Oberlandesgericht Muenchen, Juristische Schemata Aufbauschemata Loseblatt-Sammlung Unterschleif Spicken
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Aktenzeichen: 6 U 5813/96
21. August 1997

Oberlandesgericht München

Urteil

Leitsatz Fachanwalt für IT-Recht:   

Es ist wettbewerbswidrig, wenn juristische Aufbauschemata derart gestaltet werden, dass diese sich von den Blättern der zu Examenszwecken zugelassenen Loseblatt-Gesetzessammlungen äußerlich nicht unterscheiden und deshalb im Examen bei einer unzulässigen Einordnung in die zugelassenen Loseblatt-Gesetzessammlungen nur schwer entdeckt werden können. Damit werden einerseits Täuschungen durch Examenskandidaten gefördert und andereseits der Absatz zugelassenen Werke bedroht, weil deren Zulassung durch die Prüfungsämter infolge der Täuschungsgefahr zu Examenszwecken gefährdet wird.   

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob der Beklagte juristische Studienhilfen, die für Examina nicht zugelassen sind, in einer Aufmachung anbieten darf, die geeignet ist, die Hilfen in zugelassene Sammlungen unauffällig einzuordnen.   

Der Beklagte ist Herausgeber und Autor der juristischen Studienhilfen. Die Schemata werden in drei Bänden angeboten, wobei es sich jeweils um Ringbücher handelt, bei denen die einzelnen Blätter miteinander verleimt und passend zum Ringbuch gelocht sind. Die Schemata sind nicht als Hilfsmittel für die juristischen Staatsprüfungen in Deutschland zugelassen. Die Klägerin vertreibt u.a. die in den juristischen Staatsprüfungen als Hilfsmittel zugelassenen Gesetzestextsammlungen Sch... und Sar..., bei denen es sich um Loseblattsammlungen handelt, die entsprechend dem von der Klägerin für diese Loseblattsammlung gefertigten Einband gelocht sind.   

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Unterlassung des Vertriebs dieser Schemata in der derzeitigen Form, wobei sie zur Begründung vorträgt, daß der Beklagte zur Herstellung genau das gleiche weiße Papier wie sie, die Klägerin, verwende in genau dem gleichen Format und mit genau der gleichen Lochung wie ihre Produkte Sch... und Sar... . Dadurch biete es sich an, die Schemata in die Produkte der Klägerin einzuordnen, was ohne weiteres möglich sei, da wegen der Leimbindung jederzeit problemlos einzelne oder mehrere Seiten herausgelöst werden und aufgrund der vorhandenen Lochung passend in den Sch... oder Sar... eingeheftet werden könnten, was aufgrund des gleichen Formates und der gleichen Papierfarbe dann nicht auffalle. Soweit das Schriftbild in den Produkten des Beklagten von dem Schriftbild der Klägerin abweiche, sei dies erst bei genauem Hinsehen im Rahmen einer genauen Überprüfung feststellbar.

Diese Einordnungsmöglichkeit in die Produkte der Klägerin sei vom Beklagten auch gewollt, da es einen sinnvollen Zweck für die vom Beklagten vorgenommene Lochung seiner ... nicht gebe. Der Beklagte biete nämlich keinerlei Nachlieferungen zu seinen ... an, sondern biete das Werk immer nur im ganzen an. Das Werk könne daher ebensogut fest verleimt herausgegeben werden, zumal diese Form billiger sei als die Form des Ringbuchs mit gelochten Einlegeblättern.

Daß der Beklagte die Eignung zur unbemerkten Einfügbarkeit der ... in die Produkte der Klägerin wolle, ergebe sich ferner daraus, daß er neben der exakt gleichen Lochung auch das gleiche Format verwende und darüber hinaus auch die gleiche weiße Papierfarbe und trotz entsprechender Anregung durch die Klägerin ein erkennbares Einfärben des Papiers abgelehnt habe.

Insbesondere durch ein Einfärben des Papiers, welches ohne jegliche Mehrkosten für den Beklagten verbunden sei, sei ein unbemerktes Einfügen des Produktes des Beklagten in die klägerischen Produkte ausgeschlossen, - auch wenn der Beklagte an seinem Ringbuchsystem weiterhin festhalte mit der Begründung, daß dies erforderlich sei, um den Studierenden das Einfügen von Blättern in ... zu ermöglichen. Auch sie, die Klägerin, färbe die von ihr für ihre Produkte angebotenen Leerblätter grell gelb ein, damit diese im Falle der Verwendung im Rahmen der Loseblattsammlung bereits von außen leicht erkennbar seien.

Seit Beginn des Jahres 1993 hätten sich verschiedene Landesjustizprüfungsämter mit Beschwerden an die Klägerin gewandt, weil in Prüfungen festgestellt worden sei, daß Teile der Schemata des Beklagten in den als Hilfsmittel zugelassenen Produkten der Klägerin Sch... und Sar... eingefügt gewesen seien, was einen unzulässigen Unterschleif darstelle, durch welchen die verfassungsmäßig garantierte Chancengleichheit der Staatsprüfungen verletzt werde. Da aufgrund der dargestellten Gestaltung der Schemata eine Feststellung, daß diese in unzulässiger Weise durch Einfügen in die Produkte der Klägerin in den Prüfungen verwendet werden, nur äußerst schwierig möglich sei, hätten die Landesjustizprüfungsämter erklärt, daß, wenn es der Klägerin nicht gelänge, die vorliegende Situation zu beseitigen, sie zur Wahrung der verfassungsmäßig garantierten Chancengleichheit erwägen müßten, die beiden genannten Produkte der Klägerin nicht mehr als Hilfsmittel für die Prüfungen zuzulassen und auf andere, z.B. festgebundene Produkte auszuweichen.

Den klägerischen Aufforderungen, die Aufmachung und das Format der Schemata zur Vermeidung einer unzulässigen Verwendung derselben im Rahmen von Staatsprüfungen zu verändern, sei der Beklagte trotz vielfacher Angebote der Klägerin nicht nachgekommen, so daß Klage geboten sei.

Der geltend gemachte Anspruch sei nicht verwirkt, da sie, die Klägerin, sofort nach Bekanntwerden der Beschwerde der Landesjustizprüfungsämter tätig geworden und in Verhandlungen mit dem Beklagten getreten sei. Auf die Möglichkeit der klageweisen Durchsetzung ihrer Ansprüche habe sie auch niemals verzichtet, auch nicht in dem Schreiben ihres früheren Rechtsanwaltes vom 3.8.1993 (Anl. K 5)   

Das Verhalten des Beklagten verstoße gegen § 1 UWG, da die Schemata eine Zusatzware zu den klägerischen Produkten darstellen würden, die (als Hauptware) durch die dargestellte Verwendungsmöglichkeit der... (Zusatzware) entwertet würden; dies sei wettbewerbswidrig. Die Entwertung liege darin, daß die vom Beklagten gewollte und mögliche Verwendung der Schemata dazu führe, daß die klägerischen Textsammlungen nicht mehr als Hilfsmittel in den Staatsprüfungen zugelassen würden, was wiederum zur Folge habe, daß sich der Studienanfänger diese Produkte nicht mehr anschaffe, was wiederum zur Folge habe, daß, weil er sie nicht von Anfang an habe benutzen können und deswegen nicht an sie gewöhnt sei, er diese als fertiger Jurist später auch nicht mehr verwenden werde. Dadurch werde die derzeitige Marktführerposition der Klägerin - nahezu jeder deutsche Jurist benutzt die klägerischen Produkte Sch... und Sar... - zerstört.   

Die für sie, die Klägerin, nachteilige Verwendungsmöglichkeit der Zusatzware ... könne der Beklagte ohne jeglichen Aufwand, z.B. durch bloßes Einfärben des Papiers, vermeiden, wie sie selber es bei ihren Leerblättern mache, so daß eine Abänderung der derzeitigen Form auch zumutbar sei. Dabei sei weiter zu berücksichtigen, daß ein Interesse des Beklagten an der Beibehaltung der derzeitigen Form nicht erkennbar sei, insbesondere, da es keine Nachlieferungen gebe, die ein Ringbuchsystem mit Lochung einzig und allein sinnvoll mache. Sie, die Klägerin, könne ihrerseits nicht ausweichen, da sie Nachlieferungen zu ihren Gesetzestexten regelmäßig herausbringe.

Aus alledem ergebe sich, daß der Beklagte bewußt an der vollen Identität seines Produktes mit den klägerischen Produkten festhalte, weil sein Umsatz rapide sinken würde, wenn ... nicht mehr als Mittel des Unterschleifs durch Einordnen in die klägerischen Produkte unzulässig verwendet werden könnten.

Als Anbieter sei der Beklagte verpflichtet, bei einem Produkt, welches legal und illegal verwendet werden könne, alles nur mögliche zu unternehmen, um eine illegale Verwendung zu verhindern.   

Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei das Landgericht München I gemäß § 24 Abs. 2 S. 1 UWG zuständig, da die Verletzungshandlung auch in München durch den Vertrieb der... begangen wurde bzw. wird, und die Klägerin unmittelbar Verletzte sei. Die Klägerin hat folgenden Antrag gestellt:   

Die Klägerin hat folgenden Antrag gestellt:   

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die juristischen Studienhilfen - die... - im Format 19,3 cm x 14,8 cm auf weißem Papier, bei denen der Abstand der Lochung mit der des Loseblattwerkes... und/oder.... der Klägerin identisch ist, als Loseblattausgabe oder in Leimbindung anzubieten, feilzuhalten oder zu verbreiten.

2. Dem Beklagten wird angedroht, daß für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 500.000,– DM oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen ihn festgesetzt wird.    

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.   

Zur Begründung hat er vorgetragen, daß das Landgericht München I zur Entscheidung nicht zuständig sei, den "fliegenden Gerichtsstand" könne die Klägerin nicht in Anspruch nehmen. Zwischen den Parteien bestehe kein unmittelbares Konkurrenzverhältnis. Im übrigen sei die beanstandete Handlung nicht geeignet, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen.   

Die Klageerhebung stelle darüber hinaus eine unzulässige Rechtsausübung dar, da die Klägerin das Produkt des Beklagten seit 1990 kenne, der Anspruch aber verwirkt sei, wenn sie erst nach Ablauf von fünf Jahren Klage erhebe.

Darüber hinaus habe sie durch ihren früheren anwaltschaftlichen Vertreter ausdrücklich auf die Möglichkeit der klageweisen Geltendmachung ihres Anspruches verzichtet.   

Im übrigen habe die Klägerin kein Monopol auf Loseblattsammlungen dieser Art; viele andere hätten das gleiche Format, die gleiche Lochung und das gleiche Papier. Im übrigen sei das von ihm verwendete Papier gelblich-weißlich und nicht mit dem der Klägerin identisch. Auch stimme die Lochung nicht überein, die Lochung entspreche aber dem üblichen DIN-Maß. Desweiteren habe er eine andere Druckgestaltung. Die Verwendung eines Ringheftes mit verleimten gelochten Blättern sei notwendig, um dem Verwender die Möglichkeit zu geben, von ihm gefertigte Blätter mit entsprechenden Ergänzungen einzuheften.   

Daß die von der Klägerin behaupteten Beschwerden der Landesjustizprüfungsämter vorliegen würden, hat er ebenso wie die Gefahr des Widerrufs der Zulassung als zugelassene Hilfsmittel in den Staatsprüfungen bestritten. Dies sei schon deswegen nicht zu befürchten, weil bei einem Ausweichen auf festgebundene Texte dies viel zu teuer sei.   

Das Anbieten von Zusatzware sei nicht wettbewerbswidrig. Eine behauptete Entwertung der Hauptware trete nur deswegen ein, weil die Landesjustizprüfungsämter zu lasch prüfen und die Prüflinge sich zum Unterschleif entschließen würden. Dafür sei er, der Beklagte, aber nicht verantwortlich zu machen. Daß er eine Abänderung der vorliegenden Form der ... nur deswegen verweigere, weil deren Umsatz sofort rapide zurückgehen würde, wenn sie nicht mehr wie in der vorliegenden Form geeignet wären, problemlos in die Textsammlungen der Klägerin eingeordnet werden zu können zum Zwecke des Unterschleifs, sei eine abwegige Unterstellung.   

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins eines ... und der ... sowie durch Erholung amtlicher Auskünfte der Landesjustizprüfungsämter Bayern, Baden Württemberg und Hessen, sowie durch Vernehmung der Zeugen ... und ... .   

Mit Endurteil vom 10.10.1996 hat es der Klage stattgegeben und sich dabei auf § 1 UWG gestützt.

Der Anspruch sei nicht verwirkt, da der Beklagte zu keinem Zeitpunkt hätte annehmen können, daß die Klägerin die fraglichen Ansprüche nicht mehr durchsetzen wolle, und die Klägerin erst bei Schwierigkeiten für ihre eigenen Produkte habe tätig werden müssen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Produkte des Beklagten mühelos unauffällig eingeordnet werden könnten, zumal das Erscheinungsbild der klägerischen Loseblattsammlungen mit Nachlieferungen farblich nicht einheitlich sei. Eine Kontrolle der mitgebrachten Hilfsmittel sei nur in beschränktem Umfange möglich, die geringen Abweichungen im Textbild seien dabei leicht zu übersehen. Es gäbe keine Erklärung seitens des Beklagten, warum er das gleiche Format und die Lochung wählen "müsse" und sich weigere, das Papier kostenneutral einzufärben. Das Anbieten in Ringbuchform, teuerer als eine festgebundene Ausgabe, sei sachlich nicht veranlaßt, zumal Schemata vom Sinn und Zweck her keiner Einfügungen und Ergänzungen bedürften.

Die Beweisaufnahme hätte ergeben, daß die Produkte des Beklagten als unzulässige Hilfsmittel bei Staatsprüfungen verwendet würden und die Klägerin deshalb mit Ausschluß ihrer Produkte rechnen müsse.

Das Verhalten des Beklagten sei durch nichts gerechtfertigt und als sittenwidrig anzusehen, was gegen § 1 UWG verstoße. Das Umsatzinteresse mit Produkten, die der unterschleifwillige Prüfling zum Zwecke der Begehung von Unterschleif erwerbe, sei nicht schütztenswert.   

Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte seine Verteidigung.

Ein Unterlassungsanspruch sei jedenfalls verwirkt. Im Juni/August 1993 sei nämlich die Klageabsicht fallengelassen und bezüglich einer Übernahme des Werks des Beklagten und seiner Beschäftigung als Autor bei der Klägerin verhandelt worden. Das Gericht habe die diesbezüglichen Beweisangebote übergangen ebenso wie seinen Vortrag, es sei nie zum Ausdruck gebracht worden, ausschließliches Motiv des Übernahmeangebots sei die Beseitigung der Beanstandungen der Landesjustizprüfungsämter gewesen.

Sein Verhalten sei auch nicht sittenwidrig, wie sich auch aus der Beweisaufnahme ergebe. Seine Publikationen stellten keine Zusatzware zu den Publikationen der Klägerin dar, die durch eine illegale Verwendungsmöglichkeit der Zusatzware entwertet werde, sondern sei ein eigenständiges Werk, erforderlich wegen der didaktischen Defizite der juristischen Ausbildung. Es solle die Fähigkeit der juristischen Fallösung geschult werden, während die Produkte der Klägerin reine Sammlungen von Gesetzestexten darstellten. Mangels konzeptionellem oder sonstigen inhaltlichen Bezug handle es sich nicht um Zusatzware, wie das Landgericht angenommen habe.   

Vereinzelte Fälle von Mißbrauch durch Examenskandidaten erlaubten nicht die Feststellung, die Gestaltung begünstige ein unbemerktes Einordnen. Das Format sei unterschiedlich, der Lochdurchmesser bei den sei größer, so daß beim Einheften in die fraglichen Gesetzessammlungen eine Deckungsgleichheit nicht zu erzielen sei, und die Abweichungen für das Auge des aufmerksamen Betrachters ohne Schwierigkeiten gut erkennbar seien. Das Papier sei ganz anders bezüglich Sorte und Einfärbung. Bei der Seitengestaltung, dem Lay-out, gebe es ins Auge stechende eklatante Unterschiede, auch Schrifttyp und –größe wichen erheblich voneinander ab. Bei Durchblättern einer Gesetzessammlung der Klägerin seien eingeheftete Seiten deshalb ohne weiteres erkennbar.

Das Landgericht habe ferner nicht prozeßordnungsgemäß die Grundlagen für Schwierigkeiten bei der Kontrolle festgestellt. Die Bedingungen sowie die Aufsicht über die Einhaltung der Prüfungsbedingungen seien von Bundesland zu Bundesland und Prüfungsort zu Prüfungsort unterschiedlich. Es werde bestritten, daß es zu wenig Aufsichtspersonen gäbe und diese nur stichprobenartig oberflächlich die mitgebrachten Gesetzestexte prüfen könnten, und dabei die Einfügungen nicht feststellen könnten. Bestritten werde weiter, daß stärke Kontrollen an der Finanz- und Personalknappheit und der den Prüflingen zu gewährenden Ruhe scheiterten; man könne schließlich die Hilfsmittel einen Tag vor der Klausur abliefern lassen.

Die Format- und Papierwahl stelle lediglich einen Rückgriff auf auf dem Markt befindliche weitverbreitete Standards dar. Eine Änderung der Produkte sei an der fehlenden Kostenübernahmebereitschaft der Klägerin und deren Taktik, eine günstige Übernahme zu erreichen, gescheitert. Eine Einfärbung sei unüblich und würde eine Stigmatisierung des Produkts beinhalten. Der Vertrieb in Ringbuchform mit Einlageblättern sei sachgerecht, die Behauptungen des Landgerichts, die ... bedürften keiner Ergänzung, stellten eine Anmaßung dar. Die Feststellungen zur Häufigkeit festzustellender Mißbräuche würden durch die Beweisaufnahme nicht getragen; belegt sei nur die verschwindend geringe relative Häufigkeit der festgestellten Mißbräuche. Die Dunkelziffer bleibe bestritten, es fehle eine tragfähige Tatsachenbasis. Ferner bleibe bestritten, daß die drei Landesjustizprüfungsämter ernsthafte Konsequenzen erwägen würden, wenn die Produkte des Beklagten unverändert vertrieben werden. Auch die befürchteten erheblichen Einbußen seien nicht spezifiziert vorgetragen, denn es sei nicht einmal dargelegt, in welchem Umfang die Gesetzessammlungen der Klägerin als Hilfsmittel zugelassen oder zur Verfügung gestellt würden. Es fehlten auch fundierte Feststellungen zum Kaufverhalten. Durch entsprechende Gestaltung der Prüfungsbedingungen und der Prüfungsaufsicht könnte auf einfache Weise künftigen weiteren Verstößen vorgebeugt werden. Mangels Wettbewerbsverstoßes stelle sich die Frage der Zumutbarkeit von Abänderungen für den Beklagten gar nicht. Die Schemata seien schließlich auch lernbar.   

Der Beklagte beantragt
 
das Urteil des Landgerichts München I vom 10.10.1996, Az.: 4 HKO 24301/95, aufzuheben und die Klage abzuweisen.   

Die Klägerin beantragt

kostenpflichtige Zuruckweisung der Berufung mit der Maßgabe, daß es nach dem Wort "Format" richtig heißt: "ca. 19,0 cm x l4,6 cm."   

Sie verteidigt das Urteil als zutreffend. Hinsichtlich des Verwirkungseinwandes habe das Erstgericht alle Umstände berücksichtigt. Es habe die Produkte des Beklagten auch nicht als "Zusatzware" im technischen Sinne qualifiziert, sondern als potentielles Unterschleifmittel aufgrund ihrer Ausstattung. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die ... nicht "lernbar," seien und nur bei gegenständlichem Vorliegen bei Anfertigung der Klausur sinnvoll nutzbar wären. Im Rahmen der Interessenabwägung sei neben der Häufigkeit von Mißbräuchen die Schwere der durch die Handlung geforderten Rechtsverletzung von Bedeutung. Die geringfügigen Millimeterunterschiede seien irrelevant und erlaubten eine unbemerkt bleibende Möglichkeit des Einordnens in die Werke der Klägerin, wobei jeder Prüfling ca. 10.000 Seiten gleichen Formats zur Verfügung habe. Die Klägerin habe auch keinen Einfluß darauf, wie intensiv die Landesjustizprüfungsämter Nachschau hielten.

Nach dem Beweisergebnis würde die konkrete Unterschleifgefahr bejaht, der Zeuge ... habe die drohende Ausschließung der Werke der Klägerin bestätigt. Das Einfärben werde nach wie vor unspezifiziert abgelehnt, eine Nutzung durch Ergänzungsblätter im Ringbuch sei äußerst unwahrscheinlich. Die Textsammlungen würden von keinem einzigen Justizprüfungsamt gestellt, sondern seien vom Prüfling mitzubringen. Der Beklagte bewirke gerade diejenige Ruf- und Absatzbeeinträchtigung, die der BGH in der Entscheidung "Telekonverter" für unlauter gehalten habe.   

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Einzelheiten in den eingereichten Schriftsätzen neben Anlagen, die Sitzungsniederschriften in der ersten und zweiten Instanz sowie den Inhalt der angefochtenen Entscheidung verwiesen.   

Entscheidungsgründe:   

Die zulässige Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg.   

Zunächst wird auf die zutreffende und sorgfältige Begründung des Landgerichts verwiesen, der sich der Senat anschließt mit Ausnahme der Bewertung der ... als Zusatzware und der Ausführungen zu der Frage, ob der Beklagte sein Werk in Ringbuchform herausbringen darf, § 543 Abs. 1 ZPO.   

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind noch folgende Ausführungen veranlaßt:   

1. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht verwirkt. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ist darauf hinzuweisen, daß es auf die Motivation bei den Verhandlungen nicht ankommt, so daß eine diesbezügliche Beweiserhebung überflüssig war und ist.

In der Telefonnotiz des Beklagten vom 8.6.1993 (Anl. B 9) ist ausdrücklich vermerkt, daß die Klägerin verbindlich erklären solle, rechtliche Schritte nicht mehr zu unternehmen. Dies ist nicht geschehen. Im Schreiben vom 3.8.1993 (Anl. K 5) ist vielmehr lediglich erklärt, daß Rechtsanwalt ... keinen Auftrag mehr hierzu habe, sondern die Möglichkeit einer Kooperation prüfen solle, wobei die Bücher "ähnlich" ausgestattet übernommen werden sollten.

Damit ist eindeutig nie der Eindruck erweckt worden, die Klägerin wolle die jetzige Form hinnehmen. Vielmehr war zuerst von rechtlichem und dann (Anl. K 5) von wirtschaftlichem Vorgehen der Klägerin die Rede. Angesichts eines diesbezüglichen Mißerfolgs war klar, daß die Klägerin dann wiederum ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen werde.   

2. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nach § 1 UWG begründet, weil der Beklagte zu Zwecken des Wettbewerbs die Aufmachung seiner ... so gestaltet, daß diese in die zu Examenszwecken zugelassenen Werke der Klägerin eingeordnet werden können ohne im Rahmen der üblichen Überprüfungen dann ohne weiteres als unzulässige Hilfsmittel entdeckt zu werden.

Damit wird zum einen der Unterschleif der betreffenden Kandidaten gefördert und zum anderen die Klägerin infolge der angedrohten Reaktionen der Landesjustizprüfungsämter, an deren Umsetzung nicht zu zweifeln ist, im Absatz ihrer Werke behindert, so daß dieses Handeln des Beklagten in doppelter Hinsicht gegen die guten Sitten und damit gegen § 1 UWG verstößt.

Ob daneben ein Verstoß gegen § 823 BGB als unzulässiger rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin in Betracht kommt, kann dahinstehen. Unmittelbar zu § 1 UWG einschlägige Entscheidungen hat der Senat nicht auffinden können.   

3. Es ist zum einen befremdlich und zum anderen entlarvend, mit welcher Vehemenz der Beklagte die streitige Aufmachung seines Werks verteidigt:   

Der Senat hat den Inhalt der Schemata nicht überprüft, aber er soll nach der Selbsteinschätzung des Beklagten sehr gut sein und nicht nur von Studenten, sondern auch von Praktikern genutzt werden. Daß die Vermarktung derartiger Werke zur Ausmerzung didaktischer Defizite, deren Inhalt auch lernbar sein soll (also nicht in Druckform im Examen vorliegen muß) nun ausgerechnet davon abhängen soll, daß sie in einer Aufmachung bezüglich Papierart, -farbe und -format und Lochung sowie Schriftbild erscheinen, die ein Einordnen einzelner ... in den ... und ... erlauben, ohne dort aufzufallen, ist unverständlich. Es handelt sich um eine geistige Leistung, die nach allgemeinen Gesichtspunkten aus sich heraus begehrt sein müßte.   

Natürlich spielt auch die Aufmachung und Praktikabilität eines Werkes eine Rolle. Es ist daher - im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts und der Klägerin - nichts dagegen einzuwenden, wenn der Beklagte meint, seine Schemata müßten wohl so oft durch zusätzliche Einlageblätter ergänzt werden, daß sie in Ringbuchform erscheinen müssen. Dies steht zwar im Widerspruch zum Qualitätsanspruch des Beklagten, ist aber der freien unternehmerischen Entscheidung des Beklagten vorbehalten. Die Klägerin stört sich auch nicht im Prinzip hieran, sondern nur an der konkreten Papierwahl, dem konkreten Format und der konkreten Lochung. Ihre diesbezüglichen Vorwürfe und Angriffe sowie die Ablehnung des Vorschlags, die Seiten wenigstens am Rand kostenneutral (dies ist auch in der zweiten Instanz unbestritten geblieben!) einzufärben, versucht der Beklagte wie folgt abzuwehren bzw. zu erklären (Unterstreichungen vom Senat eingefügt)   

"Die Produktgestaltung von Publikationen, insbesondere die Druck- und Farbgestaltung ist ein komplexer Entscheidungsprozeß, der typographischen sowie werbe- und verbraucher-psychologischen Erkenntnissen und Regeln folgt und für den Erfolg einer Publikation in wirtschaftlicher Hinsicht von nicht unerheblicher Bedeutung ist. In eine dementsprechend mit Bedacht gewählte gestalterische Konzeption mittels isolierter Veränderungsvorschläge einzugreifen, erscheint nicht sachangemessen".   

Dies sehen die Klägerin und der Senat auch so, aber nicht im Sinne des Beklagten.   

Warum nur das Format der klägerischen Werke, ähnliches Papier und entsprechende Lochung in Betracht kommen können und zwar in dieser Kombination, versucht der Beklagte nicht einmal zu erklären, sondern weist den diesbezüglichen Hinweis der Klägerin nur als "Ausfälligkeit" zurück. Das sagt eigentlich schon alles.

Soweit er geltend macht, das Einfärben des Randes sei ungewöhnlich und diffamierend, so ist dies nicht nachvollziehbar: Der Student und Praktiker müßte nicht mühselig nach den Schemata in den dicken Gesetzessammlungen der Klägerin suchen, sondern fände sie auf Anhieb, wenn er sie überhaupt dort (noch) einordnet. Letzteres erscheint an sich gar nicht sehr zweckmäßig, denn die Arbeit mit den dicken Sammlungen der Klägerin ohne wiederholtes Aufschlagen der eingeordneten Schemata, also deren getrennte Verwendung, ist wesentlich leichter und praktischer.

Im übrigen weisen z.B. die Telefonverzeichnisse der Justizbehörden in München zur Arbeitserleichterung ganze unterschiedlich eingefärbte Seiten auf. Die 21. Auflage des Duden "Die deutsche Rechtschreibung" hat ebenfalls am Rand gekennzeichnete (rot bzw. grau) Teile, was wohl niemand als diffamierend ansieht. Ferner sind solche Einfärbungen beim Shell-Auto-Atlas und Gastronomie- und Beherbungsverzeichnissen (Vartaführer, Michelin) üblich.   

4. Die Feststellungen des Landgerichts tragen entgegen den Darlegungen des Berufungsführers die Würdigung gemäß vorstehender Ziffer 2 ohne weiteres:   

a) Dem Beklagten ist zuzugeben, daß seine analysierenden Schemata keine "Zusatzware" zu den reinen Gesetzessammlungen der Klägerin als "Hauptware" sind, jedenfalls vom Inhalt her. Ob dies auch im Hinblick auf die leicht unbemerkt bleibende Einfügbarkeit einzelner Blätter während eines Examens so zu beurteilen ist, kann offenbleiben, denn es kommt hierauf nicht an.   

b) Ein sehr schlecht vom Prüfungsaufsichtspersonal bemerkbares Einordnen ist trotz der im Berufungsverfahren gerügten Gesichtspunkte ohne weiteres möglich:

aa) Das Format von ca. 19,0 x 14,7 ist mit dem Format von 19,1 x 14,7 des ... praktisch identisch. Insbesondere geringfügig kleinere Blätter fallen in dem dicken Band nicht auf, zumal schon einzelne eingeordnete Ergänzungslieferungen den glatten Schnitt an der Außenseite beseitigen. Gleiches gilt für den ... . Dies ist bei Juristen allgemein bekannt und bedarf keines Beweises.

bb) Wegen den üblicherweise "zerklüfteten" Außenseiten der Gesetzessammlungen spielen die geringfügigen Unterschiede bei der Lochungsgröße keine Rolle.

cc) Der Beklagte verwendet ein Standardpapier der Typen klasse "Bibeldruckpapier". Ein erhebliches Abweichen vom Papier der Klägerin nach Gewicht, Oberflächengestaltung und sonstigen Eigenschaften" - was immer auch das sein mag - konnte das Landgericht ebenso wenig wie der Senat feststellen.

dd) Ein Schönfelder oder Sartorius muß (natürlich nur bezüglich der Blattkanten und nicht des Seitenbildes als solches) nicht immer "gescheckt" sein, ist es aber als häufig gebrauchtes Arbeitsmittel in aller Regel, wenn er für ein Examen nach mehreren Jahren verwendet wird. Die geringe Abweichung der Papierfärbung, die bei den vorgelegten Schemata im Vergleich zum ... des Landgerichts und des Senats jedoch nicht einmal feststellbar ist, fällt sicher nicht ins Gewicht.

ee) Dem Beklagten ist zuzugestehen, daß das Lay-out Abweichungen enthält, wobei insbesondere die bei den Gesetzessammlungen in der Kopfzeile fett- und großgedruckten Ordnungsziffern mit der Kurzbezeichnung des Gesetzes bei den Schemata fehlen. Die Schriftgröße und die Untergliederung mit Überschriften ist jedoch so ähnlich, daß die Unterschiede nicht, wie der Beklagte behauptet, ins Auge stechen beim Durchblättern der Gesetzessammlungen mit eingehefteten Seiten aus den Schemata, sondern nur bei genauerem Prüfen jedes Blattes. Das hierfür angebotene Sachverständigengutachten ist nicht zu erholen: Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen des Landgerichts ist als "Prüfungsaufsichtsperson" selber Sachverständiger für diesen Fragenkreis und hat eine entsprechende Würdigung abgegeben. Der Senat als Spezialsenat für gewerblichen Rechtsschutz ist ebenfalls aufgrund dieser Tätigkeit und der Tätigkeit seiner Mitglieder in diesem Bereich schon in der ersten Instanz seit weit mehr als 10 Jahren laufend damit befaßt, z.B. "Blickfangwerbung" oder "ausreichend große Hinweise" zu beurteilen, fühlt sich in dieser Hinsicht somit ebenfalls sachkundig. Schließlich ist das Lay-out nicht Streitgegenstand, sondern nur ein weiteres Indiz für ein unlauteres Verhalten des Beklagten.   

c) Daß der Beklagte bestreitet, es gäbe zu wenig Aufsichtspersonen, die die mitgebrachten Hilfsmittel nur stichprobenartig prüfen könnten, und ferner bestreitet, daß intensivere Kontrollen an der Finanz- und Personalknappheit scheitern würden (in Bayern werden im übrigen Richter dafür eingesetzt, die dann gehindert sind, ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen), die Arbeitsruhe der Prüflinge stören will oder als Alternative verlangt, diese sollten einen Tag vor dem Examen die Hilfsmittel zur intensiven Durchsicht abgeben, ist kurios:

Die Klägerin ist ein privatrechtlicher Verlag.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Landesjustizprüfungsämter, hier entsprechend den Vorstellungen des Beklagten zu verfahren, um dem Beklagten zu ersparen, auf ein größeres Format oder kostenneutrale Einfärbung seiner Produkte auszuweichen, ist nicht erkennbar.

Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Landesjustizprüfungsämter die Klägerin anhalten, gegen die Aufmachung der Produkte des Beklagten vorzugehen, wie in der ersten Instanz bewiesen ist, obwohl hier ohne weiteres die vom Beklagten vorgeschlagene Abhilfe möglich wäre. Desweiteren fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß alles nicht zutreffen würde, was die Klägerin bezüglich der Schwierigkeiten, einen Unterschleif mit den Produkten des Beklagten aufzudecken, vorgetragen hat.   

 5. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß der Beklagte grundsätzlich seine Produkte gestalten kann, wie er will. Diese Freiheit findet aber dort ihre Grenze, wo Unterschleif betrieben werden kann oder ein Dritter offensichtlich geschädigt wird durch die konkrete Aufmachung der Produkte, obwohl dem Beklagten ein Ausweichen auf eine andere Aufmachung offensichtlich zumutbar ist. Das ist vorliegend der Fall.

Der Senat ist aufgrund der Gesamtumstände ferner überzeugt, daß der Beklagte ganz gezielt seine Produkte so gestaltet, daß sie in die Gesetzessammlungen eingeordnet werden können, um beim Examen als unzulässige Hilfsmittel verwendet zu werden, und die freigesetzte Lernkapazität anderweitig zu nutzen. Diese Würdigung liegt auf der Hand; der Beklagte hat auch in der zweiten Instanz keine Gesichtspunkte vorgetragen, die etwas anderes auch nur andeutungsweise erkennen ließen.   

Das jetzige Handeln stellt somit eine vorsätzliche Schädigung der Klägerin dar. Die Würdigung der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, es fehle für die Annahme eines bedingten Vorsatzes "der geringste Anhaltspunkt", ist unverständlich und lebensfremd. Durch die Beweisaufnahme steht fest, daß Unterschleif betrieben worden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob 5 oder 1000 Fälle aufgedeckt sind und wie hoch die Dunkelziffer ist.

Es reichen die Eignung zum Unterschleif, einige Verletzungsfälle und die verständliche Reaktion einiger Landesjustizprüfungsämter (Baden-Württemberg Bl. 96/97, Bayern Bl. 98/99 und Hessen Bl. 100/101, Aussage Z. Bl. 132/133 und Aussage Rechtsanwalt W. Bl. 133/135), um die Gefährdung der Tätigkeit der Klägerin, die für die Zubilligung des Unterlassungsanspruches ausreicht, zu bejahen. Die Klägerin muß nicht zuwarten, bis ihre Gesetzessammlungen ausgeschlossen werden. Die wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin liegen auf der Hand und müssen angesichts der abwegigen diesbezüglichen Einwände des Beklagten nicht näher dargelegt werden.   

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO und § 546 Abs. 2 ZPO.

(Unterschriften)