OLG Düsseldorf, Wiederaufnahme Strafverfahren neue Tatsachen Glaubwürdigkeit Belastungszeuge
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Aktenzeichen:    1 Ws 826 - 828/98, 1 Ws 826/98, 1 Ws 827/98, 1 Ws 828/98
Verkündet am:
08.02.1999

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

OLG Düsseldorf

Beschluss


Gründe

1.

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) verworfen, soweit der Wiederaufnahmeantrag als unzulässig erachtet worden ist.

Das Landgericht hat im Ergebnis richtig entschieden.

Der Umstand, daß der frühere Angeklagte B. A. – "P." – ungeachtet der ihn belastenden Aussage der Zeugin T. am 10. März 1998 in dem Verfahren 54 Js 510/94 StA Duisburg rechtskräftig freigesprochen worden ist, stellt zwar eine neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO dar, weil dies der damals erkennenden Strafkammer bei Erlaß des Urteils gegen den Beschwerdeführer am 3. April 1995 nicht bekannt sein konnte. Sie ist indessen weder für sich noch in Verbindung mit dem Vorbringen des bereits beschiedenen Antrags vom 21. Mai 1996 (613 Js 1001/96 StA Düsseldorf) und den früher erhobenen Beweisen geeignet, die Freisprechung des Beschwerdeführers oder seine geringere Bestrafung aufgrund eines milderen Strafgesetzes zu begründen.

Allerdings ist anerkannt, daß eine neue Tatsache, die sich gegen die Glaubwürdigkeit eines Belastungszeugen richtet, auf dessen Bekundungen der Schuldspruch beruht, die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 Nr. 5 StPO rechtfertigen kann (vgl. dazu Senat in NStE Nr. 15 zu § 359 StPO sowie Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 359 Rdnr. 23, jeweils m. w. N.). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Freisprechung des früheren Angeklagten A. untergräbt weder die Glaubwürdigkeit der Zeugin T. insgesamt noch die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen, die in dem Verfahren 54 Js 505/94 StA Duisburg am 3. April 1995 zur Verurteilung des Beschwerdeführers geführt haben. Die – abgekürzten – Gründe der Entscheidung des Landgerichts Duisburg vom 10. März 1998 lauten, abgesehen von der Wiedergabe der Anklagevorwürfe und des Ausspruchs über Kosten, notwendige Auslagen und Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft, lediglich wie folgt:

"Der Angeklagte war freizusprechen, weil seine Beteiligung an den im Anklagesatz konkretisierten Taten aus tatsächlichen Gründen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte."

Diesen pauschalen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Erwägungen im einzelnen dafür maßgebend waren, daß A. freigesprochen worden ist. Insbesondere ist insoweit nicht festgestellt, daß die Zeugin T., die ihre auch A. als Drogendealer belastenden Bekundungen aufrechterhalten hat, vorsätzlich falsch ausgesagt hat. Demgemäß hat die Staatsanwaltschaft keine Veranlassung gesehen, gegen die Zeugin ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts einer Straftat nach § 153 StGB einzuleiten.

Auch im übrigen wird die denkgesetzlich mögliche, rechtsfehlerfreie und deshalb für das Wiederaufnahmegericht bindende Beweiswürdigung des Landgerichts Duisburg in dem angegriffenen Urteil vom 3. April 1995 durch das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erschüttert. Gegenstand jenes Verfahrens waren ausschließlich die ihm zur Last gelegten Taten, an denen A. nicht beteiligt war. Letzterer wird in den Gründen der vorbezeichneten Entscheidung eher beiläufig und ersichtlich nur deshalb erwähnt, um zu verdeutlichen, auf welche Weise der Beschwerdeführer dazu kam, die ihm vorgeworfenen konkreten Straftaten zu begehen. Wenn die mehr als zwei Jahre später durchgeführte Hauptverhandlung gegen den früheren Angeklagten A. aufgrund einer völlig anderen Beweisaufnahme ersichtlich nach dem Zweifelssatz zum Freispruch führte, so liegt darin kein Grund, der ernsthaft den Bestand des Urteils vom 3. April 1995 gefährden könnte. Vielmehr ist im Gegenteil – auch im Hinblick auf die weiteren ihn belastenden Beweisergebnisse und Indizien – auszuschließen, daß das Landgericht Duisburg den Beschwerdeführer am 3. April 1995 freigesprochen oder nach einem milderen Gesetz geringer bestraft hätte, wenn bekannt gewesen wäre, daß A. sich im März und April 1993 möglicherweise nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in seinem Heimatland M. aufgehalten hat. Überdies dürfen an die Zuverlässigkeit der Zeitangaben von Drogenkonsumenten – die Zeugin T. war damals hochgradig heroin- und kokainabhängig – vor allem dann keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, wenn sie – wie hier – erst mehrere Jahre nach den betreffenden Taten gemacht werden. Der Senat hebt in diesem Zusammenhang ausdrücklich hervor, daß das Wiederaufnahmegericht – was den Beschwerdeführer anbelangt – entgegen der mehrfach geäußerten Auffassung der Verteidigung keine unzulässige Tatzeitverschiebung (vgl. BVerfG in NStZ 1995, 43/44) vorgenommen hat.

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine dem Verurteilten günstigere Entscheidung. Es gibt allerdings Anlaß zu dem Hinweis, daß bei der Prüfung der Erheblichkeit des Wiederaufnahmevorbringens für die Anwendung des Zweifelssatzes kein Raum ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 368 Rdnr. 10 m.w.N.).

2.

Soweit die Strafkammer den Antrag auf Unterbrechung der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 3. April 1995 abgelehnt hat, ist die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde prozessual überholt und damit gegenstandslos, nachdem der Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten rechtskräftig als unzulässig verworfen worden ist.

3.

Die Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO) verworfen, soweit die Strafkammer seinen Antrag zurückgewiesen hat, ihm Rechtsanwalt Dr. B. in R. zum Pflichtverteidiger für das Wiederaufnahmeverfahren zu bestellen.

Die Gründe der angefochtenen Entscheidung treffen zu. Im übrigen hat der Verurteilte bereits einen Verteidiger. Ihm ist nämlich im Verfahren vor dem Landgericht Duisburg eine Pflichtverteidigerin beigeordnet worden. Ihre Bestellung, die bisher nicht zurückgenommen worden ist, dauert fort bis zur Rechtskraft eines Beschlusses nach § 370 Abs. 2 StPO, durch den die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wird (vgl. Senat in NStZ 1983, 235 m.w.N.; ferner Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 364 a Rdnr. 2).