Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Wettbewerbsverhältnis Anwälte
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Aktenzeichen:    24 U 15/03
Verkündet am:
09.05.2003

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL



Entscheidungsgründe

1. … Als unmittelbar von einer zu Wettbewerbszwecken begangenen Handlung betroffen sind Mitbewerber anzusehen, die zu dem Handelnden selbst oder einem durch dessen Handlung geförderten Dritten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (BGH, GRUR 2001, 258 = NJW 2001, 522 - Immobilienpreisgaben; GRUR 1998, 1039 = NJW 1998, 3203 - Fotovergrößerungen; GRUR 1990, 375 = NJW-RR 1990, 479 - Steuersparmodell). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist dann gegeben, wenn beide Seiten gleichartige Leistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten den Mitbewerber beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (BGH, GRUR 2001, 258 = NJW 2001, 522 - Immobilienpreisgaben; GRUR 1999, 69 = NJW 1998, 3561 - Preisvergleichsliste II).

In einem solchen Verhältnis stehen die wirtschaftlich Beteiligten - die Kl. und die „Hausanwälte“ der Bekl. - nicht: Dem steht schon die örtliche Trennung, die weite räumliche Entfernung der beiden Kanzleien entgegen. Der Personenkreis, um dessen Mandate die Kl. sich mit den von der Bekl. „empfohlenen“ Anwälten im Wettbewerb sehen, wird im absoluten Regelfall keine Wahl zwischen den Kl. einerseits und den „Hausanwälten“ der Bekl. andererseits in Erwägung ziehen.

Privatleute - wie sie im Streit um ärztliche oder zahnärztliche Gebühren ja zwangsläufig auf einer Seite stehen - pflegen in aller Regel ortsnah tätige Anwälte aufzusuchen; das ist Erfahrung der sämtlich langjährig richterlich tätigen Mitglieder des Senats. Ortsfern ansässige „Spezialanwälte“ werden von Privatleuten nur ausnahmsweise in wirtschaftlich bedeutsamen Angelegenheiten in Anspruch genommen; in den Kreis solcher Angelegenheiten gehören Streitigkeiten um ärztliche oder zahnärztliche Gebühren mit ihrem regelmäßig sehr begrenzten Streitwert nicht.

Zu einer wettbewerblichen Berührung in diesem Sinn kann es mit relevanter Wahrscheinlichkeit auch nicht auf der Grundlage der von der Kl. hervorgehobenen besonderen Bedingungen ihrer Tätigkeit kommen. Zu Gunsten der Kl. kann unterstellt werden, dass - wie Rechtsanwalt V eidesstattlich versichert hat - die Kl. „in erster Linie … als anwaltlicher Vertreter … der Firmengruppe G … tätig (sind und sich) u.a. mit der Beitreibung unbezahlt gebliebener Forderungen … im zahnärztlichen Bereich … (befassen und) … ein enger Kontakt zu den einzelnen Behandlern (entsteht), und wenn (die Kl.) nach gründlicher Überprüfung zum Ergebnis gelangen, dass die Abrechnung des Verhandlers korrekt ist, … dem Patienten die außergerichtliche und auch gerichtliche Unterstützung (angeboten wird).“

Diese Gegebenheiten und Gepflogenheiten begründen kein Wettbewerbsverhältnis der beiden Anwaltskanzleien. Angesichts der großen Zahl von Privatversicherern und Abrechnungsunternehmen und der fast unübersehbaren Vielzahl von Anwaltskanzleien, weiter angesichts der Tatsache, dass Privatleute in aller Regel ortsansässige Anwälte mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen pflegen, bleibt die Möglichkeit, dass sich die von den Kl. geschilderte Konstellation im Verhältnis der Kl. zur Bekl. und ihren „Hausanwälten“ verwirklicht, aus praktischer Sicht äußerst gering.

Wäre ein wettbewerbliches Zusammentreffen der beiden Kanzleien aber - um es umgekehrt auszudrücken - die absolute Ausnahme, dann kann von einem unmittelbaren Betroffensein im Wettbewerbsverhältnis keine Rede sein; ein solches unmittelbares Betroffensein setzt nämlich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich die Beteiligten mit ihrem Leistungsangebot im Markt unmittelbar begegnen (BGH, GRUR 1998, 1039 = NJW 1998, 3203 - Fotovergrößerungen).

2. Die Kl. sind auch nicht nach § 13 II Nr. 1 UWG klagebefugt. Das Verhalten der Bekl. ist nämlich nicht geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Zum einen ist es in höchstem Maße unwahrscheinlich, dass die anwaltliche Tätigkeit der Kl. einerseits, der „Hausanwälte“ der Bekl. andererseits sich überhaupt im Wettbewerb um dieselben als Mandanten in Betracht kommenden Personen berühren. Zum anderen ist das im Streit um ärztliche oder zahnärztliche Gebühren betroffene konkrete wirtschaftliche Interesse regelmäßig vergleichsweise gering. Von einem Interesse der Allgemeinheit an der Verfolgung eines etwa vorliegenden Wettbewerbsverstoßes, einer Eignung, den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, wird man auf dieser Grundlage nicht ernstlich sprechen können.