Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
BESCHLUSS
In Sachen
...
- Antragsteller und
Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
gegen
...
- Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt
wegen:
Prozesskostenhilfe für negative Feststellungsklage
Tenor
Auf die sofortige
Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom
12.07.2004 - 28 Ha 16/04 - unter Zurückweisung im
übrigen teilweise
abgeändert:
Dem Antragsteller wird
für den ersten Rechtszug
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. St.
zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen
Rechtsanwalts bewilligt für die gemäß Ziff.
2 seines Schriftsatzes vom 26.05.2004 beabsichtigte Feststellungsklage.
Auf die Prozesskosten
sind derzeit keine Zahlungen zu leisten.
Eine
Gerichtsgebühr ist nicht zu erheben.
Gründe
Die gemäß
§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO
statthafte und gemäß §§ 569, 127
Abs. 2 Satz 3 ZPO auch im übrigen zulässige sofortige
Beschwerde des Antragstellers hat überwiegend Erfolg. I. Das Arbeitsgericht
hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
für die beabsichtigte Feststellungsklage zu Unrecht abgelehnt. 1. Entgegen der im
angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung
erscheint die beabsichtigte negative Feststellungsklage nicht als
mutwillig im Sinne von § 114 ZPO. Eine Rechtsverfolgung ist
mutwillig im Sinne des § 114 ZPO, wenn eine
verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte
nicht in gleicher Weise verfolgen oder von der konkret beabsichtigten
Rechtsverfolgung absehen würde. Diese Voraussetzungen sind
erfüllt, wenn die Partei den von ihr verfolgten Zweck auf
einem billigeren als den von ihr beabsichtigten Weg erreichen kann,
denn von der mittellosen Partei ist grundsätzlich zu
verlangen, dass sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte von zwei
gleichwertigen prozessualen Maßnahmen diejenige
auswählt, die die geringsten Kosten verursacht. Dagegen kann
dem Hilfsbedürftigen nicht überhaupt Rechtsschutz
verwehrt werden, vielmehr darf auch dieser den sichersten und
weitestgehenden Rechtsschutz wählen, sofern hierfür
ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (vgl.
Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rdnrn. 30 ff.
mit Nachweisen). Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen ist dem
Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe nicht wegen
Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu verweigern. Seine
beabsichtigte Klage, mit der er die Feststellung erstrebt, dass der
Antragsgegnerin gegen ihn kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter
Handlung in Höhe von EUR 418.466,75 zusteht, ist als negative
Feststellungsklage zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Der
Antragsteller hat ein rechtliches Interesse an der begehrten
Feststellung. Ein solches liegt vor, wenn eine tatsächliche
Unsicherheit hierüber zwischen den Parteien besteht,
insbesondere wenn sich der Gegner der negativen Feststellungsklage
einer Rechtsposition berühmt. Berühmen bedeutet die
eindeutige Aussage, dem Erklärenden stehe gegen den
Erklärungsgegner ein Anspruch oder Recht zu (vgl. BGH NJW
1984, 1754). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die
Antragsgegnerin berühmt sich gegenüber
dem Antragsteller eines angeblichen
Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung in Höhe von
EUR 418.466,75, wie sich aus dem Anspruchsschreiben vom 27.01.2004
unzweifelhaft ergibt. Der Antragsteller kann nicht darauf verwiesen
werden, eine Leistungsklage der Antragsgegnerin oder das Ergebnis des
Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Denn insoweit handelt es sich jeweils
nicht um eine billigere von mehreren gleichwertigen prozessualen
Möglichkeiten, die ihm zur Durchsetzung seiner Rechte zur
Verfügung stehen. Die negative Feststellungsklage ist vielmehr
das einzige Mittel, die für ihn bestehende Unsicherheit zu
beseitigen und das Rechtsverhältnis zur Antragsgegnerin zu
klären, woran angesichts der die Existenz des Antragstellers
vernichtenden Höhe des Schadensersatzanspruchs, dessen sich
die Antragsgegnerin berühmt, auch ein alsbaldiges Interesse
des Antragstellers besteht. Den Weg der negativen Feststellungsklage zu
beschreiten, darf daher dem Antragsteller im Hinblick darauf, dass auch
eine arme Partei einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19
Abs. 4 GG) hat, jedenfalls so lange nicht verwehrt werden, wie die
Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber nicht
rechtsverbindlich erklärt, dass ihr der geltend gemachte
Anspruch nicht zusteht. 2. Die
gemäß § 114 ZPO erforderliche
hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten negativen
Feststellungsklage ist zu bejahen. Eine solche Klage darf nur
abgewiesen werden, wenn der Anspruch, dessen sich der
Feststellungsbeklagte berühmt, feststeht. Bleibt unklar, ob
die streitige Forderung besteht, dann muß der auf Negation
gerichteten Feststellungsklage ebenso stattgegeben werden wie wenn
feststeht, dass der streitige Anspruch nicht besteht. Dies folgt
daraus, dass bei der negativen Feststellungsklage der Beklagte die
Beweislast für das Bestehen des von ihm behaupteten Anspruchs
trägt (vgl. etwa BGH NJW 2002, 1806). Davon, dass der
Antragsgegnerin dieser Nachweis gelingt, kann nach ihrem bisherigen
Vorbringen nicht ausgegangen werden. Diese hat bisher keinerlei
Umstände vorgetragen, die einen tragfähigen Schluss
auf eine Tatbeteiligung des Antragstellers zulassen. 3. Die subjektiven
Bewilligungsvoraussetzungen liegen vor. Ausweislich
seiner Erklärung über die wirtschaftlichen und
persönlichen Verhältnisse vom 10.03.2004 ist der
Antragsteller nicht in der Lage, die Kosten der beabsichtigten
Rechtsverfolgung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. 4. Die Beiordnung beruht
auf § 121 Abs. 2 ZPO. Der nicht am
Gerichtsort ansässige Rechtsanwalt hat sich bereit
erklärt, zu den Bedingungen eines am Ort des Prozessgerichts
ansässigen Rechtsanwalts tätig zu werden (§
121 Abs. 3 ZPO). II. Dagegen hat das
Arbeitsgericht die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Unterlassungsklage zu
Recht abgelehnt. Die beabsichtigte
Unterlassungsklage, mit der der Antragsgegnerin
untersagt werden soll zu behaupten, der Antragsteller habe zu ihren
Lasten eine unerlaubte Handlung begangen und sei deshalb verpflichtet,
an sie Schadensersatz in Höhe von EUR 418.466,75
gesamtschuldnerisch mit weiteren Beteiligten zu zahlen, bietet nicht
die in § 114 ZPO vorausgesetzte hinreichende Erfolgsaussicht.
Die Antragsgegnerin hat die angeblich ehrkränkende Behauptung,
deren Unterlassung der Antragsteller mit der beabsichtigten Klage
erstrebt, ausschließlich zum Zwecke der Rechtsverfolgung
aufgestellt, nämlich zwecks Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs und möglicherweise im Rahmen eines
strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Gegen Behauptungen, die der
Rechtsverfolgung dienen, können aber Abwehransprüche,
also insbesondere auch Unterlassungsansprüche,
grundsätzlich nicht mit Erfolg erhoben werden. Dies gilt nicht
nur dann, wenn die Behauptungen zur Rechtsverfolgung in einem bereits
anhängigen Verfahren (vgl. dazu etwa BGH NJW 1987, 3138)
aufgestellt werden, sondern auch dann, wenn die Unterlassungsklage -
wie hier - ersichtlich auch und gerade dem Zweck dient zu verhindern,
dass der Gegner die zur Rechtsverfolgung aufgestellte Behauptung in
einem zukünftigen gerichtlichen Verfahren zum Gegenstand
seines Vorbringens machen kann (vgl. etwa BGH NJW 1977, 1681;
Palandt-Thomas, BGB, 62. Aufl., Einführung vor § 823
Rdnr. 21). Dies gilt im Streitfall umso mehr, als dem Antragsteller mit
der negativen Feststellungsklage ein anderer Weg zur ausreichenden
Wahrung seiner Belange zur Verfügung steht und nichts
dafür dargetan und ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin
die angeblich ehrkränkende Behauptung außerhalb von
anhängigen Verfahren auch gegenüber Dritten
geäußert oder in Kenntnis ihrer Unwahrheit erhoben
hat. III. Auf die sofortige
Beschwerde des Antragstellers war daher unter
Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu erkennen wie
geschehen. IV. Die Entscheidung,
dass eine Gerichtsgebühr nicht zu
erheben ist, beruht auf Nr. 8613 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2
GKG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beschwerde
gemessen am Streitwert der beabsichtigten Klagen ganz
überwiegend begründet war. V. Die Zulassung der
Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der
Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht
veranlaßt (§ 78 Satz 2 ArbGG).