Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Amtlicher
Leitsatz:
Für
eine Ehrenschutzklage fehlt jedenfalls dann nicht unter dem Blickpunkt
der Ermöglichung sachgerechten Prozeßvortrags in
einem anderen Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die
ehrenkränkende Äußerung außerhalb
der prozessualen Rechtsverfolgung in Rundschreiben oder
ähnlichen an die Öffentlichkeit gerichteten Aktionen
aufgestellt worden ist.
Tatbestand:
Der
Beklagte, ein Kassenarzt, prangert seit Jahren in Eingaben und
Rundschreiben die Überprüfung der
kassenärztlichen Abrechnung auf ihre Wirtschaftlichkeit durch
die Klägerin zu 1), die Kassenärztliche Vereinigung
N., aufgrund einer statistischen Vergleichsmethode als fehlerhaft an.
Der Kläger zu 2) (Dr. Sch.) ist Vorsitzender der
Klägerin zu 1), der Kläger zu 3) (Dr. Z.) ist
Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in K. und der
Kläger zu 4) (K.) Leiter des Rechenzentrums der
Klägerin zu 1).
Die
Kläger verlangen vom Beklagten Unterlassung verschiedener
ehrenkränkender Äußerungen, welche sie den
an Ärzte gerichteten Rundschreiben des Beklagten vom 3. Mai
1986, Oktober 1986, 1. September 1987 und 18. Juni 1988 entnehmen. Im
Schreiben vom 3. Mai 1986 heißt es auszugsweise:
"Bereits
hieraus läßt sich mit Sicherheit der
Schluß ziehen, daß die Statistiken nicht
irrtümlich Fehler aufwiesen, sondern daß diese
Statistiken planmäßig gefälscht werden. Da
die Fälschungen in ähnlicher Weise sämtliche
KVen der Bundesrepublik betreffen, ist erwiesen, daß die
Statistiken zentral gesteuert gefälscht werden. Es
muß somit ein Steuerungszentrum der Rechenzentren der
einzelnen KVen geben. Mittels dieser gefälschten Statistiken
werden jährlich durch Regresse bzw. Vorwegabzüge in
den Quartalsabrechnungen niedergelassenen Ärzten bundesweit
Beträge in Milliardenhöhe entzogen. Auch im Bereich
der KV K. dürfte es sich um viele Millionen DM handeln. Dies
geschieht nicht irrtümlich sondern durch Fälschung,
Betrug und Unterschlagung.
Diese
Erkenntnisse werfen folgende Fragen auf:
Wer ist das
Steuerungszentrum der einzelnen Rechenzentren der KVen?
Erfolgen
die Fälschungen im Einverständnis mit dem Vorstand
der KV oder haben sich die Rechenzentren selbständig gemacht?
Wohin
fließen die unterschlagenen Milliarden ab?
Hat der
Vorstand der KV N., der jetzt die Korrektur der Statistik
veranlaßt, die gleichen Personen beauftragt, die bisher die
Statistik verfälschten?
Werden die
jetzt nachweisbaren Fälschungen der Statistik, die
für den Bereich N. im Rechenzentrum M. erstellt werden, im
Einverständnis mit dem Vorstand der KV N. gefälscht?
Wir
müssen deswegen Betrug, Fälschung und Unterschlagung sorgfältig
aufklären und endgültig abstellen."
Im
Schreiben vom 18. Juni 1988 heißt es u.a.:
"Herrn K.
wird zur Last gelegt, daß er wissentlich seit 1979 grob
fehlerhafte Statistiken der Fachgruppendurchschnittswerte, die den
Prüfbescheiden zugrunde gelegt werden, erstellt hat. Er hat
hiermit die Gutachter, die Prüfungs- und
Beschwerdeausschüsse fehlgesteuert und die Fehlentscheidungen
der Prüforgane der KV vorprogrammiert.
Die Herren
Dr. Z. und Dr. Sch. wurden bereits 1984 über die
Unregelmäßigkeiten in der KV informiert. Die Herren
haben eine Klärung der Sachlage verschleppt, obwohl der
Vorwurf der Fälschung, des Betrugs und der Unterschlagung, als
mögliche Folgerung aus dem Gutachten Dr. B.
Universität K. Anlaß zu einer schnellen Klarstellung
hätten sein müssen...."
Hintergrund
der Auseinandersetzungen zwischen den Parteien ist die Kürzung
der kassenärztlichen Honorare des Beklagten wegen
Unwirtschaftlichkeit durch die Klägerin zu 1). Die hiergegen
gerichteten Widersprüche des Beklagten hatten nur teilweise
Erfolg. Seine anschließende Klage ist vom Sozialgericht K.
mit Urteil vom 26. Oktober 1988 abgewiesen worden. Hiergegen hat der
Beklagte Berufung eingelegt.
Nachdem
der Antrag der Kläger auf einstweilige Verfügung
erfolglos geblieben ist, erstreben sie nunmehr im Hauptverfahren die
Verurteilung des Beklagten, folgende Äußerungen
außerhalb eines Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahrens zu
unterlassen:
a) Der
Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung N., Dr. Sch., der
Vorsitzende der Abrechnungsstelle K. der Kassenärztlichen
Vereinigung N., Dr. Z., und der Leiter des Rechenzentrums der
Kassenärztlichen Vereinigung N. in M., K., sowie die
Vorsitzenden der Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse
der RVO- und Ersatzkassen der Kassenärztlichen Vereinigung N.
in den Jahren 1984 bis 1988 hätten ihre Dienstfunktionen
mißbraucht und sich grob unkollegial verhalten.
b)
Herr K. habe seit 1979 wissentlich grob fehlerhafte Statistiken der
Fachgruppendurchschnittswerte erstellt, damit die Gutachten und die
Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse fehlgesteuert und
die Fehlentscheidungen der Prüforgane der KV vorprogrammiert
sind.
c)
Die Kassenärztliche Vereinigung N. und die Herren Dr. Sch.,
Dr. Z. und K. hätten gefälscht, betrogen und
unterschlagen.
d) Die
Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung N. und der
Abrechnungsstelle K., Dr. Sch. und Dr. Z., hätten von der
Möglichkeit einer schnellen Klarstellung keinen Gebrauch
gemacht und damit den Gutachtern der Prüfungsgremien
zugemutet, auf einer sehr fragwürdigen Basis
Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen und den
Kollegen, sich solchen Prüfungen zu unterziehen.
Das
Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger
ist zurückgewiesen worden. Mit der (zugelassenen) Revision
verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach
Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klage aus mehreren
Gründen keinen Erfolg.
Das
Berufungsgericht führt aus, soweit die Kläger zu Nr.
1 c) ihres Antrags meinten, im Schreiben vom 18. Juni 1988 sei die
Klägerin zu 1) der Fälschung, des Betrugs und der
Unterschlagung beschuldigt worden, treffe ihr Verständnis des
Schreibens nicht zu. Die Vorwürfe seien auch nicht gegen die
im Schreiben namentlich genannten Kläger zu 2) und 3) erhoben
worden. Auch eine Gesamtschau sämtlicher Schreiben
führe nicht zur Annahme, der Beklagte habe den
Klägern angelastet, sie hätten gefälscht,
betrogen und unterschlagen. Im Schreiben vom 3. Mai 1986 werde aus der
Frage nach dem Steuerungszentrum der einzelnen Rechenzentren deutlich,
daß der Beklagte gerade erst klären wolle, ob und
wie die Kläger an dem von ihm behaupteten Mißstand
beteiligt seien. In den Schreiben vom Oktober 1986 und 1. September
1987 fänden sich die beanstandeten Worte Fälschung,
Betrug und Unterschlagung weder ausdrücklich noch ergebe sich
ein derartiger Vorwurf gegenüber den Klägern aus dem
Zusammenhang. Die genannten Schreiben seien sämtlich an
Ärzte gerichtet, von denen aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer
eigenen Betroffenheit von den Vorgängen erwartet werden
könne, daß sie die Schreiben sorgfältig
lösen und nicht etwa einzelne in den Schreiben enthaltene
Worte unkritisch auf sämtliche namentlich genannten Personen
oder Körperschaften bezögen.
Im
übrigen scheitere der Unterlassungsanspruch insgesamt daran,
daß der gesamte Inhalt der beanstandeten Schreiben in engem
und unmittelbarem Zusammenhang mit anhängigen oder
beabsichtigten Gerichts- oder Verwaltungsverfahren stehe.
Gegenüber dem Vorbringen einer Partei, das der
Rechtsverfolgung oder -verteidigung diene, könne der hierdurch
in seiner Ehre Betroffene in der Regel nicht im Klageweg Widerruf oder
Unterlassung fordern. Das gelte auch für den vorliegenden
Fall, in welchem die Besonderheit darin bestehe, daß die
beanstandeten Äußerungen außerhalb eines
Verfahrens gegenüber Dritten erfolgt seien. Der
Adressatenkreis, demgegenüber in Wahrnehmung berechtigter
Verfahrensinteressen ehrverletzende Behauptungen aufgestellt werden
könnten, ohne daß dies einen Unterlassungsanspruch
begründe, sei nicht auf die formale Stellung der am Verfahren
Beteiligten zu begrenzen. Vielmehr sei im Einzelfall auf die Schwere
des Eingriffs und die Nähe des Adressatenkreises zum
Verfahrensgegenstand abzustellen. Je erheblicher der Eingriff sei,
desto enger müsse der Adressatenkreis gezogen werden,
gegenüber welchem die Ausschlußregel durchgreife; je
weiter entfernt das sachliche Interesse der Adressaten sei, desto
weniger schwere Eingriffe könnten hingenommen werden. Da die
gerügten Äußerungen - mit Ausnahme der
bereits aus tatsächlichen Gründen ausscheidenden
Vorwürfe gemäß Nr. 1 c) des Klageantrags -
nicht besonders gravierend und die angesprochenen Ärzte
ebenfalls vom Gegenstand des Parteienstreits - nämlich der
Richtigkeit der Statistik - betroffen seien, komme ein
Unterlassungsanspruch nicht in Betracht. Entgegen der Auffassung der
Kläger sei der zivilrechtliche Ehrenschutz auch nicht
"teilbar" dahingehend, daß dem Beleidiger verboten werden
könne, die ehrverletzende Behauptung außerhalb eines
geordneten Verfahrens aufzustellen. Lasse man eine Teilung des
Ehrenschutzes in diesem Sinn zu, so bestehe die Gefahr, daß
das gleiche Vorbringen im laufenden ober beabsichtigten Verfahren
entwertet werde. Das Gericht des Erstverfahrens oder des beabsichtigten
Verfahrens sei nämlich in seiner Entscheidung nicht mehr frei,
wenn in dem Unterlassungs- bzw. Widerrufsverfahren über die
Wahrheit der beanstandeten Äußerungen oder
darüber entschieden würde, ob sie durch die
Grundsätze des Rechts auf freie
Meinungsäußerung oder durch Wahrnehmung berechtigter
Interessen gedeckt seien. Es solle jedoch jeglicher Einfluß
vermieden werden.
Schließlich
erachtet das Berufungsgericht - mit Ausnahme der aus
tatsächlichen Gründen ausscheidenden
Vorwürfe gemäß Nr. 1 c) des Klagantrags -
die fraglichen Äußerungen des Beklagten
sämtlich für Werturteile. Kriterium zur Abgrenzung
gegenüber einer Tatsachenbehauptung sei, daß die
Äußerungen durch Elemente der Stellungnahme, des
Dafürhaltens oder Meinens geprägt und deshalb als
Werturteil einzustufen seien. Das gelte auch dann, wenn sich diese
Elemente wie häufig - mit Elementen einer Tatsachenmitteilung
oder Behauptung verbänden oder vermischten, jedenfalls dann,
wenn beide sich nicht trennen ließen oder der
tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den
Hintergrund trete. Deshalb seien die Äußerungen des
Beklagten jedenfalls durch das Grundrecht der freien
Meinungsäußerung gedeckt.
II. Das
Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht durchweg
stand.
1.
Erfolglos bekämpft die Revision zum Klagantrag Nr. 1 c) die
Auslegung des Berufungsgerichts, wonach den oben erwähnten
Schreiben des Beklagten nicht der Vorwurf zu entnehmen sei, die
Kläger hätten gefälscht, betrogen und
unterschlagen. Diese Auslegung läßt keinen
Rechtsfehler erkennen.
Insbesondere
hält die tatrichterliche Würdigung der beanstandeten
Äußerungen der Revisionsrüge stand, das
Berufungsgericht habe den suggestiven Charakter verkannt, mit welchem
ein Zusammenhang zwischen den Klägern und den beanstandeten
Fälschungen hergestellt werden solle. Das Berufungsgericht hat
zwar die von der Revision insoweit herangezogenen Passagen des
Schreibens vom 3. Mai 1986 sowie die anderen Schreiben nicht
ausdrücklich im einzelnen gewürdigt, jedoch aus dem
Gesamtzusammenhang der Schreiben den Eindruck gewonnen, daß
die mehrfach aufgeworfene Frage, wer für die
Fälschungen verantwortlich sei, den Schwerpunkt der Schreiben
bilde. Dabei werde die Frage nach dem Urheber der Fälschungen
zwar gestellt, aber nicht in einem die Kläger belastenden Sinn
beantwortet. Diese Bewertung des Aussagegehalts durch den Tatrichter
ist möglich, zumal nach der ständigen Rechtsprechung
des erkennenden Senats nicht auf einzelne, aus dem Zusammenhang
herausgelöste Formulierungen abzuheben, sondern die
Gesamtbetrachtung durch einen unbefangenen Leser maßgeblich
ist (Senatsurteile vom 30. Mai 1978 VI ZR 117/76 - NJW 1978, 1797,
1798; vom 12. Februar 1985 VI ZR 225/83 - VersR 1985, 592, 593 und vom
11. Juli 1989 VI ZR 255/88 - VersR 1989, 1048, 1049) [BGH 11.07.1989 -
VI ZR 255/88]. Die bloße Möglichkeit von
Mißverständnissen braucht insbesondere nicht durch
klärende Zusätze ausgeschlossen zu werden
(Senatsurteil BGHZ 78, 9, 14 ff.).
Es kann
auch dahinstehen, ob das Berufungsgericht, wie die Revision meint, mit
dem Verständnis eines Adressatenkreises mit bestimmter
Vorbildung und bestimmtem Problembezug einen zu engen
Beurteilungsmaßstab gewählt hat. Die Frage nach dem
Urheber der Fälschungen etc. ist von einem durchschnittlichen
Leser mit durchschnittlicher Lesesorgfalt nämlich nicht anders
zu verstehen als von einem möglicherweise an der Sache
interessierten Arzt, so daß die von der Revision bezweifelte
Auffassung des Berufungsgerichts, wonach Ärzte bei
Betroffenheit in eigener Sache sorgfältiger zu lesen pflegten
als der Durchschnittsleser, dahinstehen kann.
2.
Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht des
Berufungsgerichts, wonach der Unterlassungsanspruch bezüglich
der Anträge zu Nr. 1 a), b) und d) schon daran scheitere,
daß der gesamte Inhalt der beanstandeten Schreiben in engem
und unmittelbarem Zusammenhang mit anhängigen bzw.
beabsichtigten Gerichts- oder Verwaltungsverfahren stehe.
a)
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß
ehrenkränkende Äußerungen, die der
Rechtsverfolgung oder Verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen,
in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden
können. Wie der erkennende Senat schon mehrfach entschieden
hat (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 1977 - VI ZR 111/75 - NJW 1977,
1681, 1682; vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85 - NJW 1986, 2502, 2503 und
vom 13. Oktober 1987 VI ZR 83/87 - VersR 1988, 379, 380; ebenso BGH,
Urteil vom 9. April 1987 - I ZR 44/85 - ZIP 1987, 1081, 1082 f.
Gegenangriff), soll das sog. Ausgangsverfahren nicht durch eine
Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran
Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die
Parteien in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen,
was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch
wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das
Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen
Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Mit
den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen und mit den
Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege
wäre es nämlich unvereinbar, wenn die Kompetenzen des
Gerichts des Ausgangsverfahrens durch die Möglichkeit einer
Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten
Prozeß vor einem anderen Gericht unterlaufen werden
könnten. Deshalb fehlt in derartigen Fällen
für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das
Rechtsschutzbedürfnis. Unbedenklich ist auch, daß
das Berufungsgericht diese Grundsätze für Verfahren
vor Verwaltungsbehörden ebenfalls anwendet (Senatsurteile vom
13. Juli 1965 VI ZR 70/64 - NJW 1965, 1803 [BGH 13.07.1965 - VI ZR
70/64] und vom 3. Dezember 1968 VI ZR 140/67 - VersR 1969, 256, 257;
ebenso BGH, Urteil vom 9. April 1987 aaO und vom 14. Januar 1965 - KZR
9/63 - GRUR 1965, 381, 385 - Weinbrand).
b) Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts können die aufgezeigten
Grundsätze den Ausschluß von Ehrenschutzklagen
jedoch nicht rechtfertigen, wenn die beanstandete
Äußerung - wie im vorliegenden Fall - in
Rundschreiben und ähnlichen Aktionen zur Durchsetzung von
Interessen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung
aufgestellt wird. Das Berufungsgericht hat die Ausschlußregel
durchgreifen lassen, weil die mangelnde Schwere des Eingriffs
(Ehrverletzung) einerseits und die Nähe des Adressatenkreises
zu den beanstandeten Äußerungen andererseits es
rechtfertige, auch gegenüber solchen
Äußerungen in gleicher Weise wie bei
Äußerungen im Prozeß eine besondere
Ehrenschutzklage zu versagen. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu.
Insbesondere kann sich das Berufungsgericht nicht darauf
stützen, daß eine Ehrenschutzklage auch dann
ausgeschlossen sei, wenn sich die ehrenkränkenden
Äußerungen gegen einen nicht am Verfahren
beteiligten Dritten richteten. Soweit der erkennende Senat in seinem
Urteil vom 14. November 1972 VI ZR 102/71 - LM BGB § 823 Ah.
Nr. 46 hierauf abgehoben hat, lag dem ein anderer Sachverhalt zugrunde;
dort ging es um negatorische Ansprüche gegen
ehrenkränkende Äußerungen über
einen Dritten in einem Prozeß. In derartigen Fällen
greift das Ehrenschutzverfahren in die Rechtsverfolgung und
Rechtsverteidigung der am Ausgangsverfahren Beteiligten unmittelbar
ein. Wie oben aufgezeigt, soll die Möglichkeit zu umfassendem
Prozeßvortrag nämlich nicht dadurch beschnitten
werden, daß in bezug auf diesen Vortrag Ehrenschutzklagen
erhoben werden können. Dieser Grundsatz kann nicht auf
Äußerungen angewendet werden, mit denen der
Äußernde in einer außergerichtlichen
Kampagne an die Öffentlichkeit tritt. Der Ausschluß
der Ehrenschutzklage gegenüber dem Prozeßgegner
stellt sich nämlich als einschneidende Beschränkung
des Ehrenschutzes dar, die nur mit der besonderen Interessenlage
anläßlich eines oder im Hinblick auf ein
bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren
gerechtfertigt werden kann. Das Interesse des
Äußernden daran, seine Rechtsverfolgung oder
-verteidigung in einem anhängigen oder künftigen
Verfahren führen oder vorbereiten zu können, ohne
sich damit einem Ehrenschutzverfahren auszusetzen, ist nicht betroffen,
wenn er mit solchen Beschränkungen für eine
Verfolgung seiner Angelegenheit außerhalb eines Verfahrens in
einer öffentlichen Kampagne durch öffentliche
Angriffe, Rundschreiben und Ähnliches belastet wird.
Soweit
das Berufungsgericht zur Begründung seiner abweichenden
Auffassung darauf abhebt, daß der Ehrenschutz nicht "teilbar"
sein könne je nach dem Empfänger,
demgegenüber ein Widerruf erklärt oder die
Unterlassung einer Äußerung erfolgen soll (so Helle,
GRUR 1982, 207, 220), ist dem entgegenzuhalten, daß die
Notwendigkeit, die im Ausschluß der Ehrenschutzklage liegende
Beschränkung des Ehrenschutzes in engen Grenzen zu halten, in
der Tat dazu zwingt, das Rechtsschutzinteresse für eine
Ehrenschutzklage unterschiedlich zu beurteilen. So wird man vorliegend
dem Beklagten nicht untersagen können, die beanstandeten
Äußerungen in einem Prozeß oder zur
Vorbereitung desselben vorzutragen (was die Kläger auch nicht
verlangen), während er sie in einer öffentlichen
Kampagne der beschriebenen Art nicht einsetzen darf. Ähnlich
hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 3. Dezember 1968
- VI ZR 140/67 - VersR 1969, 256, 258 das Klagebegehren hinsichtlich
gegenüber Dritten aufgestellten Äußerungen
zugelassen, während er es gegenüber einem
Verfahrensbeteiligten an den aufgezeigten Grundsätzen hat
scheitern lassen.
Deshalb
kann für die Klageanträge Nr. 1 a), b) und d)
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts das erforderliche
Rechtsschutzinteresse nicht verneint werden.
3.
Gleichwohl erweist sich die Revision auch hinsichtlich der
Klageanträge zu Nr. 1 a) und d) als unbegründet, weil
der Beklagte für seine Äußerungen, die ihm
durch diese Anträge verboten werden sollen, Art. 5 Abs. 1 GG
in Anspruch nehmen kann.
Soweit die
Revision rügt, daß das Berufungsgericht die mit den
Klaganträgen Nr. 1 a), b) und d) beanstandeten
Äußerungen fehlerhaft nicht als
Tatsachenbehauptungen, sondern als Werturteile eingestuft habe, welchen
im Hinblick auf das nach Abwägung der Umstände des
Einzelfalles hier vorrangige Recht auf freie
Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht
mit der Unterlassungsklage begegnet werden könne, hat sie nur
bezüglich des Antrags Nr. 1 b) Erfolg.
a) Die
revisionsrechtlich zulässige Nachprüfung, ob das
Berufungsgericht den Aussagecharakter der Äußerungen
richtig erfaßt und insbesondere zutreffend zwischen
Tatsachenbehauptungen und subjektiven Meinungen unterschieden hat
(Senatsurteile vom 12. Februar 1985 - VI ZR 225/83 - VersR 1985, 592,
593 und vom 20. Mai 1986 - VI ZR 242/85 - VersR 1986, 992, 993), ergibt
nämlich, daß es sich lediglich bei der dem
Klageantrag Nr. 1 b) zugrundeliegenden Äußerung um
eine Tatsachenbehauptung handelt. Äußerungen sind
auch dann, wenn sie auf Werturteilen beruhen, als Tatsachenbehauptungen
einzustufen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die
Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten
Vorgängen hervorgerufen wird, die als solche einer
Überprüfung mit den Mitteln des Beweises
zugänglich sind. Entscheidend ist deshalb der Zusammenhang, in
welchem der Vorwurf erhoben wird (Senatsurteile vom 30. Mai 1974 VI ZR
174/72 - LM § 824 BGB Nr. 18 m.w.N.; vom 22. Juni 1982 - VI ZR
255/80 - VersR 1982, 906, 907; vom 12. Mai 1987 - VI ZR 195/86 - VersR
1987, 1016, 1017 und vom 11. Juli 1989 - VI ZR 255/88 - VersR 1989,
1048 [BGH 11.07.1989 - VI ZR 255/88]). Nach diesem Maßstab
hat die mit dem Klageantrag Nr. 1 b) beanstandete
Äußerung einen nachprüfbaren
Tatsachengehalt, weil sie den Vorwurf betrifft, der Kläger zu
4) habe seit 1979 wissentlich grob fehlerhafte Statistiken erstellt,
und zwar näher bezeichneten Zweck. Ob das zutrifft oder nicht,
kann mit dem Mitteln des Beweises überprüft werden.
Durch
diese Äußerung ist allerdings lediglich der
Kläger zu 4) betroffen, nicht hingegen die Klägerin
zu 1) oder deren Organe. Aus dem in der Äußerung
mitgeteilten Zweck, zu welchem der Kläger zu 4) angeblich
falsche Statistiken erstellt, ergibt sich nämlich nur,
daß nach Auffassung des Beklagten die Klägerin zu 1)
bzw. ihre Organe irregeführt ("fehlgesteuert") werden sollen,
um sodann fehlerhafte Entscheidungen zu treffen. Hingegen ist der
beanstandeten Äußerung nicht der Vorwurf zu
entnehmen, daß die Klägerin zu 1) oder ihre Organe
das angebliche Fehlverhalten des Klägers zu 4) kennen oder
billigen. Anders als bei dem dem Senatsurteil vom 16. November 1982 -
VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183 [BGH 16.11.1982 - VI ZR 122/80]
zugrundeliegenden Sachverhalt zielt auch die Stoßrichtung
dieser Äußerung nicht auf die Klägerin zu
1) als hinter dem Kläger zu 4) stehende
Anstellungskörperschaft, sondern es wird dem Kläger
zu 4) vorgeworfen, die Klägerin zu 1) absichtlich falsch zu
informieren. Damit ist ein Vorwurf gegen diese selbst oder ihre Organe
jedoch nicht verbunden.
b) Handelt
es sich mithin beim Klageantrag Nr. 1 b) um eine den Kläger zu
4) beeinträchtigende Tatsachenbehauptung, so stellen
demgegenüber die mit den Klageanträgen Nr. 1 a) und
d) beanstandeten Äußerungen nach den oben
aufgezeigten Grundsätzen bloße Werturteile dar.
Der
Vorwurf eines Mißbrauchs der Dienstfunktionen und grob
unkollegialen Verhaltens (Nr. 1 a) findet ebenso wie die
Äußerung, die Kläger zu 2) und 3)
hätten von der Möglichkeit schneller Klarstellung
keinen Gebrauch gemacht und damit Dritten etwas zugemutet (Nr. 1 d),
keine Konkretisierung in einem Tatsachensubstrat. Das wäre
jedoch erforderlich, um die Äußerungen, die dem
Beklagten verboten werden sollen, für den Adressaten nicht nur
als (subjektive) Mißbilligung eines Vorgehens der
Kläger durch den Beklagten, sondern als mit den Mitteln des
Beweises nachprüfbare Mitteilung über dieses Vorgehen
selbst erscheinen zu lassen.
Es reicht
nicht aus, daß den einzelnen Rundschreiben konkrete
Vorgänge entnommen werden können - was beim
Klageantrag Nr. 1 d) ohnehin zweifelhaft ist -, die
möglicherweise geeignet sind, die in den Anträgen
enthaltenen Vorwürfe in tatsächlicher Hinsicht
auszufüllen und ggf. auch einer Beweiserhebung
zugänglich zu machen. Die rechtliche Würdigung hat
sich an den Aussagen auszurichten, die dem Beklagten verboten werden
sollen und die insoweit durch die Klageanträge herausgehoben
und begrenzt sind. Diese betreffen hier Passagen aus den Rundschreiben
mit ausschließlich wertendem Gehalt ohne
tatsächliches Substrat.
Handelt es
sich folglich um lediglich wertende Äußerungen, so
sind sie, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, vom
Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt, da sie sich
innerhalb der durch diese Verfassungsvorschrift gesetzten Schranken
bewegen und insbesondere nicht als diffamierende Schmähkritik
angesehen werden können (Senatsurteil vom 12. Mai 1987 aaO).
Vom Standpunkt eines das statistische Vergleichsverfahren ablehnenden
Kassenarztes, der hierdurch die ärztliche Versorgung seiner
Patienten gefährdet sieht und dagegen öffentlich ins
Feld zieht, erscheint die hier in Frage stehende Problematik zwar
scharf, aber auch unter Berücksichtigung des Schutzinteresses
der Kläger als einer Meinungsbildung in der
Öffentlichkeit adäquat.
III.
Deshalb
hat die Revision nur hinsichtlich des Klageantrags Nr. 1 b) Erfolg.
Sollte sich herausstellen, daß dieser zur
Beeinträchtigung des Ansehens des Klägers zu 4)
geeignete Vorwurf unwahr ist, so stünde diesem ein
Unterlassungsanspruch in entsprechender Anwendung von § 1004
BGB i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB zu, weil an
der Wiederholung einer unwahren Behauptung kein berechtigtes Interesse
besteht (Senatsurteile vom 3. Juni 1975 - VI ZR 123/74 - VersR 1975,
946, 947 und vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85 - VersR 1986, 1075, 1077).
Da das
Berufungsgericht von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine
Feststellungen über die Wahrheit oder Unwahrheit des Vorwurfs
getroffen hat und sich die Unwahrheit entgegen der Auffassung der
Revision auch nicht bereits aus dem Urteil des Sozialgerichts K. vom
26. Oktober 1988 ergibt, ist die Sache in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.