LG Berlin, Zuständigkeit Hauptsache Eilverfahren negative Feststellungsklage
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Aktenzeichen:    15 O 764/04
Verkündet am:
22.11.2005

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Landgericht Berlin

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Sache

[…]
Antragsstellerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt […]

gegen

[…]
Antragsgegnerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [...],


erkennt die 15. Zivilkammer des Landgerichts Berlin durch […] für Recht:

1. Der Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Dezember 2004 wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.


Tatbestand

Der Antragsgegner ist Betreiber der Internetdomain www.f.de. Auf dieser Domain bietet er eine von ihm entwickelte Software mit dem Namen ...-Filter in kostenloser und kostenpflichtiger Version zum Download an. Mit diesem Programm sollen nach den Werbeangaben des Antragsgegners auf den Bildschirmen der Programmverwender nach Durchführung einer Internetrecherche mit der Suchmaschine ... solche Seiten als „Spam“ oder mit „Spam-Verdacht“ markiert werden, deren Anbieter durch unlautere Tricks die eigene Homepage möglichst häufig in den Suchergebnissen auftauchen lassen.

Der Antragsteller ist Inhaber der Internetdomain www.r.de, die die gewerbliche Vermittlung von Reiseleistungen zum Gegenstand hat. Der Antragsteller erhält für jede vermittelte Reiseleistung eine Provision. Im November 2004 erschien bei aktiviertem „...-Filter“ in der Internetsuchmaschine ... die Domain des Antragstellers rot unterlegt und mit dem Zusatz „Spam-Verdacht“, wenn z.B. die Worte „… reisen“ in die Suchmaschine eingegeben wurden. Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner deshalb mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 erfolglos ab.

Der Antragsgegner hat unter dem 8. November 2004 gegen den Antragsteller negative Feststellungsklage zum Landgericht Dortmund erhoben mit dem Antrag „festzustellen, dass der (dortige) Beklagte keinen Unterlassungsanspruch gegenüber dem (dortigen) Kläger hat, dass dieser in seiner Software die vorab durch die Nutzer rot markierten Bezeichnung: www.r.de führt und die Software in der Öffentlichkeit für Internet-Nutzer durch das mögliche Herunterladen zugänglich macht.“

Auf den am 2. Dezember 2004 beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und am 6. Dezember 2004 nach Abgabe beim Landgericht Berlin eingegangenen Eilantrag des Antragstellers hat die Kammer durch einstweilige Verfügung vom 14. Dezember 2004 dem Antragsgegner bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, die vom Antragsteller betriebene Domain www.r.de bei dem Aufruf der Internetsuchmaschine „...“ durch rötliche Einfärbung oder in sonstiger Weise besonders zu kennzeichnen, insbesondere die von dem Antragsteller betriebene Domain www.r.de mittels der Software ...-Filter mit dem Zusatz „SPAM“, „SPAM-Verdacht“ oder ähnlichen Bezeichnungen zu versehen, die den Eindruck erwecken, dass die Domain auf unzulässige Weise die Eintragung in die Internetsuchmaschine „...“ erwirkt hat.

Die einstweilige Verfügung ist dem Antragsgegner am 23. Dezember 2004 im Parteiwege zum Zwecke der Vollziehung zugestellt worden. Der Antragsgegner hat am 14. September 2005 Widerspruch eingelegt.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2005, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K1 verwiesen wird, teilte der Antragsgegner durch seinen Prozessbevollmächtigten dem Antragsteller mit, dass er der einstweiligen Verfügung inhaltlich nachgekommen sei, diese jedoch ausdrücklich nicht als abschließend anerkenne. Weiter führte er aus:

„Die möglichen Rechte, insbesondere aus § 927 ZPO, werden daher, spätestens nach Abschluss der bereits anhängigen negativen Feststellungsklage vor dem LG Dortmund geltend gemacht. Auf einen Antrag nach § 924 ZPO wird zunächst verzichtet, da selbstverständlich umgehend eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung nach Urteil des LG Dortmund erfolgen wird, § 927 ZPO. Ich gehe davon aus, dass auch ihr Mandant zunächst diese Entscheidung abwarten wird.“

Der Antragsteller ist der Ansicht, der Widerspruch sei wegen des Schreibens vom 13. Januar 2005 unzulässig.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Dezember 2004 zu bestätigen.

Der Antragsgegner beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei vor dem Landgericht Berlin wegen der bereits zuvor anhängig gemachten negativen Feststellungsklage unzulässig gewesen. Einen Verzicht auf den Widerspruch habe der Antragsteller nicht angenommen.



Entscheidungsgründe

I. Die Kammer ist zur Verhandlung über den Widerspruch zuständig, wie sie auch für den Erlass der einstweiligen Verfügung zuständig war.

Die vom Antragsgegner erhobene negative Feststellungsklage vor dem LG Dortmund steht dem nicht entgegen. Ob im „allgemeinen“ Zivilprozess auch die negative Feststellungsklage eine Hauptsachenzuständigkeit im Sinne von §§ 937 Abs.1, 943 Abs.1 ZPO begründet, kann hier dahingestellt bleiben. Denn diese Auffassung kann jedenfalls für solche Verfahren und Rechtsgebiete keine uneingeschränkte Gültigkeit beanspruchen, bei denen wie im Wettbewerbsrecht den Gläubiger im Schuldnerinteresse eine Abmahnlast trifft. Denn dann hätte es der durch die Abmahnung gewarnte Schuldner in der Hand, durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage während der zur Unterwerfung gesetzten Frist eine ihm genehme Hauptsachenzuständigkeit zu begründen („forumshopping“ durch den Schuldner; vgl. auch BGH GRUR 1994, 846-Parallelverfahren II). Auch die Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 12. September 1995 (WRP 1996, 27) und vom 6. März 1997 (GRUR 1997, 485) rechtfertigen keine abweichende Bewertung. Nach diesen Entscheidungen kann zwar der Gläubiger durch die Einreichung einer Unterlassungsklage die Zuständigkeit des von ihm gewählten Hauptsachengerichts erreichen ohne dem Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit ausgesetzt zu sein (vgl. BGH a.a.O.). Dies jedoch nur um den Preis, dass die Möglichkeit zu einer kostengünstigen und prozessökonomischen Erledigung des Streits im Eilverfahren, wie sie in der Praxis zu einem erheblichen Teil erfolgt, verschlossen ist. Auch erscheint die Gefahr, dass Gläubiger zur Vermeidung der aufgezwungenen Zuständigkeit auf die Abmahnung verzichten, durchaus naheliegend, womit die Möglichkeit einer vorgerichtlichen Streitbeilegung entfiele. Ob bei Wettbewerbsstreitigkeiten nur die Unterlassungsklage die Hauptsachenzuständigkeit begründet, oder ob jedenfalls ungeachtet einer erhobenen negativen Feststellungsklage der Eilantrag bei jedem für die Unterlassungsklage zuständigen Gericht eingereicht werden kann (vgl. Fritze, GRUR 1996, 571; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Aufl., Kap.54 Rdn.3), kann dahinstehen; jedenfalls führt die vom Antragsgegner erhobene Feststellungsklage nicht zu einer ausschließlichen Zuständigkeit des LG Dortmund.

II. Der Widerspruch ist jedoch zur Zeit unzulässig, weil der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. Januar 2005 auf die Einlegung verzichtet hat. Er hat mit seinem Schreiben deutlich gemacht, dass er seine Rechte nach §§ 924, 927 ZPO erst nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund geltend machen werde. Dies kann trotz der Einschränkung „zunächst verzichtet“ nicht anders verstanden werden. Denn ein Verzicht, der sich nur auf einen kürzeren, jederzeit vom Antragsgegner zu beendenden Zeitraum hätte beziehen sollen, wäre ohne jeden Regelungsinhalt gewesen, weil das Recht des Antragsgegners einer Fristbindung ohnehin nicht unterlag. Sinn und Zweck des Schreibens war offensichtlich, dass nicht zwei Verfahren über den (zumindest materiell-rechtlich) identischen Gegenstand nebeneinander geführt werden sollten. Nach dieser Intention kann das Schreiben nur dahin ausgelegt werden, dass mit der Formulierung „zunächst“ der Zeitraum bis zur Entscheidung des Landgerichts Dortmund umrissen werden sollte.

Auf den Zugang der Annahmeerklärung hat der Antragsgegner gemäß § 151 BGB verzichtet. Denn er hat mit der Formulierung „Ich gehe davon aus, dass auch Ihr Mandant zunächst diese Entscheidung abwarten wird“ die stillschweigende Annahme antizipiert und gerade nicht um eine Bestätigung dieser Annahme gebeten. Soweit der Antragsgegner geltend macht, der Antragsteller habe schriftsätzlich gegenüber dem Landgericht Dortmund die Unzulässigkeit der negativen Feststellungsklage wegen Vorrangigkeit des Widerspruchs geltend gemacht, ist nicht erkennbar, dass dies vor Abschluss des Stillhalteabkommens geschah. Eine mit Schriftsatz vom 26. Juli 2005 geäußerte Rechtsansicht konnte jedenfalls den Vertragsschluss im Januar 2005 nicht mehr verhindern.

Der Antragsgegner kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Verzichtsvertrag habe unter der Bedingung gestanden, dass der Antragsteller keinen Ordnungsgeldantrag stelle. Eine solche Bedingung ergibt sich jedenfalls ausdrücklich aus dem Schreiben vom 13. Januar 2005 nicht. Auch die Auslegung des Schreibens lässt ein solches Verständnis nicht zu, denn aus der Sicht eines vernünftigen, objektiven Empfängers war nicht zu erwarten, dass der Antragsteller sich für die Zeit bis zur Entscheidung des Landgerichts Dortmund der durch die einstweilige Verfügung gewährten Sicherung begeben wollte. Im Gegenteil spricht die Ankündigung des Antragsgegners, der einstweiligen Verfügung inhaltlich nachgekommen zu sein, dafür, dass dem Antragsteller der Schutz durch die einstweilige Verfügung bis zu einer (abweichenden) Entscheidung des Landgerichts Dortmund umfassend zugute kommen sollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.