Aktenzeichen: Az.: -GSZ
1/04- Beschluss
vom 15. 07. 2005
Bundesgerichtshof
Beschluß
Die
unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht kann
ebenso wie eine sonstige unberechtigte Schutzrechtsverwarnung unter dem
Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum
Schadensersatz verpflichten.
Aus
den Entscheidungsgründen:
A.
Der I. Zivilsenat hat dem Großen Senat für
Zivilsachen mit Beschluß vom 12. August 2004 (I ZR 98/02,
GRUR 2004, 958 = WRP 2004, 1366) folgende Frage zur Entscheidung
vorgelegt:
Kann eine
unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht bei
schuldhaftem Handeln als rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb gemäß
§ 823 Abs. 1 BGB zur Schadensersatzpflicht verpflichten oder
kann sich eine Schadensersatzpflicht, falls nicht § 826 BGB
eingreift, nur aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbs
(§§ 3, 4 Nrn. 1, 8 und 10, § 9 UWG) ergeben?
Dem
Vorlagebeschluß liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die
Klägerin, die u.a. Sanitärarmaturen mit
Zubehör herstellt und vertreibt, war Inhaberin zweier
dreidimensionaler Marken, die beim Deutschen Patent- und Markenamt
jeweils für "Auslaufendstücke für
Sanitärarmaturen" aufgrund von Anmeldungen aus dem Jahre 1996
eingetragen waren (Klagemarken). Die Beklagte zu 1 (im folgenden:
Beklagte) stellt u.a. Strahlregler für
Sanitärarmaturen her.
Mit
Schreiben vom 13. Oktober 1997 machte die Klägerin
gegenüber der Beklagten geltend, deren Strahlregler verletzten
die Klagemarken, und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung. Die Beklagte wies diese Forderung als
unberechtigt zurück und beantragte beim Deutschen Patent- und
Markenamt die Löschung der Klagemarken. Die Klägerin
hat daraufhin Klage erhoben und beantragt, die Beklagten wegen
Verletzung der Klagemarken zur Unterlassung und Auskunftserteilung zu
verurteilen sowie deren Schadensersatzpflicht festzustellen. Im Laufe
des Verletzungsrechtsstreits hat das Deutsche Patent- und Markenamt die
Löschung der Klagemarken ausgesprochen, weil diesen jegliche
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
fehle. Dabei hat es davon abgesehen, der Klägerin die Kosten
der Beklagten aufzuerlegen. Die Klägerin hat daraufhin die
Markenverletzungsklage zurückgenommen. Die der Beklagten im
Löschungsverfahren entstandenen Kosten sind Gegenstand der
allein noch anhängigen Widerklage. Die Beklagte meint, die
Klägerin sei ihr zum Schadensersatz verpflichtet, weil die
Abmahnung vom 13. Oktober 1997 unberechtigt gewesen sei.
Das
Landgericht hat der Widerklage stattgegeben; das Berufungsgericht
hat sie abgewiesen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2002, 213).
Der
I. Zivilsenat hat die Verhandlung der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision ausgesetzt, da er der Vorlagefrage
grundsätzliche Bedeutung beimißt und eine
Entscheidung des Großen Senats zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung für erforderlich hält.
Zur
Begründung der Vorlage hat der I. Zivilsenat
ausgeführt: Eine Behinderung, die sich aus der
rechtmäßigen Ausübung von Schutzrechten
ergebe, sei grundsätzlich wettbewerbskonform und
dementsprechend von dem betroffenen Mitbewerber hinzunehmen. Ebenso sei
die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung von
Ansprüchen aus Schutzrechten, auch wenn sich diese (letztlich)
als unbegründet erwiesen, grundsätzlich nicht
rechtswidrig. Wer ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und
geregeltes Verfahren einleite und betreibe, greife bei subjektiver
Redlichkeit nicht rechtswidrig in ein geschütztes Gut seines
Verfahrensgegners ein, auch wenn sein Begehren sachlich nicht
gerechtfertigt sei und dem anderen Teil aus dem Verfahren über
dieses hinaus Nachteile erwüchsen. An der bisherigen
Rechtsprechung, die in einer mit einem ernsthaften und
endgültigen Unterlassungsbegehren verbundenen unberechtigten
Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des
§ 823 Abs. 1 BGB sehe, könne nicht mehr festgehalten
werden.
Die
dem Rechtsstreit zugrundeliegende Verwarnung aus einem
Kennzeichenrecht könne dem Verwarnten ebenso wie die
Verwarnung aus anderen gewerblichen Schutzrechten schwerwiegende
Entscheidungen abverlangen. Diese seien typischerweise nicht so
einschneidend wie Patent- und Gebrauchsmusterstreitigkeiten, weil -
sofern es sich nicht wie im Streitfall um eine aus der Form der Ware
gebildete Marke handele - das Inverkehrbringen der Ware selbst ohne die
beanstandete Kennzeichnung möglich bleibe und die dem
Verletzer drohende Schadensersatzhaftung entsprechend geringer zu
bemessen sei. Die möglichen Folgen einer Verwarnung
rechtfertigten es jedoch nicht, das Schadensrisiko dadurch auf den
Verwarnenden zu verlagern, dass dem Verwarnten bei
Unbegründetheit der Verwarnung - auch im Fall bloßer
Fahrlässigkeit - ein Schadensersatzanspruch aus § 823
Abs. 1 BGB zugestanden werde. Der Verwarnende besitze im allgemeinen
bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen entscheidenden
Informationsvorsprung gegenüber dem Verwarnten. Die
Beurteilung der Schutzrechtslage könne zwar schwierig sein;
dies gelte dann aber für beide Seiten in gleicher Weise.
Der
X. Zivilsenat hat sich demgegenüber dafür
ausgesprochen, an der ständigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung festzuhalten, nach der die unberechtigte
Schutzrechtsverwarnung einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des
Betroffenen am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
darstellt, die den Verwarnenden zum Schadensersatz verpflichtet, wenn
ihm ein Verschulden zur Last fällt. Insbesondere im Hinblick
auf die Abnehmerverwarnung sei diese Haftung
unerläßlich, um zu verhindern, daß die
gesetzlichen Grenzen des Schutzes von Patenten und anderen
Schutzrechten von deren Inhaber vorsätzlich oder
fahrlässig zu Lasten des freien Wettbewerbs ausgedehnt
würden und der Schutzrechtsinhaber hieraus nahezu risikolosen
Gewinn ziehen könne, ohne für den hierdurch anderen
zugefügten, nicht selten erheblichen Schaden einstehen zu
müssen, wenn sich die Verwarnung als unberechtigt erweist.
Entgegen der Auffassung des I. Zivilsenats kollidiere diese
Rechtsprechung weder mit dem Grundsatz, daß derjenige, der
ein gerichtliches Verfahren gegen einen anderen einleite, bei
subjektiver Redlichkeit nicht rechtswidrig in ein geschütztes
Gut seines Verfahrensgegners eingreife, noch widerspreche sie - wenn
beachtet werde, daß es nicht zulässig sei, die
gerichtliche Inanspruchnahme eines vermeintlichen Verletzers zu
unterbinden - dem Recht eines jeden vermeintlich Berechtigten, um
gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
B. I. Die
Vorlage ist nach § 132 Abs. 4 GVG zulässig. Der
Große Senat versteht sie dahin, daß sie die
haftungsrechtlichen Folgen einer unberechtigten Verwarnung aus
Immaterialgüterrechten betrifft. Damit ist die vom I.
Zivilsenat aufgeworfene Rechtsfrage von rechtsgrundsätzlicher
Bedeutung und erfordert eine Entscheidung des Großen Senats
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf dem Gebiet des
Immaterialgüterrechts.
In
der Sache ist die Vorlagefrage im Sinne ihrer ersten Alternative zu
beantworten. Die unbegründete Verwarnung aus einem
Kennzeichenrecht kann ebenso wie eine sonstige unberechtigte
Schutzrechtsverwarnung unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und
schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten.
II. Es
entspricht ständiger, auf das Reichsgericht
zurückgehender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
daß die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung einen
rechtswidrigen Eingriff in eine nach § 823 Abs. 1 BGB
geschützte Rechtsposition sowohl des Verwarnten als auch
desjenigen Gewerbetreibenden darstellen kann, dessen Kundenbeziehungen
durch die unberechtigte Geltendmachung eines
Ausschließlichkeitsrechts gegenüber dem verwarnten
Abnehmer schwerwiegend beeinträchtigt werden.
Das
Reichsgericht hat diese Rechtsprechung mit Urteil vom 27. Februar
1904 (RGZ 58, 24 - Juteplüsch) in einem die Verwarnung aus
einem Gebrauchsmuster betreffenden Streitfall insbesondere damit
begründet, daß das Gesetz den Gewerbetreibenden in
Gestalt des Patent- und Musterschutzes wertvolle
Ausschließungsrechte zur Verfügung stelle,
vermöge deren sie die Erzeugnisse ihrer
Erfindungstätigkeit vor der Benutzung durch den Wettbewerb
sichern und ihrem eigenen Vorteil vorbehalten könnten. Es sei
nur ein Korrelat zu dieser bevorzugten Stellung, daß sie auch
für den Bestand der zur Beschränkung des an sich
freien Gewerbebetriebs ihrer Gegner geltend gemachten Rechte
einzustehen hätten und nicht nur die Vorteile
genössen, sondern auch die Gefahren tragen
müßten, welche mit der Behauptung solcher
ausschließlichen Patent- und Musterrechte verbunden seien.
Seit Beginn der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur
unberechtigten Schutzrechtsverwarnung wird damit auf den entscheidenden
Gesichtspunkt hingewiesen, dem nach wie vor Rechnung zu tragen ist: Das
dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht
schließt jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach
Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten
Schutzgegenstandes aus. Diese einschneidende, die Freiheit des
Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts
verlangt nach einem Korrelat, welches sicherstellt, daß der
Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus
eingeschränkt wird, durch die das Gesetz den für
schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich
bestimmt.
Dieser
notwendige Ausgleich zwischen dem durch Art. 14 GG
verfassungsrechtlich geschützten Interesse des
Schutzrechtsinhabers, sein Recht geltend machen zu können, und
dem gleichfalls jedenfalls als Ausfluß der allgemeinen
Handlungsfreiheit durch das Grundgesetz geschützten Interesse
des Wettbewerbs, sich außerhalb des Schutzbereichs
bestehender Rechte unter Beachtung der Gesetze frei entfalten zu
können, wäre nicht mehr wirksam
gewährleistet, wenn es dem Schutzrechtsinhaber gestattet
wäre, aus einem Schutzrecht Schutz in einem Umfang zu
beanspruchen, der ihm nicht zusteht, und wenn er den wirtschaftlichen
Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm
zustehenden Schutzes ziehen dürfte, ohne für einen
hierdurch verursachten Schaden seiner Mitbewerber einstehen zu
müssen (vgl. zu letzterem BGHZ 38, 200, 204 -
Kindernähmaschinen; BGHZ 62, 29, 33 - Maschenfester Strumpf).
Das
wird besonders deutlich bei einer Verwarnung von Abnehmern. Bei
dieser macht der Schutzrechtsinhaber sein vermeintlich verletztes Recht
nicht gegenüber dem unmittelbaren Mitbewerber, sondern - was
ihm grundsätzlich freisteht - gegenüber dessen
Abnehmern geltend. Das Interesse der Abnehmer, sich sachlich mit dem
Schutzrechtsinhaber auseinanderzusetzen, ist typischerweise erheblich
geringer als das entsprechende Interesse des mit dem
Schutzrechtsinhaber konkurrierenden Herstellers (s. nur BGH, Urt. v.
19.1.1979 - I ZR 166/76, GRUR 1979, 332, 336 = WRP 1979, 361 -
Brombeerleuchte). Bei dem einzelnen Abnehmer können die
Umsätze mit dem vermeintlich verletzenden Erzeugnis nur
geringe Bedeutung haben; außerdem steht ihm häufig
die Alternative zu Gebote, ohne oder ohne erhebliche Nachteile auf ein
entsprechendes Produkt des Schutzrechtsinhabers auszuweichen.
Einschneidend getroffen wird in dieser Situation nicht der verwarnte
Abnehmer, sondern der ihn beliefernde Hersteller. Ohne das von der
Rechtsprechung entwickelte Institut der unberechtigten
Schutzrechtsverwarnung ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um
einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in
seine Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von
Ausschließlichkeitsrechten gegenüber seinen
Abnehmern entgegenzutreten. Wäre die unberechtigte
Schutzrechtsverwarnung für den Verwarner ohne Haftungsrisiko,
bliebe dem Mitbewerber nur die Klage auf Feststellung, daß
dem aus dem Schutzrecht Verwarnenden die vermeintlichen
Ansprüche nicht zustehen. Schon wegen der bis zum
rechtskräftigen Abschluß eines solchen Verfahrens
verstreichenden Zeit wäre hierdurch jedoch in aller Regel kein
wirksamer Rechtsschutz zu erreichen.
Abgesehen
davon, daß insbesondere auf sich schnell
verändernden Märkten mit bei Abschluß des
Rechtsstreits stark veränderten Marktverhältnissen
gerechnet werden müßte, wäre es
regelmäßig nicht oder nur schwer möglich,
die einmal beendeten Kundenbeziehungen wieder aufzunehmen. Hinzu
käme, daß der Verwarner für den durch die
verlorenen Umsatzgeschäfte entstandenen Schaden nicht zu
haften brauchte, der Schaden somit bei dem Mitbewerber verbliebe,
während der Verwarner in jedem Fall den zusätzlichen
Gewinn behalten dürfte, den er dadurch erlangt hat,
daß sich die Abnehmer seines Mitbewerbers der unberechtigten
Schutzrechtsverwarnung gebeugt haben (vgl. BGHZ 38, 200, 204 -
Kindernähmaschinen; BGHZ 62, 29, 33 - Maschenfester Strumpf;
BGHZ 111, 349, 358). Das wird den betroffenen Konkurrenten vielfach von
der negativen Feststellungsklage abhalten, während der aus der
unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gezogene Gewinn des Verwarners
allenfalls durch die Verpflichtung geschmälert würde,
die Kosten einer solchen negativen Feststellungsklage zu tragen. Im
wirtschaftlichen Ergebnis liefe das darauf hinaus, einem
Schutzrechtsinhaber zu gestatten, zu Lasten des freien Wettbewerbs
nahezu risikolos den Schutzbereich seines Schutzrechts nach eigenem
Gutdünken zu bestimmen. Das wäre mit dem schon vom
Reichsgericht für notwendig erkannten angemessenen
Interessenausgleich unvereinbar und ginge weit über dasjenige
hinaus, was der wirksame Schutz der gewerblichen Schutzrechte gebietet.
III. 1.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich mehrfach mit der
grundsätzlichen Kritik an der Haftung für die
unberechtigte Schutzrechtsverwarnung nach § 823 Abs. 1 BGB
auseinandergesetzt und stets daran festgehalten, daß die
unberechtigte Schutzrechtsverwarnung untersagt ist und der schuldhafte
Verstoß gegen dieses Verbot zum Schadensersatz verpflichtet
(BGHZ 2, 287, 293 - Mülltonnen; BGHZ 38, 200, 204 ff. -
Kindernähmaschinen; BGHZ 62, 29, 31 ff. - Maschenfester
Strumpf; BGH, Urt. v. 22.6.1976 - X ZR 44/74, GRUR 1976, 715, 716 f. -
Spritzgießmaschine; Urt. v. 19.1.1979 - I ZR 166/76, GRUR
1979, 332, 333 f. = WRP 1979, 361 - Brombeerleuchte; Urt. v. 23.2.1995
- I ZR 15/93, GRUR 1995, 424, 425 = WRP 1995, 489 - Abnehmerverwarnung;
Urt. v. 30.11.1995 - IX ZR 115/94, GRUR 1996, 812, 813 = WRP 1996, 207
[insoweit nicht in BGHZ 131, 233]; Urt. v. 17.4.1997 - X ZR 2/96, GRUR
1997, 741, 742 = WRP 1997, 957 - Chinaherde; Urt. v. 13.4.2000 - I ZR
220/97, GRUR 2001, 54, 55 = WRP 2000, 1296 - SUBWAY/ Subwear).
2.
Die im Beschluß des vorlegenden I. Zivilsenats vom 12.
August 2004 angeführten Gründe geben keine
Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
a)
Daß eine Behinderung, die sich aus der
rechtmäßigen Ausübung von Schutzrechten
ergibt, grundsätzlich wettbewerbskonform und dementsprechend
von den betroffenen Mitbewerbern hinzunehmen ist, ist richtig (BGH,
Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 37 = WRP 1992, 160 -
Bedienungsanweisung; BGH GRUR 1995, 424, 425 - Abnehmerverwarnung).
Daraus ergibt sich jedoch nichts dafür, daß auch
eine Behinderung hinzunehmen wäre, die sich aus einer
Überschreitung der dem Schutz gewerblicher Schutzrechte
gesetzten Grenzen ergibt.
b)
Zutreffend ist, daß bei subjektiver Redlichkeit nicht
rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut seines
Verfahrensgegners eingreift, wer ein staatliches, gesetzlich
eingerichtetes und geregeltes Verfahren einleitet oder betreibt, auch
wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen
Teil aus dem Verfahren über dieses hinaus Nachteile erwachsen.
Für die Folgen einer nur fahrlässigen
Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches
Verfahren betreibende Schutzrechtsinhaber wie jeder andere
Kläger oder Antragsteller außerhalb der schon im
Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht
nach dem Recht der unerlaubten Handlung, da der Schutz des
Prozeßgegners regelmäßig durch das
gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen
Ausgestaltung gewährleistet wird. Wo dies allerdings nicht der
Fall ist, muß es beim uneingeschränkten
Rechtsgüterschutz verbleiben, den § 823 Abs. 1 und
§ 826 BGB gewähren (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1994 - VI
ZR 74/94, NJW 1995, 397; s.a. BGHZ 74, 9, 16; BGHZ 118, 201, 206; BGHZ
154, 269, 271 f.; BGH, Urt. v. 11.11.2003 - VI ZR 371/02, NJW 2004,
446, 447).
Bei
diesem Ansatz ergibt sich aus der in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs anerkannten Rechtfertigungswirkung des gerichtlichen
Verfahrens gegenüber dem Verfahrensgegner nichts für
einen grundsätzlichen Ausschluß der Haftung
für eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung, namentlich
nicht für denjenigen Fall, in dem der rechtswidrige Eingriff
in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
dadurch begangen wird, daß Abnehmer des Gewerbetreibenden
unberechtigt in Anspruch genommen werden und der geschädigte
Gewerbetreibende seine Rechte folglich weder in einem gerichtlichen
Verfahren wahrnehmen kann noch in irgendeiner Form an einem solchen
Verfahren beteiligt ist. Daß der Geschädigte dem
Rechtsstreit gegen seinen Abnehmer gegebenenfalls als Streithelfer
beitreten könnte, ändert daran grundsätzlich
nichts. Abgesehen davon, daß eine solche förmliche
Beteiligung an dem Rechtsstreit nicht zwingend ist, ist sie zur Wahrung
der Rechte des Geschädigten ungeeignet, wenn der Abnehmer -
und gerade dann stellt sich typischerweise die Frage nach einer
Schadensersatzhaftung - den Streit nicht vor Gericht austragen will.
Denn zu den Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei kann
sich der Streithelfer nicht wirksam in Widerspruch setzen (§
67 ZPO).
Allerdings
geht der vorlegende I. Zivilsenat zu Recht davon aus,
daß dem durch eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung
Betroffenen nicht das Recht zuzubilligen ist, die gerichtliche
Geltendmachung der vermeintlichen Ansprüche gegenüber
seinen Abnehmern mit einem hiergegen gerichteten Unterlassungsanspruch
zu verhindern. Denn die gerichtliche Prüfung eines auch nur
vermeintlich bestehenden Anspruchs kann nicht unterbunden werden (s.
nur BGH, Urt. v. 22.1.1998 - I ZR 177/95, GRUR 1998, 587, 589 = WRP
1998, 512 - Bilanzanalyse Pro7, m.w.N.). Das ist aber, wie schon aus
der Anerkennung der Möglichkeit deliktsrechtlicher
Schadensersatzansprüche Dritter durch die
höchstrichterliche Rechtsprechung folgt, ein rein prozessuales
Privileg, das es nur ausschließt, dem aus einem Schutzrecht
Verwarnenden den Zugang zu einer gerichtlichen Prüfung seines
Anspruchs mittels einer anderen gerichtlichen Entscheidung zu
verwehren, ohne indessen damit den darin liegenden Eingriff in das
Recht eines Mitbewerbers am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbetrieb rechtmäßig zu machen. Es steht deshalb
einem Schadensersatzanspruch des Mitbewerbers nicht entgegen.
c)
Dem vorlegenden I. Zivilsenat kann nicht in der Annahme gefolgt
werden, daß die Privilegierung der Inanspruchnahme
gerichtlichen Rechtsschutzes auf die außer- oder
vorgerichtliche Abmahnung zu erstrecken sei und der Mitbewerber, der
den Verwarner nicht an einer Klage gegen einen vermeintlich
schutzrechtsverletzend handelnden Abnehmer zu hindern vermöge,
ihn ebensowenig daran hindern könne, diesen
unberechtigterweise abzumahnen. Die Gleichbehandlung von Klage und
Abmahnung ist nicht logisch zwingend vorgegeben; die der gefestigten
Rechtsprechung zur unberechtigten Verwarnung aus
Immaterialgütern zugrundeliegenden Sachgründe
sprechen vielmehr gegen eine Privilegierung der Verwarnung, wie sie der
Klage zugestanden wird.
Die
Abmahnung ist weder für die Klage noch für den
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
Prozeßvoraussetzung. Sie erlaubt es dem Verwarner lediglich,
das Schutzrecht gegebenenfalls ohne gerichtliche Hilfe durchzusetzen,
und bewahrt ihn vor der Kostenlast, wenn sich der Verwarnte erst im
gerichtlichen Verfahren unterwirft. Dieses Interesse des
Schutzrechtsinhabers ist bei einer unberechtigten Verwarnung jedoch
nicht schutzwürdig. Legitime Interessen des
Schutzrechtsinhabers werden lediglich dann beeinträchtigt,
wenn ihm eine rechtmäßige Verwarnung auf Antrag
eines Mitbewerbers zu Unrecht durch einstweilige Verfügung
untersagt wird. Klagt der Schutzrechtsinhaber daraufhin gegen einen
Abnehmer, ohne diesen zuvor abzumahnen, stellt jedoch eine hieraus etwa
resultierende Kostenlast eine Folge der Vollstreckung der
Untersagungsverfügung dar und verpflichtet den Mitbewerber
daher nach § 945 ZPO zum Schadensersatz.
Der
gleichwohl verbleibende, für eine Privilegierung von Klage
und Abmahnung in gleichem Umfang sprechende Nachteil für den
Schutzrechtsinhaber wiegt gering gegenüber den
Gründen, die gegen eine Privilegierung der Abmahnung sprechen.
Stünde die Abmahnung der Klage gleich, bliebe eine
fahrlässige unberechtigte Schutzrechtsverwarnung praktisch
folgenlos. Das Bedürfnis nach einer Sanktion ist jedoch in
Fällen der Verwarnung ungleich größer als
in Klagefällen. Die außergerichtliche Abmahnung auch
einer Vielzahl von Abnehmern bedeutet nur einen relativ geringen
Aufwand und ist demgemäß in der Praxis
häufig anzutreffen. Demgegenüber
entschließt sich der Schutzrechtsinhaber
erfahrungsgemäß nicht leicht zu einem gerichtlichen
Vorgehen gegen einen Abnehmer und noch schwerer dazu, gleichzeitig eine
Vielzahl von Abnehmern eines Mitbewerbers gerichtlich in Anspruch zu
nehmen. Ein solches Vorgehen ist mit beträchtlichem
finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand und Risiko
verbunden, zumal gegebenenfalls eine Mehrzahl von Gerichten angerufen
werden muß und im Unterliegensfalle die Kosten jedes Gegners
zu erstatten sind. Ein Rechtsstreit kann die
Geschäftsbeziehung zu den Abnehmern, die der
Schutzrechtsinhaber vielfach als Kunden gewinnen will, sehr viel
nachhaltiger stören als eine Abmahnung; zudem erhöht
es aus Sicht des Verwarnenden die Gefahr, daß die Abnehmer
sich zu Widerstand entschließen. Demgemäß
haben die in der Vergangenheit in Übereinstimmung mit der
ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen
außergerichtliche Abnehmerverwarnungen ausgesprochenen
gerichtlichen Verbote - soweit erkennbar - nicht dazu geführt,
daß Abnehmer statt dessen in erheblichem Umfang unmittelbar
gerichtlich in Anspruch genommen worden sind. Dem Betroffenen den
deliktsrechtlichen Schutz zu entziehen, wäre dem im Interesse
der Allgemeinheit liegenden Ziel eines angemessenen und praktisch
wirksamen Ausgleichs zwischen dem Schutz der geistigen Leistung
einerseits und dem Schutz des freien Wettbewerbs außerhalb
des Schutzbereichs bestehender Ausschließlichkeitsrechte
andererseits in hohem Maße abträglich.
d)
Einen gegen die Ersatzpflicht des unberechtigt Verwarnenden
sprechenden Gesichtspunkt sieht der I. Zivilsenat noch darin,
daß der Verwarnende im allgemeinen bei der Beurteilung der
Sach- und Rechtslage keinen entscheidenden Informationsvorsprung
gegenüber dem Verwarnten besitze; vielmehr gelte für
beide Seiten in gleicher Weise, daß die Beurteilung der
Schutzrechtslage schwierig sein könne. Auch das rechtfertigt
indes keine Aufgabe der gefestigten Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. zur Bedeutung einer solchen Rechtfertigung
Großer Senat in BGHZ 85, 65, 66).
Allerdings
sind die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Sach- und
Rechtslage verschiedentlich zur Rechtfertigung der Haftung für
die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung herangezogen worden (BGHZ 38,
200, 205 - Kindernähmaschinen; BGH, Urt. v. 19.1.1979 - I ZR
166/76, GRUR 1979, 332, 333 f. = WRP 1979, 361 - Brombeerleuchte; Urt.
v. 17.4.1997 - X ZR 2/96, GRUR 1997, 741, 742 = WRP 1997, 957 -
Chinaherde). Zum Teil ist die rechtliche Behandlung der unberechtigten
Schutzrechtsverwarnung auch weiter damit begründet worden,
daß der Verwarnende sich auf ein ihm zustehendes Schutzrecht
berufe, über dessen Rechtsbestand und Tragweite er
regelmäßig selbst weit besser als der Verwarnte
unterrichtet sei (z.B. BGH, Urt. v. 8.2.1963 - Ib ZR 132/61, WRP 1965,
97, 99 - Kaugummikugeln). Die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der
Sach- und Rechtslage sind jedoch letztlich nur der Grund
dafür, warum die Grenzen des Schutzbereichs eines Rechts im
Einzelfall typischerweise nicht evident sind. Gerade deswegen besteht
die Gefahr, daß es dem Schutzrechtsinhaber gelingt, seine
unberechtigten Schutzbereichsvorstellungen durchzusetzen.
Die
Erwägungen, eine Unsicherheit über die
Schutzrechtslage bestehe beiderseits, betreffen den - wie dargestellt
wichtigsten - Fall der Abnehmerverwarnung nicht, in dem der verwarnte
Abnehmer gar nicht prüfungswillig, der betroffene Lieferant
hingegen zur wirksamen Wahrnehmung seiner Rechte nicht in der Lage ist.
Selbst im Verhältnis zwischen Verwarner und Verwarntem ist es
im übrigen nicht zwingend, daß die Beurteilung der
Schutzrechtslage für beide Seiten gleich schwierig ist; wo
dies im Einzelfall tatsächlich der Fall ist, kann dem, wie
schon das Reichsgericht anerkannt hat, flexibel mit dem Einwand des
Mitverschuldens Rechnung getragen werden. Dabei wird jedoch zu beachten
sein, daß derjenige, der fahrlässig zu Unrecht ein
Ausschließlichkeitsrecht geltend macht und damit schuldhaft
unberechtigterweise mit den einschneidenden Rechtsfolgen droht, die das
Gesetz zugunsten des Inhabers eines solchen Rechts vorsieht,
"näher dran" ist, den daraus resultierenden Schaden zu tragen
als derjenige, der - und sei es gleichfalls fahrlässig - nicht
erkannt hat, daß das Ausschließlichkeitsrecht zu
Unrecht geltend gemacht worden ist. So wie der Wettbewerber das Risiko
tragen muß, daß er fahrlässig den
Schutzbereich eines gewerblichen Schutzrechts oder Urheberrechts zu eng
bemißt, so ist es umgekehrt angemessen, den aus einem
Schutzrecht Verwarnenden dafür einstehen zu lassen,
daß er fahrlässig, insbesondere ohne die von ihm
nach Lage des jeweiligen Falles zu erwartende Prüfung der
Sach- und Rechtslage, Schutz beansprucht hat, der ihm in dieser Form
nicht zustand. Auf diese Weise werden der Schutz der geistigen Leistung
einerseits und die Freiheit des Wettbewerbs andererseits, die durch die
Grenzen des Schutzbereichs objektiv voneinander abgegrenzt werden, auch
hinsichtlich der Mittel ihrer Durchsetzung und der Haftung für
die Überschreitung dieser Grenzen ins Gleichgewicht gebracht.