Oberlandesgericht Muenchen, Urteil boos.de Domain Gemeinde Boos Gleichnamigkeit
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Aktenzeichen: 27 U 922/00

- Zivilsenate in Augsburg -
16. Mai 2001

Oberlandesgericht München

Urteil

Im Namen des Volkes


 In dem Rechtsstreit der

Gemeinde Boos, vertreten durch den 1. Bürgermeister (...), 87737 Boos 

- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...

gegen

Boos ... GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer ...., ...


- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

 wegen Unterlassung

erläßt der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg" durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Motzke und die Richter am Oberlandesgericht von Hofer und Braun aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2001 folgendes

Endurteil:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 15. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer beträgt für die Klägerin DM 30.000,00.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Freigabe und Unterlassung der Nutzung der Internet-Domain-Bezeichnung "boos.de".

Die Klägerin ist eine erstmals urkundlich 1084 erwähnte Gemeinde mit heute knapp 2000 Einwohnern, die 12 km nördlich von Memmingen im Allgäu liegt. Sie leitet ihren Namen von einem Adelsgeschlecht "von Boos" ab, in dessen Besitz sich das Gemeindegebiet ursprünglich befand. Wesentliche Merkmale der Geschichte von Boos sind, daß in dem dortigen' Schloß ein Zweig der Familie Fugger residierte, daß der Pfarrer Sebastian Kneipp zeitweise in Boos Seelsorger war und daß im Jahre 1902 die allgemein anerkannte "Molkerei - Lehr- und Versuchsanstalt" gegründet und seither betrieben wurde. Heute ist der Ort hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt und verfügt über etwa 300 Arbeitsplätze.

Die Vorgängerfirma der Beklagten wurde 1983 gegründet und am 17.10.1996 in eine GmbH umgewandelt. Sie hat ihren Sitz in Oberhausen und Niederlassungen in Arnstadt/Thüringen, Göppingen und Colmnitz; außerdem unterhält sie Kundendienststützpunkte in Bremen und in München. Die Beklagte befaßt sich mit dem Vertrieb von Werkstatteinrichtungen für den Kfz- und Industriebereich. Sie beschäftigt etwa 30 Mitarbeiter und -in verbundenen Unternehmen weitere 15 Mitarbeiter und hat einen Umsatz von unter DM 30 Mio.

Am 05.06.1997 ließ sich die Beklagte bei dem hierfür zuständigen Deutschen Network Information Center (DE-NIC) die Internet-Adresse "www.boos.de", registrieren und betreibt sie seither. In der Fachsprache des Internet ist hierbei die Buchstabenkombination "www" die Bezeichnungen des logischen Servers, die Bezeichnung "boos" die Second level-Domain und die Buchstabenkombination "de" die Top level-Domain. Die Beklagte betreibt ferner die e-mail-Adresse info@boos.de. Im Jahre 1999 beantragte die Klägerin bei dem DE-NIC für sich die Registrierung der Internet-Adresse "boos.de".. Das DE-NIC teilte am 31.05.1999 mit, daß die Internet-Adresse durch die Beklagte belegt sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Beklagte ihr Namensrecht durch die Registrierung und Benutzung der genannten Internet-Adresse verletze. Sie trug in erster Instanz vor, die Beklagte habe nicht den Namen Boos, sondern den Namen Boos Werkstatt- und Industrieausrüstung GmbH Oberhausen und trete allenfalls noch unter der Kurzfassung Boos GmbH auf. Durch die Benutzung des Domain-Namens boos.de maße sie sich einen fremden Namen, nämlich den der Klägerin an, was vom Namensrecht verboten sei und zu einer Zuordnungsverwirrung führe. Es sei allgemeine Verkehrsauffassung, daß unter einer Internet-Adresse Städtenamen.de Informationen von der jeweiligen Stadt, deren Namen genannt sei, abgerufen werden könnten.

Auf die frühere Registrierung der Beklagten bei dem DE-NIC komme es nicht an, weil Priorität nur im Falle der Gleichnamigkeit einen Stellenwert besitze. Im übrigen sei das Interesse der Klägerin höher zu bewerten als das der Beklagten, weil die meisten Internet-Benutzer unter der Adresse boos.de Informationen über und von der Klägerin erwarteten. Der Beklagten sei es auch zu zumuten, sich durch einen Zusatz von der Klägerin als Gebietskörperschaft abzugrenzen.

Die Klägerin beantragte,

die Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu verurteilen, es zu unterlassen, die Bezeichnung "boos.de" als Adresse im Internetverkehr zu benutzen, sowie die Domain-Bezeichnung "boos.de" freizugeben.

Die Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Die Beklagte begründet dies im wesentlichen damit, daß im Internet der Auftritt unter der Kurzbezeichnung des prägenden Firmennamensbestandteils ohne sonstige Zusätze üblich und durch das Namensrecht geschützt sei und daß sie nach dem Grundsatz der Priorität ein Vorrecht habe. Es sei die Klägerin, die ihr das Namensrecht im Internet streitig mache. Es liege der Fall einer Namensgleichheit vor. Bei Namensgleichheit komme es aber darauf an, wer sich zuerst habe registrieren lassen. Eine Ausnahme davon könne allenfalls dann gemacht werden, wenn eine Stadt mit überragender Verkehrsgeltung die Second level-Domain gegenüber einem Gleichnamigen beanspruche. Bei der Beklagte handle es sich aber um eine außerhalb ihrer Ortsgrenze weithin unbekannte Gemeinde im Unterallgäu, deren Namen zudem von mindestens .zwei weiteren Kommunen getragen werde, außerdem natürlich von ungezählten natürlichen Personen. Ein Anspruch der Klägerin auf die Second level-Domain sei demnach nicht gegeben. Das Landgericht Augsburg hat durch Urteil vom 15.11.2000 die Klage abgewiesen. Das Landgericht begründete dies im wesentlichen damit, daß der Grundsatz der Priorität nur dann außer Kraft gesetzt werden könne, wenn die die Second level-Domain beanspruchende Gebietskörperschaft eine überragende Bedeutung habe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall. Auch unter Berufung auf Grundsätze der guten Sitten oder von Treu und Glauben sei eine Aufgabe der erlangten Rechtsposition nicht zu verlangen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin hält ihren Rechtsstandpunkt aus erster Instanz aufrecht und führt zusätzlich aus, die Beklagte blockiere die gemeindlichen Internetdienstleistungen der Klägerin als Teil der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge im Allgemeinwohl-Interesse. Wer die Adresse "www.boos.de" aufrufe und dort das Angebot der Beklagten finde, gehe davon aus, daß die Klägerin kein Internetangebot habe; auch versierte Surfer würden die Gemeinde unter einem anderen Domain-Namen nicht finden. Die Interessen des Allgemeinwohls müßten einen Vorrang vor den Interessen der beklagten GmbH haben. Nach ständiger Rechtsprechung seien Namen von Städten und Gemeinden gegenüber privatrechtlichen Familiennamen und Firmen-Wahlbezeichnungen grundsätzlich privilegiert. Dies erfordere das öffentliche Interesse an der Zugänglichmachung und leichten Auffindbarkeit von öffentlichen Leistungen der Daseinsvorsorge. Die ausschließliche Zuordnung der Städtenamen zu den Internetangeboten von Gebietskörperschaften entspreche auch den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände. Probleme, die sich aus der Namensgleichheit der Klägerin mit zwei weiteren Kommunen ergeben hätten, seien zwischenzeitlich durch Absprachen gelöst.

Die Rechtspflicht zur Aufnahme eines unterscheidungskräftigen Zusatzes treffe ausschließlich die Beklagte, nicht die Klägerin. Die Beklagte habe die Pflicht zur Ausräumung der Identitäts- und Zuordnungsverwirrung, die durch ihre Internet-Adresse ausgelöst worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 15.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wie erstinstantiell beantragt.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte wiederholt das Vorbringen erster Instanz und macht sich die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zu eigen.

Bezüglich des übrigen Sachvortrages wird auf das erstinstantielle Urteil und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO zulässige Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 15.11.2000 ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 12 BGB bzw. § 12 BGB analog auf Unterlassung, die Bezeichnung "boos.de" als Adresse im Internetverkehr zu benutzen, sowie die Domain-Bezeichnung "boos.de" freizugeben. Dies hat das Landgericht Augsburg zutreffend entschieden; die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin mußte somit zurückgewiesen werden.

Die Klägerin macht Ansprüche aus §§ 12, 1004 BGB geltend. Die im Handels- oder Wettbewerbsrecht darüber hinaus womöglich zu prüfenden Anspruchsgrundlagen aus §§ 37 HGB, 14, 15 Markengesetz und 1 UWG kommen hier nicht in Betracht.

Ein Namensschutz für die Bezeichnung boos in der Internet-Adresse www.boos.de steht der Klägerin aus § § 12, 1004 BGB jedoch nicht zu.

1. Grundsätzlich genießt die Klägerin Namensschutz für die Bezeichnung "boos". Die Klägerin ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die gemäß Art. 3 VGem0, Art. 2 BayGO zur Führung eines eigenen Namens berechtigt, ist. Daß auch die -Namen juristischer Personen des öffentlichen Rechts Namensschutz nach § 12 BGB genießen, ist unstreitig, Das Namensrecht der Klägerin im Hinblick auf eine InternetAdresse ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil sie derzeit im Internet unter "www.vg-boos.de" auftritt, weil sie dies ersichtlich nur wegen Besetzung des Namens "www.boos.de" durch die Beklagte tut.

2. Die Beklagte hat das Namensrecht der Klägerin jedoch nicht verletzt. Ein Anspruch wegen Verletzung des Namensrechts setzt voraus, daß entweder das Namensführungsrecht der Klägerin bestritten wurde, was hier nicht in Betracht kommt oder ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin durch unbefugten Gebrauch des Namens durch die Beklagte verletzt wird. Letzteres liegt jedoch nicht vor.

a) Die Beklagte hat keine Namensanmaßung begangen. Im Gegen- satz zu den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen (vgl. LG Braunschweig in NJW 1997, 2687 "Braunschweig"; LG Ansbach in NJW 1997, 2688 "Ansbach"; OLG Köln in OLGR 99, 143 "Herzogenrath"; OLG Köln in OLGR 99, 141 "Alsdorf"; OLG Karlsruhe in OLGR 99, 376 'Tad Wildbad" u. a. m.) trägt die Beklagte den gleichen Namen wie die Klägerin, es liegt also ein Fall der Gleichnamigkeit vor.

Zwar heißt die Klägerin "Boos" und die Beklagte "Boos Werkstatt- und Industrieausrüstung GmbH". Gleichnamigkeit liegt dennoch vor, weil der Namensschutz des § 12 BGB nicht nur den ausgeschriebenen Namen schützt, sondern auch Kurzbezeichnungen (Kammergericht in NJW 97, 3321). Firmenabkürzungen sind nach ständiger Rechtsprechung zulässig, wenn sie nicht als vollständige Firmenbezeichnung erscheinen und insoweit irreführen könnten; 'dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Fall der Werbung und für den Fall von Haus- oder Schaufensteraufschriften. Eine Irreführung oder Namensanmaßung durch d-ie Verwendung einer Kurzbezeichnung im Internet ist nicht gegeben. Niemand erwartet in der Domain-Bezeichnung des Internet die exakte Firmenbezeichnung, wie sie im Handelsregister eingetragen ist. Kurzbezeichnungen unter Weglassung der Gesellschaftsform oder zusätzlicher Namensbestandteile sind vielmehr die Regel (so etwa "krupp.com"; "thyssen.com"; "bosch.de"; "siemens.de"; "ford.de"; "man.de" usw.). Die Klägerin hat in ihrer Klage selbst vorgetragen (S. 5 der Klage), daß grundsätzlich auch Firmenschlagworte geschützt seien. Darauf, ob eine Firma unter einem Schlagwort bundesweit bekannt ist, kommt es nicht an. Ein Rechtsgrundsatz, daß nur bundesweit bekannten Firmen das Recht eines namensrechtlich geschützten Schlagwortes zukomme, existiert nicht (BGH in NJW 1997, 1928). In der Rechtsprechung sind Kurzbezeichnungen von Unternehmern überragender Bedeutung (OLG Stuttgart in NJW-RR 1998, 1.341 "Steif"; OLG Düsseldorf in NJW- RR 1999, 626 "UVA") ebenso anerkannt worden wie Kurzbezeichnungen weniger bekannter Unternehmen (LG Frankfurt in Betriebsberater 1997, 1120 "das"; LG Düsseldorf in NJW-RR 1999, 629 "jpnw" u. a. m.).

b) Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht deshalb gerecht- fertigt, weil die Klägerin einen historischen Namen trägt, während die Beklagte einen sogenannten Wahlnamen führt, den sie sich selbst zur Eintragung ins Handelsregister gewählt hat. Mit der Eintragung ins Handelsregister ist der Wahlname der einzige Name der Beklagten und unterscheidet sich insoweit nicht mehr von einem historisch erworbenen Namen. c) Damit steht fest, daß wegen Gleichnamigkeit, zumindest im Hinblick auf die geschützte Kurzbezeichnung der Beklagten, eine Namensanmaßung nicht vorliegt.

Die Rechtsprechung hat allerdings auch bei Gleichnamigkeit dann eine Namensverletzung, wenn die Internet-Adresse von jemand beansprucht wurde, der sich zwar bei der DE-NIC später hat registrieren lassen wollen als der bereits registrierte Adresseninhaber, diesem gegenüber jedoch eine überragende Verkehrsbedeutung besitzt. So wurde trotz Namensgleichheit für die Adresse "krupp.de" entschieden (OLG Hamm in Computer und Recht 1998, S. 241), daß das Firmenschlagwort "krupp" der Krupp AG aufgrund seiner überragenden Verkehrsgeltung nicht nur gegen Verwechslungsgefahr, sondern auch gegen Verwässerungsgefahr geschützt sei. Der Name Krupp stehe für eine ganze Epoche deutsche Industriegeschichte; er sei fast zum Synomym für die Stahlindustrie schlechthin geworden. Das OLG Hamm führte aus, daß diese überragende Verkehrsgeltung ihres Firmenschlagworts Krupp der Krupp AG prinzipiell das Recht gebe, zur Erhaltung der Kennzeichnungskraft ihres Namens daneben keine weiteren Unternehmen gleichen Namens dulden zu müssen. Bei Gleichnamigkeit müsse ein Interessenausgleich bei der Wahl der Domain-Adresse stattfinden; die Interessenabwägung müsse angesichts der Verkehrsgeltung des Firmenschlagworts Krupp zugunsten der Krupp AG ausgehen. Ähnlich hat das OLG München (Computer und Recht 1999, 382) im Fall der Firma Shell entschieden und damit argumentiert, daß es sich bei dem Firmennamen Shell um eine berühmte Marke und einen weltweit bekannten Namen handle; es sei dem Beklagten (mit dem Familiennamen Shell) eher zuzumuten, sich von der Ölfirma Shell abzugrenzen als umgekehrt.

Eine ähnliche obergerichtliche Rechtsprechung zu Städtenamen existiert nicht. In den bisher entschiedenen Fällen handelte es sich jeweils um eine Konkurrenz eines nicht Gleichnamigen mit einer Stadt (OLG Köln in OLGR 99, 143; OLG Köln in OLGR 99, 141; OLG Karlsruhe in OLGR 99, 376; LG Braunschweig in NJW 1997, 2687; LG Ansbach in NJW 1997, 2688; LG Mannheim in Computer und Recht 1996, 353; LG Lüneburg in Computer und Recht 1997, 288).

d) Es braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob die Rechtsprechung zu Kurzbezeichnungen von Wirtschaftsunternehmen auf Städtenamen übertragen werden kann. Jedenfalls kommt der Klägerin eine überragende Bedeutung nicht zu. Sie beschreibt sich selbst dahingehend, daß sie im Jahre 1084 erstmals urkundlich erwähnt sei, Sebastian Kneipp als Kaplan in Boos gewirkt habe, sie eine überregional bekannte Lehr- und Versuchsanstalt beherberge, 300 Arbeitsplätze und ca. 1900 Einwohner habe. Hieraus läßt sich eine überragende Bedeutung der Klägerin nicht ableiten. Die Argumentation der Rechtsprechung, wer krupp.de im Internet eingebe erwarte Informationen von der Firma Krupp, die weltweit ein Begriff sei, läßt sich auf die Klägerin nicht übertragen.

Es muß vorliegend deshalb auch nicht entschieden werden, ob die Rechtsprechung zur überragenden Verkehrsbedeutung eines Firmennamens oder eines Städtenamens gegenüber andern Trägern desselben Namens überhaupt aufrecht erhalten werden kann. Allein im Internet tritt das Problem der Gleichnamigkeit in dieser Schärfe auf, weil Internetnamen nur einmal vergeben werden können. Niemand hat bisher beanstandet, daß im Telefonbuch etwa von Berlin zahlreiche Privatpersonen mit dem Familiennamen Berlin registriert sind. Der Name Krupp taucht im Telefonbuch der Bundesrepublik mehr als 1.500 mal auf. Die bisherige Rechtsprechung führt bei diesem Beispiel dazu, daß hier mehr als 1.500 Gleichnamigen der Auftritt im Internet unter ihrem Namen noch lange nach der Registrierung untersagt werden könnte, wenn sich eine Firma von überragender Bedeutung irgend wann einmal zu einer eigenen Anmeldung bei der DE-NIC entschließt. Neuerdings ist eine Tendenz zu erkennen, konkurrierenden kleinen Firmen den Auftritt sogar mit unterscheidungskräftigen Zusätzen zu untersagen und ihnen so eine eigene aussagekräftige Internetpräsenz zu Gunsten weniger Großfirmen ganz zu verwehren. Diese Problematik muß jedenfalls dazu führen, den Schutz von Namen mit überragender Bedeutung restriktiv und nicht, extensiv zu handhaben. Durch den üblichen Einsatz einer der zahlreichen Suchmaschinen und Metasuchmaschinen im Internet ist die Verwendung von Name n mit Zusätzen zur Unterscheidung sowieso problemlos geworden, weil sie jederzeit schnell aufgefunden werden können.

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht darauf stützen, daß sie als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts für das Allgemeinwohl tätig sei und die Interessen der Allgemeinheit durch die Nutzung der Internet-Adresse durch die Beklagte berührt seien.

Dem Namensrecht des § 12 BGB ist es grundsätzlich fremd, Konflikte danach zu entscheiden, ob der Anspruchsteller im Vergleich zum Anspruchsgegner eine sozial erwünschtere Tätigkeit ausübt.

Eine Priorität der Ansprüche der Klägerin aus Gründen des Allgemeinwohls käme allenfalls dann in Betracht, wenn das Wohl der Allgemeinheit im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG die ausschließliche Nutzung der Internet-Adresse www.boos.de durch die Klägerin als unabweisbar erscheinen lassen würde.

Hierfür hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Wie der BGH in seinem Urteil vom 17.05.2001 (1 ZR 216/99 "mitwohnzentrale.de") ausführt, mag die Bequemlichkeit dem Nutzer bei der Suche im Internet dazu veranlassen, es zunächst direkt über eine Internet-Adresse zu versuchen, die au s einer Second level-Domain und der Top level-Domain "de" besteht. Jeder sei sich jedoch darüber im klaren, daß das über die direkte Eingabe eines Begriffes gefundene Ergebnis nicht abschließend sei. So steht es auch hier. Die Klägerin teilt ihren Namen mit zwei weiteren Gemeinden, ungeachtet der Tatsache, daß sie jetzt mit diesen eine Absprache bezüglich der Verwendung des Namens im Internet gefunden hat. Kein internet-Nutzer kann mit Sicherheit davon ausgehen, daß er unter "www.boos.de" notwendig Mitteilungen der Klägerin aufrufen kann. Kein Internet-Nutzer kann davon ausgehen, daß dann, wenn unter dieser Adresse die Beklagte erscheint, die Klägerin kein Internetangebot vorhalte. Es ist durchaus nicht unüblich, daß unter einer einprägsamen Internet-Adresse nicht der Anbieter erscheint, den der Verbraucher erwartet. Das wohl bekannteste Beispiel ist, daß die Internet-Adresse "www.bgh.de" nicht zum Bundesgerichtshof, sondern zu den Sächsischen Edelstahlwerken GmbH führt. Die Adresse www.kerpen.de führt nicht zu der Stadt, sondern zu der Familie Kerpen.

Diese Überlegung wird noch dadurch bestärkt, daß es in Deutschland zahlreiche Kommunen gibt, die denselben Namen tragen, nicht selten über zehn mal. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie in dieser Situation eine Verbrauchererwartung festgestellt werden kann, jeweils Informationen eines bestimmten Anbieters zu erhalten. Aus diesem Grund stehen im Internet Suchmaschinen zur Verfügung, mit denen sich unschwer das gesamte Angebot namensähnlicher Anbieter ermitteln läßt. Die Suchmaschine "metager" bringt mit der Eingabe "boos" 23 Internet-Adressen, darunter die Klägerin und die Beklagte. Es ist also nicht so, daß das Angebot der Klägerin im Internet nur dann aufgefunden werden könnte, wenn es unter der Adresse www.boos.de erscheinen würde, sondern es ist mit einfachen Mitteln für jeden Interessierten immer aufzufinden. Eine Beeinträchtigung der Interessen der Allgemeinheit ist nicht ersichtlich.

Im übrigen haben überregional bedeutende Städte, die sich von anderen gleichnamigen Städten abgrenzen wollten, schon bisher Zusatzbezeichnungen gebraucht, wie etwa Frankfurt am Main, Frankfurt an der Oder, Freiburg im Breisgau. Es ist nicht ersichtlich, warum dies bei der Gestaltung einer Internet-Adresse nicht möglich sein sollte.

De lege lata ist jedenfalls eine Bevorzugung der Kommunen nicht möglich.

4. In dieser Situation kann nur von dem Grundsatz der Priorität ausgegangen werden. Danach kann bei der Wahl des Internet-Namens nur demjenigen der Vorrang zugesprochen werden, der sich zuerst hat registrieren lassen (so LG Paderborn in MMR 2000, 49) nicht demjenigen, der den Namen zuerst geführt hat (so Ernst in CoR 1997, 426).

Der Bundesgerichtshof hat allerdings zwar im Falle der Gleichnamigkeit und bei Bestehen von Verwechslungsgefahr demjenigen Namensträger Priorität eingeräumt, der den Namen, wenn auch in anderer Rechtsform, als erster benutzt hat (BGH in NJW 1993, S. 459). Dieser Grundsatz kann, zumindest soweit eine Verwechslungsgefahr wie vorliegend ausgeschlossen ist, für das Internet nicht gelten.

Einmal geht es hier nicht um den Gebrauch des Namens bzw. der Namenskurzbezeichnung, sondern um den Gebrauch einer bestimmt geformten Internet-Adresse; bereits hiernach muß es darauf ankomme ' n, wer die Internet-Adresse zuerst in Gebrauch genommen hat. Zum anderen geht es hier nicht um Verwechslungsgefahr oder eine Zuordnungsverwirrung (LG Köln in MMR 2000, 437) sondern darum, wer die registrierte Internet-Adresse zuerst besetzt. Deshalb kann es hier nur auf die Frage der Priorität der Reservierung ankommen, wenn andere Gründe nicht dagegenstehen. Andernfalls könnte der Konflikt zwischen natürlichen Personen nicht mehr gelöst werden, bei Firmen hätte jeder Internet-Anbieter ständig zu befürchten, daß irgendwo in Deutschland oder bei der Top level-Domain "com" irgendwo auf der Welt ein Träger gleichen Namens, der frühere Namensrechte nachweisen kann, auftreten würde. Selbst bei den originären Namen der Gemeinden käme es für die Priorität, auf den Stand der. Forschung an, wann der Gemeindenamen erstmals nachgewiesen werden kann. Infolgedessen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin bereits im Jahre 1084 urkundlich erwähnt worden ist und ab wann man von einer Nutzung des Namens Boos durch die Beklagte oder ihre Vorgänger-Gesellschaft sprechen kann.

5. Die Beklagte braucht sich auch nicht auf andere Kennzeichen verweisen zu lassen. Insbesondere kann der Konflikt nicht dadurch gelöst werden, daß die Beklagte ihrer Internet-Adresse als Top level-Domain die Bezeichnung "com" hinzufügt, weil der. Namensschutz sowohl die Top level-Domain "de" als auch die Top level-Domain "com" umgreift (OLG Köln in Computer und Recht 1999, 385). Allerdings ist für Städte, die lediglich Informationen im Internet anbieten, auch die Top level-Domain "info" denkbar.

Das Landgericht hat deshalb die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts mußte somit zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Vollstreckungsschutzanordnung unterblieb, weil gegen das Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel eingelegt werden kann.

Die Zulassung der Revision war nicht angezeigt. Der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab; die Sache ist auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung. 

Der Wert der Beschwer ergibt sich aus §§ 3, 546 Abs. 2 ZPO, wobei der Senat den übereinstimmenden Angaben der Parteien bei der Schätzung des Streitwertes folgt.

(Unterschriften)