himmelsscheibe
von nebra
urteil
§
71 UrhG
landgericht magdeburg
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Aktenzeichen:
5 W 32/05
|
Verkündet am:
19.04.2005
|
LANDGERICHT MAGDEBURG
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In Sachen
...
-
Klägerin -
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt
...
g e
g e n
...
- Beklagte
-
Prozeßbevollmächtigte:
Rechtsanwalt ...
...
Tenor:
1. Der Verfügungsbeklagten wird - für jeden Fall der
Zuwiderhandlung bei Meidung eines Ordnungsgeldes von zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu
vollziehen an den jeweiligen Geschäftsführern der
Antragsgegnerin - verboten, das Werk „Der Herrscher der Zeit"
von ... mit einer Titelgestaltung unter Verwendung einer Abbildung der
Himmelsscheibe von Nebra zu vervielfältigen, zu verbreiten,
öffentlich zugänglich zu machen zu bewerben oder
sonst wie in den Verkehr zu bringen.
2. Der Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, dem Antragsteller
innerhalb von 2 Wochen seit Zustellung der einstweiligen
Verfügung Auskunft zu erteilen über die Menge der
hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Werke mit
einer Titelgestaltung wie zur Ziffer 1. wiedergegeben.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die
Verfügungsbeklagte.
Tatbestand:
Der Verfügungskläger begehrt Unterlassung
hinsichtlich der Verwendung einer identischen Abbildung der sogenannte
Himmelscheibe von Nebra auf dem Buchumschlag eines bei der
Verfügungsbeklagten erschienen Phantasieromans mit dem Titel :
„...“ , der sich im Rahmen einer fiktiven
Geschichte mit der Himmelscheibe von Nebra befasst. Ferner begehrt er
Auskunft über die hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen
und bestellten Bücher.
Die Himmelscheibe von Nebra wurde 1999 auf dem Territorium des
Verfügungsklägers entdeckt. Der Fund wurde jedoch
nicht an den Verfügungskläger weitergeleitet,
vielmehr versuchten die beiden Finder über Hehler die Scheibe
zu veräußern. Erst im Rahmen einer fingierten
Verkaufsaktion konnte die Himmelscheibe im Februar 2002 sichergestellt
und an den Verfügungskläger übergeben
werden. Sie wurde dann zunächst auf ihre Echtheit und ihre
Bedeutung durch das Landesamt für Archäologie
überprüft und restauriert. Nach einigen vorangegangen
Veröffentlichungen von Ablichtungen der Himmelscheibe in der
Presse im Zuge der Ermittlungen wurde die Himmelscheibe von Nebra
schließlich am 25.09.02 durch das ... für ...
vorgestellt und Abbildungen davon an die Presse weitergeleitet.
Der Verfügungskläger meldete am 07. März 2003
eine Wort/Bildmarke der Himmelscheibe an, die am 17. Oktober 2002 in das
Markenregister eingetragen wurde, u. a. auch für die
Warenklasse 16.
Der Verfügungskläger beruft sich zur
Begründung seines Unterlassungsanspruchs sowohl auf §
71 UrhG, als auch auf § 14 Abs.2 Nr.2 MarkenG und hinsichtlich
des Auskunftsanspruch auf § 101a UrhG.
Er beantragt daher:
wie erkannt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
zurückzuweisen,
hilfsweise,
für den Fall des Erlasses einer einstweiligen
Verfügung die ausgedruckten und aufgebundenen sowie die
ausgelieferten Exemplare des Werkes von einem etwaigen Verbot
auszunehmen.
Sie meint, dass dem Verfügungskläger ein Recht aus
§ 71 UrhG nicht zustünde, da sich -, aus den
Äußerungen des Landesarchäologen des
Verfügungsklägers über die Geschichte der
Himmelscheibe von Nebra ergebe, dass die Himmelscheibe neben ihrem
Gebrauch als bäuerlicher Kalender für die Bestimmung
von Winter- und Sommerzeit früher als sakrales Objekt gedient
habe und im Rahmen von Umzügen umhergetragen worden sei, damit
sei sie aber bereits damals der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht worden, so dass ein Schutzrecht nach
§ 71 UrhG nicht mehr begründet werden konnte.
Markenrechtliche Ansprüche stünden dem
Verfügungskläger nicht zu, weil die Abbildung auf dem
Buchcover lediglich beschreibenden Charakter habe.
Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist
zulässig und begründet.
Der Verfügungsanspruch der
Verfügungsklägerin ergibt sich aus
§§ 97 I, 15 I, 71 UrhG.
Die Schutzfähigkeit des Werkes ergibt sich aus § 2 I
Ziff. 4 UrhG.
Es war schon aufgrund seines Alters in Geltungsbereich des
Urhebergesetzes niemals geschützt.
Der Verfügungskläger ist auch Berechtigter im Sinne
des § 71 UrhG. Unabhängig davon, dass das Eigentum an
einem Werk und die besondere Leistung, nämlich Auffinden eines
Werkes und insbesondere Entdeckung seines Wertes und dessen Bedeutung,
die durch § 71 UrhG anerkannt werden soll, nicht stets
zusammenfallen müssen, liegen diese Voraussetzungen jedenfalls
vorliegend bei dem Verfügungskläger vor, der nicht
nur das Werk restauriert, sondern durch eigene Untersuchungen, dessen
Echtheit und dessen Bedeutung und Funktion in früherer Zeit
durch seine offizielle Publikation öffentlich gemacht hat und
dadurch erst die besondere Wertschätzung in der
Öffentlichkeit überhaupt hervorgerufen hat.
Die Himmelsscheibe ist auch im Sinne der Vorschriften des
Urhebergesetzes zuvor niemals erschienen. Das Urhebergesetz definiert
den Begriff des Erscheinens in § 6 II UrhG. Danach ist ein
Werk der bildenden Kunst auch dann erschienen, wenn es mit Zustimmung
des Berechtigten bleibend der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wurde. Eine solche bleibende
Zugänglichmachung der Öffentlichkeit kann vorliegend
jedoch ausgeschlossen werden. Rechtsprechung und Literatur (vgl.
Fromm/Nordemann Urheberrecht 9. Auflage, § 6 Rdn. 3;
§§ 59 Rdn. 2, LG HH GRUR 89, S. 591 (592 - Neonrevier
-; KG GRUR 97, S. 129 (130 - Verhüllter Reichstag II -)
interpretieren den Begriff „bleibend" dahingehend, dass Werke
nur dann bleibend der Öffentlichkeit zugänglich sind,
wenn der Verfügungsberechtigte nicht den Willen hat, sie
wieder fort zu schaffen oder aufgrund der Art des Werkes eine
willensabhängige Beständigkeit von vornherein
ausgeschlossen ist (z. B. Pflastermalerei, Eisskulpturen). Unter
Zugrundelegung dieser Definition ist die zeitweilige Nutzung der
Himmelsscheibe als sakrales Objekt bei Umzügen gerade nicht
ausreichend, um ein Erscheinen im Sinne des § 6 II UrhG zu
begründen, unabhängig davon, ob die
Zugänglichmachung für nur einen bestimmten durch
Religionsausübung verbundenen Personenkreis geeignet ist, eine
Öffentlichkeit im Sinne der Vorschriften des Urhebergesetzes
zu begründen. Eine solche Art der Nutzung kann am ehestens
verglichen werden, mit der leihweisen Überlassung an Galerien
und Museen, die selbst dann, wenn sie wiederholt geschieht, kein
Erscheinen im Sinne des § 6 II UrhG darstellt (vgl. Schricker
(2 A), § 6 Rdn. 49).
Die Entstehung des Schutzrechtes gem. § 71 UrhG ist auch nicht
dadurch ausgeschlossen, dass infolge der Umsetzung der Richtlinie
93/98/EWG des Rates der EU vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der
Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte
die weitere Alternative der öffentlichen Wiedergabe
hinzugefügt wurde, so dass in dem Herumtragen der
Himmelsscheibe bei Umzügen eine bereits erfolgte
öffentliche Wiedergabe gesehen werden könnte.
Zum einen bezieht sich die öffentliche Wiedergabe in der
Terminologie des Urhebergesetzes auf die unkörperliche
Wiedergabe im Sinne des § 15 II UrhG, d. h. bezogen auf Werke
der bildenden Kunst, z. B. die Wiedergabe durch
Lichtbildvorträge (Fromm/Nordemann a.a.O, § 71 Rdn.
5, Schricker a.a.O. § 71 Rdn. 9), so dass das Zeigen des
Originals in der Öffentlichkeit keine öffentliche
Wiedergabe im Sinne der Vorschriften des Urhebergesetzes ist. Im
Übrigen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 71
UrhG, dass eine bereits vor der Existenz eines normierten
Urheberrechtsschutzes erfolgte öffentliche Wiedergabe nicht
ausreicht, um die Entstehung des Schutzes nach § 71 UrhG zu
verhindern. Diesbezüglich knüpft das Gesetz nur daran
an, dass das Werk außerhalb des Geltungsbereiches des
Urhebergesetzes niemals erschienenen ist und niemals urheberrechtlich
geschützt war. Die zweite Alternative der öffentliche
Wiedergabe bezieht sich somit dem Wortlaut nach nur auf die
Begründung des Schutzrechtes, so dass seit der Geltung des
neuen § 71 UrhG auch ein Schutzrecht durch
öffentliche Wiedergabe begründet werden und ein
nachfolgendes Erscheinen dann diese Rechte nicht mehr
begründen kann (vgl. Fromm/Nordemann a.a.O, § 71 Rdn.
2). Soweit vor der offiziellen Veröffentlichung der
Himmelsscheibe von Nebra bereits Ablichtungen der Himmelsscheibe von
Nebra in der Presse erschienen sind, hindert das die Entstehung eines
Schutzrechtes nach § 71 UrhG für den
Verfügungskläger nicht. Ebenso wie das
Erscheinenlassen steht auch die öffentliche Wiedergabe unter
dem Vorbehalt, dass dies durch den Berechtigten geschieht (Schricker
a.a.O. § 71 Rdn. 10). Berechtigter war insoweit jedoch nicht
die Presse, die weder die Himmelsscheibe gefunden hat, noch als
Eigentümerin anzusehen ist, sondern aus den bereits
dargelegten Gründen der Verfügungskläger.
Darüber hinaus hält die Kammer weiterhin an der von
ihr im Urteil vom 16. Oktober 2003 vertretenen Rechtsauffassung fest,
dass es Sinn und Zweck des § 71 UrhG widersprechen
würde, wenn man bei einem mehrere 1000 Jahre verschollenen
Werk die Entstehung des Schutzrechtes aus § 71 UrhG daran
scheitern lassen würde, dass es vermutlich in einer Zeit,
über die es keine gesicherten Erkenntnisse aus schriftlichen
oder bildlichen Überlieferungen gibt bzw. geben kann, einer
nicht mehr feststellbaren oder gar zu definierenden
Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die
Vorschrift des § 71 UrhG sollte gerade dazu beitragen, dass
verschollenes Kulturgut der heutigen Öffentlichkeit zur
Verfügung gestellt wird.
Gerade dadurch wird es der Öffentlichkeit und weiten Kreisen
der Wissenschaft überhaupt erst ermöglicht,
Erkenntnisse über solche weit zurück liegenden Zeiten
und deren Kultur zu erwerben, die im übrigen eine Diskussion,
wie die in dem vorliegenden Fall, ob das Werk bereits
öffentlich erschienen ist oder nicht, überhaupt erst
ermöglichen. Dies rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer
auch unter Berücksichtigung des sich beispielsweise aus
§ 70 UrhG ergebenden Rechtsgedankens, demjenigen den Schutz
des § 71 UrhG zuzubilligen, der sich im Rahmen eines
erstmaligen Erscheinens bzw. einer erstmaligen öffentlichen
Wiedergabe auch mit der Bedeutung, Interpretation und Restaurierung
solcher Werke befasst und damit eine der Leistung des Urhebers
gleichwertige, eigene persönliche geistige Leistung erbringt.
Ein Verfügungsgrund ist trotz der im Termin seitens der
Verfügungsbeklagten signalisierten Bereitschaft zu
Verhandlungen über eine Zahlung einer Lizenzgebühr
gegeben, da diese zunächst unverbindlich erklärte
Bereitschaft nicht die durch die bereits erfolgte
Urheberrechtsverletzung begründete objektive Besorgnis einer
wesentlichen Erschwerung der Verwirklichung des Rechtes des
Verfügungsklägers beseitigt.
Der Anspruch auf Auskunft ergibt sich aus § 101 a II UrhG, der
sich insoweit in seinem Anwendungsbereich mit dem Auskunftsanspruch aus
§§ 242, 259, 260 BGB überschneidet und somit
auch gleichzeitig der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches dient
(vgl. Schricker (2. A.), § 101 a Rdn. 2). Da dieser Anspruch
aber gem. § 101 a III UrhG ausdrücklich im Wege der
einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden kann, ist dies
als notwendige Folge hinzunehmen.
Die weitere Voraussetzung des § 101 a III UrhG,
nämlich das Vorliegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung,
ist aus den oben genannten Gründen ebenfalls gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Androhung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft, die auch für
den Auskunftsanspruch beantragt wurde, kam nicht in Betracht, da es
sich hierbei um eine unvertretbare Handlung gemäß
§ 888 ZPO handelt.
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sie dem
uneingeschränkt gestellten Antrag des
Verfügungsklägers aus den oben genannten rechtlichen
Erwägungen in vollem Umfang stattgeben musste. Die Kammer
sieht jedoch in der seitens des Verfügungsklägers zu
Protokoll gegebenen Erklärung, aus der einstweiligen
Verfügung nur in dem dort angegebenen Umfang zu vollstrecken,
ein Vollstreckungshindernis, soweit es die bereits ausgedruckten und
aufgebundenen sowie die ausgelieferten Exemplare des Werkes betrifft.
Unterschriften