OBERLANDESGERICHT
ROSTOCK
URTEIL
IM
NAMEN DES VOLKES
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
...
-
Berufungskläger
und Beklagter -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
g e
g e n
...
- Berufungsbeklagter und Kläger -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts Hausmanns, den Richter
am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und den Richter am Oberlandesgericht
Möllenkamp
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.02.200"
für R e c h t erkannt:
1. Auf die
Berufung der Verfügungsbeklagten wird die einstweilige
Verfügung vom 27.12.2001 aufgehoben und der
Verfügungsantrag zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungskläger
auferlegt.
Tatbestand
Der
Verfügungskläger macht gegen die
Verfügungsbeklagten einen Gegendarstellungsanspruch geltend.
Am 28.11.2001 erschien in einer Zeitschrift der
Verfügungsbeklagten zu 1.), dem Schweriner Express Nr. 48,
unter der Überschrift "Krach in der Schornsteinfegerinnung/
Illegaler Kehrbezirk brachte Million" ein Artikel, der sich unter
anderem mit geschäftlichen und beruflichen
Aktivitäten des Verfügungsklägers befasst.
Die Verfügungsbeklagten zu 2.) und 3.) sind die
verantwortlichen Redakteure der Zeitschrift. Bezüglich der
Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des
Zeitungsartikels Bezug genommen.
Der
Verfügungskläger trat an die
Verfügungsbeklagten heran und unterbreitete ihnen eine von ihm
persönlich unterschriebene Gegendarstellung zum Abdruck. Dem
kamen die Verfügungsbeklagten nicht nach, sie verweigerten
vielmehr die Veröffentlichung der Gegendarstellung.
Der
Verfügungskläger hat daraufhin die einstweilige
Verfügung des Landgerichts Schwerin vom 27.12.2001 erwirkt,
mit der den Verfügungsbeklagten die Veröffentlichung
der Gegendarstellung aufgegeben wurde. Diese wurde auf die
mündliche Verhandlung vom 27.12.2001 mit Urteil vom gleichen
Tage erlassen. Das Urteil wurde den Verfügungsbeklagten im
Amtsbetrieb am 03.01.2002 zugestellt.
Der
Verfügungskläger ließ den
Verfügungsbeklagten das Urteil vom 27.12.2001 durch den
Gerichtsvollzieher im Parteibetrieb persönlich am 07.01.2002
zustellen. Einen Zwangsgeldantrag nach § 888 ZPO stellte der
Verfügungskläger nicht.
Gegen
das Urteil vom 27.12.2001 haben die Verfügungsbeklagten frist-
und formgerecht Berufung eingelegt. Zur Begründung tragen sie
vor, die Gegendarstellung sei geschwätzig und
außerdem unwahr. Schließlich habe der
Verfügungskläger die einstweilige Verfügung
vom 27.12.2001 nicht innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs.
2 ZPO vollzogen.
Die Verfügungsbeklagten beantragen,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen
Verfügung unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts
Schwerin vom 27.12.2001 abzuweisen.
Der Verfügungskläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er
trägt vor, er habe die in dem Urteil vom 27.12.2001
angeordnete Sicherheitsleistung von 3.000,- DM am 04.01.2002
persönlich bei der Gerichtskasse in Schwerin eingezahlt.
Außerdem verteidigt er das erstinstanzliche Urteil unter
Erweiterung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages. Er
vertritt die Auffassung, die Vollziehung der einstweiligen
Verfügung sei durch die Zustellung vom 07.01.2002 erfolgt.
Entscheidungsgründe
Die
zulässige Berufung ist begründet.
Die
einstweilige Verfügung musste aufgehoben und der
Verfügungsantrag zurückgewiesen werden, weil der
Verfügungskläger die Verfügung nicht
innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen hat.
In solchen Fällen kann eine Urteilsverfügung nicht
nur im Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO, sondern auch im
Berufungsverfahren aufgehoben werden (Zöller-Vollkommer, ZPO,
22. Aufl., Rdn. 21 zu § 929). Die Vollziehungsfrist begann
hier mit Verkündung des Urteils am 27.12.2001 zu laufen. Sie
war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
verstrichen. Deswegen ist die einstweiligen Verfügung
endgültig unvollziehbar und damit gegenstandslos geworden.
1.)
Die Vollziehung ist hier nicht durch Zustellung der einstweiligen
Verfügung erfolgt.
a)
Die amtswegige Zustellung vom 3.1.2001 stellt keine Vollziehung i. S.
von § 929 Abs. 2 ZPO dar. Auch Urteilsverfügungen
sind im Regelfall durch Zustellung im Parteibetrieb zu vollziehen
(Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., Rdn 12 zu § 929;
BGH NJW 93, 1077). Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats.
b)
Die Vollziehung ist auch nicht durch die Zustellung vom 7.1.2002
erfolgt. Teilweise wird die Meinung vertreten, dass die Vollziehung
einer auf Gegendarstellung gerichteten einstweiligen Verfügung
schon durch die Zustellung im Parteibetrieb erfolgen kann (OLG Jena OLG
NL 1994, 58; OLG München NJW RR 1989,180; OLG Frankfurt NJW RR
1987, 764). Selbst wenn man dem folgt, hat hier keine Vollziehung
stattgefunden, denn die Zustellung ist nicht gemäß
§ 172 ZPO an den Verfahrensbevollmächtigten der
Verfügungsbeklagten erfolgt, vielmehr an die
Verfügungsbeklagten persönlich. Ein Verstoß
gegen § 172 (§ 176 a.F.) ZPO macht die Zustellung
grundsätzlich wirkungslos (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 60.
Auflage, Rn. 36 zu 9 172; BGH NJW 1984, 926; OLG Celle GRUR 1989, 541).
Die am 07.01.2002 vorgenommene Parteizustellung hatte daher keine
Wirkung. Eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung kann
darin nicht gesehen werden. Die Verfügungsbeklagten waren zum
Zeitpunkt der Zustellung durch ihre Rechtsanwälte als
Verfahrensbevollmächtigte vertreten, deswegen war eine
Zustellung an sie persönlich nicht zulässig. Der
Verfügungskläger hat zwar seinen Durchsetzungswillen
mit Bezug auf das schon seit Erlass des Urteils wirksame Gebot
förmlich bestätigt, jedoch ist dies nicht in der
richtigen Form geschehen. Die Verletzung einer zwingenden Vorschrift
über die Zustellung darf wegen deren grundlegender Bedeutung
für die Rechtssicherheit auch im Zivilprozess nicht mit
wertenden Billigkeitsüberlegungen überspielt werden,
durch die fehlerhafte Zustellung sei der Zweck des Vollziehungsgebotes
erreicht worden. Auch verbietet es sich, es als leere Förmelei
abzutun, wenn an die Nichtbeachtung zwingender Formvorschriften
Rechtsfolgen geknüpft werden (OLG Celle a.a.O.).
2.)
Die Zustellung der einstweiligen Verfügung allein reichte aber
zur Vollziehung hier jedenfalls nicht aus. Der Senat folgt der in
Rechtsprechung und Literatur überwiegenden Meinung, wonach bei
Gebotsverfügungen die Parteizustellung nicht ausreicht,
vielmehr muss dann, wenn eine unvertretbare Handlung geschuldet ist,
ein Antrag nach § 888 ZPO beim Vollstreckungsgericht, hier dem
Prozeßgericht erster Instanz gestellt werden. Die Zustellung
ist bei Befriedigungsverfügungen keine Vollziehung, hierbei
handelt es sich lediglich um die allgemeine
Zwangsvollstreckungsvoraussetzung des § 750 Abs. 1 ZPO,
modifiziert durch § 929 Abs. 3 ZPO (Stein/Jonas/Grunsky,
§ 938 Rn. 30; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Auflage, Rn.
13 zu § 929; Musielak, ZPO, 2. Auflage Rn. 5 zu §
936; Gottwald, Einstweiliger Rechtsschutz in Verfahren nach der ZPO, S.
144; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger
Rechtsschutz, Rn. 33 zu § 929; Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier,
Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Auflage, Rn. H
395; Ebmeyer/Schöne, Der einstweilige Rechtsschutz, Rn. 307;
Münchner Kommentar zur ZPO, 2. Auflage, Rn. 432 zu §
938; Baumbach/Lauterbach, 60. Auflage, Rn. 10 zu § 936; OLG
Hamm GRUR 1992, 888; OLG Hamm, NJW 1993, 959; OLG Hamburg WRP 1996,
1047; OLG Zweibrücken, OLGZ 83, 470; a. M.: OLG Frankfurt NJW
RR 87, 764; OLG München NJWRR 89, 180; OLG Jena OLG NL 1994,
58; OLG Frankfurt WRP 98, 223). Die vorliegende, auf eine Leistung
gerichtete einstweilige Verfügung unterscheidet sich von einer
Regelungsverfügung, die ein nach § 890 ZPO zu
vollstreckendes Gebot oder Verbot oder einen vorläufig
rechtsgestaltenden Anspruch zum Inhalt hat. In solchen Fällen
ist die Parteizustellung in der Regel die notwendige Voraussetzung
einer Vollziehung im Sinne von § 929 Abs. 2 ZPO. Dann gibt der
Gläubiger schon durch die von ihm veranlasste Zustellung zu
erkennen, dass er von der einstweiligen Verfügung Gebrauch
machen will. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen sind zu dieser
Zeit nicht möglich. Sie kommen erst dann in Betracht, wenn
sich herausstellt, dass der Schuldner dem Gebot oder dem Verbot zuwider
handelt.
Bei
einer nach § 888 ZPO zu vollstreckenden Verfügung ist
dagegen - wie bei der Vollziehung eines Arrestes oder einer nach
§ 883 ZPO zu vollziehenden einstweiligen Verfügung -
neben der Zustellung des Titels zumindest ein rechtzeitiger
Vollstreckungsantrag bei dem zuständigen Vollstreckungsorgan
auf Vornahme von Vollstreckungshandlungen erforderlich. Nur so kann dem
Sinn und Zweck der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, die Vollziehung
der einstweiligen Verfügung nach längerer Zeit unter
veränderten Umständen verhindern, Rechnung getragen
werden. Dies muss auch bei einer einstweiligen Verfügung
gelten, die dem Schuldner die Veröffentlichung einer
Gegendarstellung aufgibt und die nach § 888 ZPO zu
vollstrecken ist (Gross, Presserecht, 3. Aufl., Rdn 518). Warum es in
diesen Fällen anders sein soll, als bei sonstigen
unvertretbaren Handlungen, ist nicht ersichtlich. Die zitierten
abweichenden Entscheidungen, die eine andere Meinung vertreten, haben
diese Frage nicht vertieft. Für die hier vertretene Meinung
spricht schließlich, dass die einstweilige Verfügung
vom 27. 12. 2001 nicht die Androhung eines Zwangsgeldes
enthält. Außerdem war dort die Vollstreckung - wenn
auch unzulässigerweise - von einer Sicherheitsleistung
abhängig gemacht. Der Verfügungskläger hat
zwar die Sicherheitsleistung erbracht, er hat jedoch den
Verfügungsbeklagten die Hinterlegungsurkunde nicht gem.
§ 751 Abs. 2 ZPO zugestellt.
3.)
Die materielle Begründetheit des ursprünglichen
Verfügungsantrages konnte in diesem Verfahren nicht mehr
Gegenstand der Prüfung sein (OLG Karlsruhe NJW 1965, 47; OLG
Düsseldorf GRUR 84, 385), denn die einstweilige
Verfügung mußte bereits aus formellen
Gründen aufgehoben und der entsprechende Antrag
zuückgewiesen werden. Einen neuen Antrag auf Erlaß
einer einstweiligen Verfügung hat der
Verfügungskläger im Wege der
Anschlußberufung nicht gestellt, so dass über die
Zulässigkeit eines solchen Antrages nicht zu befinden war
(vgl. dazu Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rdn 23 zu §
929).
4.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO analog. Da gegen
dieses Urteil gemäß § 542 Abs. 2 ZPO die
Revision nicht stattfindet, ist es sofort rechtskräftig,
sodass es eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
nicht bedurfte. Der Gegenstandswert des Verfahrens beträgt
7.500 €.
Hausmanns
Dr. Jedamzik
Möllenkamp