in dem Rechtsstreit
AntiVir/AntiVirus
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Aus Rechtsgründen kann die Verwechslungsgefahr zwischen einer
an eine freihaltungsbedürftige Sachangabe angelehnten
Klagemarke und der als Marke benutzten Sachangabe selbst zu verneinen
sein.
BGH, Urteil vom 20. März 2003 - I ZR 60/01 - OLG Stuttgart, LG
Stuttgart
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr.
Büscher und Dr. Schaffert
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2001 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 2. Mai 2000
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Inhaberin der Wort-/Bildmarke Nr. 1 181 218
wie nachstehend dargestellt:
Die Marke genießt Schutz für
"Datenverarbeitungsprogramme".
Die Beklagte vertreibt ein Datenverarbeitungsprogramm, das der
Aufdeckung von Computerviren dient, unter der Bezeichnung "AntiVirus"
in der nachfolgend (verkleinert) abgebildeten Aufmachung:
Die Klägerin hat hierin eine Verletzung ihrer Marke gesehen
und die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung
der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.
Sie hat geltend gemacht, die Beklagte benutze die angegriffene
Bezeichnung markenmäßig. Diese liege klanglich und
schriftbildlich im engsten Ähnlichkeitsbereich ihrer Marke.
Sie hat tatsächliche Verwechslungen in der Form behauptet,
daß Telefonanrufe von Benutzern der Ware der Beklagten bei
der Hotline der Klägerin angekommen seien.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die
Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin
beantragt, verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat eine Markenverletzung im Sinne von
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG angenommen und dazu
ausgeführt:
Die Beklagte verwende die Bezeichnung "AntiVirus" in
produktidentifizierender Weise zur Kennzeichnung ihrer Waren. Das
ergebe sich daraus, daß im Eindruck des Verkehrs die
Bezeichnung auf der Verpackung und ihre Verwendungsweise im
Benutzerhandbuch und auf der CD einen Hinweis auf die Herkunft der so
bezeichneten Ware aus einem bestimmten Betrieb gebe.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke und
der angegriffenen Bezeichnung seien die Kennzeichnungskraft und der
durch deren Grad vorgegebene Schutzumfang des Klagezeichens sowie der
Ähnlichkeitsgrad der kollidierenden Bezeichnungen und der
erfaßten Warenbereiche sowie eine Wechselwirkung zwischen
diesen Faktoren dergestalt zu berücksichtigen, daß
ein geringer Schutzumfang durch einen hohen Ähnlichkeitsgrad
der Bezeichnungen oder des Warenbereichs kompensiert werde. Hieraus
ergebe sich eine klangliche Verwechslungsgefahr, weil
erfahrungsgemäß Endsilben eines Begriffs in der
Aussprache untergehen könnten; auch werde ihnen in der Regel
weniger Aufmerksamkeit zuteil als dem Wortanfang oder Wortstamm. Der
Schutzumfang der Klagemarke reiche zwar nicht weit, weil sie an eine
beschreibende Angabe angelehnt sei; auch dürfe nicht
entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit der
beschreibenden Angabe (Antivirus) abgestellt werden.
Maßgeblich bleibe aber der Gesamteindruck der in sieben
Buchstaben und der Schreibweise übereinstimmenden
Bezeichnungen. Die Beklagte schreibe ihre Bezeichnung ebenfalls mit
großem Anfangsbuchstaben und großem
Mittelbuchstaben und halte ebenso wie bei der Klagemarke keinen Abstand
zwischen zwei Wortteilen ein. Durch diese Übereinstimmungen
dringe die Beklagte in den Schutzbereich der Klagemarke ein.
Auf die durch § 23 Nr. 2 MarkenG bezeichnete Schutzschranke
könne sich die Beklagte nicht berufen.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Die von der
Klägerin aus ihrem Markenrecht geltend gemachten
Ansprüche sind nicht begründet.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
daß eine Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 MarkenG
grundsätzlich nur dann angenommen werden kann, wenn die
beanstandeten Handlungen das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal einer
markenmäßigen Verwendung erfüllen. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften hängt die Beantwortung der Frage, ob die -
durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MarkenG umgesetzte - Bestimmung
des Art. 5 Abs. 1 MarkenRL Anwendung findet, davon ab, ob die in Rede
stehende Bezeichnung zur Unterscheidung von Waren als solche eines
bestimmten Unternehmens, also als Marke, benutzt wird, oder ob die
Verwendung zu anderen Zwecken erfolgt (EuGH Slg. 1999, I-905 = GRUR
Int. 1999, 438, 440 Tz. 39 - BMW/Deenik). Die Annahme einer
Markenbenutzung i.S. einer Verletzungshandlung nach § 14 Abs.
2 MarkenG setzt demnach voraus, daß die Verwendung der
angegriffenen Bezeichnung im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch
der Unterscheidung der Waren eines Unternehmens von denen anderer dient
(BGH, Urt. v. 6.12.2001 - I ZR 136/99, GRUR 2002, 814, 815 = WRP 2002,
987 - Festspielhaus; Urt. v. 20.12.2001 - I ZR 60/99, GRUR 2002, 809,
811 = WRP 2002, 982 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I; Urt. v.
20.12.2001 - I ZR 135/99, GRUR 2002, 812, 813 = WRP 2002, 985 -
FRÜHSTÜCKS-DRINK II).
Das Berufungsgericht hat die markenmäßige Verwendung
der angegriffenen Bezeichnung daraus entnommen, daß die
Anbringung der Bezeichnung auf der Verpackung sowie ihre
Verwendungsweise im Benutzerhandbuch und auf der CD im Eindruck des
Verkehrs einen Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Ware aus
einem bestimmten Betrieb gebe. Das erschließe sich
insbesondere daraus, daß sich an den bezeichneten Stellen
keine Hinweise auf einen Hersteller finden ließen und
außerdem die Beklagte die Bezeichnung auf der Verpackung in
einer das Produkt selbst erfassenden Weise verwende. So würden
z.B. auf der Verpackungsvorderseite insgesamt vier Eigenschaften
aufgezählt, die ersichtlich jeweils auf die oberhalb
abgedruckte Bezeichnung "AntiVirus" bezogen seien und inhaltlich nur
das Produkt selbst betreffen könnten, so daß auch
dadurch die Bezeichnung als Produktbezeichnung erscheine. Dies setze
sich auf der Rückseite der Verpackung fort, indem dort die
sonstigen Eigenschaften und der Lieferumfang der Verpackung angegeben
werde. In den dort verwendeten Formulierungen "Zur Zeit kennt AntiVirus
über 28.000 verschiedene Viren", "AntiVirus schützt
auch vor noch unbekannten Viren ...", "AntiVirus bietet Ihnen ...",
"Zum Schutz Ihrer Daten liegt AntiVirus eine
Datei-Verschlüsselung bei ..." stehe, ebenso wie im
Benutzerhandbuch, die Bezeichnung gleichsam für das Produkt
selbst, d.h. für ein Software-Programm mit den beschriebenen
Eigenschaften.
Diese im wesentlichen tatrichterliche Beurteilung kann aus
Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Das Berufungsgericht
ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß sich die Frage
der markenmäßigen Benutzung einer Bezeichnung nach
der Auffassung des Verkehrs und zwar eines durchschnittlich
informierten, verständigen und aufmerksamen
Durchschnittsverbrauchers bestimmt (BGH GRUR 2002, 812, 813 -
FRÜHSTÜCKS-DRINK II). Dieser wird, wie es in nicht zu
beanstandender Weise zugrunde gelegt hat, wegen der konkreten Art der
Verwendung der Bezeichnung, die die Annahme eines Produktnamens
nahelegt, in ihr einen Herkunftshinweis sehen.
Dem steht nicht der anerkannte Erfahrungssatz entgegen, daß
eine nach Art einer Marke verwendete Bezeichnung, die eine reine
Gattungsbezeichnung darstellt oder jedenfalls nach allgemeinem
Sprachverständnis beschreibenden Charakter hat, vom Verkehr in
der Regel nur als Sachhinweis zur Unterrichtung des Publikums und nicht
als Herstellerangabe verstanden wird (BGHZ 139, 59, 65 -
Fläminger, m.w.N.; BGH, Urt. v. 18.6.1998 - I ZR 25/96, GRUR
1999, 238, 239 = WRP 1999, 189 - Tour de culture; vgl. auch BGH, Urt.
v. 14.1.1999 - I ZR 149/96, GRUR 1999, 992, 994 = WRP 1999, 931 - BIG
PACK). Nach den Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei der
angegriffenen Bezeichnung "AntiVirus" um eine, wenn auch graphisch
leicht verfremdete, glatt beschreibende und in diesem Sinne vielfach
benutzte Angabe. Auch das Berufungsgericht hat festgestellt,
daß in der einschlägigen Branche die Bezeichnung
"Antivirus" vielfach beschreibend benutzt werde, wenn auch eine
Verwendung jeweils entweder als Bestandteil einer Gesamtbezeichnung
oder neben einer Herstellerangabe zu beobachten sei. Gleichwohl ist
angesichts der konkreten Aufmachung der Verpackung und des Handbuchs
davon auszugehen, daß rechtlich beachtliche Teile des
angesprochenen Verkehrs die Bezeichnung - mangels einer anderen
für den Durchschnittsverbraucher hinreichend erkennbaren
Kennzeichnung - so wie sie ihm hervorgehoben entgegentritt, als
Herkunftshinweis auffaßt (vgl. BGHZ 139, 59, 65 -
Fläminger, m.w.N.).
Insofern ist die Sachlage im Streitfall mit dem Sachverhalt
vergleichbar, der - noch unter der Geltung des Warenzeichengesetzes -
der Entscheidung "Luxor-Luxus" (BGH, Urt. v. 10.5.1955 - I ZR 91/53,
GRUR 1955, 484) zugrunde gelegen hat. Dort ging es um die Bezeichnung
"LUXUS-SEIFE". Sie war auf einer Seifenverpackung blickfangartig auf
beiden Seiten diagonal und farblich auffällig sowie in einer
besonderen verzierten Schreibweise angebracht und ist deswegen als
markenmäßige Kennzeichnung erachtet worden.
Gleichermaßen besteht die Auffälligkeit im
Streitfall darin, daß die angegriffene Bezeichnung nicht nur
wie üblicherweise ein Substantiv einen großen
Anfangsbuchstaben aufweist, sondern auch in der Wortmitte mit einem
großen Buchstaben geschrieben ist und sie - vor allem
größenmäßig - hervorgehoben
mehrfach in der Warenausstattung verwendet wird.
2. Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr der angegriffenen
Bezeichnung mit der Klagemarke i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG bejaht. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist, wie das
Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde gelegt hat, nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter
Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu
beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der
maßgeblichen Faktoren der Warenidentität oder
-ähnlichkeit, der Markenidentität oder
-ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Klagemarke in dem
Sinne auszugehen, daß ein geringerer Grad der
Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Marken und/oder eine gesteigerte
Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgewogen wird und umgekehrt (BGH,
Urt. v. 5.12.2002 - I ZR 91/00, GRUR 2003, 332, 334 = WRP 2003, 521 -
Abschlußstück, m.w.N.).
b) Im Streitfall ist Warenidentität gegeben.
c) Die tatrichterlichen Feststellungen zur hohen
Markenähnlichkeit (Übereinstimmung in den ersten
sieben Lauten/Buchstaben) durch annähernd gleiche Aussprache
bei identischer Betonung sind aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
d) Aufgrund der danach gegebenen Übereinstimmungen hat das
Berufungsgericht eine Verwechslungsgefahr bejaht. Das hält der
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen,
daß der Schutzumfang der Klagemarke deshalb nicht weit
reiche, weil sie an eine beschreibende Angabe, nämlich
Antivirus, angelehnt sei. Es hat aber die sich hieraus ergebende
rechtliche Konsequenz für die Beurteilung der
Verwechslungsgefahr nicht gezogen.
Im Fall von Marken oder Markenbestandteilen, die, wie die Klagemarke,
an eine beschreibende Angabe angelehnt sind und nur wegen der
(geringfügigen) Veränderung gegenüber der
Originalangabe selbst als Marke eingetragen werden konnten, ist der
Schutzumfang der eingetragenen Marke, wie das Berufungsgericht im
Ansatz zutreffend erkannt hat, eng zu bemessen, und zwar nach
Maßgabe der Eigenprägung und Unterscheidungskraft,
die dem Zeichen - trotz seiner Anlehnung an die freizuhaltende Angabe -
die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl. BGH, Beschl. v.
1.12.1988 - I ZB 5/87, GRUR 1989, 264, 265 - REYNOLDS R 1/EREINTZ;
Beschl. v. 14.12.1988 - I ZB 6/87, GRUR 1989, 349, 350 -
ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; BGH GRUR 1999, 238, 240 - Tour
de culture). Ein darüber hinausgehender Schutz kann nicht
beansprucht werden, weil er dem markenrechtlichen Schutz der
beschreibenden Angabe selbst gleichkommen würde.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind diese
Grundsätze, die in der Rechtsprechung zum Warenzeichengesetz
entwickelt worden sind und für die Rechtslage nach dem
Markengesetz gleichermaßen Geltung haben, nicht auf solche
Fälle beschränkt, in denen der an sich freizuhaltende
Bestandteil in Kombination mit einer schutzfähigen Bezeichnung
verwendet wird. Das war zwar in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen
Markenrechtsbeschwerden der Fall, auf diese Besonderheit der damaligen
Sachverhalte ist aber in den Entscheidungen nicht abgehoben worden,
wenn es heißt, "aber auch soweit ... der Zeichenbestandteil
"R 1" zu würdigen ist". Ein Grund für eine derartige
Differenzierung wird auch vom Berufungsgericht nicht
angeführt. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich (vgl. BGH
GRUR 1999, 238, 240 - Tour de culture).
Bei Zeichen, die sich wie "AntiVir" als Abwandlungen
freihaltungsbedürftiger Angaben darstellen, kann demnach bei
der Prüfung einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf
Übereinstimmungen allein mit der beschreibenden Angabe selbst
abgestellt werden. Maßgebend für die Beurteilung der
Verwechslungsgefahr muß vielmehr gegenüber der
angegriffenen Bezeichnung der Eindruck der Klagemarke in der den Schutz
dieses Zeichens begründenden Gestaltung sein.
Hiervon ausgehend reicht die gegebene Markenähnlichkeit auch
bei identischen Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft
der Klagemarke aus Rechtsgründen nicht aus, um eine
Verwechslungsgefahr bejahen zu können. Insbesondere beruht die
Eigenprägung und Unterscheidungskraft der Klagemarke, anders
als es das Berufungsgericht angenommen hat, nicht allein auf der
Zusammenschreibung und dem großen Mittelbuchstaben "V". Diese
Elemente liegen im Rahmen eines üblichen Schriftbildes. Die
Klagemarke wird geprägt durch die charakteristische
Verkürzung der Sachangabe "Antivirus" auf "AntiVir". Gerade
insoweit fehlt es aber an einer Übereinstimmung der einander
gegenüberstehenden Zeichen.
III. Danach war auf die Revision das angefochtene Urteil aufzuheben und
das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung
beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann
Starck
Bornkamm
Büscher
Schaffert