Bundesgerichtshof,
Anwaltsgebühren Berechnung außergerichtliche
Regulierung anwachsender Unfallschaden
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Aktenzeichen: IX ZR 207/94 |
Verkündet
am:
09.02.1995
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle |
Bundesgerichtshof
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Tenor:
Die
Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Hamm vom 16. März 1994 wird auf Kosten des Klägers
zurückgewiesen.
Tatbestand:
Der
Kläger
wurde am 25. März 1985 bei einem Verkehrsunfall schwer
verletzt.
Seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten - im
folgenden: Rechtsanwälte - machten in seinem Namen
außergerichtlich gegenüber dem beklagten
Haftpflichtversicherer des Schädigers
Schadensersatzansprüche
geltend. Sie verlangten unter anderem Erstattung von Fahrtkosten, der
Kosten einer Haushaltshilfe, Verdienstausfall sowie Zahlung eines
Schmerzensgeldes. Die Beklagte erkannte den geltend gemachten
Sachschaden nicht in voller Höhe als berechtigt an und
leistete
wiederholt Vorschußzahlungen. Bis zum 30. Juni 1990 zahlte
sie
insgesamt 127.921,59 DM. In einem Abrechnungsschreiben vom 7. August
1990 erkannte sie einen bis zum 30. Juni 1990 entstandenen Sachschaden
von 102.921,59 DM an und bezeichnete einen weiteren Betrag von 25.000
DM als Vorschuß auf das Schmerzensgeld. Ferner zahlte die
Beklagte 2.000 DM für die bis dahin geleistete
Tätigkeit der
Rechtsanwälte. Diese verlangten mit Kostenrechnung vom 10.
September 1990 für ihre bisherige Tätigkeit ein
Honorar von
5.090,10 DM abzüglich der gezahlten 2.000 DM.
Mit
der Klage
hat der Kläger Freistellung von einer restlichen
Honorarforderung
seiner Rechtsanwälte in Höhe von 2.786,88 DM
verlangt. Das
Landgericht hat der Klage in Höhe von 55,31 DM, das
Berufungsgericht in Höhe von 242,27 DM stattgegeben. Mit der -
zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein
Freistellungsbegehren in Höhe eines Betrages von 1.668,16 DM
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die
Revision hat keinen Erfolg.
I.
Nach
Auffassung
des Berufungsgerichts stellt die außergerichtliche
Schadensregulierung der Rechtsanwälte des Klägers in
den
Jahren 1985 bis 1989, über die sich die Kostenrechnung vom 10.
September 1990 verhält, eine einzige Angelegenheit im Sinne
des
§ 13 BRAGO dar. Hierfür stehe den Anwälten
eine 8,5/10
Geschäftsgebühr gemäß §
118 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO nach einem Gegenstandswert von 127.921,59 DM zu. Danach ergibt
sich unter Einschluß verschiedener Nebenkosten eine
Gebührenforderung von 2.242,27 DM.
Demgegenüber
meint die Revision, für die Gebührenberechnung sei
von drei
verschiedenen Angelegenheiten auszugehen. Nur die bis Ende 1987
entstandenen Schäden stellten eine Angelegenheit dar.
Für die
Folgejahre bildeten jeweils die in einem Jahr entstandenen weiteren
Schäden eine selbständige Angelegenheit. Folglich
seien drei
Gebühren entstanden nach Gegenstandswerten von 76.170,25 DM
(1985
- 1987), 28.214,40 DM (1988) und 23.536,94 DM (1989). Hiernach
ergäbe sich eine Gebührenforderung von 3.910,43 DM.
II.
Der
Senat vermag der Auffassung der Revision nicht zu folgen.
1.
Der
Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur
einmal fordern (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO). Wird der
Rechtsanwalt,
nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist,
beauftragt,
in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, so
erhält
er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde,
wenn er von
vornherein hiermit beauftragt worden wäre (§ 13 Abs.
5
BRAGO). Unter einer "Angelegenheit" im gebührenrechtlichen
Sinne
ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt
für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den
Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird (BGH,
Urt. v.
5. April 1976 - III ZR 95/74, LM § 7 BRAGO Nr. 2; v. 17.
November
1983 - III ZR 193/82, LM § 6 BRAGO Nr. 5; v. 24. November 1994
-
IX ZR 222/93, ZIP 1995, 118). Wann eine und wann mehrere
Angelegenheiten vorliegen, bestimmt das Gesetz nicht. Die Abgrenzung
ist unter Berücksichtigung der jeweiligen
Lebensverhältnisse
im Einzelfall vorzunehmen. Dabei ist insbesondere der Inhalt des
erteilten Auftrages maßgebend. Sowohl die Feststellung des
Auftrages als auch die Abgrenzung im Einzelfall ist
grundsätzlich
Aufgabe des Tatrichters (vgl. BGH aaO).
2.
Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger seine
Rechtsanwälte im Jahre 1985 beauftragt, sämtliche aus
dem
Unfall resultierenden Schadensersatzansprüche gegen die
Beklagte
geltend zu machen. Die hiergegen erhobene Verfahrensrüge
greift
nicht durch. Entgegen der Darstellung in der
Revisionsbegründung
hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht die Behauptung
aufgestellt, er habe seinen Rechtsanwälten im Jahre 1988 und
1989
jeweils neue Aufträge erteilt.
Auch
die Wertung
des Berufungsgerichts, daß die in den Jahren 1985 bis 1989
betriebene außergerichtliche Schadensregulierung eine einzige
Angelegenheit darstellt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Daß der Kläger aus dem Unfallereignis verschiedene
Ansprüche, wie Ersatz des Sachschadens und Schmerzensgeld,
hergeleitet hat, ändert nichts an dem Vorliegen einer
Angelegenheit. Auch der Umstand, daß sich die Verhandlungen
mit
der Beklagten über mehrere Jahre hingezogen haben,
führt
nicht zum Vorliegen mehrerer Angelegenheiten (vgl. BGH, Urt. v. 24.
November 1994 aaO S. 123). Daran kann auch der Umstand nichts
ändern, daß im Laufe der Jahre der Schaden - vor
allem wegen
der fortdauernden Erwerbsunfähigkeit des Klägers -
weiter
angestiegen ist.
Ob
die Dinge
anders zu beurteilen wären, wenn die Schadensregulierung
irgendwann zu einem Abschluß gekommen wäre und die
Anwälte danach nur noch den in den jeweiligen Jahren neu
entstehenden Verdienstausfall geltend gemacht hätten (vgl.
hierzu
LG Kleve AnwBl. 1981, 509; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO 11. Aufl.
§ 13 Rdnr. 5), bedarf im vorliegenden Fall keiner
Entscheidung.
Denn hier hat bis 1990 keinerlei Zäsur in der
Schadensabwicklung
stattgefunden. Die Parteien haben stets über den gesamten
Schaden
verhandelt, wobei sich lediglich der Umfang um die jeweils neu
angefallenen Schadensbeträge erhöht hat. Das
Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 7. August 1990 betrifft
sämtliche Schadensposten. Auch das Schreiben der
Rechtsanwälte vom 4. Juni 1991 behandelt erneut den gesamten
bis
zum 31. Dezember 1989 angefallenen Schaden und macht geltend,
daß
dieser um 27.966,24 DM höher sei als die bisher darauf
geleisteten
Zahlungen. Bei dieser Sachlage wäre es willkürlich,
wenn man
jeweils zum Jahresende 1987 und 1988 eine Zäsur vornehmen und
von
einer neuen Angelegenheit sprechen wollte. Für eine derartige
Aufspaltung in mehrere Angelegenheiten fehlt jeder sachliche
Anknüpfungspunkt.