olg
brandenburg §
86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB
Verwendung Kennzeichen verfassungswidrige
Organisationen
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Aktenzeichen: 1
Ss 58/05
|
Verkündet am:
12.09.2005
|
OBERLANDESGERICHT
BRANDENBURG
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In der Strafsache
gegen ……
wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat
der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgrund der
Hauptverhandlung vom 12. September 2005, für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts
Potsdam vom 8. März 2005 wird als unbegründet
verworfen.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens
und die dem Angeklagten in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.
Gründe :
I.
Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 2.
Februar 2005 zur Last, sich am 25. Januar 2005 des Verwendens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des §
86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht zu haben. Der
Angeklagte hatte an diesem Tag in den Bahnhofspassagen des
Hauptbahnhofes Potsdam, aus der linken Hosentasche
heraushängend ein Schlüsselband getragen, auf welchem
sich (unter anderem) das Markenlogo “Thor Steinar”
der Textilherstellerin ………..GmbH
befand. Dieses Markenlogo setze sich, so die Staatsanwaltschaft, aus
einer liegenden “Wolfsangel” und der Tyr-Rune
zusammen und habe “von einem unbefangenen Beobachter
für eine sogenannte Doppelsig-Rune, Symbol der verbotenen
ehemaligen Schutzstaffel der verbotenen Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, gehalten werden” können.
Das Amtsgericht - Jugendrichter - hat den Angeklagten mit dem
angegriffenen Urteil aus rechtlichen Gründen freigesprochen,
weil durch das Tragen des Schlüsselbandes mit dem
entsprechenden Markenlogo bereits der objektive Tatbestand eines
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nicht
erfüllt worden sei.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die
unter näheren Ausführungen die Verletzung des
materiellen Rechts geltend macht.
II.
Das Rechtsmittel bleibt in der Sache erfolglos. Das vom Angeklagten am
Anlastungstag getragene Schlüsselband erfüllt -
jedenfalls aus heutiger Sicht - nicht den Tatbestand des Verwendens von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von §
86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB.
Die vom Senat zur Ergänzung der tatrichterlichen Darstellung
und zu deren näherer Überprüfung
durchgeführte Inaugenscheinnahme des Schlüsselbandes
(vgl. für deren Zulässigkeit: OLG Hamburg NStZ 1981,
393 m. w. N.) hat nicht ergeben, dass das Markenlogo einem Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen entspricht oder im Sinne der
höchstrichterlichen Rechtsprechung einem derartigen
Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sieht.
Das Schlüsselband ist in üblicher Form gehalten,
wobei die Grundfarbe des Gewebes schwarz ist; sich mehrfach
wiederholend aufgedruckt sind die in einer Art Runenschrift gehaltene
Markenbezeichnung “Thor Steinar” sowie das
Markenlogo der Herstellerin; dieses besteht aus einem weiß
umrandeten Wappenschild, in welchem auf rotem Grund in weißer
Farbe sich überlappend ein vertikal nach oben zeigender Pfeil
mit waagerecht verlaufendem Querbalken (oder Punkten) als Fuß
und ein dem eckig und liegend ausgeführten Buchstaben
“S” des lateinischen Alphabets entsprechendes
Zeichen eingestellt sind. Das “S” ist dabei in der
Weise gestaltet, dass sich die beiden Längsbalken horizontal
unter das Dach des Pfeilzeichens einfügen und durch einen etwa
im Winkel von 45 ° zu ihnen stehenden schrägen
Querbalken verbunden werden.
(Abbildung des Schlüsselbandes im Origianlurteil)
Wie der Senat anhand der in der Hauptverhandlung erfolgten
Inaugenscheinnahme von am 28. Oktober 2004 ausgedruckten Internetseiten
des Herstellerunternehmens ( Bl. 18 ff. d.A. 329 Js 36706/04
Staatsanwaltschaft Neuruppin) festgestellt hat, sind unter der
Markenbezeichnung “Thor Steinar” in der
Vergangenheit eine Vielzahl von Kleidungsstücken (u.a.
Pullover, Polohemden, T-Shirts, Hemden, Jacken, Mützen) und
Accessoires und Schmuckstücke (u.a.
Schlüsselbänder, Siegelringe, Anhänger)
vertrieben worden, welche unterschiedlich gestaltet sind. Auf den
angebotenen Schmuckstücken befindet sich das Markenlogo in der
bereits dargestellten Form mit und ohne Wappenschild. Die
Kleidungsstücke enthalten das jeweils in gleicher Darstellung
wie auf dem verfahrensgegenständlichen Schlüsselband
teilweise in unterschiedlicher Größe
ausgeführte Markenlogo; zusätzlich sind auf Vorder-
bzw. Rückseite verschiedene Aufdrucke in einer Art Runen-,
Fraktur- und lateinischer Druckschrift enthalten, die Wortkombinationen
wie “Thor Steinar”, “Division Thor
Steinar”, “Asgard” u.ä.
enthalten. Die Farbgebung der Kleidungsstücke und Accessoires
variiert von schwarz-weiß-rot über weiß,
rot, grün, tarnfarben und blau bis schwarz. Das
Herstellerunternehmen hat die Gestaltung seines Markenlogos Ende 2004
geändert, nachdem eine große Strafkammer des
Landgerichts Neuruppin durch Beschluss vom 17. November 2004 die
Rechtsauffassung vertreten hatte, es würden bei
näherer Betrachtung Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen, nämlich die Doppelsig-Rune der Schutzstaffel
der ehemaligen NSDAP, erkennbar werden. Mehrere Strafkammern des
Landgerichts Potsdam haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Die
Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften der einzelnen
Bundesländer ist bezüglich des oben beschriebenen
Markenlogos allerdings vollkommen uneinheitlich, so dass in der
Bundesrepublik Deutschland die Strafverfolgung des
öffentlichen Verwendens des ehemaligen Markenlogos der Marke
“Thor Steinar” von dem jeweiligen
“Begehungsort” abhängig ist. Eine
höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Strafbarkeit ist
- soweit ersichtlich - noch nicht erfolgt. Seit Ende 2004 ist in
Tageszeitungen, Nachrichtensendungen und Internetseiten
verschiedentlich berichtet worden, das ehemalige Markenlogo der Marke
“Thor Steinar” enthalte verbotene, nach §
86 a StGB strafbare Runenzeichen.
Das Markenlogo der Marke “Thor Steinar” entspricht
in seiner konkreten Gestaltung keinem Originalkennzeichen ehemaliger
nationalsozialistischer Organisationen, wie diese auf Fahnen,
Uniformstücken oder als Abzeichen Verwendung fanden (vgl.
§ 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Es
könnte allerdings den Charakter eines von Rechts wegen
verbotenen und seinen Träger strafrechtlicher Verfolgung
aussetzenden Zeichens durch Aufspaltung des Logos in Einzelbestandteile
gewinnen. Zwar soll es ausweislich entsprechender Angaben des
Herstellers aus stilisierten Formen “der jeweiligen
Anfangsbuchstaben des Produktnamens “Thor Steinar”,
also T und S ” bestehen; die Buchstaben sollen germanischer
Runenschrift entlehnt sein, wobei das eine nach oben gerichteten Pfeil
zeigende Zeichen den Buchstaben “T”, das aus zwei
Längsund einem schrägen Querbalken bestehende Zeichen
den Buchstaben “S” darstellen soll. Die hierin
bereits nach dem Willen des Herstellers vorgegebene Aufspaltung des
Markenlogos ergibt allerdings neben der aufgrund der auch zur
Runenschrift deutlich abweichenden Schreibweise von “T und
S” nur schwer nachvollziehbaren Buchstabenkombination, dass
in diesem einerseits auch die sogenannte Tyr-Rune und andererseits die
Gibor- oder Eib-Rune (landläufig bezeichnet als
“Wolfsangel”) enthalten sind. Aus der Verbindung
dieser Runen in dem verwendeten Logo können zudem bei ins
Einzelne gehender Betrachtung und gleichzeitiger Verlagerung des
Blickwinkels um 45° nach links zwei schräg
nebeneinander liegende, in der Mitte verbundene und nach oben zeigende
Sig-Runen sichtbar werden. Die öffentliche Verwendung von
Runenzeichen führt nicht generell zur Strafbarkeit nach
§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, da sie bereits
während der europäischen Eisenzeit von nordischen
Völkern zur schriftlichen Fixierung von Sprache genutzt worden
sind. Ihre Verwendung wurde allerdings unter der Herrschaft des
Nationalsozialismus verklärt und in den Dienst der
herrschenden Ideologie einer Verherrlichung der sogenannten
“nordischen Rasse” gestellt. Diese
Umstände allein genügen jedoch nicht, um die
Verwendung von Runenschrift schlechthin unter dem Gesichtspunkt von
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sanktionieren zu
können. Hierfür wäre nämlich
Voraussetzung, dass diese Kennzeichen durch ihre Verwendung in der
NS-Zeit derart von ihrer ursprünglichen Bedeutung
gelöst worden wären, dass ihre Zuordnung zur NSDAP
und deren Unterorganisationen eindeutig wäre. Die Sig-Rune in
ihrer doppelten Verwendung durch die “Sturmstaffel
(SS)” und die (Waffen-) SS hat zweifelsfrei eine Bedeutung
erlangt, die sie ohne Weiteres und insbesondere auch ohne Einbettung in
die Form eines originalgetreuen Abzeichens zu einem Kennzeichen
verfassungswidriger (nationalsozialistischer) Organisationen macht
(vgl. BGH bei Wagner GA 1967, 106; OLG Frankfurt am Main NStZ 1982,
333). Andere Runenzeichen haben demgegenüber keine derart
eindeutige (verfassungswidrige) Verwendung gefunden; sie finden sich
teilweise auch heute noch mit zum Teil unterschiedlichem
Bedeutungsgehalt, so die bereits erwähnte
“Wolfsangel” als Gestaltungszeichen in
Gemeindewappen und bei der Bundeswehr, wieder.
Erfolgt der Gebrauch dieser Runenzeichen allerdings in einer Weise,
dass insbesondere Fahnen, Abzeichen oder Uniformstücke (vgl.
§ 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB) diese Kennzeichen wiederspiegeln
oder ihnen zum Verwechseln ähnlich sind, kann dies zur
Strafbarkeit nach § 86 a StGB führen.
Die in dem Markenlogo “Thor Steinar” verwandte
Tyr-Rune wurde nach 1933 als Ärmelabzeichen für
Absolventen der sogenannten SA-Reichsführerschulen verwandt
und war als Rangabzeichen auf den Kragenspiegeln der
Sturmführer im Stab dieser Einrichtungen abgebildet.
Überdies zeigte das Divisionsabzeichen der 32.
SS-Freiwilligen-Grenadierdivision 6 “30. Januar”
eine (einzelne) dunkle, weiß umrandete Tyr-Rune auf
wappenförmigem, ebenfalls schwarzem Hintergrund. Die
Gibor-Rune (”Wolfsangel”) war - in zum Teil
abgewandelter Form - als Divisionsabzeichen der 2. SS-Panzerdivision
“Das Reich” sowie der 34.
SS-Freiwilligen-Grenadierdivision “Landstorm
Nederland” in Gebrauch, ferner Kennzeichen der
“Adjutanten” (beim politischen Leiter) des
“Deutschen Jungvolks”. In ihrer Ursprungsform als
waagerechter Querbalken mit zwei gegenläufigen schräg
senkrechten Endspitzen wurde sie beim sogenannten
“Deutschen Jungvolk” verwandt. Die 2.
SS-Panzerdivision führte die schwarz gefasste, weiß
umrandete, mit einem zusätzlichen Mittelbalken versehene Rune
in einem schwarzen, seinerseits weiß umrandeten Schild; der
die Endspitzen verbindende Querbalken war zudem im 45-Grad-Winkel
verschoben. Die 34. SS-Freiwilligen-Grenadierdivision nutzte die
“Wolfsangel” in ihrer ursprünglichen
Gestaltung zusätzlich mit (vertikalem) Mittelbalken; die Rune
war schwarz gefärbt und weiß umrandet in ebenfalls
schwarzem Wappenschild ausgeführt. In dieser, von der 34.
SS-Division gebrauchten Form, allerdings ohne Wappenschild und
senkrecht gestellt, war die Eib-Rune zudem Kennzeichen der vom
Bundesminister des Innern am 14. Januar 1982 als verfassungswidrig
verbotenen “Jungen Front”.
Das bis Ende 2004 gebrauchte Markenlogo “Thor
Steinar” kann mit Blick auf die Verwendung einer Tyr-Rune
und/oder einer “Wolfsangel” keinem der vorstehend
beschriebenen Abzeichen und Kennzeichen ehemaliger
nationalsozialistischer oder verbotener Organisationen eindeutig
zugeordnet werden. Vielmehr kombiniert es diese Runenschriftzeichen,
die noch dazu in ihrer Farbgebung und zum Teil Ausgestaltung vom
möglichen Vorbild aus der NS-Zeit wesentlich abweichen.
Greifbare gestalterische Ähnlichkeiten können
allenfalls - nach Aufspaltung des Gesamtlogos - mit dem
Divisionsabzeichen der 32. SS-Grenadierdivision und der 2.
SSPanzerdivision festgestellt werden; deutliche Abweichungen vom
Original ergeben sich jedoch auch hier aus der unterschiedlichen
farblichen Ausführung (weißes Zeichen auf rotem
Grund statt weiß umrandetes schwarzes Zeichen auf schwarzem
Hintergrund).
Dies gilt im Ergebnis auch mit Blick auf die mögliche
Verwendung einer Doppelsig-Rune als von der (Waffen)-SS genutztes
eindeutig verfassungswidriges Kennzeichen, da weder eine Hervorhebung
durch Material oder Webart noch eine farbliche Abstufung zu den
weiteren Schriftzeichen im Gesamtlogo erfolgt und deshalb eine
stilisierte, dicht nebeneinander liegende und abweichend vom Original
in der Mitte verbundene Doppelsig-Rune nur erkennbar wird, wenn der
Betrachter den Blickwinkel auf das Markenlogo nach links um 45°
versetzt und die weiteren Bestandteile des Logos gedanklich verdeckt.
Der Betrachter muss, da sich diese Vorgehensweise nicht - wie dies bei
einer holographischen Gestaltung der Fall wäre - von selbst
aufdrängt, zuvor auf eine entsprechende Veränderung
des Blickwinkels hingewiesen oder aber durch weitere optische Merkmale
und Zusätze darauf gestoßen worden sein.
Durch die vorgenommenen Verfremdungen und die Kombination verschiedener
Kennzeichen haben diese ihre charakteristische, sie als solche
erkennbar machende Erscheinungsform letztlich verloren und sind bei der
hier allein maßgeblichen Gesamtbetrachtung der
gestalterischen Ausführung des Markenlogos als solche nicht
mehr eindeutig sichtbar; insoweit unterscheidet sich das Markenlogo
“Thor Steinar” deutlich und wesentlich von seinen
möglichen historischen Vorbildern.
Das Logo der Marke “Thor Steinar” ist deshalb auch
nicht Kennzeichen verfassungswidriger bzw. ehemaliger
nationalsozialistischer Organisationen zum Verwechseln ähnlich
im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. Entsprechend der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so zuletzt in
dem Urteil des 3. Strafsenats vom 28. Juli 2005 - 3 StR 60/05 (zur
Parole “Ruhm und Ehre der Waffen-SS”) muss
“nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht
genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original
möglich sein”.
Dies setzt voraus, dass die typischen Merkmale, welche das
äußere Erscheinungsbild eines Kennzeichens einer der
in § 86 Abs. 1 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen
prägen und dadurch dessen Symbolgehalt vermitteln, sich in dem
verwendeten Zeichen wiederfinden lassen. Dabei ist es insoweit
unerheblich, ob das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol
einer verfassungswidrigen Organisation hat. Bei einem Kennzeichen, das
seiner Funktion nach optisch wahrgenommen werden soll, kommt es
für die Vergleichbarkeit mit dem Original vielmehr
maßgeblich auf die das äußere
Erscheinungsbild prägenden Merkmale an, an denen sich sein
Symbolgehalt verkörpert. Einerseits braucht die
Übereinstimmung mit dem Originalkennzeichen nicht soweit zu
gehen, dass die Abweichungen nur von einem Fachmann nach
sorgfältiger Prüfung festgestellt werden
können; andererseits genügt es aber nicht, dass sich
lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung
wiederfinden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das
Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermitteln wird
(BGHSt 47, 354 f. = NStZ 2003, 31 f.). Ein unbefangener,
durchschnittlicher und nicht genau prüfender Betrachter findet
- zumindest aus derzeitiger Sicht - in dem Logo der Marke
“Thor Steinar” nicht jene Merkmale
möglicher nationalsozialistischer Vorbilder wieder. Er
müsste sich vielmehr nicht nur näher mit dem
Gesamtlogo befassen, es in mögliche Einzelteile gedanklich
aufspalten, einzelne Teile gedanklich verdecken und zudem auf die
Notwendigkeit der Veränderung seines Blickwinkels um 45
° nach links hingewiesen werden, um aus der Kombination einer
Tyr-Rune mit einer liegenden “Wolfsangel” das
verfassungswidrige Kennzeichen der Doppelsig-Rune erkennen zu
können. Gerade dem flüchtig prüfenden
Betrachter bleibt deshalb - noch - ein verfassungswidriger Symbolgehalt
des Markenlogos verborgen, er wird es vielmehr als Fantasiekennzeichen
bewerten.
Fallbezogen kann bei der Beurteilung der Frage, ob ein
verkörpertes Symbol ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen
bzw. ehemaligen nationalsozialistischen Organisation ist oder einem
solchen zum Verwechseln ähnelt, auch die Gesamtbetrachtung
sowohl des Symbols als auch weiterer mit ihm in Verbindung stehender
Objekte, vor allem Trägermaterialien und deren Gestaltung
Hinweise auf einen bestimmten Symbolgehalt geben. Der Senat verkennt
nicht, dass die Textilien der Marke “Thor Steinar”
durch ihre farbliche Gestaltung und verwendete Aufschriften gerade
Personen der rechtsextremen Szene ansprechen und dies
mutmaßlich vom Hersteller auch so beabsichtigt ist.
Das von dem Angeklagten getragene Schlüsselband lässt
eindeutig rechtsextremistische Anklänge erkennen, in dem es
die Farben schwarz, weiß und rot miteinander kombiniert.
Soweit sich dort der in einer Art Runenschrift gehaltene Schriftzug
“Thor Steinar” findet, ergeben sich daraus
allerdings keine von nationalsozialistischen Organisationen oder
später verbotenen Vereinigungen verwandte Kennzeichen. Der
Runenbuchstabe “S” in der Schrift “Thor
Steinar” ist gegenüber der vom sogenannten
“Deutschen Jungvolk” gebrauchten Form weiter
abgewandelt worden, indem er sich aus zwei miteinander in keiner
Verbindung stehenden rechtwinkligen Balken zusammensetzt. Der
unbefangene Betrachter würde sich nach Einschätzung
des Senats durch Farbgebung und Verwendung einer Art Runenschrift an
die NS-Zeit erinnert fühlen, das in dem Markenlogo enthaltene
verfassungswidrige SS-Symbol ihm allerdings dennoch ohne die oben
beschriebenen entsprechenden weiteren Hinweise verborgen bleiben.
In seiner Farbgebung und Gestaltung erinnert das auf dem
Schlüsselband befindliche Markenlogo zwar auch als
Fantasiezeichen an NS-ideologisch besetzte Zeichen, ohne dass es aber
entsprechend dem Tatbestand des § 86 a StGB ein solches
darstellt oder einem derartigen Kennzeichen - ausgehend von dem
Standpunkt eines unbefangenen nicht genau prüfenden
Betrachters - zum Verwechseln ähnlich sieht. Der 3. Strafsenat
des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 28. Juli 2005
klargestellt, dass die Auffassung, es komme nicht so sehr auf die
akustische oder optische Ähnlichkeit mit einem
verfassungswidrigen Kennzeichen an, wenn der Anschein eines
Kennzeichens der jeweiligen Organisation geweckt und dessen
Symbolgehalt vermittelt werde, mit dem eindeutigen Wortlaut des
§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht vereinbar sei. Hieraus folgt
zugleich, dass Fantasiekennzeichen, die - ohne Ähnlichkeit mit
einem Originalkennzeichen - an die NS-Ideologie erinnern, auch dann,
wenn sie nur diesen Zweck verfolgen, nicht dem Strafzweck des
§ 86 a StGB unterfallen und deshalb straflos bleiben.
Insoweit kann allerdings im - hier nicht
tatbestandsmäßigen - Einzelfall die Prüfung
weiterer Strafvorschriften wie der des neu geschaffenen § 130
Abs. 4 StGB n.F. vom 24. März 2005 zur Strafbarkeit der
Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und
Willkürherrschaft nahe liegen.
Der Umstand, dass durch Internetveröffentlichungen und
Medienberichte eine Diskussion über das Markenlogo
“Thor Steinar” in Teilen der
Öffentlichkeit stattgefunden hat und dadurch bekannt geworden
ist, dass bei einer Aufspaltung des Markenlogos in Einzelteile unter
anderem die Doppelsig-Rune der (Waffen)-SS sichtbar werden kann, hat
zwangsläufig dazu geführt, dass der Kreis der
“wissenden” Betrachter gegenüber dem Kreis
der “unbefangenen” Betrachter
größer geworden ist.
Der Senat hält es deshalb auch für denkbar, dass bei
weiterer Verwendung in der Öffentlichkeit und Diskussion
hierüber das ehemalige Markenlogo “Thor
Steinar” im In- und Ausland einen derartig hohen
Bekanntheitsgrad erreichen kann, dass die Assoziation zumindest zu dem
verfassungswidrigen Kennzeichen der Doppelsig-Rune auch den
flüchtigen, nicht genau prüfenden Betrachter ohne
Weiteres erreicht und das hinter dem Logo stehende Gedankengut Eingang
in das Bewusstsein der Öffentlichkeit findet ( vgl. OLGHamm
NStZ RR 2004,12 ff für die Buchstabenkombination
“CONSDAPLE”).
Derzeit ist allerdings davon auszugehen, dass das Markenlogo mit seinem
sich nur nach genauer Prüfung erschließenden
verfassungswidrigen Symbolgehalt - ähnlich auch der
Assoziation der Zahl “88″ mit dem Gruß
“Heil Hitler!” - lediglich in rechtsextremen oder
in polizeilichen, juristischen oder besonders interessierten Kreisen
bekannt ist und damit entsprechend der höchstrichterlichen
Rechtsprechung nicht dem Gesetzeswortlaut des § 86 a Abs. 2
StGB unterfällt.
Nach Vorstehendem kann sich das Tun des Angeklagten unter keinem
rechtlichen Gesichtpunkt als strafbar darstellen, weshalb die Revision
der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Unterschriften