In
dem Rechtsstreit der
Gemeinde
Boos, vertreten durch den 1. Bürgermeister (...), 87737 Boos
-
Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozeßbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
gegen
Boos
... GmbH, gesetzlich vertreten durch den
Geschäftsführer ...., ...
- Beklagte
und Berufungsbeklagte -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
wegen
Unterlassung
erläßt
der 27. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate
in Augsburg" durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof.
Dr. Motzke und die Richter am Oberlandesgericht von Hofer und Braun
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2001 folgendes
Endurteil:
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts
Augsburg vom 15. November 2000 wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Der Wert der Beschwer beträgt für die
Klägerin DM 30.000,00.
Tatbestand:
Die
Klägerin verlangt von der Beklagten die Freigabe und
Unterlassung der Nutzung der Internet-Domain-Bezeichnung "boos.de".
Die
Klägerin ist eine erstmals urkundlich 1084 erwähnte
Gemeinde mit heute knapp 2000 Einwohnern, die 12 km nördlich
von Memmingen im Allgäu liegt. Sie leitet ihren Namen von
einem Adelsgeschlecht "von Boos" ab, in dessen Besitz sich das
Gemeindegebiet ursprünglich befand. Wesentliche Merkmale der
Geschichte von Boos sind, daß in dem dortigen'
Schloß ein Zweig der Familie Fugger residierte, daß
der Pfarrer Sebastian Kneipp zeitweise in Boos Seelsorger war und
daß im Jahre 1902 die allgemein anerkannte "Molkerei - Lehr-
und Versuchsanstalt" gegründet und seither betrieben wurde.
Heute ist der Ort hauptsächlich landwirtschaftlich
geprägt und verfügt über etwa 300
Arbeitsplätze.
Die
Vorgängerfirma der Beklagten wurde 1983 gegründet und
am 17.10.1996 in eine GmbH umgewandelt. Sie hat ihren Sitz in
Oberhausen und Niederlassungen in Arnstadt/Thüringen,
Göppingen und Colmnitz; außerdem unterhält
sie Kundendienststützpunkte in Bremen und in München.
Die Beklagte befaßt sich mit dem Vertrieb von
Werkstatteinrichtungen für den Kfz- und Industriebereich. Sie
beschäftigt etwa 30 Mitarbeiter und -in verbundenen
Unternehmen weitere 15 Mitarbeiter und hat einen Umsatz von unter DM 30
Mio.
Am
05.06.1997 ließ sich die Beklagte bei dem hierfür
zuständigen Deutschen Network Information Center (DE-NIC) die
Internet-Adresse "www.boos.de", registrieren und betreibt sie seither.
In der Fachsprache des Internet ist hierbei die Buchstabenkombination
"www" die Bezeichnungen des logischen Servers, die Bezeichnung "boos"
die Second level-Domain und die Buchstabenkombination "de" die Top
level-Domain. Die Beklagte betreibt ferner die e-mail-Adresse
info@boos.de. Im Jahre 1999 beantragte die Klägerin bei dem
DE-NIC für sich die Registrierung der Internet-Adresse
"boos.de".. Das DE-NIC teilte am 31.05.1999 mit, daß die
Internet-Adresse durch die Beklagte belegt sei.
Die
Klägerin ist der Auffassung, daß die Beklagte ihr
Namensrecht durch die Registrierung und Benutzung der genannten
Internet-Adresse verletze. Sie trug in erster Instanz vor, die Beklagte
habe nicht den Namen Boos, sondern den Namen Boos Werkstatt- und
Industrieausrüstung GmbH Oberhausen und trete allenfalls noch
unter der Kurzfassung Boos GmbH auf. Durch die Benutzung des
Domain-Namens boos.de maße sie sich einen fremden Namen,
nämlich den der Klägerin an, was vom Namensrecht
verboten sei und zu einer Zuordnungsverwirrung führe. Es sei
allgemeine Verkehrsauffassung, daß unter einer
Internet-Adresse Städtenamen.de Informationen von der
jeweiligen Stadt, deren Namen genannt sei, abgerufen werden
könnten.
Auf
die frühere Registrierung der Beklagten bei dem DE-NIC komme
es nicht an, weil Priorität nur im Falle der Gleichnamigkeit
einen Stellenwert besitze. Im übrigen sei das Interesse der
Klägerin höher zu bewerten als das der Beklagten,
weil die meisten Internet-Benutzer unter der Adresse boos.de
Informationen über und von der Klägerin erwarteten.
Der Beklagten sei es auch zu zumuten, sich durch einen Zusatz von der
Klägerin als Gebietskörperschaft abzugrenzen.
Die
Klägerin beantragte,
die
Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem
jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu
verurteilen, es zu unterlassen, die Bezeichnung "boos.de" als Adresse
im Internetverkehr zu benutzen, sowie die Domain-Bezeichnung "boos.de"
freizugeben.
Die
Beklagte beantragte
Klageabweisung.
Die
Beklagte begründet dies im wesentlichen damit, daß
im Internet der Auftritt unter der Kurzbezeichnung des
prägenden Firmennamensbestandteils ohne sonstige
Zusätze üblich und durch das Namensrecht
geschützt sei und daß sie nach dem Grundsatz der
Priorität ein Vorrecht habe. Es sei die Klägerin, die
ihr das Namensrecht im Internet streitig mache. Es liege der Fall einer
Namensgleichheit vor. Bei Namensgleichheit komme es aber darauf an, wer
sich zuerst habe registrieren lassen. Eine Ausnahme davon
könne allenfalls dann gemacht werden, wenn eine Stadt mit
überragender Verkehrsgeltung die Second level-Domain
gegenüber einem Gleichnamigen beanspruche. Bei der Beklagte
handle es sich aber um eine außerhalb ihrer Ortsgrenze
weithin unbekannte Gemeinde im Unterallgäu, deren Namen zudem
von mindestens .zwei weiteren Kommunen getragen werde,
außerdem natürlich von ungezählten
natürlichen Personen. Ein Anspruch der Klägerin auf
die Second level-Domain sei demnach nicht gegeben. Das Landgericht
Augsburg hat durch Urteil vom 15.11.2000 die Klage abgewiesen. Das
Landgericht begründete dies im wesentlichen damit,
daß der Grundsatz der Priorität nur dann
außer Kraft gesetzt werden könne, wenn die die
Second level-Domain beanspruchende Gebietskörperschaft eine
überragende Bedeutung habe. Dies sei bei der Klägerin
nicht der Fall. Auch unter Berufung auf Grundsätze der guten
Sitten oder von Treu und Glauben sei eine Aufgabe der erlangten
Rechtsposition nicht zu verlangen.
Hiergegen
richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die
Klägerin hält ihren Rechtsstandpunkt aus erster
Instanz aufrecht und führt zusätzlich aus, die
Beklagte blockiere die gemeindlichen Internetdienstleistungen der
Klägerin als Teil der öffentlich-rechtlichen
Daseinsvorsorge im Allgemeinwohl-Interesse. Wer die Adresse
"www.boos.de" aufrufe und dort das Angebot der Beklagten finde, gehe
davon aus, daß die Klägerin kein Internetangebot
habe; auch versierte Surfer würden die Gemeinde unter einem
anderen Domain-Namen nicht finden. Die Interessen des Allgemeinwohls
müßten einen Vorrang vor den Interessen der
beklagten GmbH haben. Nach ständiger Rechtsprechung seien
Namen von Städten und Gemeinden gegenüber
privatrechtlichen Familiennamen und Firmen-Wahlbezeichnungen
grundsätzlich privilegiert. Dies erfordere das
öffentliche Interesse an der Zugänglichmachung und
leichten Auffindbarkeit von öffentlichen Leistungen der
Daseinsvorsorge. Die ausschließliche Zuordnung der
Städtenamen zu den Internetangeboten von
Gebietskörperschaften entspreche auch den Forderungen der
kommunalen Spitzenverbände. Probleme, die sich aus der
Namensgleichheit der Klägerin mit zwei weiteren Kommunen
ergeben hätten, seien zwischenzeitlich durch Absprachen
gelöst.
Die
Rechtspflicht zur Aufnahme eines unterscheidungskräftigen
Zusatzes treffe ausschließlich die Beklagte, nicht die
Klägerin. Die Beklagte habe die Pflicht zur
Ausräumung der Identitäts- und Zuordnungsverwirrung,
die durch ihre Internet-Adresse ausgelöst worden sei.
Die
Klägerin beantragt,
das
Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 15.11.2000 aufzuheben und die
Beklagte zu verurteilen, wie erstinstantiell beantragt.
Die
Beklagte beantragt
Zurückweisung
der Berufung.
Die
Beklagte wiederholt das Vorbringen erster Instanz und macht sich die
Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zu eigen.
Bezüglich
des übrigen Sachvortrages wird auf das erstinstantielle Urteil
und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die
nach §§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO
zulässige Berufung der Klägerin gegen das Endurteil
des Landgerichts Augsburg vom 15.11.2000 ist unbegründet.
Die
Klägerin hat keinen Anspruch aus § 12 BGB bzw.
§ 12 BGB analog auf Unterlassung, die Bezeichnung "boos.de"
als Adresse im Internetverkehr zu benutzen, sowie die
Domain-Bezeichnung "boos.de" freizugeben. Dies hat das Landgericht
Augsburg zutreffend entschieden; die dagegen gerichtete Berufung der
Klägerin mußte somit zurückgewiesen werden.
Die
Klägerin macht Ansprüche aus §§ 12,
1004 BGB geltend. Die im Handels- oder Wettbewerbsrecht
darüber hinaus womöglich zu prüfenden
Anspruchsgrundlagen aus §§ 37 HGB, 14, 15
Markengesetz und 1 UWG kommen hier nicht in Betracht.
Ein
Namensschutz für die Bezeichnung boos in der Internet-Adresse
www.boos.de steht der Klägerin aus § § 12,
1004 BGB jedoch nicht zu.
1.
Grundsätzlich genießt die Klägerin
Namensschutz für die Bezeichnung "boos". Die Klägerin
ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die
gemäß Art. 3 VGem0, Art. 2 BayGO zur
Führung eines eigenen Namens berechtigt, ist. Daß
auch die -Namen juristischer Personen des öffentlichen Rechts
Namensschutz nach § 12 BGB genießen, ist unstreitig,
Das Namensrecht der Klägerin im Hinblick auf eine
InternetAdresse ist auch nicht etwa deshalb entfallen, weil sie derzeit
im Internet unter "www.vg-boos.de" auftritt, weil sie dies ersichtlich
nur wegen Besetzung des Namens "www.boos.de" durch die Beklagte tut.
2. Die
Beklagte hat das Namensrecht der Klägerin jedoch nicht
verletzt. Ein Anspruch wegen Verletzung des Namensrechts setzt voraus,
daß entweder das Namensführungsrecht der
Klägerin bestritten wurde, was hier nicht in Betracht kommt
oder ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin durch
unbefugten Gebrauch des Namens durch die Beklagte verletzt wird.
Letzteres liegt jedoch nicht vor.
a)
Die Beklagte hat keine Namensanmaßung begangen. Im Gegen-
satz zu den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen
(vgl. LG Braunschweig in NJW 1997, 2687 "Braunschweig"; LG Ansbach in
NJW 1997, 2688 "Ansbach"; OLG Köln in OLGR 99, 143
"Herzogenrath"; OLG Köln in OLGR 99, 141 "Alsdorf"; OLG
Karlsruhe in OLGR 99, 376 'Tad Wildbad" u. a. m.) trägt die
Beklagte den gleichen Namen wie die Klägerin, es liegt also
ein Fall der Gleichnamigkeit vor.
Zwar
heißt die Klägerin "Boos" und die Beklagte "Boos
Werkstatt- und Industrieausrüstung GmbH". Gleichnamigkeit
liegt dennoch vor, weil der Namensschutz des § 12 BGB nicht
nur den ausgeschriebenen Namen schützt, sondern auch
Kurzbezeichnungen (Kammergericht in NJW 97, 3321).
Firmenabkürzungen sind nach ständiger Rechtsprechung
zulässig, wenn sie nicht als vollständige
Firmenbezeichnung erscheinen und insoweit irreführen
könnten; 'dies ist ständige Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs für den Fall der Werbung und für
den Fall von Haus- oder Schaufensteraufschriften. Eine
Irreführung oder Namensanmaßung durch d-ie
Verwendung einer Kurzbezeichnung im Internet ist nicht gegeben. Niemand
erwartet in der Domain-Bezeichnung des Internet die exakte
Firmenbezeichnung, wie sie im Handelsregister eingetragen ist.
Kurzbezeichnungen unter Weglassung der Gesellschaftsform oder
zusätzlicher Namensbestandteile sind vielmehr die Regel (so
etwa "krupp.com"; "thyssen.com"; "bosch.de"; "siemens.de"; "ford.de";
"man.de" usw.). Die Klägerin hat in ihrer Klage selbst
vorgetragen (S. 5 der Klage), daß grundsätzlich auch
Firmenschlagworte geschützt seien. Darauf, ob eine Firma unter
einem Schlagwort bundesweit bekannt ist, kommt es nicht an. Ein
Rechtsgrundsatz, daß nur bundesweit bekannten Firmen das
Recht eines namensrechtlich geschützten Schlagwortes zukomme,
existiert nicht (BGH in NJW 1997, 1928). In der Rechtsprechung sind
Kurzbezeichnungen von Unternehmern überragender Bedeutung (OLG
Stuttgart in NJW-RR 1998, 1.341 "Steif"; OLG Düsseldorf in
NJW- RR 1999, 626 "UVA") ebenso anerkannt worden wie Kurzbezeichnungen
weniger bekannter Unternehmen (LG Frankfurt in Betriebsberater 1997,
1120 "das"; LG Düsseldorf in NJW-RR 1999, 629 "jpnw" u. a. m.).
b)
Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht deshalb gerecht- fertigt,
weil die Klägerin einen historischen Namen trägt,
während die Beklagte einen sogenannten Wahlnamen
führt, den sie sich selbst zur Eintragung ins Handelsregister
gewählt hat. Mit der Eintragung ins Handelsregister ist der
Wahlname der einzige Name der Beklagten und unterscheidet sich insoweit
nicht mehr von einem historisch erworbenen Namen. c) Damit steht fest,
daß wegen Gleichnamigkeit, zumindest im Hinblick auf die
geschützte Kurzbezeichnung der Beklagten, eine
Namensanmaßung nicht vorliegt.
Die
Rechtsprechung hat allerdings auch bei Gleichnamigkeit dann eine
Namensverletzung, wenn die Internet-Adresse von jemand beansprucht
wurde, der sich zwar bei der DE-NIC später hat registrieren
lassen wollen als der bereits registrierte Adresseninhaber, diesem
gegenüber jedoch eine überragende Verkehrsbedeutung
besitzt. So wurde trotz Namensgleichheit für die Adresse
"krupp.de" entschieden (OLG Hamm in Computer und Recht 1998, S. 241),
daß das Firmenschlagwort "krupp" der Krupp AG aufgrund seiner
überragenden Verkehrsgeltung nicht nur gegen
Verwechslungsgefahr, sondern auch gegen Verwässerungsgefahr
geschützt sei. Der Name Krupp stehe für eine ganze
Epoche deutsche Industriegeschichte; er sei fast zum Synomym
für die Stahlindustrie schlechthin geworden. Das OLG Hamm
führte aus, daß diese überragende
Verkehrsgeltung ihres Firmenschlagworts Krupp der Krupp AG prinzipiell
das Recht gebe, zur Erhaltung der Kennzeichnungskraft ihres Namens
daneben keine weiteren Unternehmen gleichen Namens dulden zu
müssen. Bei Gleichnamigkeit müsse ein
Interessenausgleich bei der Wahl der Domain-Adresse stattfinden; die
Interessenabwägung müsse angesichts der
Verkehrsgeltung des Firmenschlagworts Krupp zugunsten der Krupp AG
ausgehen. Ähnlich hat das OLG München (Computer und
Recht 1999, 382) im Fall der Firma Shell entschieden und damit
argumentiert, daß es sich bei dem Firmennamen Shell um eine
berühmte Marke und einen weltweit bekannten Namen handle; es
sei dem Beklagten (mit dem Familiennamen Shell) eher zuzumuten, sich
von der Ölfirma Shell abzugrenzen als umgekehrt.
Eine
ähnliche obergerichtliche Rechtsprechung zu
Städtenamen existiert nicht. In den bisher entschiedenen
Fällen handelte es sich jeweils um eine Konkurrenz eines nicht
Gleichnamigen mit einer Stadt (OLG Köln in OLGR 99, 143; OLG
Köln in OLGR 99, 141; OLG Karlsruhe in OLGR 99, 376; LG
Braunschweig in NJW 1997, 2687; LG Ansbach in NJW 1997, 2688; LG
Mannheim in Computer und Recht 1996, 353; LG Lüneburg in
Computer und Recht 1997, 288).
d)
Es braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob die
Rechtsprechung zu Kurzbezeichnungen von Wirtschaftsunternehmen auf
Städtenamen übertragen werden kann. Jedenfalls kommt
der Klägerin eine überragende Bedeutung nicht zu. Sie
beschreibt sich selbst dahingehend, daß sie im Jahre 1084
erstmals urkundlich erwähnt sei, Sebastian Kneipp als Kaplan
in Boos gewirkt habe, sie eine überregional bekannte Lehr- und
Versuchsanstalt beherberge, 300 Arbeitsplätze und ca. 1900
Einwohner habe. Hieraus läßt sich eine
überragende Bedeutung der Klägerin nicht ableiten.
Die Argumentation der Rechtsprechung, wer krupp.de im Internet eingebe
erwarte Informationen von der Firma Krupp, die weltweit ein Begriff
sei, läßt sich auf die Klägerin nicht
übertragen.
Es
muß vorliegend deshalb auch nicht entschieden werden, ob die
Rechtsprechung zur überragenden Verkehrsbedeutung eines
Firmennamens oder eines Städtenamens gegenüber andern
Trägern desselben Namens überhaupt aufrecht erhalten
werden kann. Allein im Internet tritt das Problem der Gleichnamigkeit
in dieser Schärfe auf, weil Internetnamen nur einmal vergeben
werden können. Niemand hat bisher beanstandet, daß
im Telefonbuch etwa von Berlin zahlreiche Privatpersonen mit dem
Familiennamen Berlin registriert sind. Der Name Krupp taucht im
Telefonbuch der Bundesrepublik mehr als 1.500 mal auf. Die bisherige
Rechtsprechung führt bei diesem Beispiel dazu, daß
hier mehr als 1.500 Gleichnamigen der Auftritt im Internet unter ihrem
Namen noch lange nach der Registrierung untersagt werden
könnte, wenn sich eine Firma von überragender
Bedeutung irgend wann einmal zu einer eigenen Anmeldung bei der DE-NIC
entschließt. Neuerdings ist eine Tendenz zu erkennen,
konkurrierenden kleinen Firmen den Auftritt sogar mit
unterscheidungskräftigen Zusätzen zu untersagen und
ihnen so eine eigene aussagekräftige Internetpräsenz
zu Gunsten weniger Großfirmen ganz zu verwehren. Diese
Problematik muß jedenfalls dazu führen, den Schutz
von Namen mit überragender Bedeutung restriktiv und nicht,
extensiv zu handhaben. Durch den üblichen Einsatz einer der
zahlreichen Suchmaschinen und Metasuchmaschinen im Internet ist die
Verwendung von Name n mit Zusätzen zur Unterscheidung sowieso
problemlos geworden, weil sie jederzeit schnell aufgefunden werden
können.
3.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht darauf
stützen, daß sie als Gebietskörperschaft
des öffentlichen Rechts für das Allgemeinwohl
tätig sei und die Interessen der Allgemeinheit durch die
Nutzung der Internet-Adresse durch die Beklagte berührt seien.
Dem
Namensrecht des § 12 BGB ist es grundsätzlich fremd,
Konflikte danach zu entscheiden, ob der Anspruchsteller im Vergleich
zum Anspruchsgegner eine sozial erwünschtere
Tätigkeit ausübt.
Eine
Priorität der Ansprüche der Klägerin aus
Gründen des Allgemeinwohls käme allenfalls dann in
Betracht, wenn das Wohl der Allgemeinheit im Sinne von Art. 14 Abs. 2
GG die ausschließliche Nutzung der Internet-Adresse
www.boos.de durch die Klägerin als unabweisbar erscheinen
lassen würde.
Hierfür
hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Wie der BGH in
seinem Urteil vom 17.05.2001 (1 ZR 216/99 "mitwohnzentrale.de")
ausführt, mag die Bequemlichkeit dem Nutzer bei der Suche im
Internet dazu veranlassen, es zunächst direkt über
eine Internet-Adresse zu versuchen, die au s einer Second level-Domain
und der Top level-Domain "de" besteht. Jeder sei sich jedoch
darüber im klaren, daß das über die direkte
Eingabe eines Begriffes gefundene Ergebnis nicht abschließend
sei. So steht es auch hier. Die Klägerin teilt ihren Namen mit
zwei weiteren Gemeinden, ungeachtet der Tatsache, daß sie
jetzt mit diesen eine Absprache bezüglich der Verwendung des
Namens im Internet gefunden hat. Kein internet-Nutzer kann mit
Sicherheit davon ausgehen, daß er unter "www.boos.de"
notwendig Mitteilungen der Klägerin aufrufen kann. Kein
Internet-Nutzer kann davon ausgehen, daß dann, wenn unter
dieser Adresse die Beklagte erscheint, die Klägerin kein
Internetangebot vorhalte. Es ist durchaus nicht unüblich,
daß unter einer einprägsamen Internet-Adresse nicht
der Anbieter erscheint, den der Verbraucher erwartet. Das wohl
bekannteste Beispiel ist, daß die Internet-Adresse
"www.bgh.de" nicht zum Bundesgerichtshof, sondern zu den
Sächsischen Edelstahlwerken GmbH führt. Die Adresse
www.kerpen.de führt nicht zu der Stadt, sondern zu der Familie
Kerpen.
Diese
Überlegung wird noch dadurch bestärkt, daß
es in Deutschland zahlreiche Kommunen gibt, die denselben Namen tragen,
nicht selten über zehn mal. Die Klägerin hat nicht
dargelegt, wie in dieser Situation eine Verbrauchererwartung
festgestellt werden kann, jeweils Informationen eines bestimmten
Anbieters zu erhalten. Aus diesem Grund stehen im Internet
Suchmaschinen zur Verfügung, mit denen sich unschwer das
gesamte Angebot namensähnlicher Anbieter ermitteln
läßt. Die Suchmaschine "metager" bringt mit der
Eingabe "boos" 23 Internet-Adressen, darunter die Klägerin und
die Beklagte. Es ist also nicht so, daß das Angebot der
Klägerin im Internet nur dann aufgefunden werden
könnte, wenn es unter der Adresse www.boos.de erscheinen
würde, sondern es ist mit einfachen Mitteln für jeden
Interessierten immer aufzufinden. Eine Beeinträchtigung der
Interessen der Allgemeinheit ist nicht ersichtlich.
Im
übrigen haben überregional bedeutende
Städte, die sich von anderen gleichnamigen Städten
abgrenzen wollten, schon bisher Zusatzbezeichnungen gebraucht, wie etwa
Frankfurt am Main, Frankfurt an der Oder, Freiburg im Breisgau. Es ist
nicht ersichtlich, warum dies bei der Gestaltung einer Internet-Adresse
nicht möglich sein sollte.
De
lege lata ist jedenfalls eine Bevorzugung der Kommunen nicht
möglich.
4.
In dieser Situation kann nur von dem Grundsatz der Priorität
ausgegangen werden. Danach kann bei der Wahl des Internet-Namens nur
demjenigen der Vorrang zugesprochen werden, der sich zuerst hat
registrieren lassen (so LG Paderborn in MMR 2000, 49) nicht demjenigen,
der den Namen zuerst geführt hat (so Ernst in CoR 1997, 426).
Der
Bundesgerichtshof hat allerdings zwar im Falle der Gleichnamigkeit und
bei Bestehen von Verwechslungsgefahr demjenigen Namensträger
Priorität eingeräumt, der den Namen, wenn auch in
anderer Rechtsform, als erster benutzt hat (BGH in NJW 1993, S. 459).
Dieser Grundsatz kann, zumindest soweit eine Verwechslungsgefahr wie
vorliegend ausgeschlossen ist, für das Internet nicht gelten.
Einmal
geht es hier nicht um den Gebrauch des Namens bzw. der
Namenskurzbezeichnung, sondern um den Gebrauch einer bestimmt geformten
Internet-Adresse; bereits hiernach muß es darauf ankomme ' n,
wer die Internet-Adresse zuerst in Gebrauch genommen hat. Zum anderen
geht es hier nicht um Verwechslungsgefahr oder eine
Zuordnungsverwirrung (LG Köln in MMR 2000, 437) sondern darum,
wer die registrierte Internet-Adresse zuerst besetzt. Deshalb kann es
hier nur auf die Frage der Priorität der Reservierung
ankommen, wenn andere Gründe nicht dagegenstehen. Andernfalls
könnte der Konflikt zwischen natürlichen Personen
nicht mehr gelöst werden, bei Firmen hätte jeder
Internet-Anbieter ständig zu befürchten,
daß irgendwo in Deutschland oder bei der Top level-Domain
"com" irgendwo auf der Welt ein Träger gleichen Namens, der
frühere Namensrechte nachweisen kann, auftreten
würde. Selbst bei den originären Namen der Gemeinden
käme es für die Priorität, auf den Stand
der. Forschung an, wann der Gemeindenamen erstmals nachgewiesen werden
kann. Infolgedessen kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin
bereits im Jahre 1084 urkundlich erwähnt worden ist und ab
wann man von einer Nutzung des Namens Boos durch die Beklagte oder ihre
Vorgänger-Gesellschaft sprechen kann.
5.
Die Beklagte braucht sich auch nicht auf andere Kennzeichen verweisen
zu lassen. Insbesondere kann der Konflikt nicht dadurch gelöst
werden, daß die Beklagte ihrer Internet-Adresse als Top
level-Domain die Bezeichnung "com" hinzufügt, weil der.
Namensschutz sowohl die Top level-Domain "de" als auch die Top
level-Domain "com" umgreift (OLG Köln in Computer und Recht
1999, 385). Allerdings ist für Städte, die lediglich
Informationen im Internet anbieten, auch die Top level-Domain "info"
denkbar.
Das
Landgericht hat deshalb die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung der
Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts mußte
somit zurückgewiesen werden.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine
Vollstreckungsschutzanordnung unterblieb, weil gegen das Urteil
unzweifelhaft kein Rechtsmittel eingelegt werden kann.
Die
Zulassung der Revision war nicht angezeigt. Der Senat weicht nicht von
einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab; die Sache ist auch nicht
von grundsätzlicher Bedeutung.
Der
Wert der Beschwer ergibt sich aus §§ 3, 546 Abs. 2
ZPO, wobei der Senat den übereinstimmenden Angaben der
Parteien bei der Schätzung des Streitwertes folgt.