Leitsätze
a) Bei der Richterablehnung hat der Gegner der ablehnenden Partei die
Stellung eines Verfahrensbeteiligten. Die Entstehung und die Erstattung
seiner Anwaltsgebühren im Beschwerdeverfahren richten sich
deshalb nach allgemeinen Grundsätzen. Sie sind insbesondere
nicht davon abhängig, daß der Anwalt einen
Schriftsatz eingereicht hat.
b) Der im Hauptsacheverfahren tätige Anwalt ist in der Regel
als beauftragt anzusehen, die Partei auch im Beschwerdeverfahren einer
Richterablehnung zu vertreten.
Vorinstanzen - OLG Nürnberg, LG
Nürnberg-Fürth
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
in
der Sache...
...
-
Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
...
-
Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2005 durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die
Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Verfügungskläger wird
der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Nürnberg vom 20. April 2004 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 30. Januar 2004 betreffend die
Kosten des Beschwerdeverfahrens 8 W 1358/03 wird
zurückgewiesen.
Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten der
Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
EUR 602,85 .
Gründe:
I.
In einem landgerichtlichen Verfahren auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung lehnten die
Verfügungsbeklagten den zur Entscheidung berufenen Richter
wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das Landgericht wies das Gesuch
zurück. Die von den Verfügungsbeklagten eingelegte
sofortige Beschwerde wurde den Verfahrensbevollmächtigten der
Gegenseite durch das Gericht übersandt, die
Verfügungskläger äußerten sich im
Beschwerdeverfahren jedoch nicht. Durch Beschluß vom 13. Mai
2003 wies das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde
zurück und erlegte den Verfügungsbeklagten die Kosten
des Beschwerdeverfahrens auf.
Auf Antrag der Verfügungskläger hat das Landgericht
mit Beschluß vom 30. Januar 2004 die ihnen von den
Verfügungsbeklagten zu erstattenden
außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auf EUR
602,85 nebst Zinsen festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der
Verfügungsbeklagten hat das Oberlandesgericht mit
Beschluß vom 20. April 2004 die Kostenfestsetzung aufgehoben
und den Festsetzungsantrag der Verfügungskläger
zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem
Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der
Verfügungskläger.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die von den
Verfügungsklägern zur Festsetzung angemeldeten Kosten
seien nicht entstanden. Zwar falle die Gebühr nach §
61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO grundsätzlich bereits durch die
Mitteilung der Beschwerdeschrift an, weil anzunehmen sei, daß
der Anwalt anschließend geprüft habe, ob
für seinen Auftraggeber im Beschwerdeverfahren etwas zu
veranlassen sei. Dieser Grundsatz gelte jedoch nur in
kontradiktorischen Verfahren und damit nicht bei der Richterablehnung.
Der Prozeßgegner der ablehnenden Partei könne sich
an diesem Verfahren zwar beteiligen, infolge des fakultativen
Charakters der Beteiligung müsse sie jedoch durch Einreichung
eines Schriftsatzes gegenüber dem Beschwerdegericht zum
Ausdruck kommen.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 ZPO). Ihr steht nicht entgegen, daß dem angefochtenen
Beschluß ein Verfahren auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die
Rechtsbeschwerde wegen des durch die §§ 574 Abs. 1
Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall
ihrer Zulassung ausgeschlossen ist (BGHZ 154, 102). Diese Begrenzung
gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, da es als
selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug
ausgestattet ist (vgl. BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004, I ZB 27/03, MDR
2004, 1136 sowie Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 542
Rdn. 9).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
wonach der Anwalt eines Beschwerdegegners die Gebühr nach
§ 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (entspricht Nr. 3500 VV-RVG) verdient,
wenn er auftragsgemäß im Beschwerdeverfahren
tätig geworden ist. Hierzu genügt
grundsätzlich die Entgegennahme der von dem Gericht
mitgeteilten Beschwerdeschrift, weil als glaubhaft gemacht angesehen
wird, daß der Anwalt anschließend
pflichtgemäß geprüft hat, ob etwas
für seinen Mandanten zu veranlassen ist; die Einreichung eines
Schriftsatzes ist nicht erforderlich (OLG Köln,
JurBüro 1986, 1663; OLG Düsseldorf, JurBüro
1991, 687; OLG Hamburg, MDR 1994, 522; OLG Stuttgart, JurBüro
1998, 190; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., §
61 Rdn. 8.).
b) Die Ansicht des Berufungsgerichts, abweichend von diesem Grundsatz
entstünde für den Anwalt des Beschwerdegegners bei
einer Richterablehnung die Gebühr gemäß
§ 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO nur, soweit er im Beschwerdeverfahren
schriftsätzlich hervortrete, hält
demgegenüber rechtlicher Prüfung nicht stand.
In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, unter
welchen Voraussetzungen in diesem Fall eine erstattungsfähige
anwaltliche Beschwerdegebühr entsteht.
aa) Nach einer verbreiteten Auffassung stellt sich das
Richterablehnungsverfahren als Streit einer Partei mit dem Gericht dar,
an dem die andere Partei des Rechtsstreits formell nicht beteiligt ist.
Für deren Prozeßbevollmächtigten
bestünde deshalb in aller Regel keine Notwendigkeit zu
prüfen, ob die sofortige Beschwerde der ablehnenden Partei
Anlaß zu einer Gegenäußerung gebe. Die
Folgerungen, die aus der Einordnung der Richterablehnung als eines
nicht-kontradiktorischen Verfahrens gezogen werden, sind
unterschiedlich. Teilweise wird angenommen, daß eine
Beschwerdegebühr nur anfällt, wenn die nicht
ablehnende Partei sich, etwa durch eine schriftsätzliche
Äußerung, an dem Beschwerdeverfahren beteiligt (OLG
Stuttgart JurBüro 1984, 566; OLG Schleswig, SchlHA 1989, 131;
VGH Mannheim, JurBüro 1999, 362; KG, KGR 2002, 227; Hansens,
BRAGOreport 2001, 120, 121). Andere verneinen die Anwendbarkeit der
§§ 91 ff. ZPO auf das Richterablehnungsverfahren und
damit die Erstattungsfähigkeit etwaiger auf Seiten des
Beschwerdegegners entstandener Gebühren (BayObLG, DAVorm 1992,
229; KG, Rpfleger 1962, 156; OLG Hamm, MDR 1975, 235; OLG
Düsseldorf, JurBüro 1975, 1216; OLG Celle, Rpfleger
1983, 173; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 510; OLG Düsseldorf,
OLGR 1993, 63; OLG München, MDR 1994, 627; OLG Köln,
OLGR 1996, 256; OLG Brandenburg, MDR 2002, 1092; LG Göttingen,
Rpfleger 2000, 428; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 97 Rdn.
2; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 91
Rdn. 70; E. Schneider, JurBüro 1977, 1179, 1183) oder machen
die Erstattungsfähigkeit davon abhängig,
daß sich die Partei an dem Beschwerdeverfahren beteiligt hat
(OLG Frankfurt, OLGR 1996, 261; OLG Schleswig, SchlHA 1989, 131; OLG
Nürnberg NJW-RR 2002, 720) oder ausdrücklich zu einer
Stellungnahme aufgefordert worden ist (OLG Hamm, MDR 1989, 917) oder
davon, daß das Beschwerdegericht ausnahmsweise eine
Kostenentscheidung getroffen hat (KG, KGR 1995, 252; OLG
Düsseldorf, MDR 1985, 589 für die Kosten des
Beschwerdeführers; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl.,
§ 91 Rdn. 13 "Richterablehnung";
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 91 Rdn.
70).
bb) Die Gegenauffassung hält die Erwägungen
über den nicht-kontradiktorischen Charakter des
Ablehnungsverfahrens für unbehelflich. Sie stellt darauf ab,
daß dem Prozeßgegner im Beschwerdeverfahren
rechtliches Gehör zu gewähren ist, weil die
Entscheidung über das Ablehnungsgesuch auch seine Belange
berührt. Einige Vertreter dieser Auffassung machen die
Entstehung der Beschwerdegebühr oder ihre
Erstattungsfähigkeit ebenfalls von einer Beteiligung des
Beschwerdegegners an dem Beschwerdeverfahren (OLG Frankfurt, NJW-RR
1986, 740; MünchKomm-ZPO/Feiber, 2. Aufl., § 46 Rdn.
6) oder von der Notwendigkeit dieser Kosten (Thomas/Putzo, ZPO, 26.
Aufl., § 46 Rdn. 9) abhängig. Überwiegend
wird aus dem Erfordernis, dem Beschwerdegegner rechtliches
Gehör zu gewähren, allerdings der Schluß
gezogen, daß eine Beschwerdegebühr nach §
61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO bereits anfällt, wenn der
Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdegegners nach
Erhalt der Beschwerdeschrift pflichtgemäß
geprüft hat, ob im Beschwerdeverfahren etwas für
seinen Mandanten zu veranlassen ist (N. Schneider, KostRsp., BRAGO
§ 61 Nr. 57), und daß die Anwaltskosten nach den
§§ 91 ff. ZPO erstattungsfähig sind (OLG
Stuttgart, DJ 1979, 17; OLG Nürnberg, MDR 1980, 1026; OLG
Frankfurt, Rpfleger 1981, 408; OLG Köln, Rpfleger 1989, 427;
OLG Koblenz, MDR 1992, 310; OLG Saarbrücken, JurBüro
1992, 742; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 46 Rdn. 10;
Lappe, KostRsp., BRAGO § 61 Nr. 43; vgl. auch OLG Hamburg, MDR
1994, 522).
cc) Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug. Das
Richterablehnungsverfahren ist kein auf das Verhältnis
zwischen der ablehnenden Partei und dem Gericht beschränktes
Verfahren. In ihm wird darüber befunden, ob der
zuständige Richter zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen
bleibt. Das berührt nicht nur die Interessen der ablehnenden
Partei. Ihrem Recht auf Bereitstellung eines unparteiischen Richters
steht der Anspruch des Gegners auf den gesetzlichen Richter (Art. 101
Abs. 1 Satz 2 GG) gegenüber, der bei Ersetzung eines
tatsächlich nicht befangenen Richters verletzt wird (BVerfGE
89, 28, 37). Demgemäß ist heute anerkannt,
daß die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die
Mitwirkung eines Richters sprechen, die prozessuale Rechtsstellung
beider Parteien berührt und deshalb im Ablehnungsverfahren
beiden Parteien rechtliches Gehör zu gewähren ist
(BVerfGE 89, 28, 36; BGH, Urt. v. 15. Dezember 1994, I ZR 121/92, NJW
1995, 1677, 1679). Aus dem Anhörungsgebot folgt zugleich,
daß auch der Gegner der ablehnenden Partei Beteiligter des
Ablehnungsverfahrens ist (so zutreffend MünchKomm-ZPO/Feiber,
2. Aufl., § 46 Rdn. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25.
Aufl., § 46 Rdn. 3).
Damit steht der nicht ablehnenden Partei hinsichtlich ihrer
Anwaltskosten ebenfalls die Stellung eines Verfahrensbeteiligten zu.
Das ist auch sachgerecht. Ihr Recht, vor einer Entscheidung
über die sofortige Beschwerde angehört zu werden,
verpflichtet den mit ihrer Interessenwahrnehmung beauftragten
Prozeßbevollmächtigten zu prüfen, ob die
Beschwerdeschrift eine Gegenäußerung erfordert. Das
gilt unabhängig davon, ob das Gericht ihm die
Beschwerdeschrift lediglich mitteilt oder darüber hinaus zu
einer Stellungnahme auffordert. Da der Anspruch auf rechtliches
Gehör das Recht zur Äußerung
umfaßt (vgl. BVerfGE 89, 28, 35) und der Anwalt gehalten ist,
dieses Recht seiner Partei zu verwirklichen, muß er in jedem
Fall prüfen, ob die Beschwerdeschrift eine Stellungnahme
erfordert. Damit wird er auftragsgemäß im
Beschwerdeverfahren tätig und verdient die
Beschwerdegebühr des § 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO.
Allerdings setzt die Entstehung dieser Gebühr voraus,
daß der Anwalt mit der Vertretung im Beschwerdeverfahren
beauftragt worden ist. Hiervon kann jedoch in der Regel ausgegangen
werden, wenn der Anwalt die Partei im Hauptsacheverfahren vertritt
(a.A. N. Schneider, MDR 2001, 130, 132). Ergibt sich aus dem
Auftragsverhältnis ausnahmsweise etwas anderes,
beschränkt sich die Tätigkeit des Anwalts auf die
Entgegennahme und Weiterleitung der Beschwerdeschrift an die Partei,
wodurch eine Gebühr nicht ausgelöst wird (vgl. OLG
Köln, JurBüro 1986, 1663, 1664; VGH Mannheim,
JurBüro 1999, 362; Mümmler, JurBüro 1991,
688; vgl. auch KG, KGR 1995, 252). Ist hingegen von einer Beauftragung
des Anwalts auszugehen, sind weder die Entstehung noch die Erstattung
der Beschwerdegebühr von dem Nachweis eines besonderen
Interesses oder einer erkennbar gewordenen Beteiligung am
Ablehnungsverfahren abhängig. Entsprechendes gilt für
die Notwendigkeit der Anwaltskosten; sie wird durch § 91 Abs.
2 Satz 1 ZPO fingiert.
IV.
Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben. Der Senat
kann in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO), da
weitere Feststellungen zur Entstehung der Beschwerdegebühr
nicht erforderlich sind. Daß die
Prozeßbevollmächtigten der
Verfügungskläger mit deren Einverständnis im
Beschwerdeverfahren tätig waren, ergibt sich aus der Erhebung
der Rechtsbeschwerde. Eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der
Verfügungsbeklagten ist in dem Beschluß
über die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung
des Ablehnungsgesuchs vom 13. Mai 2003 enthalten. Das führt
zur Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des
Landgerichts.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Krüger
Klein
Schmidt-Räntsch
Stresemann