BGH: X ZR 64/94 OLG Köln LG Köln |
Verkündet am 02.07.1996 |
Fundstellen:
BGHZ 133, 155
NJW 1996, 2924
LM H. 11/1996 § 633 BGB Nr. 94
WM 1996, 1695
ZIP 1996, 1553
Amtlicher Leitsatz:
Sachverhalt:
Die Kläger betreibt ein Optikfachgeschäft für Brillen und Brillenfassungen. Eine Schwesterfirma in der Rechtsform einer GmbH (künftig: GmbH) betreibt die Anfertigung und den Handel mit Kontaktlinsen. Der Geschäftsführer der GmbH ist der persönlich haftende Gesellschafter der Kläger Die Kläger wünschte, ihre EDV-Anlage durch eine neue zu ersetzen. Die GmbH schloss mit der Beklagte einen Vertrag über die Lieferung einer EDV-Anlage mit Bandsicherung (Streamer) und Programm. Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Beklagte das bisher von der Kläger verwendete "Optikprogramm" nebst Daten auf die neue Anlage übertragen werde. Das von der Beklagte neu zu liefernde Kontaktlinsenprogramm sollte auf der alten Anlage der Kläger zur Verwendung durch die GmbH implementiert werden. Nach Lieferung der neuen Anlage implementierte eine Mitarbeiterin der Beklagte das Optikprogramm, das eine Sicherungsroutine umfasste, auf der neuen Anlage und das Kontaktlinsenprogramm auf der alten Anlage. Nachdem die Kläger ca. ein Jahr mit dem Optikprogramm gearbeitet hatte, stürzte die Festplatte am 11. 4. 1991 unter Datenverlust ab. Der Versuch, die Daten von den für die Datensicherung eingesetzten Streamer-Bändern zu rekonstruieren, schlug fehl, weil auf den Bändern keine Daten gespeichert waren. Die Kläger, die behauptet, ihr seien die ihren Geschäftsbereich betreffenden vertraglichen Ansprüche gegenüber der Beklagte abgetreten, wirft der Beklagte vor, die eingesetzte Mitarbeiterin habe es unterlassen, die Funktion der neu installierten Anlage einschließlich der Programme und der Funktionsfähigkeit der Datensicherung zu überprüfen. Ihr persönlich haftender Gesellschafter habe die Mitarbeiterin sogar darauf hingewiesen, dass der von ihr gestartete Datensicherungslauf auf dem neuen Gerät offenbar nur noch eine Sache von Sekunden sei. Obwohl die Mitarbeiterin aus dieser Äußerung habe erkennen müssen, dass mit der Datensicherung etwas nicht in Ordnung sei, habe sie lediglich geantwortet, das sei eben der Vorteil der neuen Anlage. LG und Berufungsgericht (Entscheidung u.a. abgedruckt in NJW-RR 1994, 1262) haben die Schadensersatzklage der Kläger abgewiesen. Die zulässige Revision der Kläger führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht
Aus den Gründen:
1. Das Berufungsgericht bewertet die von der Beklagte
übernommene
Verpflichtung, das sogenannte Optikprogramm nebst Daten auf die neue EDV-Anlage
zu übertragen, als werkvertragliche Pflicht. Die Revision greift diese Wertung
nicht an; sie ist aus rechtlichen Gründen auch nicht zu beanstanden.
2. Mit ihrer Behauptung, schon aus einer Äußerung ihres persönlich haftenden
Gesellschafters habe die Beklagte erkennen müssen, dass mit der Datensicherung
etwas nicht in Ordnung sei, hat die Kläger geltend gemacht, dass die
Implementierung der für die Datensicherung mittels Streamer und Bänder
verantwortlichen Programmteile (Sicherungsroutine) nicht ordnungsgemäß ausgeführt
worden sei. Das Berufungsgericht hat hierzu keine tatrichterlichen Feststellungen
getroffen, vielmehr unterstellt, dass die versprochene Werkleistung mangelhaft
war. Bei diesem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegenden
Sachverhalt ist die Abweisung der Schadensersatzklage nicht frei von
Rechtsfehlern.
3. Das Berufungsgericht verneint unter Hinweis auf frühere eigene Rechtsprechung (OLG Köln,
VersR 1992, 66; vgl. auch OLG Hamm,VersR 1993, 363 m. Anm. Jaeger) einen
Schadensersatzanspruch der Kläger, weil Arbeiten von Angestellten während der
ohnehin bezahlten Arbeitszeit beim Vergleich der durch das haftungsbegründende
Ereignis eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses
Ereignis ergeben hätte, kein ersatzfähiger Aufwand seien; denn es sei nicht
dargelegt, dass die Angestellten Überstunden gemacht hätten, dass zusätzliche
Arbeitskräfte eingestellt worden seien oder dass die Kläger mit Hilfe der
Arbeitskraft ihrer Angestellten während der Arbeitszeit anderweitigen Gewinn hätte
machen können. Dies wird von der Revision zu Recht gerügt.
Wie § 249 S. 2 BGB für Fälle der Verletzung einer Person oder der Beschädigung
einer Sache zeigt, regelt das Gesetz, dass der Geschädigte, gleichgültig, ob
er den Schaden selbst behoben hat oder ihn durch Dritte hat beheben lassen, den
zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen kann (vgl. BGH, NJW 1992,
1618 = LM H. 1/1993 § 249 (Fa) BGB Nr. 21). Die erforderlichen Aufwendungen können
danach als Herstellungskosten sogar dann zu ersetzen sein, wenn der Geschädigte
die Sache überhaupt nicht instand setzen lässt (BGH, NJW 1989, 3009 = LM §
249 (Gb) BGB Nr. 27; BGHZ 81, 385 (391) = NJW 1982, 98 = LM § 249 (Fa) BGB Nr.
16 m.w.Nachw.). Auch erkennt die Rechtsprechung des BGH eine Regel, dass kein
Ersatz für Zeitaufwand im eigenen Unternehmen verlangt werden könne, nur an,
sofern die Zeit zur Schadensermittlung und zur außergerichtlichen Abwicklung
des Schadensersatzanspruchs angefallen ist und der im Einzelfall erforderliche
Zeitaufwand nicht die von einem privaten Geschädigten typischerweise zu
erbringende Mühewaltung überschreitet (vgl. BGHZ 76, 216 (218) = NJW 1980,
1518 = LM § 249 (A) BGB Nr. 52; BGHZ 75, 230 (232) = NJW 1980, 119 = LM § 249
(Gb) BGB Nr. 20 jew. m.w.Nachw.). Um einen derartigen Aufwand geht es hier
jedoch nicht. Denn die Maßnahmen einschließlich der zur Feststellung der gelöschten
Daten durchgeführten Inventur dienten dazu, eine Störung im geldwerten Vermögen
der Kläger zu beheben, weil die bisher vorhandenen Daten fehlten. Damit war ein
bestimmter Teil des Vermögens der Kläger betroffen und Gegenstand des Prozesses
ist das auf einen konkreten Vermögensgegenstand bezogene Reparationsinteresse
der Kläger
Als Richtschnur des Schadensersatzes stellt hierfür das Gesetz § 249 S. 2 BGB
zur Verfügung (vgl. BGHZ 76, 216 (221) = NJW 1980, 1518 = LM § 249 (A) BGB Nr.
52 für einen Fall einer Sachgesamtheit), der gerade auf eine Restitution in
Eigenregie des Geschädigten abstellt (BGHZ 115, 365 = NJW 1992, 302 (303) = LM
H. 3/1992 § 249 (Fa) BGB Nr. 19). Ebenso wenig wie dies bedeutet, dass dem Geschädigten
eine unangemessene Veranlassung von Kosten erlaubt wäre (BGHZ 115, 365 = NJW
1992, 302 = LM H. 3/1992 § 249 (Fa) BGB Nr. 19), kann deshalb angenommen
werden, dem Geschädigten sei zuzumuten, besondere Anstrengungen zur
Schadensbehebung, die er durch den Einsatz seiner oder der Arbeitskraft seiner
Mitarbeiter unternommen hat, dem Schädiger zugute kommen zu lassen (vgl. BGH,
NJW 1992, 1618 (1619) = LM H. 1/1993 § 249 (Fa) BGB Nr. 21). Es ist vielmehr
der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag zu erstatten, der unbeschadet
der auf die individuellen Möglichkeiten und Belange des Geschädigten Rücksicht
nehmenden subjektbezogenen Schadensbetrachtung nach objektiven Kriterien,
d.h. losgelöst von den für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten
Beträgen, zu bestimmen ist (vgl. BGH, NJW 1989, 3009 = LM § 249 (Gb) BGB Nr.
27). Rentabilitätsüberlegungen, wie sie das Berufungsgericht hilfsweise im Hinblick
darauf angestellt hat, dass die Angestellten der Kläger ohne das schädigende
Ereignis andere, dem Wert ihres Lohnes entsprechende Leistungen erbracht haben könnten,
haben hierbei keine Berechtigung.
4. An der Auffassung des Berufungsgericht, ein Schaden sei nicht hinreichend dargetan, rügt
die Revision weiter zu Recht, dass das Berufungsgericht § 287 angewendet bzw.
die Tragweite dieser Bestimmung verkannt hat. § 287 ZPO gilt nach seinem
eindeutigen Wortlaut in Schadensersatzprozessen jeder Art, also auch dann, wenn
wegen einer Vertragsverletzung der Umfang des hierdurch entstandenen Schadens zu
ermitteln ist. Dem Geschädigten erleichtert § 287 ZPO dabei nicht nur die
Beweisführung, sondern auch die Darlegung (Senat, NJW 1994, 663 (664) = LM H.
4/1994 § 287 ZPO Nr. 109). Eine Schätzung nach § 287 ZPO darf mithin nur
abgelehnt werden, wenn deren Ergebnis mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig
in der Luft hängen würde (Senat,NJW 1994, 663 = LM H. 4/1994 § 287 ZPO Nr.
109). Solange greifbare Anhaltspunkte für die Darstellung eines Kläger vorhanden
sind, darf eine Schadensersatzklage nicht wegen eines lückenhaften Vortrages
abgewiesen werden (vgl. BGH, NJW 1992, 2694 (2695) = LM H. 1/1993 § 675 BGB Nr.
182).
Solche Anhaltspunkte können hier nicht verneint werden. Sie ergeben sich
bereits aus dem mit der Klageschrift in Ergänzung des Klagevorbringens von der Kläger
vorgelegten Privatgutachten. Dieses befasst sich zunächst mit den zur
Wiederherstellung der nicht gesicherten Daten erforderlichen Arbeitsschritten.
Sodann schätzt es die Anzahl der verlorengegangenen Daten auf eine bestimmte
Zahl ebenso wie die erforderliche Bearbeitungszeit je Vorgang und vervielfacht
diese mit zuvor aus den im Betrieb der Kläger tatsächlich gezahlten und auf einen
Stundensatz umgerechneten Löhnen. Entsprechend verfährt das Gutachten mit dem
geltend gemachten Aufwand für Inventurkosten und Refraktionen; der
Verdienstausfall wegen unterbliebenen Mailings ist anhand einer mittleren
Erfolgsquote, des Nettoumsatzes und des sich an der Umsatz-/Kostensituation
eines bestimmten Vorjahres orientierenden Gewinns ermittelt.
Das Gutachten offenbart auf diese Weise eine Vielzahl von Einzelheiten, die bei
Ausnutzung des dem Tatrichter durch § 287 ZPO eingeräumten Ermessens
Feststellungen erlauben, ob von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl.
BGHZ 126, 217 = NJW 1994, 3295 (3297) = LM H. 12/1994 § 675 BGB Nr. 205) der
von der Kläger aufgestellten Behauptungen auszugehen ist. Dabei mag auch als
Anhaltspunkt dienen, dass selbst die Beklagte in der vorprozessualen Korrespondenz
den Annahmen des Privatgutachters keinesfalls schlechthin entgegengetreten ist,
sondern sich in der Lage gesehen hat, sich mit ihnen auseinander zu setzen, und
dabei nur Einzelheiten angezweifelt hat. Die vom Privatgutachter aufgezeigten
Anhaltspunkte mögen im einzelnen nicht bedenkenfrei sein; nach den zuvor
gemachten Ausführungen des Senats gilt dies vor allem, soweit nicht der übliche
Lohn in Ansatz gebracht, sondern der individuelle Aufwand der Kläger geschätzt
worden ist. Diesen Bedenken hätte aber durch einen richterlichen Hinweis
Rechnung getragen werden können und müssen (vgl. Senat, NJW 1994, 663 (665) =
LM H. 4/1994 § 287 ZPO Nr. 109), in welcher Weise eine Substantiierung der klägerischen
Ausführungen für notwendig gehalten werde.
5. Das Berufungsgericht hat die Beklagte für berechtigt angesehen, die Leistung von
Schadensersatz zu verweigern. Die von der Kläger geltend gemachte Forderung sei
gem. § 638 I BGB verjährt, weil sie auf den Ersatz eines engen
Mangelfolgeschadens gerichtet sei. Auch die hiergegen gerichtete Rüge der Kläger
greift durch. Der Datenverlust, dessentwegen die Kläger Schadensersatz begehrt,
bedeutet für die Kläger einen normalen oder weiteren Mangelfolgeschaden, für den
Ersatz nach den allgemeinen Regeln des Instituts der positiven
Vertragsverletzung verlangt werden kann, was die Anwendung der allgemeinen Verjährungsfrist
einschließt (§ 195 BGB), die im vorliegenden Fall bei Klageerhebung noch nicht
abgelaufen war.
Die Frage, nach welchen Regeln durch eine mangelhafte Werkleistung verursachte
Schäden zu ersetzen sind, ist in Grenzfällen vor allem nach dem lokalen
Zusammenhang zwischen Werk und Schaden zu entscheiden. Es ist festzustellen, wo
sich der Schaden verwirklicht hat, ob am Werk selbst oder an anderen Rechtsgütern.
Grundsätzlich kann nur der Schaden, der dem hergestellten Werk unmittelbar
anhaftet, einen Schadensersatzanspruch gem. § 635 BGB auslösen. Sogenannte
Mangelfolgeschäden, die erst durch Hinzutreten eines weiteren Ereignisses und
an weiteren Rechtsgütern realisiert werden, sind dagegen grundsätzlich nach
den allgemeinen Regeln der positiven Vertragsverletzung zu behandeln. Die Verjährung
bestimmt sich allerdings ausnahmsweise auch dann nach § 638 BGB, wenn es nach
dem auf eine angemessene Risikoverteilung zielenden Gesetzeszweck erforderlich
scheint. Diese Erforderlichkeit kann nur gegeben sein, wenn ein enger - wiederum
vor allem lokaler - Zusammenhang zwischen Werkmangel und Folgeschaden besteht,
so dass der durch den Werkmangel bedingte Schaden regelmäßig nicht erst nach
langer Zeit in Erscheinung tritt, und wenn zudem eine Interessenabwägung
ergibt, dass der Unternehmer billigerweise nicht damit rechnen muss, noch lange
Zeit nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist in Anspruch genommen zu
werden (vgl. ausf. Senat, NJW 1993, 923 (924) = LM H. 5/1993 § 635 BGB Nr. 99
m.w.Nachw.; auch BGHZ 115, 32 (34ff.) = NJW 1991, 2418 = LM § 635 BGB Nr. 97
m.w.Nachw.).
Einen nach § 638 BGB in kurzer Frist verjährenden sogenannten nahen
Folgeschaden hat die Rechtsprechung in Anwendung dieser Grundsätze vor allem
bei Planungs- und Prüfungsfehlern angenommen, wenn sich die Planung oder Prüfung
bestimmungsgemäß in einem bestimmten weiteren Werk verkörpern sollte und die
Mängel der Planung oder Prüfung in diesem weiteren Werk in Erscheinung traten
(vgl. BGHZ 37, 341 = NJW 1962, 1764 = LM § 638 BGB Nr. 4; BGHZ 48, 257 = NJW
1967, 2259 = LM § 638 BGB Nr. 9; BGHZ 58, 85 = NJW 1972, 625 = LM § 635 BGB
Nr. 27; BGHZ72, 257 = NJW 1979, 214).
Mit solchen Fällen ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Die Übertragung
des Optikprogramms einschließlich seiner Sicherungsroutine und der Daten fand
ihre Verkörperung in dem Vorhandensein aller Programmteile und Daten auf der
Festplatte der neuen EDV-Anlage und sollte sie gerade dort finden, damit die Kläger
mit dieser Anlage wie bisher mit ihrer alten EDV-Anlage weiterarbeiten könne.
Der geltend gemachte Schaden ist auch nicht bei der Implementierung der
Sicherungsroutine eingetreten. Die Kläger begehrt nämlich nicht Ersatz dafür,
dass Daten nicht auch auf Sicherungsbändern verfügbar abgelegt wurden; sie will
Schadensersatz wegen des Verlustes des Datenbestandes selbst, der als solcher
ein selbständiges vermögenswertes Gut darstellt, wie daran deutlich wird, dass
er für sich von der Kläger gegen Entgelt veräußert werden könnte. Zur
Verwirklichung des Schadens am Datenbestand selbst bedurfte es aber erst des
Absturzes der Festplatte und auch zuvor weiterer Schritte, nämlich der
Weiterarbeit der Kläger mit der neuen EDV-Anlage und des Unterbleibens einer
Sicherung des Datenbestandes, die erfahrungsgemäß auch in anderer Weise, etwa
mit Befehlen wie "back up" oder "copy", als mittels oder
programmeigenen Sicherungsroutine hätte erfolgen können. Anders als in dem im
Urteil des Senats vom 13. 5. 1986 (BGHZ 98, 45 = NJW 1986, 2307 = LM § 638 BGB
Nr. 59) behandelten Fall, der durch eine eindeutige Zuordnung eines mangelhaften
Ölwechsels zu einem ganz bestimmten Motor gekennzeichnet war, musste sich
deshalb die mangelnde Implementierung seitens der Beklagte auch nicht fast zwangsläufig
und in kurzer Zeit in einem Schaden am Datenbestand der Kläger auswirken.
Wie der vorliegende Fall zeigt, war überdies nicht gewährleistet, dass der mit
den Rechenabläufen in Computer und Programm in aller Regel nicht näher
vertraute Anwender das Versagen einzelner Funktionen innerhalb der kurzen Verjährungsfrist
des § 638 BGB feststellt. Es bestand vielmehr die Gefahr, dass dies erst nach
langer Zeit geschah, dann nämlich, wenn ein als Notfall zu qualifizierendes
Ereignis hinzutrat. Bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise kann der hier
geltend gemachte Schaden demnach auch nicht als so nahe eingeordnet werden, dass
seine Erstattbarkeit durch § 638 BGB begrenzt sein müsste. Der vorliegende
Fall ist vielmehr vergleichbar dem Fall einer mangelhaften Einbruchssicherung,
in dem der Senat den durch späteren Einbruchdiebstahl entstandenen Schaden
ebenfalls als einen der regelmäßigen, langen Verjährung unterliegenden
entfernteren Schaden beurteilt hat (BGHZ 115, 32 = NJW 1991, 2418 = § 635 BGB
Nr. 97). Vergleichbar sind auch die Fälle, in denen fehlerhafte Gutachten
erteilt oder fehlerhafte Schätzungen vorgenommen werden. In Fällen
fehlerhafter Gutachten und Schätzungen (BGHZ 87, 239 = NJW 1983, 2078 =
LM § 635 BGB Nr. 72; BGHZ 67, 1 = NJW 1976, 1502 = LM § 638 BGB Nr. 30) hat es
der BGH aber grundsätzlich abgelehnt, den erforderlichen engen Zusammenhang
anzunehmen, selbst wenn die gutachterliche Stellungnahme dazu dienen sollte,
einen durch unrichtige Wertschätzung bedingten späteren Vermögensschaden zu
vermeiden. Demgemäss kann auch hier für die im übrigen ohne nähere Begründung
vorgenommene Einordnung durch das Berufungsgericht kein durchschlagendes Argument sein,
dass die nach dem Vortrag der Kläger mangelhaft implementierte Sicherungsroutine
natürlich den Zweck hatte, einen Datenverlust zu vermeiden.
6. Da besondere Gründe, weswegen die Beklagte eine fehlerhafte Implementierung der
Sicherungsroutine nicht zu vertreten haben könnte, nicht ersichtlich sind, kann
nach allem das Urteil des Berufungsgericht nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben und
die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die bestrittene
Behauptung einer seit Implementierung fehlerhaften Sicherungsroutine aufgeklärt
werden kann.
a) Sollte das Berufungsgericht dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass sich eine fehlerhafte
Übertragung der Sicherungsroutine durch die Beklagte nicht feststellen lasse, wird
das Berufungsgericht außerdem der - wie die Revision wiederum zu Recht rügt - bisher übergangenen
Behauptung der Kläger nachzugehen haben, ihr persönlich haftender Gesellschafter
habe die Mitarbeiterin sogar darauf hingewiesen, dass der von ihr gestartete
Datensicherungslauf auf dem neuen Gerät offenbar nur noch eine Sache von
Sekunden sei. Da unter Beweisantritt behauptet ist, dass diese Mitteilung einen
Hinweis bot, nach den bisherigen Implementierungsarbeiten funktioniere die
Datensicherungsroutine des Optikprogramms nicht mehr, war nämlich für die Beklagte
als Fachunternehmen hinreichender Anlass gegeben, an der Funktionsfähigkeit der
Datensicherungsroutine zu zweifeln und deshalb zu überprüfen, ob als Folge
ihrer Arbeiten die Möglichkeit der Datensicherung mittels Streamer und Bänder
dem EDV-System tatsächlich eigen sei. Die gebotene Überprüfung hätte die
Mangelhaftigkeit der Übertragung der für die Datensicherung vorgesehenen
Programmteile des Optikprogramms offenbart. Die Beklagte hätte sogleich die
Ursache ermitteln und durch nunmehr ordnungsgemäße Wiederholung der
Implementierung der Datensicherungsroutine den Mangel des geschuldeten Werks
vermeiden können.
b) Die Meinung des Berufungsgericht, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, sämtliche
Funktionen des Optikprogramms auf der neuen Anlage zu überprüfen, hält den
Angriffen der Revision, was die hier allein interessierende Übertragung der zur
Datensicherung dienenden Programmteile anbelangt, noch aus einem anderen Grund
nicht stand.
Datensicherung ist eine allgemein bekannte Selbstverständlichkeit (vgl. OLG
Karlsruhe, CR 1996, 348f.). Angesichts der mannigfachen Gefahren eines
Datenverlustes und der daraus regelmäßig folgenden schweren wirtschaftlichen
Schäden für den EDV-Anwender gilt sie als unverzichtbar (vgl. Becker, NJW-CoR
1992, 17). Aus diesem Grund werden zumindest bei gewerblicher Nutzung einer
EDV-Anlage - wie auch hier - zur Datensicherung besondere Sicherungsroutinen
vorgesehen, die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass in regelmäßigem
Zeitabstand der Datenbestand des Anwenders auf einem besonderen Datenträger
abgespeichert wird. Die Bedeutung, welche die für die Datensicherung
vorgesehenen Programmteile mithin haben, führt dazu, dass der Unternehmer, der
ein Programm mit Sicherungsroutine bei einer EDV-Anlage zu implementieren hat,
sich nicht mit der bloßen Übertragung des Programms bzw. seiner Teile begnügen
darf. Selbst wenn er bei den insoweit notwendigen Arbeiten allen
Sorgfaltsanforderungen genügt, ist nämlich nicht auszuschließen, dass es
dennoch zu Fehlern kommt, die den Erhalt des Datenbestandes gefährden, den die
zu übertragende Sicherungsroutine bezweckt. Den als Folge seiner Übertragungsarbeit
möglichen Datenverlust, der für den Besteller einen besonders einschneidenden
Nachteil darstellt, kann jedoch gerade der Unternehmer verhindern, indem er
seine zur Übertragung der Sicherungsroutine ergriffenen Maßnahmen einer
Nachkontrolle unterzieht. Denn vom Unternehmer kann erwartet werden, dass er die
dazu nötige Sachkunde besitzt, die ihn, sollte sich eine ungenügende Übertragung
ergeben, dann auch befähigt, den aufgedeckten Fehler zu beseitigen. Die sich
aus einer Implementierungszusage ergebende Verpflichtung, eine programmseits
funktionsfähige EDV-Anlage sicherzustellen, beinhaltet deshalb für den
Unternehmer auch ohne einen besonderen Hinweis, dass die Übertragung der
Sicherungsroutine misslungen sein könnte, die Pflicht, in geeigneter Weise zu
überprüfen, ob dem Anwender mittels der Sicherungsroutine die vorgesehene
Datensicherung wirklich möglich ist. Angesichts der Selbstverständlichkeit der
Datensicherung ist auch diese Überprüfung selbstverständlicher Teil der
versprochenen Leistung. Geschuldet ist ein Mindestmaß an Prüfung, ob aus
fachlicher Sicht ernsthafte Zweifel nicht mehr bestehen können, dass die für
die Datensicherung vorgesehenen Programmteile übertragen sind und die
Sicherungsroutine bei entsprechendem Aufruf bestimmungsgemäß Daten dem
vorgesehenen Datenträger übermittelt. Was hierzu nötig ist, bestimmt sich
nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Art der Sicherungsroutine
und der EDV-Anlage, und bedarf im Streitfall der tatrichterlichen Klärung. Als
Maßstab kann dabei gelten, welche von den technisch möglichen und
wirtschaftlich zumutbaren Kontrollen ein Fachmann auf dem Gebiet der
Implementierung von Programmen auf einer EDV-Anlage vorgenommen hätte, um
aufgrund der Überprüfung annehmen zu können, dass das für die Datensicherung
vorgesehene Programm übertragen und die Sicherungsroutine auf der EDV-Anlage
lauffähig ist.
Die Pflicht, die Funktionsfähigkeit der Sicherungsroutine auf der neuen
EDV-Anlage zu überprüfen, traf auch die Beklagte Der Umstand, dass mit der
Sicherungsroutine auf der bisherigen EDV-Anlage der Kläger jahrelang
beanstandungsfrei gearbeitet worden war, bot nämlich keine Gewähr, dass dies
auch nach der Übertragung so sein würde. Es waren neue Verhältnisse gegeben,
die fehlerbehaftet sein konnten und deshalb eine Überprüfung notwendig
machten.
c) Sollte das Berufungsgericht nach erneuter mündlicher Verhandlung und Ausschöpfung
der zulässigen Beweismittel zu der Feststellung gelangen, dass weder eine
mangelhafte Übertragung des Optikprogramms feststellbar noch das von der Kläger
behauptete, auf einen Fehler der Übertragung hindeutende Gespräch,
andererseits aber auch nicht eine fehlerfreie Implementierung des
Datensicherungsprogramms bewiesen sei, wird das Berufungsgericht in Anbetracht der Ausführungen
zu b) die Schadensersatzklage nicht wegen Beweisfälligkeit der Kläger abweisen können.
Es wird vielmehr zu prüfen haben, ob die Beklagte die nach den Umständen des zu
beurteilenden Falls gebotene Überprüfung der Übertragung der
Sicherungsroutine vorgenommen hat. Ein Unterlassen der gebotenen Überprüfung
der Implementierung einer Sicherungsroutine hätte nämlich eine
Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagte zur Folge.
Das Werkvertragsrecht verlangt von dem Unternehmer nur bis zur Abnahme des Werks
die Darlegung und gegebenenfalls den Beweis, dass sein Werk nicht mit Fehlern
i.S. des § 633 I BGB behaftet ist. Hat der Besteller durch Abnahme des Werks
dasselbe als im wesentlichen vertragsgemäß anerkannt, gereicht es dagegen
wegen dieser Anerkennung dem Besteller zum Nachteil, wenn nicht (mehr) geklärt
werden kann, ob das Werk mangelhaft oder mangelfrei hergestellt worden ist. Da
diese Beweislastverteilung vom Gesetz vorgegeben ist, kommt eine Ausnahme nur
unter besonderen Umständen in Betracht. Das Vorhandensein solcher Umstände ist
jedoch regelmäßig anzunehmen, wenn Gegenstand des entgeltlichen Vertrages die
Implementierung eines Programms zur Datensicherung auf eine EDV-Anlage ist und
der Unternehmer die gebotene Überprüfung der Übertragung der
Sicherungsroutine unterlässt.
Eine Überprüfung daraufhin, ob die Übertragung eines für die Datensicherung
vorgesehenen Programms erfolgreich war, liegt im Interesse beider
Vertragsparteien. Weil sie zuverlässige Erkenntnis über die Mangelfreiheit des
geschuldeten Werks erlaubt, bietet sie für den Besteller hinreichende Gewähr,
seine Daten sichern zu können; den Unternehmer setzt sie in die Lage, die
Abnahmefähigkeit seines Werks darzutun. Die Überprüfung ist zugleich aber
auch das Mittel, um zu verhindern, dass die Fehlerfreiheit bzw. Fehlerhaftigkeit
der vom Unternehmer geschuldeten Leistung überhaupt unaufklärbar ist bzw.
wird. Sie beseitigt die gerade bei Computerprogrammen gegebene Gefahr, dass nach
Beginn der Arbeit mit ihnen nicht mehr feststellbar ist, ob ein Fehler, der sich
sodann zeigt, aus dem Bereich des Unternehmers stammt, oder ob er eine andere
Ursache hat, die der Unternehmer nicht zu verantworten hat. Damit ist eine
Interessenlage gegeben, die es sachgerecht sein lässt, ausnahmsweise auch nach
der Abnahme den Unternehmer mit den Nachteilen der Nichtaufklärbarkeit der
genauen Fehlerursache und des Zeitpunkts ihres Entstehens zu belasten. Wie
ausgeführt dient nämlich die Pflicht zur Überprüfung der Übertragung einer
Sicherungsroutine dazu, ein besonderes Risiko nach Möglichkeit auszuschließen,
das bei Implementierung eines für die Datensicherung vorgesehenen Programms der
Werkleistung des Unternehmers eigen ist und den Besteller der Gefahr schwerer
Schadensfolgen aussetzt. Auch wird die Pflichtenstellung nicht wesentlich zu
Lasten des Unternehmers verändert, wenn er - sozusagen in Fortführung seiner
Pflicht zu der von ihm versäumten Überprüfung - nachweisen muss, dass der die
Datensicherheit betreffende Mangel erst nach der Erbringung der eigenen
Leistung entstanden ist. Der Unternehmer würde sich vielmehr treuwidrig
verhalten, wenn er sich im Prozess zu seiner Entlastung auf das Fehlen von
Erkenntnissen berufen würde, um die sich zu sorgen ihm zum Schutz der Daten des
Bestellers gerade aufgegeben war.
Mit der Eröffnung einer solchen Möglichkeit der Beweislastumkehr im Bereich
der Haftung für Fehler bei der Implementierung einer Sicherungsroutine auf
einer EDV-Anlage knüpft der Senat nicht nur an die zum Ausgleich eines ähnlichen
Interessenkonflikts in ständiger Rechtsprechung angewendete Regel an, wonach
dem Arzt zum Schutz seines Patienten aufgegeben ist, Befunde zu sichern, um sich
rechtzeitig Klarheit über einen Krankheitszustand zu verschaffen, die zur
Vermeidung gefährlicher Entwicklungen erforderlich und nachträglich nicht mehr
zu erlangen sind (vgl. BGHZ 99, 391 = NJW 1987, 1482 = LM § 282 ZPO
(Beweislast) Nr. 52 m.w.Nachw.; BGH, NJW 1987, 2293 = LM § 823 (C) BGB Nr. 59 =
VersR 1987, 1092). Der hier zu beurteilende, durch den Datenverlust der Kläger
gekennzeichnete Sachverhalt ist vielmehr vor allem vergleichbar dem Fall, in dem
der Hersteller eines Produkts aufgrund der im Interesse des Verbrauchers
auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt auf seine
einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund zu sichern, er dieser
Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist. In dem sogenannten
Mehrweg-Mineralwasser-Fall, dem ein derartiger Sachverhalt zugrunde lag, hat der
BGH ebenfalls eine Beweislastumkehr für sachgerecht erachtet, weil die Überprüfung
dem Hersteller gerade deshalb aufgegeben war, um durch eine Ermittlung und
Sicherung des Status sich rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu
vergewissern, die typischerweise das Produkt belasten können und die nach
Inverkehrgabe des Produkts nicht mehr aufzudecken sind (BGHZ 104, 323 (333ff.) =
NJW 1988, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16).
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