OLG Frankfurt, Darlegungs- und Beweislast Kostenbeschwerde
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Aktenzeichen:    19 W 18/94
Verkündet am:
25.01.1995

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

OLG Frankfurt a. M.

BESCHLUSS



Gründe

Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache selbst nicht begründet, denn die Bekl. können sich nicht auf die sie von den Kosten des Rechtsstreits entlastende Vorschrift des § 93 ZPO berufen. Sie können nicht dartun, daß sie - wie § 93 ZPO aber voraussetzt - durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben haben. Ein Beklagter gibt Anlaß zur Klageerhebung, wenn er sich vor dem Prozeß so verhalten hat, daß der Kläger annehmen mußte, nur durch einen Prozeß sein Ziel erreichen zu können (vgl. BGH, NJW 1979, 2040 (2041)). Dabei kommt es nicht auf die materielle Rechtslage an, denn der Rechtsstreit wird nicht aufgrund der materiellen Rechtslage, sondern gem. § 307 I ZPO aufgrund des Anerkenntnisses des Bekl. entschieden (vgl. OLG Schleswig, JurBüro 1982, 1570).

Die Bekl. hatten die Rechnung des Kl. vom 12. 10. 1990 vor Rechtshängigkeit des geltend gemachten Werklohnanspruches nicht beglichen. Der Kl. hatte sie mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 13. 9. 1993, erfolglos zur Zahlung der ausstehenden Summe von 17800 DM aufgefordert. Wenn der Schuldner eine Rechnung des Gläubigers trotz Aufforderung nicht bezahlt, muß der Gläubiger aus diesem Verhalten grundsätzlich auf die Notwendigkeit einer Klage schließen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 93 Anm. 3a).

Die Bekl. tun auch nicht substantiiert dar, daß sie keinen Anlaß zur Klageerhebung gegeben haben, weil sie diese Rechnung nicht hatten und sie daher von ihrer Schuld keine Kenntnis hatten, zudem der Anspruch nach § 16 Nr. 3 I VOB/B nicht fällig war. Es ist nämlich Sache der Bekl. darzulegen, daß sie die Rechnung des Beschwerdegegners vom 12. 10. 1990 nicht erhalten haben. Für die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 ZPO tragen nämlich sie die Darlegungs- und Beweislast. Daß im Rahmen des § 93 ZPO die Beklagtenseite die Voraussetzungen des Tatbestandes darzulegen und beweisen muß, ist im Ansatz in Rechtsprechung und Lehre anerkannt (vgl. OLG Hamm, MDR 1987, 329; Thomas/Putzo, § 93 Anm. 3a; Belz, in: MünchKomm-ZPO, 1992, § 93 Rdnr. 8; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. (1994), § 93 Rdnr. 15). Streitig ist allerdings, ob dies auch dann gilt, wenn die Veranlassung zur Klagerhebung - wie hier hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs nach § 16 Nr. 3 I VOB/B durch Zugang der Rechnung - von materiellrechtlichen Voraussetzungen abhing, für die der Kl. darlegungs- und beweispflichtig ist. Teilweise wird hier die Ansicht vertreten, in diesem Fall bleibe es auch im Rahmen des § 93 ZPO bei der Verteilung der Beweislast des materiellen Rechts (vgl. Schneider, Die Kostenentscheidung im Zivilprozeß, 2. Aufl. (1967), S. 162ff.; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. (1976), § 93 Anm. B 2a 4). Die Gegenauffassung steht auf dem Standpunkt, daß im Rahmen der Kostenvorschrift des § 93 ZPO auch in einem derartigen Fall der Bekl. die Darlegungs- und Beweislast zu tragen habe (vgl.OLG Hamm, MDR 1987, 329; Belz, in: MünchKomm-ZPO, § 93 Rdnr. 8).

Diese Ansicht hält der Senat für zutreffend, weil sie dem Ausnahmecharakter des § 93 ZPO im Verhältnis zur Grundregelung des § 91 I 1 ZPO Rechnung trägt. Grundsätzlich hat nach der zuletzt genannten Vorschrift die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Auch wenn die Beklagtenseite aufgrund eines Anerkenntnisses verurteilt wird, unterliegt sie in der Hauptsache. Dies hat mithin nach der Grundregel des § 91 ZPO die Folge, daß die Beklagtenseite die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Hiervon macht § 93 ZPO eine Ausnahme zu Gunsten der Beklagtenseite. Hat sie keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt, hat der Kl. die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, obwohl er in der Hauptsache obsiegt. Schon nach den allgemeinen Beweislastregeln muß diejenige Partei, die sich auf einen Ausnahmetatbestand beruft, dessen Tatbestandsvoraussetzungen darlegen und beweisen (OLG Hamm, MDR 1987, 329).

Bei der Ausgestaltung der danach die Bekl. treffenden Darlegungs- und Beweislast ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Beklagtenseite eine negative Tatsache darzulegen hat. Dies führt zwar nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Kl. Indessen kann die Beklagtenseite sich zunächst mit dem schlichten Behaupten der negativen Tatsache begnügen. Nach dem auch im Prozeßrecht gültigen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist die Gegenpartei sodann ausnahmsweise verpflichtet, diesen Vortrag qualifiziert zu bestreiten. Das findet seine Rechtfertigung darin, daß die Gegenpartei die für einen qualifizierten Vortrag notwendige Informationen besitzt oder sie sich jedenfalls leichter beschaffen kann als die darlegungspflichtige Partei. Im Anschluß daran muß jedoch die darlegungspflichtige Partei ihren Vortrag substantiieren und detailliert auf das Bestreiten der Gegenpartei eingehen (vgl. BGH, NJW 1987, 1201, 2008 (2009); 1990, 3151 (3152); Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl. (1993), § 138 Rdnr. 10).

Diesen Anforderungen haben die Bekl. indessen nicht entsprochen. Denn die Bekl. haben nicht schlüssig dargelegt, daß sie die Rechnung des Beschwerdegegners vom 12. 10. 1990 nicht erhalten haben. Der Kl. hat auf die entsprechende Behauptung der Bekl. erwidert, er habe die Rechnung dem Ehemann der Bf. zu 3 ein bis zwei Tage nach dem 12. 10. 1990 in den Büroräumen der Bekl. zu 1 in X. persönlich übergeben. Der Rechnung seien Aufmaß und Abrechnungspläne beigefügt gewesen. Zudem habe er noch umfangreiche Unterlagen bezüglich weiterer Bauvorhaben überreicht. Der Ehemann der Bekl. zu 3 habe ihm seinerzeit für die Bekl. zu 1 den Auftrag erteilt und habe auch in der Folgezeit als Ansprechpartner fungiert. Er sei als freier Mitarbeiter und Bauleiter bei der Bekl. zu 1 beschäftigt. Zu diesem Vortrag des Kl. hat die Beklagtenseite zu keinem Zeitpunkt konkret Stellung genommen. Der Vortrag des Bekl. zu 2, er habe sich in der Buchhaltung der Bekl. zu 1 vergewissert, daß eine solche Rechnung dort nicht existiere, beruht im Kern auf einem erneuten schlichten Bestreiten der Behauptung des Beschwerdegegners. Das trifft auch auf die Behauptung zu, das Fehlen einer Rechnung des Kl. habe sich zum ersten Mal anläßlich eines Gesprächs zwischen den Söhnen des Kl. und dem Ehemann der Bekl. zu 3 am 14. 11. 1992 herausgestellt. Nachdem der Kl. im frühen ersten Termin vom 19. 7. 1994 seine Darstellung des Sachverhaltes gegeben hatte, hat die Beklagtenseite im weiteren Verlauf des Rechtsstreits ihren Vortrag im Hinblick auf die behauptete Übergabe der Rechnung nicht weiter präzisiert. Zwar findet die Darlegungslast dort ihre Grenze, wo eine weitere Substantiierung des Vortrages der darlegungspflichtigen Partei nicht mehr möglich oder nicht zumutbar ist (vgl. BGH, NJW 1986, 3193 (3194); 1990, 3151 (3152)). Den Bekl. wäre es indessen möglich gewesen, detailliert auf das Vorbringen des Kl. einzugehen. So hätten die Bekl. sich zu der Frage äußern können, ob der Ehemann der Bekl. tatsächlich dem Kl. den Auftrag für das Bauvorhaben in Z. erteilt habe, ob er tatsächlich als Ansprechpartner für den Kl. fungiert habe, ob in den Tagen nach dem 12. 10. 1990 tatsächlich ein Besuch des Kl. bei der Bekl. zu 1 in X. stattgefunden habe, ob dabei irgendwelche Unterlagen übergeben worden seien und wenn ja, um welche Unterlagen es sich dabei gehandelt habe. Soweit die Bekl. geltend machen, eine Rechnung des Kl. vom 12. 10. sei in ihrer Buchhaltung nicht vorhanden, hätten sie darlegen können, welche Anstrengungen sie konkret unternommen haben, um die Rechnung aufzufinden. Dem kann die Beklagtenseite auch nicht entgegenhalten, es sei ihr nicht zuzumuten, ihre gesamte Buchhaltung daraufhin zu überprüfen, ob eine einzelne Rechnung des Kl. vorliege, um damit auszuschließen, daß diese Rechnung möglicherweise versehentlich falsch abgelegt worden ist. Jedenfalls war die Beklagtenseite schon wegen des erheblichen Rechnungsbetrages von 17800 DM verpflichtet, Nachforschungen nach dem Verbleib der Rechnung anzustellen und über den Umfang ihrer Anstrengungen hin zu berichten. Insbesondere hätte hier klargestellt werden können und müssen, daß die betreffende Rechnung nicht etwa versehentlich bei einem anderen Bauvorhaben, in dem der Kl. für die Bekl. arbeitete, abgeheftet worden sei.