Bundesverfassungsgericht
Beschluss Spezialist für Verkehrsrecht Rechtsanwalt Anwalt
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Aktenzeichen: 1
BvR 1 BvR 159/04
Entscheidung vom: 28. Juli
2004
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
|
Im Namen
des Volkes
In
dem Verfahren
über
die
Verfassungsbeschwerde
des Herrn
Dr. G...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Wolfang M. Weißleder und Koll.,
Walkerdamm 4 - 6, 24103 Kiel -
gegen
a) den Beschluss des
Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle vom 27. Oktober
2003 - AGH 4/03 -,
b) den Bescheid der Rechtsanwaltskammer
für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle vom 5. Februar 2003 -
F3 46/02 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Jaeger
und die Richter Hömig,
Bryde
am 28. Juli 2004 einstimmig beschlossen:
1. Der
Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle
vom 27. Oktober 2003 - AGH 4/03 - und der Bescheid der
Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle vom
5. Februar 2003 - F3 46/02 - verletzen den Beschwerdeführer in
seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
2.
Der Beschluss des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs wird
aufgehoben und die Sache an dieses Gericht zurückverwiesen.
Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die
notwendigen Auslagen zu erstatten.
3.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf
30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro)
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der
beschwerdeführende Rechtsanwalt wendet sich gegen das Verbot,
die Bezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" auf seinem
Briefkopf zu führen.
1.
Der Beschwerdeführer ist seit über vierzig Jahren als
Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied einer Anwaltssozietät.
Von Beginn an betätigte er sich auf dem Gebiet des
Verkehrsrechts. Seit 25 Jahren gehört er dem
geschäftsführenden Ausschuss der im selben Jahr
gegründeten Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen
AnwaltVereins an. Seit vielen Jahren bekleidet er das Amt des
Stellvertretenden Vorsitzenden. Ferner ist er seit Jahrzehnten Mitglied
des Gesetzgebungsausschusses Verkehrsrecht des Deutschen AnwaltVereins,
des Vorstandes der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft
und eines Fachausschusses der Bundesanstalt für
Straßenwesen. Er ist weiterhin Herausgeber und Schriftleiter
der Zeitschriften "Zeitschrift für Schadensrecht" und
"Spektrum für Versicherungsrecht". Außerdem ist er
im Bereich des Verkehrsrechts publizierend und als Referent
tätig gewesen.
Um
diese Spezialisierung im Verkehrsrecht Rechtsuchenden deutlich machen
zu können, teilte der Beschwerdeführer der
für ihn zuständigen Rechtsanwaltskammer C. mit, dass
er sich künftig als "Spezialist für Verkehrsrecht"
bezeichnen werde, da es eine Fachanwaltschaft für
Verkehrsrecht bislang nicht gebe. Die zuständige Abteilung der
Anwaltskammer bestätigte dem Beschwerdeführer
zunächst, dass er die Bezeichnung - auch auf seinem Briefkopf
- führen dürfe. Nachdem dies jedoch bei anderen
Rechtsanwaltskammern auf Kritik gestoßen war,
änderte der Vorstand der Rechtsanwaltskammer C. seine
Auffassung und belehrte den Beschwerdeführer
gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 1 der
Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dahingehend, auf dem Briefkopf die
Selbstbezeichnung als Spezialist zu unterlassen.
Gegen
diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer den
Anwaltsgerichtshof um Entscheidung angerufen mit dem Ziel, eine
Erlaubnis für die gewünschte Selbstdarstellung auch
auf dem Briefkopf zu erhalten, weil die Angabe von Interessen- und
Tätigkeitsschwerpunkten nicht ausreichend sei, seine
tatsächlich vorhandene Spezialisierung nach außen
kund zu tun.
Der
Anwaltsgerichtshof hat den Antrag abgelehnt. Die durch die
Anwaltskammer erfolgte Belehrung sei materiell
rechtmäßig. Der Beschwerdeführer
dürfe die von ihm gewünschte Bezeichnung
gemäß § 7 Abs. 1 in Verbindung mit
§ 6 Abs. 2 der Berufsordnung für
Rechtsanwälte (BORA) nicht führen. Nach diesen
Vorschriften dürften unabhängig von der Angabe von
Fachanwaltsbezeichnungen als Teilbereiche der Berufstätigkeit
nur Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt
werden. Vorliegend wolle der Beschwerdeführer der Sache nach
einen Tätigkeitsschwerpunkt bewerben. Gemäß
§ 7 Abs. 1 BORA dürfe er daher auch nur diesen
Begriff verwenden. Diese Beschränkung stelle keinen
Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG dar. Denn dem
Beschwerdeführer verbleibe die Möglichkeit, in
Praxisbroschüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren
Informationsmitteln wie beispielsweise dem Internet auf seine
Spezialisierung hinzuweisen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die
Vorschrift des § 7 BORA bestünden nicht. Die Norm
diene der legitimen Verhinderung einer Irreführung der
Rechtsuchenden. Zudem wirke sie einer Aushöhlung des numerus
clausus der Fachanwaltschaften entgegen.
Die
sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof ließ der
Anwaltsgerichtshof nicht zu.
2.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der
Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung von Art. 12
Abs. 1 GG. Die Selbstdarstellung als Spezialist im Briefkopf
könne nur dann verboten werden, wenn dies durch
vernünftige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt sei. Dies sei
jedoch nicht der Fall. Insbesondere bestehe nicht die Gefahr einer
Irreführung Rechtsuchender, denn das Verkehrsrecht sei ein
Rechtsgebiet, in dem es keine Fachanwaltsbezeichnung gebe. Eine
Verwechslungsgefahr mit anderen Tätigkeitsbezeichnungen sei
daher nicht zu befürchten.
3.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesrechtsanwaltskammer sowie
die Gegnerin des Ausgangsverfahrens Stellung genommen. Beide halten die
Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Die Vorschrift
des § 7 Abs. 1 BORA, die der angegriffenen Entscheidung
zugrunde liege, stelle eine Qualifikationsleiter vom Interessen-
über den Tätigkeitsschwerpunkt hin zur
Fachanwaltschaft auf. Für den Rechtsuchenden sei diese
Abstufung jedoch nur bei einheitlicher Verwendung der Terminologie
erkennbar. Der "Spezialist" habe in der Regel einen
"Tätigkeitsschwerpunkt". Um Irreführungen zu
vermeiden, müsse es bei dieser in der Satzung
gewählten Begrifflichkeit bleiben. Dies gelte umso mehr, als
es bei der Selbsteinschätzung als Spezialist an einem
nachprüfbaren tatsächlichen Kern der Selbstbewertung
fehle. Die Beschränkung der Werbemöglichkeiten wahre
auch die Grenze der Zumutbarkeit, da dem Beschwerdeführer
nicht versagt werde, auf anderen Werbeträgern wie etwa
Faltblättern, die für eine genauere Umschreibung der
eigenen Fähigkeiten Raum ließen und daher weniger
irreführend seien, mit dem Spezialistenbegriff zu werben.
II.
Die
Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies
zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten
angezeigt ist (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die
weiteren Voraussetzungen des § 93 c Abs. 1 BVerfGG sind
gegeben. Der angegriffene Bescheid sowie die Entscheidung des
Anwaltsgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seiner
Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
1.
Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a
BVerfGG). Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum
anwaltlichen Werberecht hat das Bundesverfassungsgericht bereits
wiederholt entschieden (vgl.BVerfGE 57, 121 <133>; 76,
196 <205 ff.>; 82, 18 <28> ). Den
Angehörigen freier Berufe soll für sachgerechte,
nicht irreführende Information im rechtlichen und
geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl.BVerfGE 82, 18
<28>). Staatliche Maßnahmen, die sie dabei
beschränken, sind Eingriffe in die Freiheit der
Berufsausübung (vgl. BVerfGE 85, 248 <256> ).
Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den
Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende
Gesetze genügen muss (vgl.BVerfGE 101, 331
<347>).
2.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des
Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG
angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
a)
Den Entscheidungen liegen die auf der Grundlage von § 59 b
Abs. 2 Nr. 2 und 3 BRAO erlassenen werberechtlichen Vorschriften der
Berufsordnung für Rechtsanwälte zugrunde. §
6 Abs. 1 BORA erlaubt dem Anwalt alle Informationen über seine
Dienstleistungen und seine Person, soweit die Angaben sachlich
unterrichten und berufsbezogen sind. Diese Regelung ist von Verfassungs
wegen nicht zu beanstanden; sie entspricht der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite des Art. 12 Abs. 1 GG.
b)
§ 7 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 BORA schränken die
Informationsmöglichkeiten jedoch teilweise ein. Nur in
Praxisbroschüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren
Informationsmitteln zur Bewerbung von Teilbereichen der
Berufstätigkeit darf nach diesen Vorschriften auch
über anderes als über Interessen- und
Tätigkeitsschwerpunkte sowie Fachanwaltsbezeichnungen
informiert werden.
aa)
Nach ihrem Wortlaut sind diese Regelungen zu restriktiv gefasst. Weder
sind sie zur Erreichung der hiermit verfolgten Gemeinwohlzwecke
erforderlich noch wahren sie den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit.
(1)
Die werberechtlichen Vorschriften in der Berufsordnung für
Rechtsanwälte dienen dem Zweck, die Unabhängigkeit
des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern; mit der
Stellung eines Rechtsanwalts ist im Interesse des rechtsuchenden
Bürgers eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes
Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung
des Anwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im
Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat (vgl.BVerfGE 76, 196
<207 f.>; 82, 18 <26> ). Verboten werden
kann daher neben solchen Werbemethoden, die Ausdruck eines rein
geschäftsmäßigen, ausschließlich
am Gewinn orientierten Verhaltens sind, insbesondere diejenige Werbung,
die Gefahr läuft, den Rechtsuchenden in die Irre zu
führen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats, NJW 2001, S. 2620).
Die
durch die werberechtlichen Regelungen geschützten
Rechtsgüter und insoweit vom Normgeber verfolgten Ziele
rechtfertigen es jedoch nicht, Angaben und Zusätze, die eine
ausgeübte Tätigkeit näher charakterisieren
sollen, ohne Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck oder ihren
Informationswert für Dritte zu verbieten. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht bereits ausdrücklich im Zusammenhang
mit dem Werberecht der freiberuflichen Ärzte
ausgeführt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats, NJW 2002, S. 1331). Dieser Rechtsprechung ist der
Bundesgerichtshof gefolgt (vgl. für die Werbung der
Ärzte: BGH, NJW-RR 2003, S. 1288; vgl. im Zusammenhang mit
§ 59 k BRAO und § 9 BORA: BGH, NJW 2004, S. 1099).
Auch das Landesberufsgericht für Heilberufe beim
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat Kurzinformationen
über eine Praxis auf dem Briefkopf unter
Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
zugelassen (vgl. Arztrecht 2004, S. 46; vgl. zum Ganzen auch: BVerfG,
2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 29. April 2004 - 1 BvR
649/04 - sowie Beschluss vom 30. April 2004 - 1 BvR 2334/03 - jeweils
veröffentlicht in Juris). Für Rechtsanwälte
gilt insoweit nichts anderes. Sofern zutreffende Angaben über
die spezielle Qualifikation des Anwalts in sachlicher Form erfolgen und
die Angaben nicht irreführend sind, lässt sich ein
Verbot dieser Selbstdarstellung von Verfassungs wegen nicht
rechtfertigen (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des
Ersten Senats, NJW 1993, S. 2988 <2989>; BVerfG, a.a.O.).
(2)
Auch die Wahl eines bestimmten Mediums rechtfertigt es
regelmäßig nicht, die Grenzen erlaubter
Außendarstellung von freiberuflich Tätigen enger zu
ziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach entschieden,
dass ein zur Selbstdarstellung gewähltes Medium für
sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung
begründen kann (vgl.BVerfGE 94, 372 <392 f.> ;
BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2002,
S. 1331; NJW 2003, S. 3470). Aus europäischen
Maßstäben im freiberuflichen Werberecht ergibt sich
ebenfalls nichts anderes. Weder der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften noch der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte legen insoweit restriktivere
Maßstäbe fest.
bb)
Die Regelungen von § 7 Abs. 1, § 6 Abs. 2 BORA sind
daher nur dann verfassungskonform, wenn sie dahingehend ausgelegt
werden, dass auch im Zusammenhang mit anderen als den in § 6
Abs. 2 BORA genannten Medien lediglich eine berufswidrige Werbung
unzulässig ist.
(1)
Die Verwendung von Begriffen, die in der Berufsordnung nicht
erwähnt sind, kann unter Berücksichtigung der
Reichweite der gesetzlichen Ermächtigung, die nur
Interessenschwerpunkte und Fachanwaltsbezeichnungen nennt, sowie im
Hinblick auf den verfolgten Zweck, eine Irreführung der
Verbraucher zu vermeiden, zwar verboten werden, soweit das erforderlich
und angemessen ist. Weder dürfen aber die
Tatsachenfeststellungen insoweit Zweifel lassen noch darf vornehmlich
die Sichtweise aus dem Binnenraum der Berufsangehörigen
maßgeblich werden (vgl. BGH, NJW 1999, S. 2444; vgl. auch zum
Sponsoring: BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 3195).
(2)
Bei der hiernach gebotenen Abwägung ist das
Informationsinteresse der rechtsuchenden Bevölkerung mit den
Belangen der Rechtspflege in Ausgleich zu bringen. Insofern kommt es
auch darauf an, ob die in einer Berufsordnung zur Verfügung
gestellten Merkmale und Begriffe diesem Informationsinteresse auf
Seiten der Nachfrager und der Leistungserbringer gerecht werden.
Das
ist vorliegend schon deshalb zweifelhaft, weil die von der
Bundesrechtsanwaltskammer in ihrer Stellungnahme herausgestellte
Stufenfolge von Interessenschwerpunkt, Tätigkeitsschwerpunkt
und Fachanwalt überhaupt nur in solchen Bereichen
aussagekräftig sein kann, für die es eine
Fachanwaltschaft gibt. Fachanwälte sind aber nicht notwendig
Spezialisten. Dies ergibt sich schon aus § 43 c Abs. 1 BRAO,
der die Führung von zwei Fachanwaltsbezeichnungen erlaubt.
Angesichts der Weite der Tätigkeitsfelder, für die
Fachanwaltschaften eingerichtet sind, wird insoweit keine
Spezialisierung vorausgesetzt. Wer sich als Spezialist bezeichnet,
bringt auch zum Ausdruck, dass er bevorzugt, wenn nicht gar
ausschließlich, einen Teilbereich des Vollberufs bearbeitet.
Für die Tätigkeitsschwerpunkte, von denen ein
Rechtsanwalt drei (neben zwei Interessenschwerpunkten) benennen darf,
scheidet Spezialistentum von vornherein aus.
Spezialisiert
sich ein Anwalt tatsächlich auf einen engen Bereich aus dem
weiten Feld der Rechtsberatung, wehrt er mit der
Außendarstellung als Spezialist zugleich die Inanspruchnahme
in sonstigen Materien weitgehend ab. Die so informierten Rechtsuchenden
werden bei ihm nur unter besonderen Umständen Rechtsrat auf
anderen Feldern nachfragen. Die mit einer solchen Information
verbundene dauerhafte Einengung der Berufstätigkeit kann mit
den Begriffen des Schwerpunkts oder der Fachanwaltsbezeichnung nicht
ausgedrückt werden.
c)
Den Fachgerichten obliegt es, unter Abwägung des Grundrechts
auf Berufsausübungsfreiheit mit den Zwecken des Werbeverbots
im Einzelfall die Grenze zu ziehen zwischen erlaubten und verbotenen
Handlungsformen. Die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des
einfachen Rechts können vom Bundesverfassungsgericht -
abgesehen von Verstößen gegen das
Willkürverbot - nur darauf überprüft werden,
ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich
unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte,
insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen. Das ist der
Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen
die Tragweite der Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt
oder im Ergebnis zu einer
unverhältnismäßigen Beschränkung
der grundrechtlichen Freiheiten führt (vgl.BVerfGE 18, 85
<92 f., 96>; 85, 248 <257 f.>; 87, 287
<323>).
So
liegt es hier. Die angegriffenen Entscheidungen werden dem
Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht.
aa)
Der Anwaltsgerichtshof hält die Verwendung der Bezeichnung
"Spezialist für Verkehrsrecht" nicht allgemein, wohl aber im
Briefkopf für unzulässig. Sie sei berufswidrig, da
der Begriff in seiner Bedeutung missverständlich sei und zudem
von den gesetzlich vorgegebenen Begrifflichkeiten abweiche. Mit dieser
Auffassung ist der Gerichtshof dem zur Beurteilung stehenden
Sachverhalt nicht in der Weise gerecht geworden, die angesichts seiner
grundrechtsbeschränkenden Folgen angezeigt gewesen
wäre. Nach den Feststellungen in den angegriffenen
Entscheidungen lässt sich nicht begründen, dass
Rechtsuchende dadurch in die Irre geführt werden
könnten, dass der Beschwerdeführer sich auch auf
seinem Briefkopf und nicht nur in Faltblättern, im Internet
oder in Kanzleibroschüren als Verkehrsrechtsspezialisten
bezeichnet.
(1)
Die Selbstbezeichnung eines bestimmten Rechtsanwalts als "Spezialist
für Verkehrsrecht" stellt für den Rechtsrat Suchenden
grundsätzlich eine interessengerechte und sachangemessene
Information dar. Die Gefahr der Verwechslung mit einer
Fachanwaltsbezeichnung besteht von vornherein nicht, da es einen
Fachanwalt für Verkehrsrecht nicht gibt. Eine
Irreführung käme insoweit nur in Betracht, wenn der
Beschwerdeführer tatsächlich im allgemeinen Wortsinn
kein Spezialist wäre. Das wird vorliegend weder von der
Rechtsanwaltskammer noch vom Gericht geltend gemacht.
Die
Bundesrechtsanwaltskammer hält eine
Irreführungsgefahr dennoch für gegeben, weil der
Begriff des Spezialisten nicht hinreichend konkret sei und sein Inhalt
stark vom Selbstverständnis desjenigen abhänge, der
mit ihm werbe. Angesichts der umfassenden Erfahrungen des
Beschwerdeführers sowohl rechtstheoretischer wie -praktischer
Art auf dem Gebiet des Verkehrsrechts läuft jedoch kein
Rechtsuchender Gefahr, den Begriff im Fall des
Beschwerdeführers falsch zu verstehen oder eine in irgendeiner
Hinsicht überhöhte Erwartungshaltung an dessen
einschlägige Kenntnisse mitzubringen.
(2)
Die Gefahr einer Irreführung wird auch nicht - wie von der
Bundesrechtsanwaltskammer befürchtet - dadurch bewirkt, dass
das Gesetz andere Begriffe vorgibt. Dem kundigen Rechtsuchenden ist
zuzutrauen, dass er die im Gesetz gewählten Begriffe -
Schwerpunkt oder Fachanwalt - nicht mit anderen, wie etwa dem
Spezialistenbegriff, gleich setzt. Geht man mit dem Bundesgerichtshof
davon aus, dass das Werbeverhalten vom Standpunkt der angesprochenen
Verkehrskreise aus zu beurteilen ist (vgl. NJW 1999, S. 2444
<2445>), wird man bei diesen viel eher ein
Verständnis dafür voraussetzen können, wann
ein Berufsträger sich spezialisiert hat, als dafür,
wann er berechtigt einen Interessen- oder
Tätigkeitsschwerpunkt nach eigener Einschätzung
anführen darf.
bb)
Das ist hier aber nicht entscheidend. Wäre eine
Verwechslungsgefahr tatsächlich zu befürchten,
käme es nicht mehr auf das Medium an, in dem der
irreführende Ausdruck verwandt wird. Der
Bundesrechtsanwaltskammer ist allerdings darin zuzustimmen, dass in
einem Faltblatt die Gefahr der Irreführung dann geringer ist,
wenn dort ergänzende Erläuterungen aufgenommen
werden. Hierzu verpflichtet die Berufsordnung aber nicht. Auch im
Internet oder in Faltblättern und Kanzleibroschüren
können bestimmte Besonderheiten einzelner Anwälte
oder der Kanzlei schlagwortartig aufgeführt werden. Insoweit
ist die Unterscheidung zwischen Briefkopf und Kanzleibroschüre
hinsichtlich der Verwendung von Kurzbezeichnungen nicht
überzeugend.
cc)
Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer - unter Verweis auf
den Wortlaut des § 6 Abs. 2 BRAO - gewisse Werbemittel
zugestanden wurden, innerhalb derer er auch den Begriff des
Spezialisten nutzen darf, schmälert indessen auch nicht die
verfassungsrechtliche Bedeutung der Werbebeschränkung. Das
Gewicht der Einschränkung vermindert sich zwar, bleibt aber
gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG ungerechtfertigt, weil kein
schwerwiegender Gemeinwohlbelang tragfähig genug ist, die
grundsätzlich bestehende Informationsfreiheit von Anbieter und
Nachfrager einzuschränken. Der Briefkopf ist das wesentliche
Aushängeschild einer Kanzlei und ihrer Anwälte. Es
macht daher einen wichtigen Teil des Werberechts aus, dass gerade dem
Briefkopf die volle Bandbreite anwaltlicher Tätigkeit oder
aber die Tiefe und Spezialisierung der Rechtsbefassung zu entnehmen
ist. Verbote müssen insoweit konkret benennbaren
Gemeinwohlbelangen dienen. Daran fehlt es vorliegend.
3.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargelegten
Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Unter
Berücksichtigung von Bedeutung und Tragweite der
Berufsausübungsfreiheit bleibt kein Raum für ein
Verbot der Selbstdarstellung des Beschwerdeführers als
Spezialist für Verkehrsrecht auf seinem Briefkopf.
4.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus
§ 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Entscheidung über die
Festsetzung des Gegenstandswerts aus § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO
(vgl. dazuBVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Jaeger
Hömig Bryde