Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landgericht
Berlin
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In
der Sache
[…]
Antragsstellerin
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt […]
gegen
[…]
Antragsgegnerin
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt [...],
erkennt die 15. Zivilkammer des Landgerichts Berlin durch
[…]
für
Recht:
1.
Der
Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die einstweilige
Verfügung
der Kammer vom 14. Dezember 2004 wird als unzulässig
zurückgewiesen.
2.
Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Der
Antragsgegner ist Betreiber der Internetdomain www.f.de. Auf dieser
Domain bietet er eine von ihm entwickelte Software mit dem Namen
...-Filter in kostenloser und kostenpflichtiger Version zum Download
an. Mit diesem Programm sollen nach den Werbeangaben des Antragsgegners
auf den Bildschirmen der Programmverwender nach Durchführung
einer
Internetrecherche mit der Suchmaschine ... solche Seiten als
„Spam“ oder mit „Spam-Verdacht“
markiert
werden, deren Anbieter durch unlautere Tricks die eigene Homepage
möglichst häufig in den Suchergebnissen auftauchen
lassen.
Der
Antragsteller ist Inhaber der Internetdomain www.r.de, die die
gewerbliche Vermittlung von Reiseleistungen zum Gegenstand hat. Der
Antragsteller erhält für jede vermittelte
Reiseleistung eine
Provision. Im November 2004 erschien bei aktiviertem
„...-Filter“ in der Internetsuchmaschine ... die
Domain des
Antragstellers rot unterlegt und mit dem Zusatz
„Spam-Verdacht“, wenn z.B. die Worte
„…
reisen“ in die Suchmaschine eingegeben wurden. Der
Antragsteller
mahnte den Antragsgegner deshalb mit Schreiben vom 22. Oktober 2004
erfolglos ab.
Der
Antragsgegner hat unter dem 8. November 2004 gegen den Antragsteller
negative Feststellungsklage zum Landgericht Dortmund erhoben mit dem
Antrag „festzustellen, dass der (dortige) Beklagte keinen
Unterlassungsanspruch gegenüber dem (dortigen) Kläger
hat,
dass dieser in seiner Software die vorab durch die Nutzer rot
markierten Bezeichnung: www.r.de führt und die Software in der
Öffentlichkeit für Internet-Nutzer durch das
mögliche
Herunterladen zugänglich macht.“
Auf
den am 2.
Dezember 2004 beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und am 6. Dezember
2004 nach Abgabe beim Landgericht Berlin eingegangenen Eilantrag des
Antragstellers hat die Kammer durch einstweilige Verfügung vom
14.
Dezember 2004 dem Antragsgegner bei Meidung der gesetzlichen
Ordnungsmittel untersagt, die vom Antragsteller betriebene Domain
www.r.de bei dem Aufruf der Internetsuchmaschine
„...“
durch rötliche Einfärbung oder in sonstiger Weise
besonders
zu kennzeichnen, insbesondere die von dem Antragsteller betriebene
Domain www.r.de mittels der Software ...-Filter mit dem Zusatz
„SPAM“, „SPAM-Verdacht“ oder
ähnlichen
Bezeichnungen zu versehen, die den Eindruck erwecken, dass die Domain
auf unzulässige Weise die Eintragung in die
Internetsuchmaschine
„...“ erwirkt hat.
Die
einstweilige
Verfügung ist dem Antragsgegner am 23. Dezember 2004 im
Parteiwege
zum Zwecke der Vollziehung zugestellt worden. Der Antragsgegner hat am
14. September 2005 Widerspruch eingelegt.
Mit
Schreiben
vom 13. Januar 2005, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K1
verwiesen wird, teilte der Antragsgegner durch seinen
Prozessbevollmächtigten dem Antragsteller mit, dass er der
einstweiligen Verfügung inhaltlich nachgekommen sei, diese
jedoch
ausdrücklich nicht als abschließend anerkenne.
Weiter
führte er aus:
„Die
möglichen Rechte, insbesondere aus § 927 ZPO, werden
daher,
spätestens nach Abschluss der bereits anhängigen
negativen
Feststellungsklage vor dem LG Dortmund geltend gemacht. Auf einen
Antrag nach § 924 ZPO wird zunächst verzichtet, da
selbstverständlich umgehend eine Aufhebung der einstweiligen
Verfügung nach Urteil des LG Dortmund erfolgen wird,
§ 927
ZPO. Ich gehe davon aus, dass auch ihr Mandant zunächst diese
Entscheidung abwarten wird.“
Der
Antragsteller ist der Ansicht, der Widerspruch sei wegen des Schreibens
vom 13. Januar 2005 unzulässig.
Der
Antragsteller beantragt,
die
einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Dezember 2004 zu
bestätigen.
Der
Antragsgegner beantragt,
die
einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren
Erlass zurückzuweisen.
Der
Antragsgegner ist der Ansicht, der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung sei vor dem Landgericht Berlin wegen
der
bereits zuvor anhängig gemachten negativen Feststellungsklage
unzulässig gewesen. Einen Verzicht auf den Widerspruch habe
der
Antragsteller nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Kammer
ist zur Verhandlung über den Widerspruch zuständig,
wie sie
auch für den Erlass der einstweiligen Verfügung
zuständig war.
Die
vom
Antragsgegner erhobene negative Feststellungsklage vor dem LG Dortmund
steht dem nicht entgegen. Ob im „allgemeinen“
Zivilprozess
auch die negative Feststellungsklage eine
Hauptsachenzuständigkeit
im Sinne von §§ 937 Abs.1, 943 Abs.1 ZPO
begründet, kann
hier dahingestellt bleiben. Denn diese Auffassung kann jedenfalls
für solche Verfahren und Rechtsgebiete keine
uneingeschränkte
Gültigkeit beanspruchen, bei denen wie im Wettbewerbsrecht den
Gläubiger im Schuldnerinteresse eine Abmahnlast trifft. Denn
dann
hätte es der durch die Abmahnung
gewarnte Schuldner in der
Hand,
durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage während der
zur
Unterwerfung gesetzten Frist eine ihm genehme
Hauptsachenzuständigkeit zu begründen
(„forumshopping“ durch den Schuldner; vgl. auch BGH
GRUR
1994, 846-Parallelverfahren II). Auch die Entscheidungen des OLG
Frankfurt vom 12. September 1995 (WRP 1996, 27) und vom 6.
März
1997 (GRUR 1997, 485) rechtfertigen keine abweichende Bewertung. Nach
diesen Entscheidungen kann zwar der Gläubiger durch die
Einreichung einer Unterlassungsklage die Zuständigkeit des von
ihm
gewählten Hauptsachengerichts erreichen ohne dem Einwand
anderweitiger Rechtshängigkeit ausgesetzt zu sein (vgl. BGH
a.a.O.). Dies jedoch nur um den Preis, dass die Möglichkeit zu
einer kostengünstigen und prozessökonomischen
Erledigung des
Streits im Eilverfahren, wie sie in der Praxis zu einem erheblichen
Teil erfolgt, verschlossen ist. Auch erscheint die Gefahr, dass
Gläubiger zur Vermeidung der aufgezwungenen
Zuständigkeit auf
die Abmahnung
verzichten, durchaus naheliegend, womit die
Möglichkeit einer vorgerichtlichen Streitbeilegung entfiele.
Ob
bei Wettbewerbsstreitigkeiten nur die Unterlassungsklage die
Hauptsachenzuständigkeit begründet, oder ob
jedenfalls
ungeachtet einer erhobenen negativen Feststellungsklage der Eilantrag
bei jedem für die Unterlassungsklage zuständigen
Gericht
eingereicht werden kann (vgl. Fritze, GRUR 1996, 571; Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Aufl., Kap.54 Rdn.3), kann
dahinstehen; jedenfalls führt die vom Antragsgegner erhobene
Feststellungsklage nicht zu einer ausschließlichen
Zuständigkeit des LG Dortmund.
II.
Der
Widerspruch ist jedoch zur Zeit unzulässig, weil der
Antragsgegner
mit Schreiben vom 13. Januar 2005 auf die Einlegung verzichtet hat. Er
hat mit seinem Schreiben deutlich gemacht, dass er seine Rechte nach
§§ 924, 927 ZPO erst nach dem Urteil des Landgerichts
Dortmund geltend machen werde. Dies kann trotz der
Einschränkung
„zunächst verzichtet“ nicht anders
verstanden werden.
Denn ein Verzicht, der sich nur auf einen kürzeren, jederzeit
vom
Antragsgegner zu beendenden Zeitraum hätte beziehen sollen,
wäre ohne jeden Regelungsinhalt gewesen, weil das Recht des
Antragsgegners einer Fristbindung ohnehin nicht unterlag. Sinn und
Zweck des Schreibens war offensichtlich, dass nicht zwei Verfahren
über den (zumindest materiell-rechtlich) identischen
Gegenstand
nebeneinander geführt werden sollten. Nach dieser Intention
kann
das Schreiben nur dahin ausgelegt werden, dass mit der Formulierung
„zunächst“ der Zeitraum bis zur
Entscheidung des
Landgerichts Dortmund umrissen werden sollte.
Auf
den Zugang
der Annahmeerklärung hat der Antragsgegner
gemäß §
151 BGB verzichtet. Denn er hat mit der Formulierung „Ich
gehe
davon aus, dass auch Ihr Mandant zunächst diese Entscheidung
abwarten wird“ die stillschweigende Annahme antizipiert und
gerade nicht um eine Bestätigung dieser Annahme gebeten.
Soweit
der Antragsgegner geltend macht, der Antragsteller habe
schriftsätzlich gegenüber dem Landgericht Dortmund
die
Unzulässigkeit der negativen Feststellungsklage wegen
Vorrangigkeit des Widerspruchs geltend gemacht, ist nicht erkennbar,
dass dies vor Abschluss des Stillhalteabkommens geschah. Eine mit
Schriftsatz vom 26. Juli 2005 geäußerte
Rechtsansicht konnte
jedenfalls den Vertragsschluss im Januar 2005 nicht mehr verhindern.
Der
Antragsgegner kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der
Verzichtsvertrag habe unter der Bedingung gestanden, dass der
Antragsteller keinen Ordnungsgeldantrag
stelle. Eine solche Bedingung
ergibt sich jedenfalls ausdrücklich aus dem Schreiben vom 13.
Januar 2005 nicht. Auch die Auslegung des Schreibens lässt ein
solches Verständnis nicht zu, denn aus der Sicht eines
vernünftigen, objektiven Empfängers war nicht zu
erwarten,
dass der Antragsteller sich für die Zeit bis zur Entscheidung
des
Landgerichts Dortmund der durch die einstweilige Verfügung
gewährten Sicherung begeben wollte. Im Gegenteil spricht die
Ankündigung des Antragsgegners, der einstweiligen
Verfügung
inhaltlich nachgekommen zu sein, dafür, dass dem Antragsteller
der
Schutz durch die einstweilige Verfügung bis zu einer
(abweichenden) Entscheidung des Landgerichts Dortmund umfassend zugute
kommen sollte.