Bundesgerichtshof Verjährung Anspruch Nebenpflichtverletzung Kaufvertrag
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Aktenzeichen:    VIII ZR 156/81
Verkündet am:
10.11.1982

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

Bundesgerichtshof

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL



Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten den Ersatz für Schäden, die ihr im Zusammenhang mit der Herstellung und Lieferung eines Kessels für eine Verzinkungsanlage an die Firma S. AG (SAG) entstanden sind.

Anfang 1977 verhandelte die Klägerin mit der Firma SAG über die Herstellung eines Verzinkungskessels. Die Firma SAG legte Wert darauf, daß die Innenwandung des Kessels eine sogenannte Aufpanzerungsschweißung erhielt, wobei ein bestimmtes Schweißmaterial der Beklagten verwendet werden sollte. Da die Klägerin die von der Firma SAG gewünschte Art und den Umfang der Aufpanzerung bislang noch nicht durchgeführt hatte, zog sie einen fachkundigen Angestellten der Beklagten zur Beratung hinzu. Nachdem die Beklagte der Klägerin Zusagen hinsichtlich der Haltbarkeit und Eignung des Materials für die geplante Verarbeitung gemacht und sich bereit erklärt hatte, einen Mitarbeiter zur Anleitung abzustellen, nahm die Klägerin den Auftrag der Firma SAG an. Die Beklagte belieferte die Klägerin im April 1977 mit dem zur Aufpanzerung erforderlichen Material. Im September 1977 lieferte die Klägerin den Verzinkungskessel an die Firma SAG aus.

Am 17. Oktober 1977 trat ein Querriss in der Kesselwand auf, der dazu führte, daß größere Mengen flüssigen Zinks ausliefen. Eine Reparatur des Kessels war nicht möglich.

Die Firma SAG nahm die Klägerin daraufhin auf Kaufpreisrückzahlung und Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin zahlte an die Firma SAG den Kaufpreis mit den angefallenen Zinsen in Höhe von 176.000,-- DM zurück. Eine weitere Zahlung in Höhe von 47.099,30 DM erfolgte auf den von der Firma SAG geltend gemachten Sachschaden.

Nachdem die Klägerin aufgrund von Sachverständigengutachten erfahren hatte, daß als Ursache für den Riss im Verzinkungskessel das von der Beklagten gelieferte Schweißdrahtmaterial in Betracht käme, zeigte sie dies der Beklagten mit Schreiben vom 1. Februar 1978 unverzüglich an. Die Beklagte lehnte jede Ersatzpflicht ab.

Daraufhin erwirkte die Klägerin am 2. Juni 1978 einen Mahnbescheid über 200.000,-- DM nebst Zinsen. Mit der Behauptung, daß sich der eingetretene Schaden auf mindestens 369.987,84 DM belaufe, hat die Klägerin von der Beklagten zunächst Schadensersatz in Höhe von 200.000,-- DM nebst Zinsen verlangt.

Die Beklagte bestreitet den Anspruch und macht die Einrede der Verjährung geltend. Mit der Widerklage begehrt sie die Feststellung, daß der Klägerin über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinaus wegen des Schadens an dem für die Firma SAG hergestellten Verzinkungskessel kein Schadensersatzanspruch zustehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat dagegen dem Klagebegehren entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Revision ist nur insoweit angenommen worden, als die Widerklage abgewiesen worden ist.


Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Widerklage begründet.

I. Das Berufungsgericht hat die Widerklage der Beklagten mit der Begründung abgewiesen, es habe nicht festgestellt werden können, daß der Klägerin wegen des Schadens an dem für die Firma SAG hergestellten Verzinkungskessel über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch hinaus kein weiterer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehe.

II. Die Abweisung der negativen Feststellungswiderklage beanstandet die Revision mit Recht.

1. Allerdings stehen der Klägerin aufgrund des Fehlens zugesicherter Eigenschaften des von der Beklagten gelieferten Materials über die eingeklagte Forderung hinaus weitere Schadensersatzansprüche zu, weil der Schadensumfang 200.000,-- DM übersteigt. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin der Firma SAG den Kaufpreis mit den angefallenen Zinsen in Höhe von 176.000,-- DM zurückerstattet hat und daß auf den eingetretenen Schaden eine weitere Zahlung in Höhe von 47.099,30 DM an die Firma SAG geleistet worden ist. Ob der Klägerin darüber hinaus Schäden entstanden sind, ist in den Tatsacheninstanzen offengeblieben. Aufgrund des im Berufungsurteil festgestellten Sachverhalts steht jedoch fest, daß die Schadensersatzansprüche der Klägerin die eingeklagten 200.000,-- DM übersteigen. Der Feststellungswiderklage kann daher nicht antragsgemäß stattgegeben werden.

2. Auch die von der Beklagten gegenüber den weitergehenden Schadensersatzansprüchen der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung kann nicht dazu führen, daß der Widerklage in vollem Umfang stattzugeben ist, weil die Verjährung die Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht beseitigt, sondern nur zur Folge hat, daß die Beklagte die Leistung verweigern kann (§ 222 Abs. 1 BGB).

a) Wie die Revision mit Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht übersehen, daß die weitergehenden Schadensersatzansprüche, deren sich die Klägerin berühmt, verjährt sind. Die Verjährung der vertraglichen Ansprüche der Klägerin richtet sich nach § 477 BGB und nicht nach § 195 BGB, weil der von ihr behauptete Schaden auf das Fehlen von zugesicherten Eigenschaften des gelieferten Materials und möglicherweise auf die Verletzung von kaufvertraglichen Nebenpflichten zurückzuführen ist, die mit dem Sachmangel in engem Zusammenhang stehen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war das von der Beklagten gelieferte Material für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch, nämlich die Aufpanzerung größerer Stahlplatten für Verzinkungskessel, nicht geeignet, weil es die erforderliche Dehnungsfähigkeit nicht besaß und deshalb reißen mußte.

Die aus dem Fehlen der zugesicherten Eigenschaften entstandenen Schäden hat die Beklagte nach Gewährleistungsrecht zu ersetzen, für das die Verjährungsvorschrift des § 477 BGB gilt. Soweit die Beklagte nicht nur das Material geliefert, sondern vereinbarungsgemäß einen ihrer Ingenieure abgestellt hat, der das Personal der Klägerin bei der Handhabung der Schweißgeräte und des Materials anleiten sollte und diese Anleitung unvollständig oder fehlerhaft war, folgen daraus keine Ansprüche, für die eine andere als die kurze Verjährung nach § 477 BGB eingreifen kann. Das Berufungsgericht hat insoweit festgestellt, daß die Klägerin den Auftrag der Firma SAG erst angenommen und die Beklagte mit der Lieferung des Schweißdrahtmaterials beauftragt hat, nachdem die Beklagte entsprechende Zusicherungen über die Haltbarkeit und Eignung des Materials gemacht und darüberhinaus zugesagt hatte, einen ihrer Ingenieure zur Beratung der Klägerin abzustellen. Die Anleitung der Arbeiter der Klägerin durch einen Angestellten der Beklagten stellt danach nur eine von der Beklagten im Rahmen ihrer Zusicherung übernommene Nebenpflicht dar, bei der Verarbeitung des gelieferten Materials für die praktische Bewährung der zugesicherten Eigenschaften Sorge zu tragen. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, bezog sich die Zusicherung der Beklagten sowohl darauf, daß das Material allgemein zur Aufpanzerung geeignet war, als auch darauf, daß bei Befolgung ihrer "Gebrauchsanweisung" der von der Firma SAG bestellte Kessel mit dem Material ordnungsgemäß aufgepanzert werden konnte. Bei dieser Sachlage gilt auch für etwaige Ansprüche der Klägerin, die sich aus falscher Beratung durch einen Angestellten der Beklagten ergeben könnten, die kurze Verjährung des § 477 BGB (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 1964 - VIII ZR 20/63 = LM BGB § 477 Nr. 7 = NJW 1965, 148; vom 29. Juni 1977 - VIII ZR 309/75 = WM 1977, 1027 unter Nr. II 4 d). Jedenfalls scheidet bei dem vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt die Annahme eines Beratungsvertrages und eine sich daraus ergebende Haftung nach den allgemeinen Vorschriften und mit anderer Verjährungsregelung aus (dazu Senatsurteil vom 16. November 1970 - VIII ZR 227/68 = LM BGB § 276 (Hb) Nr. 15 = WM 1971, 74).

b) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die gesetzliche Verjährungsfrist des § 477 BGB aufgrund der von der Beklagten gegebenen unselbständigen Garantiezusage erst mit der Entdeckung des Mangels begann, d.h. zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin die von ihr behaupteten Mängel im vollen Umfang erkannt hatte (Senatsurteil vom 20. Dezember 1978 - VIII ZR 246/77 = LM BGB § 477 Nr. 29 = NJW 1979, 645 = WM 1979, 302). Da es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zumindest bis zum 1. Februar 1978 an der Kenntnis der Klägerin fehlte, daß als Ursache für den Riss in der Kesselwand ein Mangel des von der Beklagten gelieferten Materials in Frage kam, begann die Verjährungsfrist für die Schadensersatzansprüche der Klägerin am 1. Februar 1978.

c) Durch den am 2. Juni 1978 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides ist die Verjährung nur in Höhe der Klageforderung unterbrochen worden (Senatsurteil vom 22. Februar 1978 - VIII ZR 24/77 unter Nr. III = LM ZPO § 261 b Nr. 22 = NJW 1978, 1058 = WM 1978, 1021). Für den die Klageforderung übersteigenden Teil des Anspruchs der Klägerin lief die Verjährungsfrist weiter. Ein Fall des § 477 Abs. 3 BGB liegt nicht vor.

Auch die Verteidigung der Klägerin gegen die negative Feststellungswiderklage hat die Verjährung des die Klageforderung übersteigenden Anspruchs nicht unterbrochen (ständige Rechtsprechung; RGZ 153, 375, 380 m.w.N.; BGHZ 72, 23 m.w.N.). Die Schadensersatzansprüche der Klägerin sind damit - soweit sie nicht Gegenstand der Klage sind - mit Ablauf des 1. August 1978 verjährt gewesen.

3. Die Verjährung führt nicht zu einem Erlöschen der Ansprüche der Klägerin, sie gibt aber der Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 222 Abs. 1 BGB). Der Anspruch bleibt erfüllbar (§ 222 Abs. 2 BGB) und unter Umständen zur Aufrechnung geeignet (§ 390 Satz 2 BGB). Die Verjährung rechtfertigt daher nur die Feststellung, der Schuldner sei berechtigt, die Leistung zu verweigern (BGH Urteil vom 23. September 1968 - II ZR 67/66 = LM BGB § 222 Nr. 8 = WM 1968, 1253). Sie enthält ein Weniger gegenüber der von der Beklagten begehrten Feststellung, der Klägerin stehe ein weitergehender Anspruch nicht zu. Da in der Feststellung, die Beklagte sei berechtigt, die Leistung zu verweigern, weder eine Veränderung des Streitgegenstandes noch eine Änderung der Art der beantragten Entscheidung (Feststellung) liegt, kann sie das Gericht in Einklang mit § 308 ZPO treffen, ohne daß es einer Auslegung des Klageantrages bedürfte.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf. Unter Abänderung des Berufungsurteils war der Widerklage mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung stattzugeben.