BGH Urteil zu "Ruhm und Ehre der Waffen-SS",
§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB; § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB;
§ 86 Abs. 2 StGB
zurück
Aktenzeichen:
BGH 3 StR 60/05
Entscheidung vom: 28. Juli 2005
LG Karlsruhe
BUNDESGERICHTSHOF
|
Im
Namen
des Volkes
Urteil
Zur Strafbarkeit der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" (Waffen-SS
als nationalsozialistische Organisation; Hitlerjugend; Begriff "zum
Verwechseln ähnlich"; Gesamtvergleich bei veränderten
Parolen); Verbreitung über einen Anrufbeantworter;
Strafbarkeit
bei Verwendung als Propagandamittel (aktiv kämpferische,
aggressive Tendenz gegen die freiheitliche Grundordnung; Fortsetzung
der Bestrebungen der ehemaligen nationalsozialistischen Organisation;
Wewelsburg).
Leitsätze
1. Zur Frage, wann ein verwendetes Kennzeichen einem
Originalkennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nach
Änderungen und/oder Zusätzen zum Verwechseln
ähnlich
ist. (BGH)
2. Die Verwendung eines Fantasiekennzeichens oder eines erheblich
abgewandelten Kennzeichens, das dem Originalkennzeichen nicht zum
Verwechseln ähnlich ist, wird auch dann nicht von §
86 a Abs.
2 Satz 2 StGB erfasst, wenn es den Anschein erweckt, es handele sich um
ein Kennzeichen dieser Organisation. (BGH)
3. Die Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" ist weder der
Originalparole der Hitlerjugend noch derjenigen der Waffen-SS zum
Verwechseln ähnlich. (BGH)
4. "Zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs.
2 Satz
2 StGB ist eine Parole - wie auch ein sonstiges Kennzeichen - dann,
wenn ein gesteigerter Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit
gegeben ist. Erforderlich ist eine objektiv vorhandene
Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Es muss
nach
dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau
prüfenden
Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein.
Dafür genügt nicht, dass sich lediglich einzelne
Merkmale des
Vorbilds in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem
unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des
Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH NStZ 2003, 31, 32).
5. Bei der Waffen-SS handelt es sich um eine ehemalige
nationalsozialistische Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 1
Nr.
1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB, so dass sowohl die Verbreitung von
Propagandamitteln, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, ihre
Bestrebungen fortzusetzen, als auch die Verwendung ihrer Kennzeichen
strafbar ist.
6. Wird die Parole einer nationalsozialistischen Organisation -
unverändert oder nur geringfügig verändert -
um einen
Zusatz (hier "der Waffen-SS") erweitert, hängt die Frage, ob
die
neue Parole der ursprünglichen zum Verwechseln
ähnlich ist,
von einem Gesamtvergleich ab. Dabei ist im Einzelfall nach Form und
Inhalt zu beurteilen, ob in der neu entstandenen Parole ungeachtet der
vorgenommenen Ergänzungen und - gegebenenfalls -
Änderungen
letztlich die Originalparole hervorsticht und Aussage sowie
Erscheinungsbild prägt.
7. Die Verwendung von Kennzeichen der hier in Rede stehenden Art, auch
wenn sie nicht vom Tatbestand des § 86 a StGB erfasst wird,
ist
jedoch nicht notwendigerweise straflos. Sie kann im Einzelfall - unter
Berücksichtigung der ihn prägenden Umstände
- nach
anderen Vorschriften strafbar sein. Nämlich dann, wenn die
Verwendung von Kennzeichen unter solchen Umständen erfolgt,
dass
es sich nach der Gesamtaussage um Propagandamittel im Sinne des
§
86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, die nach ihrem Inhalt gegen die
freiheitliche Grundordnung gerichtet und dazu bestimmt sind,
Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation
fortzusetzen.
Entscheidungstenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten
wird das
Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Angeklagten werden freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die
notwendigen Auslagen der Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht hat, nachdem das Oberlandesgericht das Hauptverfahren
vor ihm eröffnet hatte (NJW 2003, 1200), die Angeklagten wegen
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
verurteilt. Die Angeklagten haben gegen ihre Verurteilung Revision
eingelegt. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagten
sind als Angehörige der "K. Kameradschaft" in der
rechtsradikalen
Szene aktiv. Die Angeklagten M. und E. betreiben hierzu das "Nationale
Infotelefon K. ", bei dem sie Informationen auf einen Anrufbeantworter
sprechen, die von Interessenten abgerufen werden können.
Nachdem
bei einer Kundgebung von Rechtsextremen in L. die Polizei gegen das
Skandieren der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" eingeschritten war,
plante die rechtsextreme Szene eine Protestdemonstration. Die
Angeklagten M. und E. riefen durch einen Text auf einem
Anrufbeantworter zur Teilnahme an der Demonstration auf. Der Text
endete mit dem Satz: "Also 'Ruhm und Ehre der Waffen-SS' und sichert
Euch einen Platz im K. Bus." Weiterhin überließ der
Angeklagte M. diesen Text, einschließlich der genannten
Parole,
dem Angeklagten S., der ihn in eine allgemein zugängliche
Internetseite einstellte.
Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Parole "Ruhm und Ehre
der Waffen-SS" sei sowohl der Parole der Waffen-SS ("Meine/unsere Ehre
heißt Treue") als auch derjenigen der Hitlerjugend ("Blut und
Ehre") zum Verwechseln ähnlich im Sinne des § 86 a
Abs. 2
Satz 2 StGB: Sie erwecke bei einem unbefangenen, nur flüchtig
prüfenden Hörer den Eindruck, es handele sich um eine
Parole
der Waffen-SS, so dass sich dem Hörer inhaltlich der
Sinngehalt
eines Symbols dieser verbotenen nationalsozialistischen Organisation
vermittle.
I. Die Verurteilung hält rechtlicher Nachprüfung
nicht stand.
Bei der verwendeten Parole handelt es sich nicht um eine Parole einer
ehemaligen nationalsozialistischen Organisation. Dies hat zur Folge,
dass ein tatbestandsmäßiges Handeln nach §
86 a Abs. 1
Nr. 1 StGB ausscheidet. Sie ist auch nicht der Parole einer ehemaligen
nationalsozialistischen Organisation zum Verwechseln ähnlich.
Dementsprechend greift auch § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht
ein.
1. "Zum Verwechseln ähnlich" im Sinne des § 86 a Abs.
2 Satz
2 StGB ist eine Parole - wie auch ein sonstiges Kennzeichen - dann,
wenn ein gesteigerter Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit
gegeben ist. Erforderlich ist eine objektiv vorhandene
Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Es muss
nach
dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau
prüfenden
Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein.
Dafür genügt nicht, dass sich lediglich einzelne
Merkmale des
Vorbilds in der Abwandlung wieder finden, ohne dass dadurch einem
unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des
Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH NStZ 2003, 31, 32).
2. Nach diesen Maßstäben ist bei der Parole "Ruhm
und Ehre
der Waffen-SS" ein ausreichendes Maß an Ähnlichkeit
mit den
Parolen weder der Waffen-SS noch der Hitlerjugend gegeben (ebenso die
h. M., Steinmetz NStZ 2002, 118; ders. in MünchKomm §
86 a
Rdn. 14; Fischer in Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. §
86 a
Rdn. 12; Paeffgen in NK-StGB § 86 a Rdn. 9;
Ettemeyer/Büttner, Die Polizei 2000, 164, 165; aA lediglich
OLG
Karlsruhe NJW 2003, 1200).
a) Das ist offensichtlich, soweit die von den Angeklagten verwendete
Parole ("Ruhm und Ehre der Waffen-SS") mit derjenigen der Waffen-SS
("Meine/ unsere Ehre heißt Treue") verglichen wird. Beide
Losungen unterscheiden sich nach Form und Inhalt so deutlich, dass es
an jeder Ähnlichkeit, die eine Verwechselungsgefahr
begründen
könnte, fehlt. Obgleich es daher auf die Einordnung der
Waffen-SS
als verfassungswidrige Organisation nicht ankommt, gibt die
Revisionsbegründung dem Senat Anlass zu dem Hinweis, dass es
sich
bei ihr um eine Untergliederung der SS und damit um eine ehemalige
nationalsozialistische Organisation im Sinne von § 86 a Abs. 1
Nr.
1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, so dass sowohl die
Verbreitung
von Propagandamitteln, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, ihre
Bestrebungen fortzusetzen, als auch die Verwendung ihrer Kennzeichen
strafbar ist.
b) Die verwendete Losung ist aber auch nicht der Parole der
Hitlerjugend ("Blut und Ehre") zum Verwechseln ähnlich. Mit
ihr
weist sie allerdings, entsprechend der Auffassung des Landgerichts, bei
isolierter Betrachtung der ersten drei Worte dieser Losung ("Ruhm und
Ehre") - wegen des Wortklangs und der teilweisen
Wortübereinstimmung - eine gewisse Ähnlichkeit auf.
Ob diese
den Grad erreicht, dass eine Parole "Ruhm und Ehre" der Parole der
Hitlerjugend "Blut und Ehre" zum Verwechseln ähnlich und ihre
Verwendung damit tatbestandsmäßig wäre,
kann indes auf
sich beruhen. Denn die Angeklagten haben diese Parole nicht verwandt.
Bei der Prüfung, ob die von ihnen benutzte Parole derjenigen
der
Hitlerjugend in der von § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB geforderten
Weise zum Verwechseln ähnlich ist, muss jene
unverändert und
in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden. Ein auf einzelne
Teile der Parole beschränkter Vergleich, der andere Teile aus
der
Betrachtung ausklammert, ist nicht zulässig. Wird die Parole
einer
nationalsozialistischen Organisation - unverändert oder nur
geringfügig verändert - um einen Zusatz (hier "der
Waffen-SS") erweitert, hängt die Frage, ob die neue Parole der
ursprünglichen zum Verwechseln ähnlich ist, von einem
Gesamtvergleich ab. Dabei ist nach Form und Inhalt zu beurteilen, ob in
der neu entstandenen Parole ungeachtet der vorgenommenen
Ergänzungen und - gegebenenfalls - Änderungen
letztlich die
Originalparole hervorsticht und Aussage sowie Erscheinungsbild
prägt. Ob dies der Fall ist oder ob umgekehrt die
Originalparole
als Folge der Änderungen und Ergänzungen in der neuen
Parole
ihre Bedeutung als eigenständige Aussage verliert und in den
Hintergrund tritt, lässt sich nur für den Einzelfall
entscheiden. Kriterium kann etwa sein, wie markant das
Originalkennzeichen einerseits und der Zusatz andererseits sind, wie
sehr das Originalkennzeichen durch den Zusatz in seinem
äußeren Erscheinungsbild (bei Parolen auch im
Rhythmus und
Klang) und in seiner inhaltlichen Aussage verändert wird.
Wesentlich für die Beurteilung von Ähnlichkeit und
Verwechselungsgefahr kann auch sein, ob die Parole spezifisch
nationalsozialistisch war, ausschließlich von einer
nationalsozialistischen Organisation verwandt wurde oder auch sonst
verbreitet war oder ist.
Bei der gebotenen Betrachtung der von den Angeklagten verwendeten
Parole in ihrer Gesamtheit führt ein Vergleich mit der Parole
der
Hitlerjugend - ungeachtet der Ähnlichkeit in den ersten drei
Worten - nicht dazu, dass beide Losungen zum Verwechseln
ähnlich
sind. Durch die Veränderung des ersten Begriffs von "Blut" in
"Ruhm" entsteht im ersten Teil der verwendeten Losung mit der Formel
"Ruhm und Ehre" eine Aussage, die keine spezifische
nationalsozialistische Färbung aufweist und bereits vor dem
Dritten Reich vielfach allgemein zur Ehrung insbesondere von Soldaten
verwendet worden ist (etwa Ehre den Gefallenen, Ruhm den Helden u.
ä.).
Zwar wird durch den Zusatz "der Waffen-SS" ein Bezug zu einer
nationalsozialistischen Organisation, nämlich der Waffen-SS
hergestellt. Dieser Bezug verweist aber nicht auf die Hitlerjugend und
vermag daher die Ähnlichkeit zu deren Parole nicht zu
begründen. Im Gegenteil: Hier wird durch den Zusatz die
Originalparole nach Form und Inhalt so stark verändert, dass
derjenige, der die Parole der Hitlerjugend kennt und die von den
Angeklagten verwendete Parole optisch oder akustisch wahrnimmt, nicht
den Eindruck gewinnen kann, es handele sich, wenn auch leicht
abgewandelt, um die der Hitlerjugend. Schon in formeller Hinsicht sind
die Unterschiede zu groß. Wesentlich kommt hinzu, dass der
inhaltliche Aussagegehalt beider zu vergleichender Parolen deutliche
Unterschiede aufweist. Die Losung der Hitlerjugend vermittelt das
Treuebekenntnis eines Angehörigen dieser Organisation, in dem
er
sich mit seiner gesamten Person, mit seinem Blut und mit seiner Ehre,
zu dieser Gruppierung bekennt und seine Zugehörigkeit zu ihr
zum
Ausdruck bringt. Demgegenüber ist die verwendete Parole "Ruhm
und
Ehre der Waffen-SS" als Aussage eines Dritten zu verstehen, der dieser
Organisation Ruhm und Ehre zuerkennen will.
3. Das Landgericht hat zwar - insoweit letztlich
übereinstimmend
mit den Darlegungen unter 2. a) - nach dem äußeren
Erscheinungsbild nur eine bedingte und damit nicht ausreichende
Ähnlichkeit der verwendeten Parole mit derjenigen der
Waffen-SS
festgestellt. Wenn es gleichwohl zum Ergebnis gelangt ist, sie sei ihr
zum Verwechseln ähnlich, hat es ersichtlich einen anderen,
rechtlich unzutreffenden Maßstab bei der Auslegung des
Begriffs
"zum Verwechseln ähnlich" in § 86 a Abs. 2 Satz 2
StGB
angelegt. Denn zur Begründung hat es ausgeführt, dass
dem
flüchtig prüfenden Hörer oder Leser sich bei
der Losung
"Ruhm und Ehre der Waffen-SS" der Eindruck aufdränge, es
handele
sich um eine Parole der Waffen-SS, wobei "sich ihm inhaltlich der
Sinngehalt eines Symbols dieser ... nationalsozialistischen
Organisation vermittelt". Diese Formulierung entspricht einer in Teilen
der Literatur vertretenen Auslegung dieser Vorschrift, wonach es nicht
so sehr auf die - je nach der Art der Wahrnehmung - optische oder
akustische Ähnlichkeit ankomme als vielmehr darauf, ob der
Anschein eines Kennzeichens der jeweiligen Organisation erweckt und
dessen Symbolgehalt vermittelt werde (so Lackner/Kühl, StGB
25.
Aufl. § 86 a Rdn. 2 a; Stree/Sternberg-Lieben in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 86 a Rdn.
4).
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie führt dazu,
dass
es der Existenz eines Originalkennzeichens nicht bedürfte, mit
dem
das verwendete ähnlich ist, und dass die Verwendung von
Fantasiekennzeichen tatbestandsmäßig wäre,
wenn diese
den Anschein erwecken, als seien sie ein - tatsächlich nie
gebrauchtes - Kennzeichen der betreffenden Organisation (so in der Tat
KG NStZ 2002, 148, 149). Diese Auslegung ist mit dem eindeutigen
Wortlaut des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht vereinbar. Nach
§ 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4
StGB ist
es verboten, Kennzeichen einer ehemaligen Organisation zu verwenden.
Damit sind nur Kennzeichen erfasst, die diese Organisation selbst
verwendet hat. Nach § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB stehen diesen
Kennzeichen auch solche gleich, die "ihnen" zum Verwechseln
ähnlich sind. Damit ist klargestellt, dass eine
Ähnlichkeit
mit den von der Organisation verwendeten Kennzeichen bestehen muss (so
auch Steinmetz NStZ 2002, 118 f.; ders. in MünchKomm
§ 86 a
Rdn. 13). Die gegenteilige Auffassung wäre auch mit dem
Charakter
der Vorschrift als Organisationsdelikt nicht in Einklang zu bringen
(Stegbauer JZ 2002, 1180). Denn die Vorschrift des § 86 a StGB
bezweckt den Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung
durch die
Abwehr einer Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen
(Laufhütte in LK, 11. Aufl. § 86 a Rdn. 1).
Diese nach Wortlaut und Systematik zwingende Auslegung des §
86 a
Abs. 2 Satz 2 StGB hat, wie nicht zu verkennen ist, allerdings zur
Konsequenz, dass die Verwendung von nationalsozialistisch klingenden
Parolen, die den Anschein der Zuordnung zu bestimmten NS-Organisationen
vermitteln (und vermitteln sollen), die aber etwa als
Fantasiekennzeichen frei erfunden oder von einem Originalkennzeichen so
stark abweichend sind, dass eine Verwechselungsgefahr ausgeschlossen
ist, unter diesem rechtlichen Aspekt straffrei bleibt. Eine Parole, die
einer nationalsozialistischen Organisation ungeachtet der von ihr
begangenen Gräueltaten "Ruhm und Ehre" zuspricht, wird zu
Recht
auf allgemeine Empörung stoßen und insbesondere die
Angehörigen von Opfern in ihren Gefühlen verletzen.
Dies und
das Empfinden von Strafbedürftigkeit können es aber
nicht
rechtfertigen, bei der Auslegung des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB
die
durch den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift gesetzten Grenzen zu
überschreiten. Das für Strafgesetze
verfassungsrechtlich
garantierte Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verbietet einem
Richter, eine Strafvorschrift über ihren eindeutigen, einer
Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut hinaus ausdehnend
anzuwenden
(BVerfGE 64, 389, 393). Damit sind die Strafgerichte gehalten, den
Gesetzgeber beim Wort zu nehmen; ihn zu korrigieren, ist ihnen
verwehrt. Sie müssen in Fällen, die vom Wortlaut
einer
Strafnorm nicht mehr erfasst sind, zum Freispruch gelangen (BVerfGE 47,
109, 124). Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob solche
NS-Propaganda, soweit dies mit Blick auf das Grundrecht der
Meinungsfreiheit möglich ist, unter Strafandrohung verboten
werden
soll oder ob die Auseinandersetzung mit dieser Ideologie nicht besser
mit politischen Mitteln zu führen ist.
4. Im übrigen ist die Verwendung von Kennzeichen der hier in
Rede
stehenden Art, auch wenn sie nicht vom Tatbestand des § 86 a
StGB
erfasst wird, nicht notwendigerweise straflos. Sie kann im Einzelfall -
unter Berücksichtigung der ihn prägenden
Umstände - nach
anderen Vorschriften strafbar sein.
a) Das gilt etwa für die Verwendung von Kennzeichen unter
solchen
Umständen, dass es sich nach der Gesamtaussage um
Propagandamittel
im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelt, die nach ihrem
Inhalt
gegen die freiheitliche Grundordnung gerichtet und dazu bestimmt sind,
Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation
fortzusetzen (vgl. BGHR StGB § 86 Abs. 1 Nr. 4 NS-Parole 1 zu
"Rot-Front-Verrecke"). Eine solche Fallgestaltung war bei der
Verwendung der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" im Zusammenhang mit
einer Kundgebung auf der Wewelsburg, einer Kultstätte der SS
und
Waffen-SS, die auch als Konzentrationslager diente, gegeben. In diesem
Fall war das Landgericht Dortmund zum Ergebnis gelangt, dass die
Verwendung dieser Parole als solche allein noch nicht eine Strafbarkeit
nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu begründen vermag, dass
aber
unter den konkreten Umständen, nämlich dem bewussten
Bezug
zur Wewelsburg und der Einstellung in eine Internetseite der
"Initiative der weißen Art" ein unübersehbarer
Zusammenhang
mit den rassistischen Zielen der SS und auch der Waffen-SS hergestellt
und deren Bestrebungen zur Erhaltung der "arischen" Rasse und
Eliminierung anderer Bevölkerungsgruppen gefördert
werden
sollte (LG Dortmund, Urt. vom 7. Januar 2003 - KLs 157 Js 348/02).
Diese Auffassung hat der Senat durch Verwerfung der Angeklagtenrevision
bestätigt (Beschl. vom 15. Mai 2003 - 3 StR 154/03 [ohne
Gründe gemäß § 349 Abs. 2 StGB]).
b) Auch eine Strafbarkeit nach der durch Gesetz vom 24. März
2005
neu geschaffenen Vorschrift der Verherrlichung der
nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft
(§ 130
Abs. 4 StGB nF [BGBl I 969 f.]) kann für künftige
Fälle
in Betracht kommen, wenn im Einzelfall nach den Umständen die
weiteren Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt werden
können,
wonach durch die Verwendung der Parole die NS-Gewalt- und
Willkürherrschaft verherrlicht und dadurch der
öffentliche
Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise
gestört wurde. Damit erfasst dieser Straftatbestand nicht jede
Verherrlichung nationalsozialistischer Anschauungen, sondern nur solche
Handlungen als tatbestandsmäßig, welche die
NS-Gewalt- und
Willkürherrschaft kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen
billigen, rechtfertigen oder verherrlichen und damit den
Achtungsanspruch der Opfer angreifen (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs
BTDrucks. 15/5051 S. 5).
II. Der dargestellte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des
Urteils.
Der Senat hat nach § 354 Abs. 1 StPO in der Sache
abschließend entschieden und die Angeklagten freigesprochen,
da
der festgestellte Sachverhalt andere Straftatbestände nicht
erfüllt und weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten
sind.
Die neue Vorschrift des § 130 Abs. 4 StGB nF hat zur Tatzeit
noch
nicht gegolten (§ 1 StGB), so dass offen bleiben kann, ob ihre
Voraussetzungen erfüllt gewesen wären. Für
eine
Verurteilung nach § 86 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 StGB fehlt es an
solchen besonderen Umständen, wie sie der o. g. Entscheidung
des
Landgerichts Dortmund vom 7. Januar 2003 zugrunde lagen. Für
die
Anwendung dieser Vorschrift reicht es nicht aus, dass ein
Propagandamittel nach seinem Inhalt geeignet ist, allgemein
für
das nationalsozialistische Regime zu werben und seine Ideologie zu
verherrlichen. Wie der Senat in BGHSt 23, 64, 67 f. im Einzelnen
dargelegt hat, wurde im Gesetzgebungsverfahren ein Alternativvorschlag,
der auch solche lediglich verherrlichenden Propagandamittel in
§
86 StGB erfassen wollte, verworfen. Nach der schließlich
Gesetz
gewordenen Fassung ist in § 86 Abs. 2 StGB
ausdrücklich
bestimmt, dass nur solche Propagandamittel den Tatbestand
erfüllen, deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische
Grundordnung oder den Gedanken der
Völkerverständigung
gerichtet sind. Damit muss das Propagandamittel eine "aktiv
kämpferische, aggressive Tendenz" gegen die freiheitliche
Grundordnung aufweisen und auf die Fortsetzung der Bestrebungen der
ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gerichtet sein (BGHSt
23, 64, 72, 76; 29, 73, 78). Diese Voraussetzungen können hier
der
Verwendung der Parole durch die Angeklagten nach den festgestellten
Umständen nicht entnommen werden.