Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Köln
URTEIL
Tenor:
1. Das
Urteil des Amtsgerichts Köln vom 6. April 2005 (Az.: 113 C
463/04) wird abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
2. Die
Kosten des Rechtsstreits trägt der Berufungsbeklagte.
3. Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Berufungsbeklagte kann
die Vollstreckung wegen der Kosten abwenden gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages, wenn nicht die Berufungsklägerinnen jeweils vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die
Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird
zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des
Amtsgerichts Köln (Az.: 113 C 463/04) vom 6. April 2005 (Bl.
262 ff. d.A.). Die Parteien streiten im Wege der negativen
Feststellungsklage über mutmaßliche
Ansprüche der Berufungsklägerinnen, acht
Musikunternehmen, auf Ersatz von Abmahnkosten i.H.v. 1.113,50
€ gemäß §§ 97, 95 a Abs.
3 UrhG bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95a Abs. 3 UrhG
bzw. aufgrund der Grundsätze der
Geschäftsführung ohne Auftrag. Hintergrund ist, dass
der Kläger auf der Internetplattform f beginnend ab dem 1. Mai
2004 die Brenner-Software "D CD" als Originalversion unter dem Zusatz
"Allesbrenner von F" zum Verkauf angeboten hatte. Der Berufungsbeklagte
ist Rentner, er hatte die Software seinerzeit unstreitig noch vor
Inkrafttreten des § 95 a UrhG im regulären Handel
erworben. Die Internetversteigerung der - seit Inkrafttreten der
vorgenannten Vorschrift im Handel nicht mehr regulär
vertriebenen – Software wurde unter im Detail umstrittenen
Umständen vor ihrem vorgesehenen Ende abgebrochen.
In
einer Email vom 7. Mai 2004 teilte f dem Berufungsbeklagten mit, dass
die Auktion am 7. Mai 2004 auf Anforderung der
Berufungsklägerin zu 7) vorzeitig beendet worden sei. Dem trat
der Berufungsbeklagte selbst mit Email vom 8. Mai 2004 (Anlage K 11,
Bl. 27 d.A.) entgegen und teilte im Gegenzug mit, dass vielmehr er
selbst mittels des Formulars "Angebot vorzeitig beenden" eine
vorzeitige Beendigung veranlasst habe. Ferner hieß es in der
Email wie folgt:
"Ich
erspare mir, mit Ihnen eine Diskussion über die
Rechtmäßigkeit ... zu führen. Fakt ist,
dass die von Ihnen genannte Firma... mir nicht verbieten kann, das
Softwareprogramm an eine Privatperson mit dem Hinweis zu verkaufen,
dass es sich um ein Brennprogramm zur Anfertigung von Sicherheitskopien
handelt. Kopien von z.B. Daten-Backups sind gesetzlich nicht
verboten... Solange die Software nicht dazu benutzt wird, Urheberrechte
durch Umgehung eines Kopierschutzes zu verletzen, kann man m.E. auch
nicht davon sprechen, ich hätte durch meine Auktion Rechte von
Dritten verletzt. Wenn überhaupt hätte nur der
Software-Hersteller mir gegenüber als Lizenznehmer ein
Einspruchsrecht gegen den von mir geplanten Verkauf gehabt..."
Zuvor
hatte der Berufungsbeklagte bereits ein vom damals
Höchstbietenden nach dessen Benachrichtigung über den
Abbruch der Internetversteigerung an ihn unmittelbar gemachtes
Kaufangebot abgelehnt.
Am
24. Mai 2005 erhielt der Berufungsbeklagte eine anwaltlich verfasste
Abmahnung
im Namen der acht Berufungsklägerinnen, die
hinsichtlich der von ihnen vertriebenen Tonträger sowie
Bildtonträger unstreitig Inhaberinnen der Rechte aus
§§ 85, 94 UrhG sind und dabei technische
Schutzmaßnahmen zur Verhinderung des Kopierens von CDs
einsetzen, unter Berufung auf § 95 a UrhG zu einem Streitwert
von 10.000 € (Anlage K 12, Bl. 29 ff. d.A.). Eine Vollmacht
war nicht beigefügt; ob und wie es zuvor eine konkrete
Mandatierung der Prozessbevollmächtigten durch alle acht
Berufungsklägerinnen gegeben hat, ist zwischen den Parteien
umstritten.
Mit
Anwaltsschreiben vom 28. Mai 2005 (Anlage K 13, Bl. 38 ff. d.A.) machte
daraufhin der Berufungsbeklagte deutlich, dass er die Abmahnung
in der
Sache für unberechtigt halte. Unter Streichung der
vorgefertigten Kostenübernahmeerklärung gab er
dennoch eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung ab. Das Fehlen
einer Vollmacht wurde nicht gerügt. Im Nachgang forderte der
Berufungsbeklagte unter dem 27. Juli 2005 dann die
Berufungsklägerinnen auf, auf die Weiterverfolgung der
angeblichen Abmahnkosten von 1.113, 50 € zu verzichten. Dies
lehnte diese unter dem 30. Juli 2004 unter Setzung einer Zahlungsfrist
endgültig ab.
Zwischen
den Parteien ist unstreitig, dass es Hunderte vergleichbarer
Abmahnungen
durch die Prozessbevollmächtigten der
Berufungsklägerinnen in der damaligen Zeit gegeben hat und
diese mittels weitgehend wortidentischer Schriftsätze u.a.
gegen eine große Anzahl von f-Mitgliedern versandt wurden.
Dabei wurden zur Erreichung gütlicher Einigungen teilweise
nicht unerhebliche Gebührenreduzierungen in Aussicht gestellt.
Ferner ist unstreitig, dass die Berufungsklägerinnen zum Teil
konzernmäßig miteinander verbunden sind, wie auf S.
9 der Klageschrift (Bl. 9 d.A.) dargestellt, und sie ferner jeweils
Rechtsabteilungen im eigenen Betrieb und/oder Konzern unterhalten.
Erstinstanzlich
hat der Berufungsbeklagte als damaliger Kläger behauptet, dass
er selbst infolge von Anfragen anderer f-Mitglieder bzgl. der
Funktionsweise der Software als Umgehungstool für Kopierschutz
bzw. ersten Hinweisen durch diese auf die angebliche
Unzulässigkeit seines Angebots die Internetversteigerung noch
am Abend des 3. Mai 2004 vorzeitig beendet habe. Dies sei geschehen,
nachdem eine Anfrage bei f wegen der unklaren Rechtslage unbeantwortet
geblieben sei. Aus der Korrespondenz mit den anderen f-Mitgliedern
ergebe sich, dass ihm die angebliche Illegalität der Software
damals nicht bewusst gewesen sei, zumal er sie nur zur Erstellung von
Backups genutzt habe.
In
rechtlicher Hinsicht begründe § 95a UrhG richtiger
Auffassung nach keine zivilrechtlichen Ansprüche, auch nicht
aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB. Zudem habe der
Berufungsbeklagte tatbestandlich mangels abgewickelter
Veräußerung (noch) nicht gegen § 95a UrhG
verstoßen. Zunächst falle die
streitgegenständliche Software nicht unter § 95a Abs.
3 UrhG. Es liege ferner weder eine "Werbung", ein "Verkauf" noch ein
"Verbreiten" i.S.d. § 95a Abs. 3 UrhG vor, zumal letztere
Begriffe nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen seien und die
körperliche Überlassung bzw. den Abschluss eines
schuldrechtlichen Vertrages erfordern würden. Die Vorverlegung
des Schutzes der Rechteinhaber durch § 95 a Abs. 3 UrhG
dürfe insgesamt nicht überdehnt werden, auch im
Hinblick auf Art. 103 GG und die flankierenden Strafnormen.
Über den Wortlaut hinaus sei ferner für einen
Verstoß gegen § 95 a Abs. 3 UrhG mindestens grobe
Fahrlässigkeit erforderlich. Solche habe ersichtlich nicht
vorgelegen, zumal technische Schutzvorrichtungen bei nicht
geschützten Werken unzweifelhaft sanktionsfrei umgangen werden
dürfen (etwa für die Nationalbibliothek
o.ä.). Dass die heutigen f-Nutzungsbedingungen Warnhinweise
für den Vertrieb solcher Tools enthalten, sei ohne Belang, da
dies bei der Anmeldung des Berufungsbeklagten bei f unstreitig noch
nicht der Fall war.
Mangels
Verletzungshandlung habe es damit bei der Abmahnung
an der
Wiederholungsgefahr
gefehlt. Da das Angebot abgebrochen war, habe auch
keine Erstbegehungsgefahr bestanden. Letztlich könne aber auch
dies dahinstehen, denn mit Blick auf die Abmahnkosten fehle es an der
"Erforderlichkeit" bzw. am Erfordernis der Entsprechung mit dem
mutmaßlichen Willen des Berufungsbeklagten. Dies folge aus
dem Massencharakter der Abmahnungen,
der stereotypen
Schriftsätze mit bloßen Textbausteinen als
Routineangelegenheit für die einfach gelagerten Sachverhalte,
dem Vorhandensein eigener Rechtsabteilungen bei den
Berufungsklägerinnen und deren Möglichkeit, sich
Musterbriefe fertigen zu lassen bzw. aus § 13 Abs. 5 UWG a.F.
(§ 8 Abs. 4 UWG n.F.). Die Berufungsklägerinnen
hätten den Berufungsbeklagten allenfalls über ihren
Branchenverband IFPI – der hätte tätig
werden können - abmahnen dürfen. Insgesamt liege ein
Missbrauch vor, weil man sich – wie früher
Abmahnvereine – durch Gebühren mitfinanziere. Dies
betreffe gerade die Prozessbevollmächtigten der
Berufungskläger, denen eine Einnahmequelle vom erheblichem
Gewicht verschafft worden sei. Zumindest sei gezielt mit acht
Abmahnenden zur maximalen Verdreifachung der
BRAGO-Erhöhungsgebühren vorgegangen worden. Es
handele es sich um eine missbräuchliche Mehrfachverfolgung.
Insofern behauptet der Berufungsbeklagte, die
Prozessbevollmächtigten der Berufungsklägerinnen
seien auch ohne konkrete Absprache in Eigenregie vorgegangen; die
Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Abmahnung
werde mit
Nichtwissen bestritten.
Der
Kläger hat beantragt,
festzustellen,
dass der von den Beklagten mit Rechnung vom 24, Mai 2004 und 30. Juli
2004 geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 1.113,50 €
nicht besteht.
Die
Berufungsbeklagten haben beantragt,
die
Klage abzuweisen.
Im
Hinblick auf eine von Ihnen nach der Erhebung der negativen
Feststellungsklage vor dem Amtsgericht München erhobene
Leistungsklage auf Zahlung der Abmahnkosten haben sie zunächst
die Zulässigkeit gerügt und den Einwand
entgegenstehender Rechtshängigkeit erhoben. In der Sache
bestehe ferner ein Anspruch aus §§ 97, 95a UrhG bzw.
aus GoA i.V.m. § 95 a UrhG bzw. aus § 823 Abs. 1 BGB
i.V.m. § 95 a UrhG. Bei der Software handele es sich um ein
Programm, bei dem die Umgehungsfunktion im Vordergrund stehe, wie sich
u.a. an der entsprechenden Bewerbung durch die nach Antigua verzogene
Firma T2 (Anlage B 7, Bl. 237 d.A.) zeige. Verstöße
gegen § 95 a UrhG seien für die
Berufungsklägerinnen als Schutzrechtsinhaberinnen auch
zivilrechtlich sanktionierbar. In der Sache liege ein Verstoß
gegen § 95 a Abs. 3 UrhG vor, zumal die Norm nach ihrem
Schutzzweck weit auszulegen sei. So sei bereits das bloße
Angebot ein "Verkauf", zudem liege eine "Verbreitung" vor, weil der
Begriff weiter zu verstehen sei als bei § 17 UrhG und dort das
erfolglose Angebot genüge. § 95a Abs. 3 UrhG sehe
nach dem Gesetz – anders als Abs. 1 der Norm – auch
gerade keinen subjektiven Tatbestand vor, sondern sei ein abstraktes
Gefährdungsdelikt. Darauf komme es jedoch nicht an, denn der
Berufungsbeklagte habe (grob) fahrlässig gehandelt, zumal die
bei Angebotseinstellung geltenden f-Nutzungsbedingungen in Anlage B 4,
Bl. 156 ff. d.A. unstreitig einen Warnhinweis enthielten und nach dem
erstinstanzlich unbestrittenen Vortrag ferner ein Warnhinweis
betreffend den Vertrieb von Umgehungstools mittels des in Anlage B 9,
Bl. 242 d.A. abgebildeten sog. Pop-up-Fensters bei f eingeblendet
wurde. Daneben stellen die Berufungsklägerinnen darauf ab,
dass die entsprechenden Änderungen im Urheberrecht damals
unstreitig im großem Umfang in der Presse und im Internet
diskutiert wurden. Insofern sei insbesondere auch die eigene Bewerbung
des Angebots durch den Berufungsbeklagten als "Allesbrenner" zu
würdigen, wobei unerheblich sei, dass dieser dies nur der
ursprünglichen Produktbeschreibung entnommen haben wolle.
Angesichts
der erfolgten Verletzungshandlung habe bis zur Abgabe der
Unterlassungsverpflichtungserklärung Wiederholungsgefahr
bestanden. Letztlich sei dies aber ohne Belang, da jedenfalls
angesichts der E-Mail in K 11 Erstbegehungsgefahr vorgelegen habe. Den
Berufungsklägerinnen sei im Zeitpunkt der Abmahnung
unbekannt
gewesen, dass der Berufungsbeklagte das Angebot selbst eingestellt habe
– was im Übrigen bestritten werde und sich aus
Anlage K 6 und K 7 nicht ergebe. Die Berufungsklägerinnen
hätten gleich nach Kenntnis vom Angebot über das
VeRi-Programm den Abbruch veranlasst und hätten nicht
fortlaufend die Sache überwachen müssen. Vielmehr
hätte der Berufungskläger auf die Abbruchsmitteilung
mit der dort unstreitig vorhandenen Angabe einer Kontaktadresse die
Berufungsklägerin zu 7) anschreiben müssen.
Der
Abmahnung
liege ein berechtigtes Interesse zugrunde; sie sei keineswegs
nur zur Gebührenerzielung vorgenommen worden –
weshalb man stets auch in solchen Fällen
Gebührenermäßigungen anbiete. Es gehe
primär um das Vereiteln der illegalen Verbreitung verbotener
Umgehungswerkzeuge. Insofern seien den Berufungsklägerinnen
erhebliche wirtschaftliche Schäden durch nicht von §
53 UrhG gedeckte Handlungen entstanden, wobei wegen der Einzelheiten
auf die "Brennerstudie 2004" in Anlage B 10, Bl. 243 d.A. verwiesen
wird. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei dabei auch zur
Rechtsverfolgung erforderlich gewesen, da es nicht originäre
Aufgabe der Berufungsklägerinnen sei,
Rechtsverstöße zu verfolgen und dafür
Personal- wie Sachmittel in eigenen Rechtsabteilungen vorzuhalten.
Zudem sei die Sache – wie das Verfahren belege - wegen der
Komplexität der Fragen des neu eingeführten
§ 95a UrhG keine "einfache" Angelegenheit, so dass mit
Formbriefen etc. allein die Sache nicht hätte zumutbar auch
ohne anwaltliche Beratung verfolgt werden können. Insofern sei
das Vorgehen dann auch nicht rechtsmissbräuchlich; zahlreiche
Verletzungen erforderten auch zahlreiche Abmahnungen.
Die
Gebühren seien schließlich keinesfalls
"hochgetrieben" worden, zumal keine Mehrfachverfolgung vorliege
– die den Berufungsbeklagten noch teurer gekommen
wäre. Auf den Branchenverband IFPI müssten sich die
Berufungsklägerinnen nicht verweisen lassen, zumal diesem
mangels einer urheberrechtlichen Verbandsklagebefugnis die
Aktivlegitimation fehle.
Das
Amtsgericht hat mit Urteil vom 6. April 2005 (Bl. 262 ff. d.A.) der
Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat sich u.a. darauf
gestützt, dass keine der im Tatbestand des § 95 a
Abs. 3 UrhG genannten Tathandlungen vorliege. Eine "Verbreitung" setzte
die tatsächliche Überlassung voraus, der "Verkauf"
umfasse nicht das bloße Anbieten. Auch "Werbung" liege nicht
vor, da eine solche über das bloße Angebot zum
Abschluss eines Vertrages hinausgehe und darauf abziele, die
Entschließung von potentiellen Kunden zu beeinflussen. Im
Übrigen hat das Amtsgericht offen gelassen, ob der
Berufungskläger überhaupt vorsätzlich oder
fahrlässig gehandelt habe, da die bei f gegebenen Warnhinweise
jedenfalls nicht konkret die streitgegenständliche Software
betrafen und der Begriff des "Allesbrenners" ebenfalls nicht zwingend
darauf hindeute. Auch ein Anspruch aus GoA sei nicht gegeben, da keine
Begehungsgefahr bestanden habe. Soweit die
Berufungsklägerinnen einen Abbruch des Angebots durch den
Berufungsbeklagten bestritten hätten, sei dieses Bestreiten
angesichts der vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend. Dann aber
bestehe keine Gefahr mehr, dass der Kläger sich nicht im
Einklang mit dem geltenden Recht verhalten wolle, zumal er die Software
außerhalb von f unstreitig nicht verkauft habe. Seine Email
an f sei ohne Belang. Jedenfalls sei vor diesem Hintergrund die
Abmahnung
nicht im Interesse und mutmaßlichen Willen des
Klägers erfolgt, zumal man vor der Abmahnung
durch einfache
Prüfung den Status des Angebots hätte
überprüfen können.
Das
Urteil des Amtsgerichts ist den Berufungsklägerinnen am 8.
April 2005 zugestellt worden. Die Berufung wurde am 29. April 2005
eingelegt und – nach Fristverlängerung bis zum 23.
Juni 2005 an eben diesem Tage begründet. Die
Berufungsklägerinnen rügen unter Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vortrages die Verletzung materiellen Rechts,
§ 513 Abs.1, 546 ZPO. Das Amtsgericht habe die
Handlungsalternativen des – nach der aktuellen Rechtsprechung
des BVerfG (Beschl. v. 25.7.2005 – 1 BvR 2182/04, Anlage BK
02, Bl. 369 ff. d.A.) verfassungsgemäßen -
§ 95a Abs.3 UrhG mit Blick auf dessen Entstehungsgeschichte
aufgrund der Richtlinie 2001/29/EG verkannt. Der Kläger habe
durch das Einstellen der illegalen Umgehungssoftware "D CD" beim
Internetauktionshaus die Tatbestandsalternativen des Verkaufs bzw. der
Verbreitung erfüllt. Im Hinblick auf eine richtlinienkonforme
Auslegung sei eine weite Auslegung zur Erfassung von
Vorbereitungshandlungen geboten: Bereits das Angebot solcher Software
gefährde die Wirksamkeit technischer
Schutzmaßnahmen, da man ansonsten stets die
"tatsächliche Überlassung" und damit die Weitergabe
des Umgehungswerkzeugs abwarten müsse. Dann jedoch
könne man nicht mehr wirksam gegen den Erwerber vorgehen, da
der private Besitz nicht verboten sei. Insgesamt enthalte § 95
a Abs. 3 UrhG ein umfassendes Verbot aller Handlungen von
Privatpersonen, allein der Besitz zu nicht kommerziellen Zwecken sei
ausgeklammert. Insofern stelle das Angebot jedenfalls auch eine
"Werbung" i.S.d. § 95a Abs. 3 UrhG dar, zumal Werbung als
bloßes Angebot zum Verkauf (sog. invitatio ad offerendum)
noch weit vor einem echten Vertragsangebot stehe.
Darüber
hinaus habe der Kläger – selbst auf Basis der
amtsgerichtlichen Feststellungen - zumindest fahrlässig
gehandelt; wenn ihm die Umgehungsgefahr wegen der Wortwahl
"Allesbrenner" nicht sogar positiv bekannt gewesen sei. Soweit der
Berufungsbeklagte das Vorhandensein eines Warnhinweises im
Pop-up-Fenster erstmals bestreite, sei er damit im Berufungsverfahren
nicht zu hören. Jedenfalls aber hätte nach den
Gesamtumständen zumindest Erstbegehungsgefahr bestanden, da
der Berufungsbeklagte sich nicht hinreichend von seiner Verkaufsabsicht
distanziert habe. Das Vorliegen einer Vollmacht sei
schließlich ebenfalls keine Voraussetzung für eine
wirksame Abmahnung.
Die
Berufungskläger beantragen,
1.
das am 6. April 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts
Köln, Az.: 113 C 463/04 aufzuheben;
2.
die Klage abzuweisen.
Der
Berufungsbeklagte beantragt,
die
Berufung zurückzuweisen.
Der
Berufungsbeklagte vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die von
den Berufungsklägerinnen favorisierte europarechtskonforme
Auslegung greife nicht, weil die Richtlinie nach Art. 6 nur
"angemessenen Rechtsschutz" verlange und damit keine Aussage zu
zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten o.ä. treffe.
Insgesamt wolle die Richtlinie auch nur kommerzielle
Vorbereitungshandlungen erfassen und passe damit nicht auf den
– unstreitig privat handelnden –
Berufungsbeklagten. Auch aus dem nationalen Recht folge nichts anderes.
Jedenfalls fehle es an dem in § 95 a Abs. 3 UrhG
hineinzulesenden Erfordernis grober bzw. bewusster
Fahrlässigkeit. In diesem Zusammenhang hat der
Berufungsbeklagte mit Schriftsatz vom 11. August 2005 (S. 9 = Bl. 338
d.A.) erstmals die Existenz eines Pop-up-Warnhinweises bei f bestritten
bzw. dessen Auftreten beim Berufungsbeklagten.
Mit
nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 8. und 11. November
2005 (Bl. 384 ff. d.A.) hat der Berufungsbeklagte im Nachgang an
richterlichen Hinweise (§ 139 ZPO) im Termin
ergänzend vorgetragen, dass der Begriff der "Werbung"
identisch sei mit dem des Art. 2 Ziffer 1 der Europäischen
Richtlinie 84/450 EWG zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über
irreführende Werbung vom 10.09.1984, also "jede
Äußerung bei der Ausübung eines Handels,
Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von
Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen,
einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und
Verpflichtungen zu fördern" erfasse. Dies umfasse das Handeln
von Nichtunternehmern in keiner Weise. Daran ändere auch die
Tatsache nichts, dass § 95 a Abs. 3 UrhG ansonsten Handlungen
Privater erfasse.
Daneben
hat der Berufungsbeklagte weiterhin das Vorliegen einer
ordnungsgemäßen Bevollmächtigung im
Zeitpunkt der Abmahnung
bestritten, so dass die Abmahnungen
deshalb
missbräuchlich seien, weil die Bevollmächtigten in
eigener Regie tätig würden.
In
der mündlichen Verhandlung haben die Parteien zuvor
übereinstimmend erklärt, dass das amtsgerichtliche
Verfahren in München noch vor der ersten mündlichen
Verhandlung ausgesetzt wurde. Daneben hat der Bevollmächtigte
der Berufungskläger acht Vollmachten überreicht, die
als Anlage zum Protokoll genommen wurden (Bl. 376 ff. d.A.) und dazu
erklärt, dass die Mandate für Abmahnungen
damals
regelmäßig fernmündlich oder per email
erteilt worden seien.
Entscheidungsgründe:
II.
Die Berufung hat vollumfänglich Erfolg, so dass wie tenoriert
zu entscheiden war. Die Berufung ist zulässig, insbesondere
form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch
begründet. Denn das angefochtene Urteil des Amtsgerichts
beruht auf der Verletzung materiellen Rechts (§ 513 ZPO) und
war daher insgesamt abzuändern.
1.
Die vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage war
freilich – wie auch das Amtsgericht zutreffend
gewürdigt hat - nicht bereits unzulässig.
Insbesondere wurde ausweislich der übereinstimmenden
Mitteilungen der Parteien im Termin die von den
Berufungsklägerinnen angestrebte Leistungsklage auf Ersatz der
streitgegenständlichen Abmahnkosten vor dem Amtsgericht
München noch kurz vor der dortigen ersten mündlichen
Verhandlung im Hinblick auf das hiesige Verfahren ausgesetzt.
Könnte damit die dortige Klage wegen § 269 Abs. 1 ZPO
noch einseitig zurückgenommen werden, ist das
Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) des Klägers
für die hiesige negative Feststellungsklage nach den insofern
heute anerkannten Grundsätzen (noch) nicht entfallen (vgl.
BGH, Urt. v. 2. 3. 1999 - VI ZR 71/98, NJW 1999, 2516, 2517; Urt. v.
07.07.1994 - I ZR 30/92, NJW 1994, 3107 f.; Zöller/ Greger,
ZPO, 25. Aufl. 2005, § 256 Rn. 7d). Soweit die
Berufungsklägerinnen sich ferner u.a. in der Klageerwiderung
noch auf den Einwand entgegenstehender Rechtshängigkeit
(§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) wegen der "spiegelverkehrten"
Leistungsklage gestützt haben, greift auch dies nicht. Die
Streitgegenstände sind gerade in solchen Fällen nicht
identisch (vgl. auch etwa die von den Berufungsklägerinnen
insofern selbst zitierte Fundstelle bei Reichold, in: Thomas/Putzo,
ZPO, 26. Aufl. 2004, § 261 Rn. 14) .
2.
Die negative Feststellungsklage ist aber – anders als das
Amtsgericht angenommen hat - unbegründet. Denn den
Berufungsklägerinnen steht nach Auffassung der Kammer bereits
wegen vollendeter Verletzung des § 95 a Abs. 3 UrhG ein
Anspruch auf Ersatz der verlangten Abmahnkosten als sog.
Rechtsverfolgungskosten im Wege des Schadensersatzes aus
§§ 97, 95 a Abs. 3 UrhG bzw. § 823 Abs. 2
BGB i.V.m. § 95 a Abs. 3 UrhG zu. Daneben besteht ein Anspruch
auf Erstattung der Abmahnkosten als "Aufwendungen" i.S.d. §
670 BGB auch über das Rechtsinstitut der
Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB).
Letzteres gilt zudem selbst dann, wenn man die Auffassung der Kammer
nicht teilen würde, dass eine vollendete Verletzung des
§ 95a UrhG vorgelegen hat, da dann zumindest
Erstbegehungsgefahr für eine Verletzungshandlung bestanden
hätte. Bedenken an der Ersatzfähigkeit bestanden
dabei auch nicht unter dem vom Berufungsbeklagten betonten Aspekt der
Rechtsmissbräuchlichkeit und/oder fehlenden "Erforderlichkeit"
der Einschaltung eines Rechtsanwalts, die sowohl bei der Frage der
Ersatzfähigkeit nach den Grundsätzen der GoA als auch
als Teil eines Schadensersatzanspruchs gleichermaßen zu
prüfen ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 6.5.2004 - l ZR
2/03, NJW 2004, 2448).
a)
Anspruch aus § 97 UrhG dem Grunde nach
aa)
Die Kammer geht zunächst davon aus, dass bei einem
Verstoß gegen die durch das Gesetz zur Regelung des
Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. September 2003
(BGBl. I, 1774) geschaffene Regelung des § 95a UrhG, welche in
Abs. 1 die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zum
Schutz eines nach dem UrhG geschützten Werks o.ä.
ohne Zustimmung des Rechtsinhabers verbietet und in Abs. 3 dann
bestimmte Vorbereitungshandlungen zur Umgehung der technischen
Schutzmaßnahmen erfasst, zivilrechtliche
Sanktionsansprüche aus § 97 UrhG in direkter oder
zumindest analoger Anwendung bestehen können. Diese vom
Amtsgericht offen gelassene Frage, ist bisher freilich nicht
abschließend geklärt, mag das
Bundesverfassungsgericht auch im Beschl. v. 25.7.2005 – 1 BvR
2182/04 Rn. 15 offenbar die Anwendung des § 97 UrhG ebenfalls
für möglich halten.
Teilweise
wird aufgrund des auf ein Verbot beschränkten Wortlauts
("dürfen … nicht", "Verboten sind …")
und der systematischer Stellung in Teil 4 des UrhG die Regelung in
§ 95a UrhG nur so gedeutet, dass
Sanktionsmöglichkeiten lediglich durch die Vorschriften des
Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (§§ 108b und
111a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG) gegeben seien (Spieker, GRUR 2004,
475 ff., nur auf § 823 Abs. 2 BGB abstellend auch OLG
München, Urt. v. 28.7.2005 - 29 U 2887/05, BeckRS 2005 10116
für Linkhaftung). Diese restriktive Lesart wird daneben u.a.
darauf gestützt, dass § 95 a UrhG nur mittelbar die
nach dem UrhG geschützten Werke (§§ 2-4
UrhG) und verwandten Schutzrechte, insbesondere die des
Tonträgerherstellers (§§ 85, 86 UrhG), des
Sendeunternehmens (§ 87 UrhG) und des Datenbankherstellers
(§§ 87aff. UrhG) schützt. § 95 a
UrhG diene insofern der "Gesamtheit der Rechteinhaber" und
schütze gerade nicht die jeweiligen Rechteinhaber als Einzelne.
Dies
überzeugt nicht. Entgegen dem Vorbringen der
Berufungsklägerinnen ergibt sich die Möglichkeit
zivilrechtlicher Sanktionierung aber nicht bereits aufgrund einer
richtlinienkonformen Auslegung. Zwar trat am 22. Juni 2001 die am 22.
Mai 2001 erlassene Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen
Parlaments und des Rats zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des
Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der
Informationsgesellschaft in Kraft (ABLEG Nr. L 167 v. 22.6.2001, S.
10). Die Richtlinie setzte die Mehrzahl der Verpflichtungen seitens der
World Intellectual Property Organization aus dem WIPO Copyright Treaty
(WCT) und dem WIPO Performances und Phonograms Treaty (WPPT) auf
Gemeinschaftsebene um (Erwägungsgrund 15). Das galt u.a.
für den Schutz technologischer Schutzmaßnahmen, der
Gegenstand des Art. 6 der Richtlinie ist. Der deutsche Gesetzgeber hat
– wohl angesichts der knappen Umsetzungsfristen –
auf die weitere Ausgestaltung der von der Richtlinie gegebenen
Spielräume weitgehend verzichtet und die europarechtlichen
Vorgaben in § 95 a UrhG nur "möglichst
präzise" und ohne "sprachliche Verdichtung"
übernehmen wollen (BT-Drucks. 15/38, S. 26). Daraus ergibt
sich zwar einerseits, dass eine richtlinienkonforme Auslegung bei der
Auslegung des § 95 a UrhG grundsätzlich von ganz
erheblicher Bedeutung ist (vgl. auch Wandtke/Ohst, in:
Wandtke/Bullinger, UrhR Ergänzungsband 2003, § 95a
Rn. 9). Indes gibt gerade für die hier interessierende Frage
die Richtlinie selbst nichts her: Sie verlangt lediglich einen
"angemessenen Rechtsschutz" (Erwägungsgrund 58 und Art. 8),
während allein den Mitgliedstaaten dessen Verwirklichung durch
Maßnahmen im Zivil-, Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrecht
überlassen wird. Damit ist die Antwort auf die Frage, ob und
wie im Fall der Verletzung des § 95a UrhG auch zivilrechtliche
Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und/oder Schadenersatz
bestehen, nicht im EG-Recht zu suchen (so zutreffend auch Spieker,
GRUR 2004, 474, 476).
Auch
der deutsche Gesetzgeber hat die Problematik im Gesetzgebungsverfahren
nicht eingehender thematisiert. Dass das sog. "Forum der Rechteinhaber"
in einer Stellungnahme zum Regierungsentwurf für ein Gesetz
zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft vom Oktober 2002
selbst ausdrücklich einen abweichenden Wortlaut für
§ 97 Abs. 1 UrhG vorgeschlagen hat ("Wer das Urheberrecht, ein
anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht, ein
Verwertungsverbot oder eine Vorschrift zum Schutz technischer
Maßnahmen und der zur Rechtewahrnehmung erforderlichen
Informationen (§§ 95a, 95c) verletzt ..." (dazu
Pleister/Ruttig, MMR 2003, 763, 765 f. Fn. 26), könnte
– weil dieser Vorschlag gerade nicht aufgegriffen wurde
– im Gegenzug auf den ersten Blick sogar für eine
einschränkende Auslegung ins Feld geführt werden
(vgl. auch Bechtold, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimedia-Recht,
Stand April 2004, Kap. 7.11 Rn. 63). Dies würde aber zu weit
führen: Vielmehr hat der Gesetzgeber, als er bei §
108 b UrhG bestimmte Handlungen ausdrücklich nicht (wie von
der Musiklobby gefordert) umfassend strafrechtlich sanktioniert hat
(BT-Drucks. 15/38, S. 29) wie folgt ausgeführt: "Da
zivilrechtliche Ansprüche – etwa auf Schadenersatz
oder auf Unterlassung – davon unabhängig sind und
unberührt bleiben, führt das auch für diesen
begrenzten Bereich nicht zu einem folgen- oder sanktionslosen Zustand.
Vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips wird damit zugleich
der Zwang zu umfangreichem Tätigwerden der
Strafverfolgungsbehörden vermieden, das weitgehend wenig
erfolgversprechend bliebe und im Hinblick der sich häufig
ergebenden Notwendigkeit von Hausdurchsuchungen in der
Verhältnismäßigkeit nicht unproblematisch
wäre."
Aus
dieser Passage lässt sich nach Auffassung der Kammer ableiten,
dass der nationale Gesetzgeber eine zivilrechtliche
Sanktionsmöglichkeit unausgesprochen vorausgesetzt hat. Es
spricht dann nichts dafür, dass er – weil §
95a UrhG unstreitig kein neues verwandtes Schutzrecht, sondern nur ein
negatives Verbietungsrecht in Ergänzung urheberrechtlicher
Primärbefugnisse schafft – damit nur die Regeln des
allgemeinen Deliktsrechts wie z.B. § 823 Abs. 2 BGB gemeint
hat (so aber wohl noch Diskussionsentwurf, KUR 1999, 157, 174).
Vielmehr spricht alles dafür, dass Ansprüche aus
§ 97 UrhG in unmittelbaren oder zumindest analoger Anwendung
bestehen. Die Kammer schließt sich dabei der insofern wohl
herrschenden Auffassung an (vgl. LG München I, Beschl. v.
28.11.2003 – 21 O 21941/03 und v. 29.1.2004 – 21 O
1735/04; Arlt, MMR 2005, 148, 149 f.; Bechtold, a.a.O.; Hertin,
Urheberrecht 2004, Rn. 226; Wandtke/Ohst, a.a.O., § 95a Rn.
89; Dreier, ZUM 2002, 28, 38; Flechsig, ZUM 2002, 1, 17 f.;
Pleister/Ruttig, MMR 2003, 764, 766; Peukert, in: Loewenheim,
Handbuch des Urheberrechts, 2005, § 82 Rn. 6; Trayer,
Technische Schutzmaßnahmen und elektronische
Rechtewahrnehmungssysteme, Diss. Baden Baden 2003, S. 137 f.;
Fallenböck/Haberler, ecolex 2002, 262, 266; Schmidt/Wirth,
UrhG-HandKomm 2004, § 95a Rn. 1, 11). Systematisch kann man
dies (entgegen Spieker, GRUR 2004, 475, 480 f.) insbesondere darauf
stützen, dass etwa auch für § 96 UrhG trotz
dessen systematischer Stellung ebenfalls im 4. Teil des UrhG allgemein
anerkannt ist, dass diese Norm ein "nach diesem Gesetz
geschütztes Recht" i.S.d. § 97 UrhG ist (BGH, Urt. v.
14.11.1985 - I ZR 68/83, GRUR 1986, 454 f. - Bob Dylan; Urt. v.
18.02.1993 - I ZR 71/91, GRUR 1993, 550, 553 - The Doors;
Schricker/Wild, UrhG, 2. Aufl. 1999, § 97 Rn. 6). Trotz des im
Vergleich zu § 96 UrhG anderen Normzwecks kann dann auch
für § 95 a UrhG letztlich nichts anderes gelten, so
dass sich daraus Unterlassungsansprüche und
Schadensersatzansprüche herleiten lassen. Hinsichtlich
letzterer sind jedenfalls Rechtsverfolgungskosten unproblematisch
ersatzfähig; dass der einzelne Nutzungsrechtsinhaber bei
§ 95 a Abs. 3 UrhG keinen Schadensersatz im Wege der
Lizenzanalogie verlangen kann, dürfte hingegen auf der Hand
liegen (A.A. wohl Dreyer, in: Dreyer/Kothoff/Meckel, Urheberrecht
2004, § 95a Rn. 45).
bb)
Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des §
95a UrhG bestehen im Nachgang an BVerfG, Beschl. v. 25.7.2005
– 1 BvR 2182/04 und OLG München, Urt. v. 28.7.2005 -
29 U 2887/05, BeckRS 2005 10116 und entgegen Stimmen aus dem Schrifttum
(Ulbricht, CR 2004, 674, 679; differenzierend
Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, 767, 773) nicht. Die
Vorschrift hat zum Zweck, die Verletzung von Urheberrechten durch
illegale Vervielfältigungen zu erschweren (BT-Drucks. 15/38,
S. 26) und verfolgt damit ein unter Verfassungsgesichtspunkten
legitimes Anliegen. Denn die Befugnis zur wirtschaftlichen Verwertung
urheberrechtlich geschützter geistiger Leistungen wird als
vermögenswertes Recht von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG
erfasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28. 5. 1999 - 1 BvR 77/99, NJW 1999,
2880, 2881). Mit den §§ 95a, 95b UrhG, denen ein
Interessenausgleich zwischen den Beteiligten zugrunde liegt (BT-Drucks.
15/38, S. 26 f.), ist ein verfassungswidriger Eingriff in die
Informationsfreiheit der Nutzer, in die Rechte der Eigentümer
kopiergeschützter Medien bzw. in die Berufsfreiheit und
Eigentumsrechte nicht verbunden, zumal etwaige Konfliktlagen zwischen
den betroffenen Grundrechtspositionen ggf. im Einzelfall im Wege
verfassungskonformer Auslegung bewältigt werden
können (BVerfG, Beschl. v. 25.7.2005 – 1 BvR 2182/04
und sogleich).
cc)
Die Berufungsklägerinnen sind aktivlegitimiert. Bei dem
Umgehungsschutz nach § 95a UrhG handelt es sich nicht um ein
neues Leistungsschutzrecht, sondern um ein die urheberrechtlichen
Ausschließlichkeitsrechte "flankierendes" Recht (vgl.
Wandtke/Ohst in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 95a Rdnr. 4).
Dieser kommt den Inhabern solcher Rechte zugute, die sich wirksamer
technischer Schutzmaßnahmen i.S. von § 95a I UrhG
bedienen (vgl. auch OLG München, Urt. v. 28.7.2005 - 29 U
2887/05, BeckRS 2005 10116). Dies gilt auch für die
Berufungsklägerinnen als Inhaber von Rechten aus
§§ 85, 94 UrhG
dd)
Die streitgegenständliche Software unterfällt -
entsprechend den zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts
– auch der Regelung des § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG
(Vorrichtung, die "hauptsächlich entworfen, hergestellt,
angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer
Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern"). Das
diesbezügliche Bestreiten des Berufungsbeklagten war zu
unsubstantiiert. Ferner greift angesichts der diesbezüglichen
von Seiten der Berufungsklägerinnen vorgelegten
Herstellerwerbung durch die nach Antigua verzogene Firma T2 (Anlage B
7, Bl. 237 d.A.) ergänzend zweifellos auch § 95 a
Abs. 3 Nr. 1 UrhG ("Gegenstand einer Verkaufsförderung,
Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer
technischer Maßnahmen"). Brennersoftware wie die
streitgegenständliche Software war gerade Anlass der Schaffung
der gesetzlichen Regelung und ist daher unter § 95a Abs. 3
UrhG zu subsumieren (vgl. auch OLG München, Urt. v. 28.7.2005
- 29 U 2887/05, BeckRS 2005 10116; Peukert, in: Loewenheim, Handbuch,
a.a.O., § 34 Rn. 19 a.E.; Wandtke/Ohst, a.a.O., § 95
a Rn. 85 a.E.).
ee)
Der Berufungsbeklagte hat durch sein Angebot auf der Internetplattform
f auch gegen § 95 a Abs. 3 UrhG verstoßen. Dies
folgt insbesondere – entgegen dem Vortrag des
Berufungsbeklagten – daraus, dass § 95 a UrhG nach
seinem Wortlaut auch (sei es einmalige und unentgeltliche) private
Handlungen erfasst und allein der privaten Besitz (in Abgrenzung zu dem
"der gewerblichen Zwecken dienenden Besitz") ausgenommen wird (vgl.
auch Pleister/Ruttig, MMR 2003, 763, 764; Peukert, a.a.O., §
34 Rn. 18). Diese Lesart folgt ferner auch aus Art. 6 Abs. 2 der
Richtlinie, bei der die Qualifikation "zu gewerblichen Zwecken" im
Gegenschluss auch aus Erwägungsgrund 49 ebenfalls allein auf
das Tatbestandsmerkmal "Besitz" zu beziehen ist.
(1)
Zuzugeben ist dem Berufungsbeklagten allerdings, dass neben der
ersichtlich ausscheidenden Tathandlungen "Herstellung", "Einfuhr" und
"Vermietung" entgegen dem Vorbringen der Berufungsklägerinnen
hier kein Fall der "Verbreitung" oder des "Verkauf" i.S.d. §
95 a Abs. 3 UrhG vorlag. Insofern hat das Amtsgericht aus Sicht der
Kammer mit Recht darauf abgestellt, dass ein "Anbieten" noch keinen
"Verkauf" darstellt. Die Gesetzesbegründung erläutert
die Tatbestandsalternative zwar nicht. Soweit sich die
Berufungsklägerinnen für ihre gegenteilige Lesart auf
Wandtke/Ohst, a.a.O., § 95 a Rn. 75 stützen, der
Verkauf als "den Vorgang des Anbietens der Vorrichtung, des
Erzeugnisses oder des Bestandteils auf dem Markt und des Abschlusses
von Kaufverträgen nach §§ 433 ff. BGB (vgl.
Palandt/Putzo Einf v § 433 BGB Rn. 1 ff.)" beschreibt,
überzeugt dies aber nicht. Ungeachtet der Tatsache, dass das
dortige Zitat auf Palandt ersichtlich nicht weiterführt,
verbietet der Wortlaut – auch in Abgrenzung zum nachstehend
zu erörternden Begriff der "Werbung" eine derart weite
Auslegung. Auch aus dem Schutzzweck der Norm ergibt sich hier nichts
anderes, zumal bei Erstbegehungsgefahr durchaus auch präventiv
vorgegangen werden könnte und die die Befürchtungen
der Berufungsklägerinnen, die Verbotsnorm würde zu
einem zahnlosen Tiger nicht nachvollziehbar sind. Nach richtiger und
mit dem Wortlaut allein zu vereinbarender Auffassung setzt ein
"Verkauf" den Abschluss eines schuldrechtlichen Geschäfts
voraus (vgl. Dreyer, in: Dreyer/Kotthoff/Meckel, a.a.O., §
95a Rn. 70 und wohl auch Peukert, § 34 Rn. 21). Eine
über den Wortlaut hinausgehende Auslegung auf schlichte
Verkaufsbemühungen, wie sie teilweise etwa für die
Fälle des "Absetzens" in § 259 StGB gefordert wird
(zum Streitstand Stree, in: Schönke/Schröder,
Strafgesetzbuch, 26. Auflage 2001, § 259 Rn. 32), erscheint
der Kammer ebenfalls nicht geboten.
Auch
soweit das Amtsgericht ein "Verbreiten" mangels tatsächlicher
Überlassung der Software verneint hat, ist auch dem
beizupflichten. Dass dabei vom Amtsgericht u.a. auf § 17 UrhG
verwiesen wurde, ist freilich missverständlich. Denn dort
genügt gerade auch ein fruchtloses Angebot – wie im
vorliegenden Fall im Internet – durchaus bereits (vgl. BGH,
Urt. v. 13.12.1990 - I ZR 21/89 BGHZ 113, 159, 163). Eine solche Lesart
ist aber auf § 95 a UrhG nicht zu übertragen. Zwar
finden sich auch in der Literatur zu § 95a UrhG teilweise
Verweise auf § 17 UrhG (Wandtke/Ohst, a.a.O., § 95a
Rn. 74), doch ist der Begriff "Verbreiten" ausweislich der
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/38, S. 26) von dem auf
körperliche Werkstücke beschränkten
Verbreitungsrecht des § 17 UrhG gerade zu unterscheiden. Dies
meint nicht etwa nur, dass eben auch unkörperliche
"Verbreitungen" zu erfassen seien und ansonsten das zu 3 17 UrhG
Anerkannte gelte. Da der Begriff vielmehr ersichtlich der Richtlinie
(Art. 6 Abs. 2) entnommen wurde, spricht nichts für eine
solche unmittelbare Anlehnung an die deutsche Terminologie in
§ 17 UrhG. "Verbreitung" ist nach Sinn und Zweck des
§ 95a UrhG und der zugrundeliegenden Richtlinie vielmehr als
jede vorübergehende oder dauernde Weitergabe von
Umgehungsmittel zu verstehen, also etwa eine Leihe oder Schenkung (vgl.
Peukert, a.a.O. § 34 Rn. 21 und ähnlich Dreyer, in:
Dreyer/Kotthoff/Meckel, a.a.O., § 95a Rn. 65 f.).
(2)
Indes hat das Amtsgericht zu Unrecht das Vorliegen der
Tatbestandsvariante "Werbung im Hinblick auf Verkauf" i.s.d. §
95 a Abs. 3 UrhG verneint. Das Amtsgericht hat unzutreffend darauf
abgestellt, dass für Werbung "mehr als ein Angebot"
erforderlich sei. Dies überzeugt nach Auffassung der Kammer
schon deshalb nicht, als - ungeachtet der genauen rechtlichen
Einordnung einer Angebotseinstellung bei f (dazu zusammenfassend
Deutsch, MMR 2004, 586 ff.) ein derartiges Angebot an die
Öffentlichkeit zumindest im Wege des Erst-Recht-Schlusses der
"Werbung" gleichzustellen ist. Dies gilt umso mehr, als es sich auf dem
"Marktplatz" f mit der werbenden Produktbeschreibung ganz unzweifelhaft
an eine theoretisch weltweite Öffentlichkeit richtet und
gerade der Anregung zur Abgabe von Kaufangeboten zu dienen bestimmt ist.
Die
Kammer verkennt dabei nicht, dass für die Auslegung des
Begriffs der "Werbung" – der eine Entsprechung in Art. 6 Abs.
2 der Richtlinie findet – bisher allgemein auf die Definition
in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie des Rates vom 10.09.1984 zur Angleichung
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten
über irreführende Werbung abgestellt wird (vgl.
Dreyer, aaO § 95a Rn. 76, 89). Werbung bedeutet danach "jede
Äußerung bei der Ausübung eines Handels,
Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von
Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen,
einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte oder
Verpflichtungen zu fördern"" (so auch OLG München,
Urt. v. 28.7.2005 - 29 U 2887/05, BeckRS 2005, 10116). Werbung zielt
also – mit anderen Worten - auf die freie
Entschließung des Kunden, die angebotenen Vorrichtungen oder
Bestandteile von Erzeugnissen zu kaufen (Wandtke/Ohst, a.a.O.,
§ 95 a Rn. 77). Wäre dies zutreffend, wären
– worauf der Berufungsbeklagte folgerichtig verweist -
Angebote Privater wohl nicht zu erfassen.
Indes
überzeugt eine solche Lesart keinesfalls: Zwar haben sich
weder der europäische noch der nationale Gesetzgeber offenbar
verstärkte Gedanken über die Tatbestandsalternativen
gemacht. Ist man sich aber – wie anfangs gesagt –
einig, dass grundsätzlich alle Handlungen Privater erfasst
werden und nur der private Besitz von Umgehungstools nicht, ist es
logischerweise systematisch allein konsequent, auch "private Werbung"
zu erfassen und damit gerade auch den streitgegenständlichen
Fall. Dass die Richtlinie sich hier an die Definition der "Werbung" in
einer auf einen ganz anderen Schutzzweck gerichteten Richtlinie bezogen
haben soll, ist bei verständiger Würdigung und unter
Heranziehung der üblichen Auslegungsmethoden keinesfalls
zwingend und folgt insbesondere nicht aus den
Erwägungsgründen der Richtlinie und deren
Entwicklung. Zwar mag der europäische wie auch der nationale
Gesetzgeber die eigentliche Gefahr für die Urheber nicht in
den Umgehungshandlungen Privater, sondern in den vorbereitenden
Handlungen der kommerziellen Unternehmen gesehen haben (vgl. auch
Wandtke/Ohst, a.a.O., § 95 a Rn. 67). Indes wurde
systematisch bewusst nur der private Besitz ausgeklammert (vgl.
Erwägungsgrund 49 der Richtlinie). Dass dann aber auch
– ohne dass dies im Wortlaut zum Ausdruck kommt - die
Tatbestandshandlung der "Werbung" nur auf kommerzielle Anbieter
beschränkt sein soll, ist – verfolgt man die in der
Richtlinie zu Beginn dargestellte europäische
Gesetzgebungsgeschichte im Einzelnen nach - der Kammer gerade nicht
ersichtlich. Eine Erstreckung des Schutzes auch auf "private Werbung"
erscheint schließlich auch aus Schutzzweckerwägungen
heraus geboten: Gerade weil der private Besitz nicht sanktioniert wird
und gerade weil man dann u.U. weitgehende
Vervielfältigungshandlungen privater Erwerber oft nicht mehr
nachvollziehen kann, spricht vieles dafür, die Verbreitung
solcher Tools auch bereits im Vorfeld an Private möglichst
effektiv zu verhindern. Dann aber muss gerade auch ein Anbieten an die
Öffentlichkeit wirkungsvoll unterbunden werden
können, da nach erfolgter Veräußerung der
Erwerber des Tools regelmäßig nicht mehr zur Haftung
gezogen werden können wird und ein Vorgehen gegen den
Veräußerer nach erfolgter
Veräußerung die eingetretene Weiterverbreitung des
Tools nicht mehr rückgängig zu machen vermag.
ee)
Soweit sich der Berufungsbeklagte wegen der strafrechtlichen Sanktionen
auf Art. 103 GG beruft, ist dies nicht von Interesse, da es gerade
nicht um eine strafrechtliche Verurteilung geht. Nichts anders gilt,
soweit das BVerfG den Instanzgerichten eine verfassungskonforme
Auslegung der Vorschrift nahegelegt hat: Selbst wenn man Stimmen im
Schrifttum folgen wollte, die aus verfassungsrechtlichen
Gründen eine einschränkende Auslegung von §
95a Abs. 3 UrhG dahingehend befürworten, dass die Herstellung,
der Vertrieb und die Werbung derjenigen Erzeugnisse gestattet sei, mit
denen im Wesentlichen nur Privatkopien hergestellt werden (vgl.
Holznagel/Brüggemann, MMR 2003, 767, 772), hinderte dies eine
Verurteilung hier nicht. Es ist ersichtlich, dass die Software nur
diesen Bereich abdeckt, da sie nach ihrer Bewerbung mindestens ebenso
zur Anfertigung illegaler Vervielfältigungen verwendbar ist.
Soweit der Berufungsbeklagte damit argumentiert, dass manche Kopien
auch unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen legal zu
vervielfältigen sind, verkennt er, dass sein Angebot keinerlei
Beschränkungen und/oder Belehrungen enthielt und sich an einen
beliebigen Nutzerkreis richtete. Zudem ist die Verfolgung der Zwecke
des Handelnden bei § 95 a Abs. 3 UrhG nach richtiger Ansicht
wohl grundsätzlich unbeachtlich, selbst wenn er
ausschließlich privilegierte Nutzungen erreichen
möchte (Peukert, a.a.O., § 34 Rn. 27 a.E.).
ff)
Allerdings ergibt sich für die Kammer in verfassungskonformer
Auslegung des § 95 a Abs. 3 UrhG, dass in die Vorschrift
grundsätzlich ein subjektives Tatbestandsmerkmal hineinzulesen
ist. Dies ist vorliegend aber ohne Bedeutung, da der Berufungsbeklagte
aus Sicht der Kammer zumindest fahrlässig gehandelt hat und
dies genügt.
(1)
Aufgrund der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 95
a Abs. 3 UrhG ist ein fahrlässiges Verhalten des Betroffenen
zu verlangen. Die Kammer folgt insofern nicht den Stimmen, die im
Einklang mit dem Wortlaut – und im Gegensatz zum Verbot von
Umgehungsmaßnahmen in § 95a Abs. 1 UrhG –
keinerlei zusätzlichen subjektiven Merkmale verlangen und die
Norm als "Tatbestand der Gefährdungshandlung" verstehen
(Spindler,
GRUR 2002, 105, 116 und Peukert, in: Loewenheim, Handbuch,
a.a.O., § 35 Rn. 29, § 82 Rn. 7 Fn. 23, welcher
jedoch widersprüchlich feststellt, das Fehlen subjektiver
Anforderungen werde durch die einschränkenden objektiven
Merkmale in Nrn. 1-3 abgemildert, die eine entsprechende Zwecksetzung
des Handelns implizieren, vgl. § 95a Abs. 3 Nr. 1 "mit dem
Ziel" und Nr. 2 "Zweck"). Aus grundrechtlichen Gründen muss es
auch in § 95a Abs. 3 UrhG darauf ankommen, ob der Handelnde
fahrlässig im Hinblick auf die Umgehung von
Maßnahmen zum Schutz urheberrechtlicher Befugnisse
tätig war, zumal es sich um Vorbereitungshandlungen handelt,
die in der deutschen Gesetzgebung auch sonst einen entsprechenden
subjektiven Tatbestand voraussetzen (§§ 80, 83, 86,
87 Abs. 1, 234a Abs. 3, 275, 316c Abs. 4 StGB). Dabei ist allerdings
nicht so weit zu gehen, dass man gar grobe oder bewusste
Fahrlässigkeit verlangt und die Norm damit ersichtlich leer
laufen lässt, indem man einen durch den Geschädigten
zu führenden Nachweis positiver Kenntnis des angeblichen
Verletzers vom Verbotstatbestand in der Zeit sogleich nach
Inkrafttreten der neuen Regelungen verlangt (so aber Spieker, GRR
2004, 475, 479, 482). Dies führt – weil
Rechtsunkenntnis im Zweifel nicht schadet – entschieden zu
weit.
(2)
Dass der Berufungsbeklagte nicht vorsätzlich gehandelt hat,
ergibt sich dann zur Überzeugung der Kammer schon aus dem
vorgelegten Emailverkehr. Dass er jedoch dennoch zumindest
fahrlässig agierte, ergibt sich bereits aus dem
erstinstanzlich unbestritten gebliebenen Vortrag, dass es bei f damals
entsprechende Warnhinweise in Pop-up-Fenstern gab. Hier hätte
der Berufungsbeklagte dann ggf. im Vorfeld Erkundigungen einholen
müssen. Soweit der Berufungsbeklagte diese Warnhinweise
zweitinstanzlich erstmals in Zweifel gezogen hat, wird er damit nach
§ 531 Abs. 2 ZPO nicht gehört. Ferner stützt
sich die Kammer auf die unstreitige Presseberichterstattung etc. zum
damaligen Zeitraum, die im übrigen der Kammer selbst noch aus
eigener Anschauung bekannt ist. Hinreichende Umstände
dafür, dass diese Umstände dem Berufungsbeklagten
ohne dessen Verschulden nicht bekannt gewesen sein sollen und dass es
ihm ferner unzumutbar gewesen sein soll, zu erkennen, dass sein
"Allesbrenner" davon erfasst ist, sind aber weder vorgetragen noch
ersichtlich. Angesichts dessen lag dann zugleich auch ein Verschulden
i.S.d. § 97 UrhG vor, so dass der Ersatzanspruch dem Grunde
nach besteht.
b)
Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 95 a UrhG dem
Grunde nach
Aus
ähnlichen Erwägungen besteht ein paralleler Anspruch
aus § 823 Abs. 2 BGB, da nach Auffassung der Kammer §
95 a Abs. 3 UrhG ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist.
Die gegenteiligen Literaturstimmen (Spieker, GRUR 2004, 475, 481 f.
wegen des nur mittelbaren Schutzes der Urheber) überzeugen
– entsprechend dem oben zu a) aa) Gesagten - nicht (wie hier
auch Dreyer, a.a.O., § 95a Rn.44 sowie wohl auch OLG
München, Urt. v. 28.7.2005 - 29 U 2887/05, BeckRS 2005 10116).
c)
Anspruch aus GoA dem Grunde nach
Daneben
sind die Abmahnkosten dem Grunde nach zugleich über das
Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag zu
ersetzen. Denn derjenige, der vom Störer die Beseitigung einer
Störung bzw. Unterlassung verlangen kann, hat nach
ständiger Rechtsprechung im Urheberrecht
grundsätzlich über dieses Institut einen Anspruch auf
Ersatz seiner Aufwendungen (§ 670 BGB), soweit er bei der
Störungsbeseitigung hilft und im Interesse und im Einklang mit
dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Störers
tätig wird. Die gesetzliche Sonderregelung in § 12
Abs. 1 S. 2 UWG schließt außerhalb des
Wettbewerbsrechts den Ersatz von Abmahnkosten über den
vorgenannten Weg nicht aus. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit §
12 UWG nur die Grundsätze nochmals ausdrücklich
anerkannt, die zuvor die Rechtsprechung zum Anspruch auf Erstattung der
Abmahnkosten im Rahmen der Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen bereits entwickelt hatte (vgl.
Bornkamm, in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004
§ 12 Rn 1.77 f. 1.85 ff.).
Aufgrund
der Ausführungen oben zu a) lag hier eine vollendete
Verletzungshandlung vor. Diese Erstverletzung begründet nach
allgemeiner Ansicht im Wege der Vermutung die für das Bestehen
eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr
(vgl.
statt aller Vinck, in: Loewenheim, Handbuch, a.a.O., § 81 Rn.
23). Zwar steht zur Überzeugung der Kammer im Anschluss an die
überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts fest,
dass der Berufungsbeklagte selbst das Angebot vorzeitig beendet hat, da
der Vortrag der Berufungsklägerinnen insofern angesichts
Anlage K 7, Bl. 20 d.A. zu unsubstantiiert ist, mag auch Anlage K 6,
Bl. 19 d.A. handschriftlich ergänzt und wenig
aussagekräftig sein.
Dieses
bloße Einstellen der Verletzungshandlung genügt aber
hier nicht, die Wiederholungsgefahr
entfallen zu lassen. Vielmehr ist
dafür nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich die
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung erforderlich,
die hier erst im Nachgang an die Abmahnung
abgegeben wurde.
Hinreichende Gründe dafür, dass hier ausnahmsweise
auch ohne Abgabe einer solchen Erklärung die
Wiederholungsgefahr
hätte entfallen können, sind
nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Berufungsbeklagte im Nachgang
an die VeRi-Nachricht nicht selbst geeignete Schritte unternommen.
4.
Hilfserwägung: Anspruch aus GoA dem Grunde nach selbst bei
unterstellter Nichtverletzung des § 95a Abs. 3 UrhG
Zuletzt
bestünde ein entsprechender Anspruch jedenfalls aus GoA nach
Auffassung der Kammer selbst dann, wenn man der hier vertretenen
Ansicht nicht folgen würde und annehmen würde, das
Internetangebot verletze noch nicht § 95 a UrhG.
Denn
dann hätte – entgegen den Auffassungen des
Amtsgerichts – im Zeitpunkt der Abmahnung
zumindest
Erstbegehungsgefahr für einen "Verkauf" i.S.d. § 95 a
Abs. 3 UrhG bestanden, so dass sich daraus ein entsprechender
Unterlassungsanspruch aus § 97 UrhG bzw. §§
1004, 823 Abs. 2 BGB hätte ableiten lassen. Dass –
wie gezeigt – davon auszugehen ist, dass der
Berufungsbeklagte selbst sein Angebot abgebrochen hat, genügt
dafür nicht. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist
insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der
Berufungsbeklagte in der Email in Anlage K 11 weiterhin deutlich im
Recht gefühlt hat und betont hat, man könne ihm ein
solches Tun nicht verbieten. Richtig ist zwar, dass die
Berufungsklägerinnen davon keine Kenntnis hatten (und vielmehr
unstreitig von einem fortbestehenden Angebot ausgingen und sich nur vor
der Abmahnung
nicht mehr über dessen Fortbestand
vergewisserten). Indes muss der Berufungsbeklagte sich an diesem
Berühmen festhalten lassen, zumal f beim (versuchten) Abbruch
des Angebots im Rahmen des VeRi-Programms gerade auch im Namen und
Auftrag der Berufungsklägerin zu 7) handelte. Es entspricht
ständiger Rechtsprechung des BGH, dass Erstbegehungsgefahr
begründet, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte
Handlungen vornehmen zu dürfen. Dies gilt
grundsätzlich auch dann, wenn eine solche Berühmung
im Rahmen der Rechtsverteidigung erfolgt, da die Lebenserfahrung
dafür spricht, dass die Verteidigung einer bestimmten
Handlungsweise jedenfalls auch den Weg zu ihrer (beabsichtigten)
künftigen Fortsetzung eröffnen soll. Besteht eine
solche Absicht nicht, ist es Sache des Verletzers, diese
ausschließliche Zielsetzung zweifelsfrei deutlich zu machen
(vgl. BGH, Urt. v. 06.10.1994 - I ZR 155/90, GRURInt 1995, 503, 505;
BGH, Urt. v. 16. 1. 1992 - I ZR 20/90, GRUR 1992, 404, 405 -
Systemunterschiede ; Urt. v. 19. 3. 1992 - I ZR 166/90, GRUR 1993, 53,
55 - Ausländischer Inserent ; Urt. v. 7. 5. 1992 - I ZR
119/90, GRUR 1992, 618, 619 - Pressehaftung II). Die
Erstbegehungsgefahr und damit der Unterlassungsanspruch entfallen dann
nur mit der Aufgabe der Berühmung, die in der
uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung liegt,
dass die beanstandete Handlung in Zukunft nicht vorgenommen werde. Eine
solche Erklärung hat der Berufungsbeklagte vor der Abmahnung
– wie Anlage K 11 zeigt - gerade nicht abgeben wollen.
Berücksichtigt man dann noch, dass ein bloßes
Einstellen von Vorbereitungshandlungen nicht für die
Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt (Lütje,
in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Auflage 2000, § 97 Rn.
133), lag damit hier jedenfalls noch Erstbegehungsgefahr vor. Dass die
CD mit der Software dann erst nach der Abmahnung
vernichtet werden
soll, ist ebenfalls weder vorgetragen noch ersichtlich.
Angesichts
der somit fortbestehenden Unterlassungsansprüche bestehen dann
– entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – auch
keine Bedenken daran, dass die Abmahnung
im mutmaßlichen
Willen und Interesse des Berufungsbeklagten erfolgte.
5.
Anspruch der Höhe nach
Den
Berufungsklägerinnen steht der geltend gemachte Anspruch auch
der Höhe nach zu. Sowohl für die
Schadensersatzansprüche als für Ansprüche
aus GoA war von Bedeutung, dass der Abmahnende nicht selbst
über hinreichende eigene Sachkunde und Möglichkeiten
zur zweckentsprechenden Verfolgung eines unschwer zu erkennenden
Verstoßes verfügen darf, da die Einschaltung eines
Rechtsanwalts dann ggf. nicht "erforderlich" i.S.d. § 670 BGB
sein kann (BGH, Urt. v. 6.5.2004 - l ZR 2/03, NJW 2004, 2448) bzw, in
solchen Fällen auch unter schadensersatzrechtlichen
Grundsätzen eine Ersatzfähigkeit als Teil des
Schadens fehlt (BGH, a.a.O.).
a)
Greifen kann dieser Aspekt freilich in Ausnahmefällen, in
denen standardmäßig immer nur ein und derselbe
Verstoß ganz routinemäßig für den
einzigen Berechtigten mittels "Textbausteinen" abgemahnt wurde (vgl.
für die routinemäßige Abmahnung
des
Vertriebs des "ftp-Explorers" in Serienabmahnungen OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2001 -
20 U 194/00, NJW-RR 2002, 122;
ähnlich AG Bad Kreuznach, Urt. v. 15. 4. 1999 - 2 C 1586/98,
NJWE-WettbR 1999, 207; auch hier restriktiver mit gutem Grund aber OLG
Hamm, Urt. v. 15.5.2001 – 4 U 33/01, MMR 2001, 611: Viele
einzelne Verstöße fordern auch viele Abmahnungen
heraus). Vorliegend greift dieser Aspekt nach Auffassung der Kammer -
auch unter Berücksichtigung der unstreitig massenhaft
gleichgelagerten Fälle und der über
Internetsuchmaschinen für sich genommen relativ leicht zu
ermittelnden Verstöße durch die User –
schon deshalb nicht, als es sich gerade nicht nur um einen einfach
gelagerten Streitfall handelt. Dies zeigt schon das nunmehr
zweitinstanzliche Verfahren eindringlich. Es werden hier zwar weniger
Tatsachenfragen, aber eben immerhin Rechtsfragen mit einem
Schwierigkeitsgrad relevant, die auch ein Volljurist in einer
Tonträgerfirma nicht sicher beherrschen wird und nach
Auffassung der Kammer auch nicht beherrschen muss. Angesichts der
unklaren gesetzlichen Grundlagen dieser Vorschrift war dann auch ein
Abmahnen ohne anwaltliche Hilfe den Berufungsklägerinnen nicht
zuzumuten. Dass es dabei um Hunderte ähnlicher Fälle
ging, rechtfertigt aus Sicht der Kammer keine andere Betrachtungsweise,
da die Rechtsfragen gleichwohl komplex blieben und viele
Einzelverletzungen dann eben nur viele Abmahnungen
herausfordern (vgl.
OLG Hamm a.a.O.). Die Kammer verkennt nicht, dass den
Entscheidungsgründen der - selbst nur zu dem ganz engen
Ausnahmefall einer Selbstbeauftragung eines Rechtsanwalts zur
Verfolgung (ausgerechnet) eines Verstoßes gegen die
Berufsordnung der Rechtsanwälte ergangenen - Entscheidung BGH,
Urt. v. 6.5.2004 - l ZR 2/03, NJW 2004, 2448 vielfach der allgemeine
Grundsatz entnommen wird, dass bei Unternehmen mit einer eigenen
Rechtsabteilung, die damit (theoretisch) in der Lage sind, typische
Verstöße ohne anwaltlichen Rat zu erkennen, ein
Ersatz von Abmahnkosten ausscheiden soll (vgl. etwa Köhler,
in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 9
Rn. 1.29 und ähnlich zuvor bereits AG Kaiserslautern, Urt. v.
16.4.2004 - 3 C 2565/03, GRUR-RR 2005, 39). Die Entscheidung des BGH
liegt indes nach Auffassung der Kammer (vgl. auch bereits Urteil vom
20. Juli 2005 – 28 S 2/05) nur auf der Linie der zu Recht
zurückhaltenden Rechtsprechung zu Fachverbänden mit
eigener und gerade zur satzungsgemäß gebotenen
Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Kern bereits
bestimmter Rechtsabteilung (vgl. BGH, Urt. v. 12.04.1984 - l ZR 45/82,
GRUR 1984, 691 m. Anm. Jacobs). Sie ist ferner aus
Billigkeitsgründen speziell bei einer Abmahnung
durch selbst
sachkundige Anwälte nach einer Selbstbeauftragung in
Berufsrechtsfragen zutreffend und überzeugend (vgl. auch LG
Aachen, Urt. v. 24.02.1987 - 41 S 10/86, NJW-RR 1987, 1326).
Indes
lässt sich - im Einklang mit den Erwägungen des OLG
Karlsruhe im Urt. v. 8.11.1995 - 6 U 57/95, NJW-RR 1996, 748 - diese
restriktivere Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf das durch das
Marktverhalten unmittelbar betroffene kaufmännische
Unternehmen - und damit auch die Berufungsklägerinnen -
übertragen. Richtig ist, dass sich ein Fachverband, der sich
die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zur Aufgabe
gesetzt hat, mit den zur Erfüllung seines Verbandszwecks
erforderlichen Mitteln versehen muss. Überzeugend ist auch,
dass ein sachkundiger Anwalt selbst Verstöße gegen
seine eigene Berufsordnung selbst und ohne Anfall von Gebühren
abmahnen kann. Für ein am Wettbewerb teilnehmendes Unternehmen
gehört dagegen die Beurteilung des Verhaltens eines anderen
und die Verfolgung von Wettbewerbs- und/oder
Schutzrechtsverstößen keineswegs zu seinen ureigenen
unternehmerischen Aufgaben. Auch wenn ein solches Unternehmen
über einen oder mehrere als Volljuristen ausgewiesene
Mitarbeiter verfügt, ist damit keineswegs gesagt, dass es
diese Mitarbeiter auch mit der - möglicherweise
äußerst zeitaufwendigen - Bearbeitung von
urheberrechtlichen Streitigkeiten beauftragt. Denn durch den Einsatz
eines - möglicherweise für andere Aufgaben im
Unternehmen benötigten - Mitarbeiters wird der eigene
wirtschaftliche Erfolg, den ein kaufmännisch tätiges
Unternehmen bei allen betrieblichen Entscheidungen - anders als ein
Verband zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen - im
Auge behalten muss, nicht unmittelbar gefördert. Daraus, dass
ein Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung
verfügt, kann daher gerade nicht ohne weiteres der Schluss
gezogen werden, die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sei nicht
erforderlich. Auch unter Berücksichtigung von § 254
Abs. 2 S. 1 BGB besteht keine Pflicht, eine entsprechend geschulte
Arbeitskraft vorzuhalten, nur um dem Verletzer die Kosten der
Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu ersparen. Grundsatz bleiben muss
daher nach Auffassung der Kammer gerade auch bei Vorhandensein einer
eigenen Rechtsabteilung die Ersatzfähigkeit von
Anwaltsabmahnkosten (ebenso Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.92).
Das Vorhandensein einer Rechtsabteilung rechtfertigt allenfalls den
Verzicht auf die Ersatzfähigkeit von Mehrkosten, wenn und
soweit ein nicht am Prozessgericht ansässiger Anwalt
beauftragt wird (BGH, Beschl, v 18. 12. 2003 - l ZB 18/03, GRUR 2004,
448).
Etwas
anderes mag gelten, wenn es sich um einen ganz einfach gelagerten
Sachverhalt handelt, in denen für die Bearbeitung auf
frühere Vorgänge zurückgegriffen werden kann
und in denen zudem personelle Kapazitäten der eigenen
Rechtsabteilung für solche eigene Abmahntätigkeiten
ohne weiteres vorhanden sind. Für diesen engen Ausnahmefall
fehlt es vorliegend jedoch am hinreichenden Parteivortrag; Nach der
Lebenserfahrung und der Erfahrungen der Kammer ist eine Rechtsabteilung
eines Tonträgerherstellers typischerweise nicht auf die
Verfolgung jedweder Rechtsverletzung im Internet ausgelegt. Dies gilt
insbesondere dann nicht, wenn es – wie hier – um
die Verfolgung hunderter solcher Fälle und um teils
schwierigste Rechtsfragen aufgrund unklarer gesetzlicher Vorschriften
geht.
b)
Die Anwaltsgebühren sind schließlich auch korrekt
berechnet. Zunächst bestehen am angesetzten Streitwert von
10.000 € angesichts der wirtschaftlichen Interessen der
Verletzten keinerlei Bedenken. Die daraus nach der BRAGO (vgl.
§ 61 RVG) errechneten Anwaltsgebühren von 364,50
€ + 729 € + 20 € (§ 26 BRAGO) =
1.113,50 € sind der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Insbesondere fällt eine Mittelgebühr in Höhe
von 7,5/10 nach § 118 Abs. 1 BRAGO an, Nach § 6 Abs.
1 S. 2 war die Geschäftsgebühr um je 3/10 der im
konkreten Fall erwachsenen sog. Ausgangsgebühr (vgl.
Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, § 6 Rn. 33). Die
Erhöhungsgebühr beträgt somit 7 x 3/10 x
7,5/10 = 15,75/10. Dies ist dann nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO
auf zwei Ausgangsgebühren zu deckeln, mithin auf 15/10 (= 2 x
7,5/10)
c)
Schließlich war das Vorgehen der
Berufungsklägerinnen nicht rechtsmissbräuchlich
i.S.d. § 242 BGB bzw. § 8 Abs. 4 UWG n.F.
aa)
Dass berechtigte Zweifel bestehen, ob die Bevollmächtigten vor
der Abmahnung
im konkreten Einzelfall von allen acht
Berufungsklägerinnen im Einzelfall gesondert
bevollmächtigt waren, rechtfertigt aus Sicht der Kammer im
vorliegenden Fall kein Versagen des Erstattungsanspruchs. Zum einen
waren die Bevollmächtigten nach dem ureigenen Vorbringen des
Berufungsbeklagten planmäßig für die
Berufungsklägerinnen aufgrund eines generellen Auftrages
tätig. Zudem haben die Bevollmächtigten der
Berufungsklägerinnen im Termin fortlaufende mündliche
Absprachen bzw. Absprachen per Email substantiiert vorgetragen. Belegen
die im Termin vorgelegten schriftlichen Vollmachten ferner zumindest
eine nachträgliche Genehmigung der konkreten Abmahnung
und hat
der Berufungsbeklagte zudem das Fehlen der Vollmachten bei der
Abmahnung
selbst zunächst nicht gerügt (§
174 BGB), bestehen aus Sicht der Kammer keinerlei Bedenken an einem
Kostenerstattungsanspruch. Soweit in der Rechtsprechung und Literatur
teilweise von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen wird, wenn einem
Anwalt die Überwachung des Markts und die Verfolgung von
Verstößen weitgehend ohne Kontrolle durch den
Auftraggeber überlassen bleibt, er also das
Abmahngeschäft "in eigener Regie" betreibt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2001 -
20 U 194/00, NJW-RR 2002, 122, 123 m.w.N.; Köhler,
in Baumbach/Hefermehl, a.a.O,
§ 8 Rn. 4.12), ist ein solches Fehlen jedweder Kontrolle etc.
und eines schutzwürdigen Eigeninteresses vom
Berufungsbeklagten nicht hinreichend vorgetragen. Ungeachtet dessen
überzeugt diese Auffassung jedenfalls im konkreten Fall nicht:
Denn diese Fallgruppe muss sich vor allem auf Fälle beziehen,
in die gewerbliche Tätigkeit zum Schein ausgeübt und
der Hausanwalt zur Erzielung von Einnahmen "vorgeschickt" wird (vgl.
Jestaedt, in: Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl. 1999,
§ 25 Rn. 14). Hier jedoch haben die
Verfügungsbeklagten ein hinreichendes schutzwürdiges
Eigeninteresse an einem massenhaften Vorgehen gegen vielfache
Verstöße auch und gerade durch Privatleute gegen
§ 95a Abs. 3 UrhG substantiiert dargelegt. Die umfangreiche
Abmahntätigkeit allein lässt dann aber nicht auf eine
missbräuchliche Ausnutzung der Antragsbefugnis
schließen, zumal hier eben kraft Natur der Sache nur die
unzähligen Privaten in Anspruch zu nehmen sind. Hinzutreten
müssten weitere Umstände, aus denen zu folgern ist,
dass die Antragsbefugnis nicht in erster Linie im Interesse des eigenen
Geschäftsbetriebs, sondern als selbständige
Erwerbsquelle für den Antragsteller oder den mit ihm
zusammenarbeitenden Rechtsanwalt genutzt wird (vgl. OLG Köln,
Urteil v. 15.01.1993 - 6 U 147/92, MDR 1993, 634, 635). Dafür
fehlt es an hinreichendem Vortrag. Allein aus einer sehr hohen Zahl von
gleichartige Verletzungsfälle betreffenden Abmahnungen
kann
gerade nicht auf Rechtsmissbrauch geschlossen werden (vgl. auch OLG
München, Urt. v. 20. 2. 1997 - 29 U 3795/96, NJWE-WettbR 1998,
29 f.), wenn – wie hier – eben zugleich auch
massenhafte Verstöße vorliegen. Dass dann aber auch
einem beauftragten Anwalt teilweise mehr "freie Hand" gegeben wird,
begegnet aus Sicht der Kammer keinen Bedenken, da – wie
gezeigt – den Unternehmen selbst auch die Ermittlung und
Verfolgung von Verstößen allein nicht ohne weiteres
zugemutet werden kann.
Zudem
ist die im Wettbewerbsrecht häufigere Problematik des
fehlenden Eigeninteresses auf das Urheberrecht mit seinen
Individualrechten – zu deren Schutz (wie gezeigt) auch
§ 95 a UrhG dient – nicht ohne weiteres
übertragbar (vgl. ähnlich für das
Markenrecht OLG Stuttgart, Urt. v. 21. 2. 2002 - 2 U 206/01, GRUR-RR
2002, 381, 382). Bei der Anwendung der Missbrauchsklausel des
§ 8 Abs. 4 UWG ist zu berücksichtigen, dass dieser
Regelung neben der Aufgabe der Bekämpfung von
Missbräuchen bei Wettbewerbsverbänden die Funktion
eines Korrektivs gegenüber der weit gefassten
Anspruchsberechtigung der Mitbewerber zukommt (vgl. BGH, Urt. v. 5. 10.
2000 - I ZR 237/98, GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner).
Die Norm bietet dann eine Handhabe, wenn der wettbewerbsrechtliche
Unterlassungsanspruch missbräuchlich geltend gemacht werde,
insbesondere wenn sachfremde Ziele als die eigentliche Triebfeder und
das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (OLG
Stuttgart a.a.O.). Damit ist der vorliegende Fall ersichtlich nicht
vergleichbar: Hier hingegen geht es unzweifelhaft um die den eigenen
berechtigten Interessen dienenden Abwehrhandlungen gegen die Verletzung
individueller Schutzrechte der Berufungsklägerinnen. Soweit
der Berufungsbeklagte insofern dann teilweise die
Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange bestritten
hat, ist dies im Hinblick auf die vorgelegte "Brennerstudie" und nach
der allgemeinen Lebenserfahrung jedenfalls nicht ausreichend. Die
Berufungsklägerinnen als Musikunternehmen haben durchaus
triftige Gründe zum Vorgehen auch gegen Private, nicht zuletzt
aufgrund des dort oft fehlenden Unrechtsbewusstseins.
bb)
Daneben ist nicht ersichtlich, dass allein der Branchenverband der
Musikindustrie zu Abmahnungen
berechtigt gewesen sein soll. Dies gilt
umso mehr, als es im Urheberrecht anders als im Wettbewerbsrecht gerade
keine Verbandsklagebefugnis gibt und daher nicht ersichtlich ist, wieso
den Berufungsklägerinnen als unmittelbaren
Schutzrechtsinhaberinnen ein eigenen Vorgehen gegen Verletzer (mit
Erstattung von Abmahnkosten) unmöglich gemacht werden soll und
die zur Ermächtigung ihres Verbandes gedrängt werden
sollten, nur um den Verletzern ggf. Gebühren zu ersparen.
cc)
Schließlich ist auch ohne Belang, dass es Hunderte
gleichgelagerter Fälle gegeben hat und daraus
beträchtliche Einnahmen geflossen sind. Die Verfolgung vieler
Verletzungen bringt zwangsläufig auch viele
Kostenerstattungsansprüche mit sich. Dass der einzelne
Verletzter aufgrund der Massenhaftigkeit des Geschehens insofern davon
profitieren können soll, dass allein wegen der
Massenhaftigkeit plötzlich die Rechtsverfolgung
missbräuchlich wird, ist nicht einleuchtend. Viele
Verletzungen fordern viele Abmahnungen
heraus (OLG Hamm, a.a.O.). Zudem
haben die Berufungsklägerinnen im Zuge gütlicher
Einigungen unstreitig nicht unerhebliche Gebührenreduzierungen
angeboten. Auch dies zeigt, dass es nicht primär um die
Erzielung von einnahmen, sondern um die wirksame Unterbindung von
Rechtsverletzungen geht.
dd)
Allein bedenkenswert erscheint der Beklagtenvortrag – auf den
ersten Blick - hinsichtlich der
Erhöhungsgebührenfrage. Aber auch damit dringt der
Berufungsbeklagte letztlich nicht durch (zumal dies ohnehin nur eine
Kürzung des Anspruchs auf die normale Gebühr, nicht
aber einen vollständigen Wegfall erlaubt hätte): Denn
zutreffend ist sicherlich, dass es auffällig scheint, dass
teilweise konzernverbundene Unternehmen sich in exakt solcher Anzahl
zusammentun, dass die maximale BRAGO-Erhöhungsgebühr
ausgeschöpft wird. Dennoch ist zu berücksichtigen,
dass die Berufungsklägerinnen durchaus als Schutzrechtsinhaber
theoretisch auch jeweils gesondert hätten gegen den
Berufungsbeklagten vorgehen können. Allein bei einem solchen
abgestimmten Einzelvorgehen hätte man aber ggf. auf eine
unzulässige rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung
abstellen können, wenn konzernmäßig
verbundene und vom selben Rechtsanwalt vertretene Betroffene die
Möglichkeit nicht nutzen, ihre Ansprüche beim selben
Gericht als Streitgenossen geltend zu machen und statt dessen jeweils
getrennte Verfahren einleiten (vgl. etwa BGH, Urt. v. 06.04.2000 - I ZR
76/98, GRUR 2000, 1089 ff.). Gerade diesem Vorwurf ist man aber durch
das gemeinsame Vorgehen aber ausgewichen. Berücksichtigt man
dann aber noch, dass § 95 Abs. 3 UrhG eben auch dem
Individualschutz aller acht Berufungsklägerinnen dient, ist
daher auch unter diesem Aspekt eine Kostenerstattung letztendlich nicht
zu versagen.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§
91, 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Die Revision war
gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO
zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die
Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Dies gilt zum einen schon
deshalb, als Umfang und Reichweite der streitgegenständlichen
Vorschrift des § 95 a UrhG weitgehend ungeklärt sind
und höchstrichterlicher Konkretisierung harren. Ferner
erfordert auch die Frage der Ersatzfähigkeit von Abmahnkosten
ebenfalls eine Entscheidung des Revisionsgerichts, da der vorliegende
Einzelfall durchaus Veranlassung bietet, weitere Leitsätze
für die Handhabung der Grundsätze der
Geschäftsführung ohne Auftrag etc. in solchen
Bereichen aufzustellen und die dort bestehende Gesetzeslücke
auszufüllen. Hierfür besteht Bedarf, da es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder
verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer
richtungweisenden höchstrichterlichen Orientierungshilfe
zumindest teilweise fehlt. Die bisher vorliegenden
Einzelfallentscheidungen bieten aus Sicht der Kammer keine hinreichend
klare Handhabe zur Entscheidung über die
Ersatzfähigkeit von Abmahnkosten bei den heutzutage (speziell
bei f) häufigen kleineren Verletzungshandlungen Privater. Dort
ist zwar eine Kostenbelastung für den einzelnen Privatmann oft
hart. Die Verfolgung von massenhaften Verstößen
durch eine eigene Rechtsabteilung bei den Unternehmen würde
aber große Kapazitäten erfordern, obwohl gerade die
Masse kleiner Verstöße durchaus auch für
große Schäden bei den Rechteinhabern sorgt. In der
bisherigen Rechtspraxis drohen divergierende Einzelfallentscheidungen
und eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, die angesichts der
Vielzahl gleichgelagerter Abmahnkonstellationen nicht hinnehmbar sind.