Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Der I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 9. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Schaffert und
Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf
die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Bamberg vom 11. Juni 2001 aufgehoben.
Die
Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die
Klägerin ist die am Main südöstlich von
Würzburg gelegene Gemeinde Segnitz, ein im Jahre 1142 erstmals
urkundlich erwähnter Ort mit etwa 900 Einwohnern. Die
Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte den
Domainnamen „segnitz.de“ hat registrieren lassen.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, zu ihrer Unternehmensgruppe
gehöre die A. Segnitz GmbH & Co. (im Folgenden Segnitz
& Co.) in Bremen. Dabei handelt es sich um eines der
ältesten deutschen Weinhandelshäuser, das 1859
gegründet worden ist. Die Beklagte hat behauptet,
„Segnitz“ sei in Deutschland mit Priorität
vom 18. August 1954 als Wortmarke für Waren der Klassen 32 und
33 (alkoholische und nichtalkoholische Getränke) für
Segnitz & Co. eingetragen. Die Beklagte habe darüber
hinaus im Jahre 2000 „Segnitz“ als
Gemeinschaftsmarke angemeldet.
Die
Klägerin hat die Ansicht vertreten, die von der Beklagten
veranlasste Registrierung ihres Gemeindenamens als Domainname stelle
eine Namensverletzung dar.
Sie
hat beantragt, es der Beklagten zu untersagen, den Domainnamen
„segnitz.de“ zu belegen, zu nutzen oder an Dritte
zu übertragen, und sie zu verurteilen, den Domainnamen
freizugeben.
Die
Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat sich darauf
gestützt, dass Segnitz der Name des Firmengründers
gewesen sei und das Unternehmen bis noch vor wenigen Jahren von der
Familie Segnitz geführt worden sei. Im Laufe der
140jährigen Unternehmensgeschichte habe sich
„Segnitz“ als Kurzbezeichnung durchgesetzt.
Das
Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen
richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren
Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die
zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsurteil ist auch ohne eine entsprechende
Verfahrensrüge aufzuheben, weil es keinen Tatbestand
enthält und sich der Sach- und Streitstand auch aus den
Entscheidungsgründen nicht in einem für die
Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt.
1.
Das Berufungsverfahren unterlag dem vor dem 1. Januar 2002 geltenden
Recht (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Recht ist ein
Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen
Tatbestand enthält (BGHZ 73, 248, 250 f.; BGH, Urt. v.
1.2.1999 – II ZR 176/97, NJW 1999, 1720). Ein solches Urteil
kann in der Revisionsinstanz im Allgemeinen nicht
überprüft werden, weil ihm nicht entnommen werden
kann, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung
zugrunde gelegt hat. Eine solche Entscheidung ist auch dann aufzuheben,
wenn ein Urteilstatbestand aus der Sicht des Berufungsgerichts
entbehrlich erschien, weil es das Urteil mangels
Überschreitens des Wertes der Beschwer für nicht
revisibel hielt. Ausnahmsweise kann dann von einer Aufhebung abgesehen
werden, wenn sich der Sach- und Streitstand aus den
Entscheidungsgründen in hinreichendem Umfang ergibt (vgl. BGH,
Urt. v. 25.4.1991 – I ZR 232/89, NJW 1991, 3038, 3039; Urt.
v. 6.7.1995 – I ZR 20/93, NJW 1995, 3120, 3121, jeweils
m.w.N.; Urt. v. 25.5.2004 – X ZR 258/01, NJW-RR 2004, 1576).
2.
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den
Entscheidungsgründen des Berufungsurteils lässt sich
kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen, den das
Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dem
Berufungsurteil kann auch nicht entnommen werden, dass es auf der
Grundlage des Sach- und Streitstandes ergangen ist, der dem
landgerichtlichen Urteil zugrunde liegt. Denn der dort als unstreitig
dargestellte Umstand, dass es sich bei Segnitz & Co. um eine
Tochtergesellschaft der Beklagten handelt, ist – offenbar
aufgrund des Vorbringens der Klägerin in der
Berufungserwiderung – in den Entscheidungsgründen
des Berufungsurteils als streitig dargestellt („…
ihres behaupteten Tochterunternehmens …“). Auch
dazu, dass Segnitz & Co. über eine Wortmarke
„Segnitz“ und über ein entsprechendes
Unternehmenskennzeichen verfügt, lassen sich den
Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine
Feststellungen entnehmen. Unter diesen Umständen ist eine
revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen
Urteils nicht möglich.
II.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das
Berufungsgericht Folgendes zu beachten haben:
1.
Das Vorbringen der Beklagten ist erheblich. Erweist sich der von der
Beklagten vorgetragene Sachverhalt als zutreffend, muss die Klage
abgewiesen werden.
a)
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der
Klägerin an der Bezeichnung „Segnitz“ ein
Namensrecht nach § 12 BGB zusteht. Aufgrund dieses
Namensrechts könnte sie gegen einen nichtberechtigten Dritten
vorgehen, der sich diesen Namen als Domainnamen
„segnitz.de“ hat registrieren lassen (vgl. BGHZ
149, 191, 198 f. – shell.de; 155, 273, 275 f. –
maxem.de; BGH, Urt. v. 9.9.2004 – I ZR 65/02, GRUR 2005, 430
= WRP 2005, 488 – mho.de). Dieser Anspruch scheitert
indessen, wenn dem Dritten – oder gegebenenfalls demjenigen,
der ihn mit der Registrierung beauftragt hat (dazu sogleich unter
II.1.d) – an der Bezeichnung „Segnitz“
ein eigenes Kennzeichenoder Namensrecht zusteht, das dem Namensrecht
der Klägerin nicht weichen muss. Im Fall der Gleichnamigen
steht der Domainname demjenigen zu, der den Namen als erster
für sich hat registrieren lassen (BGHZ 149, 191, 200
– shell.de; BGH, Urt. v. 21.2.2002 – I ZR 230/99,
GRUR 2002, 898, 900 = WRP 2002, 1066 – defacto; BGH GRUR
2005, 430 – mho.de). Es gilt insoweit das
Gerechtigkeitsprinzip der Priorität der Registrierung (vgl.
BGHZ 148, 1, 10 – Mitwohnzentrale.de), das nur unter
besonderen, hier nicht in Betracht kommenden Umständen
zurücktritt (vgl. BGHZ 149, 191, 201 f. – shell.de).
b)
Nach dem Vortrag der Beklagten steht Segnitz & Co. neben der
Marke ein Unternehmenskennzeichen an dem Firmenbestandteil
„Segnitz“ zu. Dass der Verkehr – wie von
der Beklagten behauptet – die Firma „A. Segnitz
& Co.“ zu „Segnitz“
verkürzt, liegt auf der Hand und wird durch die von der
Beklagten vorgelegten Unterlagen belegt.
c)
Entgegen der im angefochtenen Urteil geäußerten
Ansicht konnte das Landgericht die rechtliche Prüfung nicht
auf die „namensrechtliche Problematik“
beschränken, da es für Kennzeichenstreitsachen nicht
zuständig gewesen sei. Dabei kann offen bleiben, ob die
Berufung der Beklagten auf ein Kennzeichenrecht ausreicht, um den
Rechtsstreit zu einer Kennzeichenstreitsache i.S. von § 140
Abs. 1 MarkenG zu machen (dazu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl.,
§ 140 Rdn. 8; Hacker in Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 7. Aufl., § 140 Rdn. 6). Ist diese Frage zu
verneinen, wäre das angerufene Landgericht zur Entscheidung
des gesamten Streitstoffs einschließlich der
kennzeichenrechtlichen Einwände der Beklagten berufen. Ist
dagegen von einer Kennzeichenstreitsache auszugehen, wäre nach
der maßgeblichen landesrechtlichen
Zuständigkeitsbestimmung (§ 23 der Verordnung
über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des
Staatsministeriums der Justiz [GZVJu] v. 2.2.1988, GVBl. 6; vgl. heute
§ 30 GZVJu v. 16.11.2004, GVBl. 471) an sich die
Zuständigkeit des Landgerichts
Nürnberg-Fürth begründet. Dies
hätte indessen die Zuständigkeit des
Berufungsgerichts nicht berührt, da auf der Ebene der
Oberlandesgerichte keine Konzentration der Zuständigkeit
vorgesehen ist (§ 140 Abs. 2 MarkenG). Nach dem hier noch
maßgeblichen Recht hätte die Nichtbeachtung der
Zuständigkeitskonzentration zwar im Berufungsverfahren
gerügt werden können. Voraussetzung wäre
jedoch gewesen, dass auch in erster Instanz eine entsprechende
Rüge erfolgt wäre (§ 529 Abs. 2 ZPO a.F.;
vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1. Aufl., § 140 Rdn. 38). Im
Streitfall ist indessen die Unzuständigkeit des Landgerichts
nicht gerügt worden.
d)
Handelt es sich bei Segnitz & Co. um ein Tochterunternehmen der
Beklagten, ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Domainnamen
„segnitz.de“ mit Zustimmung der Tochtergesellschaft
Segnitz & Co. hat registrieren lassen. In diesem Fall handelt
es sich bei der Beklagten nicht um eine Nichtberechtigte. Innerhalb
eines Konzerns kann die Registrierung der Domainnamen für die
Konzernunternehmen zentral durch eine Holding oder durch eine
Verwaltungsgesellschaft erfolgen (vgl. auch § 26 Abs. 2
MarkenG). Das die Registrierung vornehmende Unternehmen ist in diesem
Fall wie der Inhaber des Kennzeichenrechts zu behandeln. Ob dies
für jede Gestattung gilt (verneinend OLG Celle MMR 2004, 486
f.; dazu Viefhues, MMR 2005, 76 ff.; Strömer, K&R
2004, 384 ff.; Möbius, JurPC Web-Dok. 231/2004; Stadler, JurPC
Web-Dok. 232/2004; vgl. auch OLG Hamm MMR 2001, 749), bedarf im
Streitfall keiner Klärung.
2.
Hält die Klägerin an ihrem Bestreiten fest, wird das
Berufungsgericht in erster Linie klären müssen, ob es
sich bei Segnitz & Co. – wie von der Beklagten
behauptet – um ein zum Konzern der Beklagten
gehörendes Unternehmen handelt. Zur Frage, ob Segnitz
& Co. ein Unternehmenskennzeichen an der Kurzbezeichnung
„Segnitz“ zusteht, wird es dagegen im Hinblick auf
die von der Beklagten vorgelegten Kataloge und Abbildungen von
Verkaufsveranstaltungen keiner Beweisaufnahme bedürfen. Denn
diese Unterlagen belegen hinreichend, dass – was ohnehin nahe
liegt – Segnitz & Co. die Bezeichnung
„Segnitz“ auch in Alleinstellung
kennzeichenmäßig verwendet.