Kosten Abschlussschreiben Abmahnung Urteil einstweilige
Verfuegung Hauptsache § 17 RVG
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Aktenzeichen:
VI ZR 176/07 |
Verkündet am:
4. März 2008
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
BUNDESGERICHTSHOF
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 4. März 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts
Hamburg vom 18. Mai 2007 wird auf Kosten der Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Erstattung von
Rechtsanwaltsgebühren, welche ihr im Zusammenhang mit der
Abmahnung wegen einer Veröffentlichung in der von der
Beklagten verlegten Zeitung entstanden sind. Mit Schreiben vom 15.
März 2006 forderten die anwaltlichen Vertreter der
Klägerin die Beklagte auf, eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich eines von der Beklagten in der
"taz"Ausgabe vom 6. März 2006 publizierten Artikels "Diese
Woche wird wichtig für J. Sch." abzugeben. Nachdem die
Beklagte hierauf nicht reagierte, erwirkte die Klägerin eine
auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung. Drei
Wochen nach Zustellung der einstweiligen Verfügung forderte
die Klägerin mit Beklagte zur Abgabe einer
Abschlusserklärung und Erstattung der Kosten der Abmahnung und
des Abschlussschreibens auf. Die Beklagte gab die
Abschlusserklärung ab, die geltend gemachten Kosten zahlte sie
jedoch nicht.
Mit der Klage machte die Klägerin aus einem Gegenstandswert
von 20.000 € die Hälfte der Abmahnkosten in
Höhe einer 0,65 Geschäftsgebühr nach RVG VV
2300 und die Kosten des Abschlussschreibens in Höhe einer 1,3
Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 sowie jeweils eine
Auslagenpauschale nach RVG VV 7002 und die auf die Gebühren
entfallende gesetzliche Umsatzsteuer von 16 % (RVG VV 7008) geltend.
Das Amtsgericht hat die Beklagte anragsgemäß
verurteilt. Mit der Berufung hat sich die Beklagte gegen die
Verurteilung zur Zahlung der Kosten für das Abschlussschreiben
gewandt. Auf Hinweis des Gerichts nahm die Klägerin die Klage
insoweit in Höhe einer 0,5 Geschäftsgebühr
nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer zurück, hielt aber
ihr Begehren auf Erstattung einer 0,8 Geschäftsgebühr
nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer aufrecht. Das Berufungsgericht
hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte weiterhin ihren Antrag auf Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt, dass Abmahnung und Abschlussschreiben
verschiedene Angelegenheiten beträfen. Das Abschlussschreiben
gehöre zum Hauptsacheverfahren, wohingegen das Abmahnschreiben
dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuzurechnen und
gemäß § 17 Nr. 4 Buchst. b RVG eine eigene
Angelegenheit sei. Zwar stehe zum Zeitpunkt der Abmahnung noch nicht
fest, ob der Abmahnende im Falle der Nichtabgabe der verlangten
Unterlassungsverpflichtung ein Eilverfahren oder das
Hauptsacheverfahren einleiten oder gar nichts veranlassen werde. Mit
Stellung des Antrags auf eine einstweilige Verfügung ordne er
aber die Abmahnung dem Verfügungsverfahren zu. Dass sowohl die
Abmahnung als auch das Abschlussschreiben dem Ziel dienten,
hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs eine endgültige
Streitbeilegung herbeizuführen, stehe dem nicht entgegen. Es
gelte nichts anderes, als wenn zur Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs
zunächst das Mahnverfahren gemäß den
§§ 688 ff. ZPO und sodann das Hauptsacheverfahren
betrieben werde. Nach § 17 Nr. 2 RVG seien auch "das
Mahnverfahren und das streitige Verfahren" gebührenrechtlich
als verschiedene Angelegenheiten anzusehen. Beide Vorgänge
seien in gebührenrechtlicher Hinsicht durchweg vergleichbar.
II.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision Stand.
Das Berufungsgericht hat den Erstattungsanspruch der Klägerin
für die anwaltlichen Kosten des Abschlussschreibens vom 28.
April 2006 mit Recht bejaht.
1. Die Kosten der Rechtsverfolgung und deshalb auch die Kosten eines
mit der Sache befassten Rechtsanwalts, soweit sie zur Wahrnehmung der
Rechte erforderlich und zweckmäßig waren,
gehören grundsätzlich zu dem wegen einer unerlaubten
Handlung zu ersetzenden Schaden (vgl. Senat, BGHZ 127, 348, 350; Urteil
vom 4. Dezember 2007 VI ZR 277/06 z.V.b. Rn. 13, m.w.N.).
Dementsprechend wird von den Parteien auch nicht weiter in Frage
gestellt, dass die Beklagte wegen der abgemahnten
Veröffentlichung zum Ersatz der notwendigen
Rechtsanwaltskosten verpflichtet ist, die die Klägerin dem
für sie tätigen Rechtsanwalt zu zahlen hat. Fraglich
ist lediglich, ob im Innenverhältnis zwischen der
Klägerin und ihrem Rechtsanwalt zwei rechtlich
eigenständige Ansprüche auf Zahlung einer
Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und
Mehrwertsteuer jeweils für die Abmahnung und das
Abschlussschreiben entstanden sind. Hierfür ist Voraussetzung,
dass sich die Tätigkeit des Anwalts der Klägerin
nicht auf dieselbe Angelegenheit bezogen hat, bei der mehrere
Gegenstände zusammenzuzählen sind, die
Gebühr aber nur einmal verlangt werden darf
(§§ 15 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 RVG).
Zu Recht geht das Berufungsgericht von der Regelung in § 17
Nr. 4 b RVG aus, wonach das Verfahren in der Hauptsache und das
Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung gebührenrechtlich verschiedene
Angelegenheiten sind. Anhaltspunkte für die Auffassung der
Revision, dass die Vorschrift lediglich für die
Verfahrensgebühren gelten solle, nicht jedoch für
Geschäftsgebühren, sind nicht gegeben. Demzufolge ist
§ 17 Nr. 4 b RVG auch für die
Geschäftsgebühren des Rechtsanwalts heranzuziehen.
2. Nach allgemeiner Auffassung gehört das Abschlussschreiben
zum Hauptsacheverfahren und stellt sich im Verhältnis zum
Eilverfahren, dem die Abmahnung zuzuordnen ist, als
eigenständige Angelegenheit dar (vgl. Senatsurteil vom 12.
Dezember 2006 VI ZR 188/05 VersR 2007, 506; BGH, Urteil vom 2.
März 1973 I ZR 5/72 NJW 1973, 901, 902 "Goldene
Armbänder"; Hess in Ullmann juris Praxiskommentar UWG
§ 12 Rn. 120; Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
Wettbewerbsrecht 26. Aufl. § 12 Rn. 3.73; Ahrens, Der
Wettbewerbsprozess 5. Aufl. Kap. 58 Rn. 40; Büscher in Fezer,
Lauterkeitsrecht § 12 Rn. 154). Dies hat seinen Grund in der
das Hauptsacheverfahren vorbereitenden Funktion des Abschlussschreibens.
Die einstweilige Verfügung dient der Sicherung eines
Individualanspruchs oder der einstweiligen Regelung eines streitigen
Rechtsverhältnisses (§§ 935, 940 ZPO).
Insoweit deckt sie sich mit einem der Unterlassungsklage stattgebenden
Urteil des Hauptprozesses und ermöglicht bereits die
Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs im Wege der Zwangsvollstreckung
(§§ 936, 928, 890 ZPO). Sie bleibt aber auch in
diesen Fällen nur eine vorläufige Regelung. Wird sie
wie im Streitfall ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss
erlassen (§ 937 Abs. 2 ZPO), kann sie mit dem Widerspruch
angegriffen werden und ist aufgrund mündlicher Verhandlung
durch Urteil aufzuheben, wenn sich ihr Erlass als nicht oder nicht mehr
gerechtfertigt erweist (§ 925 ZPO). Aber auch dann, wenn sie
aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil erlassen oder
nach Erhebung eines Widerspruchs durch Urteil formell
rechtskräftig bestätigt worden ist, bleibt sie eine
nur vorläufige Regelung. Dies folgt insbesondere daraus, dass
dem Antragsteller (Verfügungskläger) auf Antrag des
Antragsgegners (Verfügungsbeklagten) eine Frist zur
Klageerhebung gesetzt werden kann, wenn die Hauptsache noch nicht
anhängig ist (§ 926 ZPO). Führt der
Hauptprozess zur Abweisung der Klage, ist die einstweilige
Verfügung auf Antrag des Antragsgegners wegen
veränderter Umstände aufzuheben. Aus diesem Grund ist
das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage nicht
schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger bereits im Besitz
einer gleichlautenden, formell rechtskräftigen einstweiligen
Verfügung ist.
Dieser Zusammenhang zwischen Verfügungs und Hauptsacheklage
zeigt, dass der Rechtsanwalt, der im Auftrag seines Mandanten nach
Erwirkung der durch Beschluss erlassenen einstweiligen
Verfügung den Anspruchsgegner dazu auffordert, auf Widerspruch
hiergegen und auf die Stellung eines Antrages nach § 926 ZPO
zu verzichten, nicht mehr nur im Rahmen des
Verfügungsverfahrens tätig wird. Denn er will auf
diese Weise die Klaglosstellung seines Auftraggebers und damit ein
Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptprozess erreicht werden
kann. Damit gehört die von ihm entfaltete weitere
Tätigkeit sachlich zum Hauptprozess. Sie stellt eine Abmahnung
vor Erhebung der Hauptsacheklage dar, wie sie von der Rechtsprechung
zur Vermeidung von Kostennachteilen für den Fall eines
sofortigen Anerkenntnisses durch den Gegner im Hinblick auf §
93 ZPO auch nach Erwirkung einer einstweiligen Verfügung
gefordert wird (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2006 VI ZR 188/05
und BGH, Urteil vom 2. März 1973 I ZR 5/72 jeweils aaO). Der
Umstand, dass ein derartiges Aufforderungsschreiben aus nahe liegenden
Gründen an die ergangene einstweilige Verfügung
anknüpft und die Klaglosstellung des Anspruchsberechtigten
durch einen Verzicht auf die gegen die einstweilige Verfügung
möglichen Rechtsbehelfe zu erreichen versucht, nimmt ihm nicht
die Bedeutung einer den Hauptprozess vorbereitenden Abmahnung. Wird wie
im Streitfall die Hauptsacheklage ausdrücklich angedroht, ist
schon daraus ersichtlich, was mit einer solchen Anfrage erstrebt wird,
nämlich die Klaglosstellung des Anspruchsberechtigten.
Voraussetzung für die Vergütungspflicht des
Auftraggebers und damit auch den Erstattungsanspruch gegen den
Antragsgegner ist allerdings, dass dem Rechtsanwalt ein entsprechender,
über die Vertretung im Verfügungsverfahren
hinausgehender Auftrag erteilt worden ist. Beschränkt sich der
Auftrag nur auf die Abmahnung und die Herbeiführung einer
endgültigen Regelung im Verfügungsverfahren, betrifft
die Tätigkeit des Rechtsanwalts nur eine Angelegenheit, denn
sie wird bestimmt durch den Rahmen, innerhalb dessen sich die
anwaltliche Tätigkeit abspielt, und der sich nach dem
erteilten Auftrag richtet.
3. Dass im Streitfall die Klägerin ihren anwaltlichen
Vertreter lediglich mit der außergerichtlichen Erledigung der
Angelegenheit beauftragt hätte, ist in den Tatsacheninstanzen
von keiner Partei vorgetragen worden. Dies liegt nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die sich die Revision nicht
wendet, auch nicht nahe.
Nachdem sich aber die Beklagte nach der Abmahnung nicht
geäußert und sodann auf die einstweilige
Verfügung hin innerhalb angemessener Frist keine
Erklärung abgegeben hat, lag es im Rahmen zweckentsprechender
Rechtsverfolgung, dass der Anwalt der Klägerin drei Wochen
nach Zustellung der einstweiligen Verfügung die Beklagte zur
Erklärung darüber aufforderte, ob sie die
einstweilige Verfügung als verbindlich anerkenne. Für
den Fall fruchtlosen Fristablaufs müsse er der Mandantin
empfehlen, ihre Ansprüche im Hauptsacheverfahren geltend zu
machen. Dass die Klägerin bei einem Schweigen der Beklagten
auf das Abschlussschreiben auf die Erhebung der Hauptklage verzichten
und sich mit dem einstweiligen Rechtsschutz begnügen wollte,
liegt unter diesen Umständen nicht nahe. Die Revision zeigt
insoweit auch keinen Tatsachenvortrag auf, den das Berufungsgericht
unberücksichtigt gelassen hätte (§ 286 ZPO).
Das Abschlussschreiben war im übrigen auch erforderlich, um
die Kostenfolge des § 93 ZPO nach Erhebung der Hauptsacheklage
zu vermeiden, zumal die Erfolglosigkeit der Abmahnung vor Beginn des
Verfügungsverfahrens grundsätzlich keine
Anhaltspunkte dafür bietet, wie sich der Antragsgegner nach
Erlass der einstweiligen Verfügung verhalten wird (vgl. OLG
Köln, OLGR Köln 2003, 192, 193).
4. Nachdem die Beklagte gegen die nach der Klagerücknahme
gegebene Höhe des Gebührenansatzes keine Einwendungen
erhoben hat und dagegen auch keine rechtlichen Bedenken bestehen, war
die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen.
Müller |
|
Greiner |
|
Diederichsen |
|
Pauge |
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Zoll |
|
Vorinstanzen:
AG
Hamburg, Entscheidung vom 17.10.2006 - 36A C 193/06 -
LG
Hamburg, Entscheidung vom 18.05.2007 - 324 S 6/06 -