Urteil Missbrauch von Titeln Erzbischof Amtsbezeichnung oeffentlich-rechtliche Kirche roemisch-katholische Kirche
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Aktenzeichen: Ss 293/99 - 143 -

1. Strafsenat
Verkündet am:
10. August 1999

Oberlandesgericht Köln

Im Namen des Volkes

Urteil

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen.
 
Gründe

I.

Der Angeklagte ist im Verfahren des ersten Rechtszuges durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14. Oktober 1998 wegen Mißbrauchs von Titeln zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 70,-- DM verurteilt worden. Dagegen hat er mit Erfolg Berufung eingelegt. Durch Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 9. März 1999 ist er unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freigesprochen worden.

Das Landgericht hat dabei folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:

"Der Angeklagte gehört einer Glaubensgemeinschaft an, die sich unter dem - bisher nicht eingetragenen - Verein "U. K. Ki." mit Sitz unter der Anschrift des Angeklagten zusammengeschlossen hat. Nach der unwiderlegten Einlassung des Angeklagten ist er entsprechend der Satzung dieses Vereins am 27.12.1993 zum Bischof geweiht worden und am 19.05.1994 zum Erzbischof und Ordensoberen des "Orden Leben Christi des heiligen Franziskus von Assisi" ernannt worden. Unter der Überschrift dieses Ordens und dem Zusatz "Unabhängig katholische Kirche" verfasste der Angeklagte Weihnachten 1997 einen Weihnachtsbrief, den er an Gemeindemitglieder und befreundete Glaubensgemeinschaften verschickte. Der Brief war vom Angeklagten unterzeichnet worden über den gedruckten Worten "Erzbischof L. Kl. OVC"." Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Voristanz zurückzuverweisen. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und macht dazu geltend, der Titel "Erzbischof" werde bei den traditionellen Kirchen in einem bestimmten Sinne, nämlich als eine Bezeichnung besonderer Funktion und Tätigkeit geführt, dessen Bedeutung auch von der Allgemeinheit mit diesem Titel verbunden werde. Dieses Rechtsgut werde vom Schutzzweck des § 132 a StGB erfaßt, der durch die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit nicht unterlaufen werden könne.

II. § 132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB stellt u.a. das unbefugte Führen inländischer oder ausländischer Amts- und Dienstbezeichnungen unter Strafe. Diesen strafrechtlichen Schutz erstreckt § 132 a Abs. 2 StGB auf Bezeichnungen, die den in Absatz 1 genannten zum Verwechseln ähnlich sind. Nach § 132 a Abs. 3 StGB gelten die Absätze 1 und 2 auch für Amtsbezeichnungen der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts.

Strafbar ist somit das unbefugte Führen von Amtsbezeichnungen der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts sowie das Führen von Bezeichnungen, die diesen zum Verwechseln ähnlich sind.

2. 

Nach Auffassung des Landgerichts soll die Strafbarkeit des Angeklagten daran scheitern, daß er die Bezeichnung "Erzbischof" nicht unbefugt geführt habe, weil zum einen die Verwendung im konkreten Fall wegen fehlender Verwechslungsgefahr nicht vom Schutzzweck des § 132 a StGB umfaßt werde und zum anderen das Recht der ungestörten Religionsausübung einer Beschränung in der Führung kirchlicher Amtsbezeichnungen entgegenstehe.

Dieser Sichtweise kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Beide Gesichtspunkte rechtfertigen auf der Grundlage der bisherigen tatrichterlichen Feststellungen den Freispruch nicht. a)

Soweit es das Tatbestandsmerkmal der (kirchlichen) Amtsbezeichnung betrifft, ist offenkundig und daher vom Revisionsgericht auch ohne entsprechende Feststellung des Tatrichters zu berücksichtigen (vgl. Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 337 Rdnr. 103; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 337 Rdnr. 25), daß es sich bei der Bezeichnung "Erzbischof" um eine Amtsbezeichnung der römisch-katholischen Kirche handelt (vgl. dazu etwa Art. 14 d. Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich v. 20. Juli 1933, RGBl. 1933 II 679 u. I 625). Die römisch-katholische Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts fällt zudem in den Schutzbereich des § 132 a Abs. 3 StGB (vgl. v. Bubnoff, in Leipziger Kommentar, StGB, 11. Aufl., § 132 a Rdnr. 18).

Davon geht offenbar auch das Landgericht aus. Gleichwohl geben die Gründe des angefochtenen Urteils nicht eindeutig Aufschluß darüber, ob es mit dem Hinweis auf eine fehlende Verwechslungsgefahr die Tatbestandsmäßigkeit der Handlungsweise des Angeklagten im Sinne des § 132 a Abs. 1 StGB oder des § 132 a Abs. 2 StGB (jeweils in Verbindung mit Abs. 3) hat verneinen wollen.

Soweit aufgrund der dem Tatrichter vorbehaltenen Sachverhaltsfeststellung allein die Bezeichnung "Erzbischof" als geführt angesehen werden sollte, wäre die Bestimmung des § 132 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (in Verbindung mit Abs. 3) einschlägig mit der Folge, daß wegen der Identität der von dem Angeklagten benutzten Bezeichnung mit der in einer öffentlich-rechtlichen Kirche verwendeten und daher geschützten Amtsbezeichnung für die Frage der Verwechslungsgefahr kein Raum wäre. b) Die angesprochenen Umstände sind auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geeignet, die Strafbarkeit der (bislang) tatrichterlich festgestellten Handlungsweise des Angeklagten auszuschließen, und zwar selbst dann nicht, wenn durch den Kontext seines "Weihnachtsbriefes" eindeutig klargestellt wäre, daß er nicht Amtsträger der römisch-katholischen Kirche oder einer anderen Kirche oder Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts ist. Auch in diesem Fall wäre seine Berechtigung zur Führung einer Amtsbezeichnung, die in einer öffentlich-rechtlichen Kirche oder Religionsgemeinschaft verwendet wird, weder aus dem Grundrecht des Angeklagten auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) noch aus verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Religionsgemeinschaft, der er angehört, herzuleiten. Denn entgegen der Auffassung des Landgerichts (ebenso LG Mainz MDR 1984, 511; LG München I KirchE 6, 65, zit. bei Quarch ZevKR [Bd. 31] 1986, 92, 93) begründet § 132 a Abs. 3 StGB sehr wohl eine - im angefochtenen Urteil als "Besitzschutz" angesprochene - Privilegierung der Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts gegenüber privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften, die verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG ZevKR [Bd. 31] 1986, 90; OLG Düsseldorf NJW 1984, 2959 f. = MDR 1984, 600 L = ZevKR [Bd. 31] 1986, 87). 23 § 132 a Abs. 3 StGB verbietet den Funktionsträgern privatrechtlich organisierter Religionsgesellschaften ebenso wie jeder anderen Person den Gebrauch kirchlicher Amtsbezeichnungen (v. Bubnoff a.a.O.; Quarch ZevKR 1986, 92, 93). Die Vorschrift dient damit nicht dem persönlichen Schutz der berechtigten Inhaber von Amtsbezeichnungen, sondern dem der Allgemeinheit vor dem Auftreten von Personen, die sich durch den unbefugten Gebrauch solcher Bezeichnungen den Schein besonderer Fähigkeiten und Vertrauenswürdigkeit geben. Der Schutzzweck des § 132 a StGB geht dahin, zur Wahrung der Belange der Bevölkerung der Gefahr entgegenzuwirken, daß einzelne Bürger im Vertrauen auf eine - vorgetäuschte - gewichtige Stellung einer Person bzw. bei Amtsbezeichnungen möglicherweise auch auf den - vorgeblichen - Status einer mit staatlicher Autorität versehenen Persönlichkeit für sich oder andere schädliche Handlung vornehmen oder zulassen könnten (v. Bubnoff a.a.O. Rdnr. 2; Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 132 a Rdnr. 3; Lackner, StGB, 19. Aufl., § 132 a Rdnr. 1). Mit dieser Zielsetzung verletzt der strafrechtliche Schutz von Amtsbezeichnungen der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts die privatrechtlichen Religionsgesellschaften weder in ihrer Vereinigungsfreiheit noch in ihrer Selbstbestimmung (Art. 137 Abs. 2 u. 3 WRV, Art. 140 GG) oder Kultusfreiheit (Art. 4 Abs. 2 GG). Den Religionsgesellschaften des Privatrechts ist es nicht verwehrt, ihren Mitgliedern mit herausgehobenen Funktionen entsprechende, aber anderslautende Funktionsbezeichnungen oder jede andere eigenständige Bezeichnung zu geben. Daß sie darüber hinaus auch Zugriff auf die - auf kirchenrechtlichen Vorschriften beruhenden, an bestimmte Qualifikationen geknüpften und mit vielfältigen Rechten und Pflichten ausgestatteten - Amtsbezeichnungen der öffentlich-rechtlichen Kirchen haben müßten, fordert die Verfassung nicht (BVerfG ZevKR [Bd. 31] 1986, 90, 91). 25 Andere Gründe vermögen den Freispruch des Angeklagten auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsfeststellungen ebenfalls nicht zu rechtfertigen. 4.

Die Rechtsfehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils führt zu seiner Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Eine Entscheidung in der Sache selbst - hier also zum Schuldspruch - ist dem Senat verwehrt.

Denn zum einen fehlt es, wie ausgeführt, an eindeutigen Feststellungen hinsichtlich der von dem Angeklagten geführten Amtsbezeichnung, da dem angefochtenen Urteil nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist, ob eine geschützte Amtsbezeichnung ("Erzbischof") oder - etwa wegen der Beifügung eines Zusatzes - lediglich eine ähnliche und möglicherweise nicht verwechslungsfähige Abwandlung geführt worden ist. Dies zu klären, ist Gegenstand der dem Tatrichter obliegenden tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts. Zum anderen dürfen Feststellungen, deren rechtsfehlerfreies Zustandekommen der betroffene Angeklagte - wie hier - mangels Beschwer nicht nachprüfen lassen konnte, grundsätzlich nicht zur Grundlage einer möglichen Verurteilung bestehen bleiben, sondern sind aufzuheben (BGH NStZ 1999, 206 = StV 1999, 415). Daran ist für den vorliegenden Fall festzuhalten. Soweit in Ausnahmefällen - bei Freispruch erst im Berufungsurteil, geständigem Angeklagten und aufgeklärtem Sachverhalt (vgl. Rechtsprechungsnachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O.)- eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO für zulässig erachtet wird (vgl. dazu Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 354 Rdnr. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 354 Rdnr. 23), erscheint dies bedenklich, weil der Angeklagte mangels Beschwer die Richtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen des Tatrichters nicht bekämpfen konnte und diese von Verfahrensfehlern betroffen sein können (BGH NStZ-RR 1998, 204 m. w. Nachw.; BGHR § 354 StPO Schuldspruch 1; OLG Koblenz NStZ-RR 1998, 364, 365). Abgesehen davon läßt das vorliegende Urteil schon nicht erkennen, worauf die tatsächlichen Feststellungen überhaupt beruhen, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie in jeder Hinsicht von einem glaubhaften Geständnis des Angeklagten getragen werden.