der Ansicht, dass er gemäß
§ 10 TMG nicht für die Beiträge
verantwortlich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der
vorgetragenen Rechtsansichten wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätzen Bezug genommen, § 313 Abs.
2 ZPO.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung von den
Rechtsanwaltskosten für die Inanspruchnahme des Beklagten
aufgrund der ehrverletzenden Äußerungen in dem
[Blog].
Ein solcher Anspruch ergäbe sich nur dann, wenn die Abmahnung
berechtigt war, was wiederum einen Unterlassungsanspruch des
Klägers gegenuüber dem Beklagten
gemäß § 823 Abs. I BGB, 1004 Abs. I BGB
(analog) i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des
Kläger voraussetzt.
a. Zwar greifen die Äußerungen [im Blog],
insbesondere die nach Ansicht des Gerichtes deutlich zu erkennende
Verunglimpfung des Klägers als Anhänger des
Nationalsozialismus („Adolf [Kläger]“)
sowie die Beurteilung des Klägers als im „geistigen
und moralischen Verfall“ begriffen rechtswidrig in das
Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.
b. Der Beklagte ist jedoch weder Täter oder Teilnehmer der
Ehrverletzung noch haftet er mangels Verletzung von
Prüfpflichten als Störer.
aa. Zwar lässt sich eine eingeschränkte
Verantwortlichkeit des Beklagten vorliegend nicht aus der
Haftungsprivilegierung nach § 10 Telemediengesetz (TMG)
herleiten. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Beklagte
als technischer Administrator überhaupt als Teledienstleister
im Sinne des von § 2 TMG einzuordnen ist.
Die Vorschrift des § 10 TMG findet auf
Unterlassungsansprüche keine Anwendung. Wie sich aus
§ 7 Abs. 2 TMG und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen
Regelung ergibt, betrifft § 10 TMG lediglich die
strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung ([BGH,
Urteil vom 27.03.2007 - VI ZR 101/06])
bb. Eine eigene Rechtsgutverletzung des Beklagten als Täter
oder Teilnehmer ist durch den darlegungs- und beweisbelasteten
Kläger nicht bewiesen.
Zwar hat die Klägerseite insoweit vorgetragen, dass der
Beklagte sich die streitgegenständlichen
Äußerungen dadurch zu eigen gemacht habe, dass er
einen der Kommentare als Administrator gekürzt habe. Beweis
für diese von Beklagtenseite bestrittene Behauptung hat der
Kläger jedoch nicht angetreten. Ganz im Gegenteil ergibt sich
aus den sowohl von der Klägerseite als auch Beklagtenseite zu
den Akten gereichten Unterlagen ersichtlich, dass der Beklagte
lediglich der Ansprechpartner für Probleme technischer Natur
ist und neben dem Beklagten auch Benutzer des Blogs unter der
Bezeichnung „Administrator“ weitergehende
technische Möglichkeiten eingeräumt wurden.
Ausgehend davon, dass es nicht nur einen Administrator gibt, kann nicht
ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die fragliche Editierung
durch den Beklagten erfolgte und dieser sich dadurch die
streitgegenständlichen Äußerungen zu eigen
gemacht hat.
cc. Auch eine Störerhaftung des Beklagten ist nicht gegeben.
Nach den allgemeinen Grundsätzen der Störerhaftung
kann derjenige als Störer auf Unterlassung in Anspruch
genommen werden, der ohne Täter oder Teilnehmer zu sein in
irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur
Verletzung eines absolut geschützten Rechtes beiträgt
(BGH, GRUR 2004, 860, 864 m.w.N.; BGH, GRUR 2001, 1038, 1039). Dabei
reicht es für eine Störerhaftung aus, dass die
Herbeiführung der Störung gefördert wird
(vgl. zum Störerbegriff Beck’scher OnlineKommentar
zum BGB, Fritzsche, Stand: 01.10.2007, § 1004 BGB, Rndnr. 15
ff.).
Selbst wenn man davon, ausgeht, dass der Beklagte als technischer
Administrator zumindest einen Beitrag zu Aufrechterhaltung der
Funktionsfähigkeit des Blogs geleistet hat und die Verbreitung
der streitgegenständlichen Äußerungen damit
gefördert hat, setzt die Haftung des Störers die
Verletzung von Prüfungspflichten voraus, um eine über
die Gebühr ausufemde Ausdehnung der Störerhaftung,
die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung
vorgenommen haben, zu verhindern (vgl. [LG Düsseldorf, Urteil
vom 27.06.2007 - 12 0 343/06]).
Der Umfang der Prüfpflichten bestimmt sich danach, ob und
inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den
Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. [BGH,
Urteil vom 11.03.2004 - I ZR 304/01]). Entscheidend sind die
Umstände des Einzelfalls. Wird eine Rechtsverletzung bekannt,
so muss der jeweilige Störer den ihm bekannt gewordenen
Beitrag nicht nur löschen oder sperren, sondern auch
nachfolgend ihm technisch mögliche, zumutbare
Maßnahmen ergreifen, um Vorsorge dafür zu treffen,
dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt.
(1) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine
Störerhaftung des Beklagten zu verneinen. Er hat keine
Überwachungspflichten verletzt.
Vor Kenntniserlangung von dem streitgegenständlichen Beitrags
durch den Beklagten oblagen ihm solche Pflichten nicht. Bei der
Beurteilung der Weite der Prüfungspflicht sind die Grundrechte
der Meinungsfreiheit der Nutzer, deren Äußerungen
dem Beklagten zugerechnet werden sollen, und das Allgemeinen
Persönlichkeitsrecht der von den Äußerungen
Betroffenen miteinander abzuwägen (vgl. [OLG Hamburg, Urteil
vom 22.08.2006 - 7 U 50/06]).
Dabei war vorliegend zum einen zu berücksichtigen, dass es vor
den nun streitgegenständlichen Äußerungen
keine Beanstandungen durch Dritte im Hinblick auf die im Rahmen des
Blogs abgegebenen Kommentare gab. Ausgehend davon durfte der Beklagte
bis zur Kenntnis der Beanstandungen darauf vertrauen, dass die Nutzer
der Blogs lediglich politische Diskussionen führen, sich bei
der Abfassung ihrer Kommentare aber ehrverletzenden
Äußerungen enthalten.
(2) Soweit die Klägerseite dagegen einwendet, dass gerade bei
Blogs mit kritischen Inhalt und Diskussionen mit provozierenden Inhalt
eine generell Prüfpflicht besteht, ist dies abzulehnen. Dabei
ist zu beachten, dass das Betreiben eines lnternetforums unter dem
Schutz der Presse und Meinungsäußerungsfreiheit
steht, und dass die Existenz eines derartigen Forums bei
Überspannung der Überwachungspflichten
gefährdet wäre (vgl. [OLG Hamburg, Urteil vom
22.08.2006 - 7 U 50/06]). Bei der Annahme einer generellen
Vorab-Zensur-Pflicht bei der Einstellung von Artikeln mit kritischen
Stellungnahmen oder brisanten Inhalt, würden
zwangsläufig auch zulässige
Meinungsäußerungen erfasst und das Modell des
lnternetforums/blogs insgesamt in Frage stellen (so auch [AG
München, Urteil vom 06.06.2008 - 142 C 6791/08]).
(3) Berücksichtigung muss auch finden, dass das vorliegende
Forum nicht gewerblich betrieben wird, und der Beklagte als technischer
Administrator mit der rechtsverletzenden Äußerung
weder direkt noch indirekt Umsatz erzielt, worauf der Bundesgerichtshof
jedoch bei der Feststellung der Prüfungspflichten
maßgeblich abgestellt hat (vgl. [BGH, Urteil vom 19.04.2007 -
I ZR 35/04]).
(4) Nach Kenntniserlangung der fraglichen ehrverletzenden
Äußerungen wurden die Äußerungen
durch den Beklagten entfernt.
Soweit die Klägerseite dagegen einwendet, dass der Beklagte
bereits durch die Editierung des [Blogs] von den
streitgegenständlichen Äußerungen Kenntnis
hatte bzw. sich diese Kenntnis über 831 BGB zurechnen lassen
müsse, kann er damit keinen Erfolg haben.
Eine eigene Kenntnis des Beklagten hat der für die Verletzung
der Prüfpflichten und damit auch für eine
Veranlassung des Beklagten zur Kontrolle des Blogs nach allgemeinen
Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastete Klägers
nicht bewiesen. Bereits im frühen ersten Termin zur
mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zu Protokoll
erklärt, dass er weder die Kürzung des Kommentars
veranlasst hat noch davon Kenntnis hatte.
Soweit die Klägerseite sich auf § 831 BGB bezieht,
sind bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine
Zurechnung nicht vorgetragen. Es ist nicht in Ansätzen
ersichtlich, dass der Administrator, der die fraglichen Editierungen
vorgenommen hat, Verrichtungsgehilfe des Beklagten ist. Die Einordnung
als Verrichtungsgehilfe setzt nämlich unter anderen voraus,
dass zwischen dem Beklagten und dem anderen Administrator ein
Abhängigkeitsverhältnis besteht (vgl. Palandt-Thomas,
67. Auflage 2008, § 831 BGB, Rndnr. 6). Ein solches, das ein
irgendwie geartetes Weisungsrecht des Beklagten gegenüber den
anderen Administratoren voraussetzen würde, ist jedoch nicht
ersichtlich.
2. Mangels Anspruch auf die geltend gemachte Hauptforderung stehen dem
Kläger auch die geltend gemachten Nebenforderung, namentlich
die Verzugszinsen, nicht zu.
II. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 11, 711, 709
S. 2, 108 Abs. 1, 91 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 1.419,19
festgesetzt, § 48 Abs. I GKG, § 3 ZPO.
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