Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Tatbestand
Die
Klägerin betreibt den Einzelhandel mit Teppichböden.
Der
Beklagte ist ein rechtsfähiger Verein mit Sitz in D., der
satzungsgemäß unlauteren Wettbewerb
bekämpft.
Am
17. November
1984 erschien in der "W. Zeitung" eine Anzeige der Klägerin,
die
der Beklagte mit Schreiben vom 26. November 1984 als wettbewerbswidrig
beanstandete. Die in dem Schreiben geforderte strafbewehrte
Unterlassungserklärung hat die Klägerin mit Schreiben
vom 28.
November 1984 abgelehnt. Gleichzeitig forderte sie den Beklagten auf,
bis zum 5. Dezember 1984 die Beanstandung zurückzunehmen;
anderenfalls werde sie negative Feststellungsklage erheben. Der
Beklagte ist der Aufforderung nicht nachgekommen.
Mit
Schriftsatz
vom 14. Dezember 1984, dem Beklagten zugestellt am 14. Januar 1985, hat
die Klägerin Klage erhoben, gerichtet auf die Feststellung,
daß dem Beklagten der mit der Abmahnung
geltend gemachte
Unterlassungsanspruch nicht zustehe.
Der
Beklagte
hält die Klage für unzulässig. Er hat mit
einem am 31.
Januar 1985 zu den Akten gelangten Schriftsatz darauf verwiesen,
daß er - was unstreitig ist - am 23. Januar 1985 vor dem
Landgericht Düsseldorf eine seiner Abmahnung
entsprechende
Unterlassungsklage gegen die Klägerin eingereicht habe.
Mit
Urteil vom
20. März 1985 hat das Landgericht der vorliegenden
Feststellungsklage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte
am 18. Juni 1985 Berufung eingelegt. Vor Begründung dieser
Berufung ist (am 21. August 1985) über die Unterlassungsklage
in
Düsseldorf mündlich verhandelt worden. Mit Urteil vom
4.
September 1985 hat das Landgericht Düsseldorf der
Unterlassungsklage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die
Klägerin des vorliegenden Verfahrens vor dessen letzter
mündlicher Verhandlung Berufung eingelegt.
Mit
Urteil vom
24. Oktober 1985 (veröffentlicht in WRP 1986, 349) ist im
vorliegenden Verfahren die Berufung des Beklagten
zurückgewiesen
worden. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die
Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die
Klage sei
zulässig. Zwar beträfen die von der Klägerin
erhobene
negative Feststellungsklage und die vom Beklagten erhobene
Leistungsklage denselben Streitgegenstand. Im Zeitpunkt der
Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits durch das Landgericht habe
jedoch die Klage vor dem Landgericht Düsseldorf noch einseitig
zurückgenommen werden können, weil eine
mündliche
Verhandlung noch nicht stattgefunden habe; daher habe das
Feststellungsinteresse zu jenem Zeitpunkt noch bestanden. Es sei auch
für den Zeitpunkt der Entscheidung durch das Berufungsgericht
nicht entfallen; denn auch dann, wenn die Leistungsklage - was
inzwischen eingetreten sei - nicht mehr einseitig
zurückgenommen
werden könne, bestehe das Interesse an der Feststellungsklage
weiter fort, wenn der Streit über diese entscheidungsreif sei,
weil die Klägerin damit einen Ausspruch der von ihr begehrten
Rechtsfolge zu einem früheren Zeitpunkt als im
Leistungsprozeß erhalte.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
1.
Das
Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen,
daß das rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung des
Nichtbestehens eines Anspruchs entfällt, wenn eine auf die
Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird
und diese einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann
(BGH,
Urt.v. 20.6.1984 - I ZR 61/82, GRUR 1985, 41, 44 - REHAB m.w.N.; vgl.
ferner auch RGZ 71, 68, 73; RGZ 151, 65, 69 sowie BGH, Urt. v.
28.6.1973 - VII ZR 200/72, NJW 1973, 1500 m.w.N.). Dies gilt zwar - wie
das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat - nicht ohne
Ausnahme (vgl. BGH aaO.). Das Vorliegen der Voraussetzungen
für
eine solche Ausnahme hat das Berufungsgericht jedoch nicht
rechtsirrtumsfrei beurteilt.
a)
In der
Rechtsprechung ist zwar wiederholt ausgesprochen worden, daß
das
Feststellungsinteresse dann erhalten bleibt, wenn der
Feststellungsrechtsstreit - insbesondere in einer Rechtsmittelinstanz -
entscheidungsreif oder im wesentlichen zur Entscheidungsreife
fortgeschritten und die Leistungsklage noch nicht entscheidungsreif ist
(RG JW 1909, 417, 418; RG WarnRspr. 1916 Nr. 106; BGHZ 18, 22, 42 sowie
BGH aaO. NJW 1973, 1500 m.w.N.).
Das
Berufungsgericht hat dies dahin verstanden, daß es
genüge,
wenn die Entscheidungsreife im Zeitpunkt der abschließenden
mündlichen Verhandlung des Feststellungsverfahrens bestehe;
dem
Zeitpunkt der Erhebung der Leistungsklage und insbesondere dem
für
den Wegfall des Feststellungsinteresses maßgeblichen
Zeitpunkt,
zu dem die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen
werden kann (BGH aaO. - REHAB m.w.N.), hat das Berufungsgericht keine
Beachtung geschenkt. Damit ist es aber dem Sinn und Zweck der
Rechtsprechung zum Verhältnis zwischen Leistungs- und
Feststellungsklage nicht gerecht geworden. Wie bereits das
Reichsgericht (RG JW 1932, 3615; RGZ 151, 69) ausgeführt hat,
sollen durch den grundsätzlichen Vorrang des
Leistungsverfahrens
gegenüber dem Feststellungsverfahren mit gleichem Streitstoff
nämlich sowohl widerstreitende Entscheidungen der Gerichte als
auch - dies im Hinblick auf das im Interesse der Parteien und der
Rechtsprechung wesentliche Erfordernis der
Prozeßökonomie -
mehrere parallele Verfahren über denselben Streitgegenstand
vermieden werden. Beides läßt sich aber - wie auch
der
vorliegende Fall zeigt - nur erreichen, wenn die Beurteilung, ob das
Feststellungsinteresse als Folge einer Leistungsklage entfallen ist,
zwar aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt
(BGH
aaO. NJW 1973, 1500), aber maßgeblich auf den Zeitpunkt
abstellt,
in dem die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen
werden kann (BGH aaO. - REHAB). Nur wenn zu diesem Zeitpunkt der
Feststellungsrechtsstreit schon entscheidungsreif ist und es deshalb
einer "sinnvollen Prozeßökonomie" (BGHZ 18, 22, 43)
widerspräche, den Feststellungskläger auf das gerade
erst
beginnende Leistungsverfahren zu verweisen, bleibt ausnahmsweise das
Feststellungsinteresse erhalten. Anderenfalls entfällt es
bereits
zu diesem Zeitpunkt mit der Folge, daß sich die
Feststellungsklage mit sofortiger Wirkung als unzulässig
darstellt. Da das Gericht den Wegfall einer
Prozeßvoraussetzung
in jeder Lage des Verfahrens zu beachten hat, erweist sich damit auch
die Fortführung des Feststellungsprozesses zur Sache als
unzulässig, so daß es bei
prozeßordnungsmäßiger Verfahrensweise
bereits zu
diesem Zeitpunkt zum Abschluß des Feststellungsverfahrens
kommen
muß; die Klage ist, falls der Feststellungskläger
sie nicht
für in der Hauptsache erledigt erklärt, ohne weiteres
Sachverfahren abzuweisen.
b)
Wird das
Feststellungsverfahren entgegen diesen Grundsätzen zur Sache
fortgesetzt, so kann dies auch dann nicht zum Wiederaufleben des
Feststellungsinteresses führen, wenn - wie vorliegend - das in
dieser Weise weiter betriebene Feststellungsverfahren vor dem parallel
geführten Leistungsprozeß in der Sache
entscheidungsreif
wird.
Für
das
Gegenteil kann das Berufungsgericht sich entgegen seiner Annahme auch
nicht auf die bereits angeführte Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 28. 6. 1973 (NJW 1973, 1500) stützen.
Dort
ist zwar allgemein gesagt worden, daß ausnahmsweise bei
gegebener
Entscheidungsreife des Feststellungsverfahrens das
Feststellungsinteresse bestehen bleiben kann; doch blieb die hier
maßgebliche Frage offen, ob diese Entscheidungsreife bereits
in
dem Zeitpunkt bestehen muß, in dem die Leistungsklage nicht
mehr
einseitig zurückgenommen werden kann, oder ob es
genügt, wenn
sie als Folge einer über diesen Zeitpunkt hinausgehenden
parallelen Prozeßführung dadurch eintritt,
daß das
Feststellungsverfahren einen - unter Umständen geringen -
Zeitvorsprung behält. Letzteres kann nicht angenommen werden,
da
dann der Zweck der Vermeidung paralleler
Prozeßführungen
nicht erreichbar wäre. So ergeben auch die Sachverhalte der
einschlägigen Entscheidungen sowohl des Reichsgerichts als
auch
des Bundesgerichtshofes, in denen eine Durchbrechung des Grundsatzes
des Wegfalls des Feststellungsinteresses als Folge der Erhebung einer
Leistungsklage mit gleichem Streitgegenstand ausgesprochen worden ist,
daß die Entscheidungsreife des Feststellungsverfahrens stets
schon bestand, als die Leistungsklage erst erhoben bzw. nicht mehr
einseitig zurücknehmbar wurde (vgl. RG JW 1909, 417; RG
WarnRspr.
1916 Nr. 106; BGH NJW 1968, 50; BGH aaO. LM ZPO § 256 Nr. 102
=
NJW 1973, 1500).
2.
Von diesen
Fallgestaltungen unterscheidet der vorliegende Fall sich dadurch,
daß die Leistungsklage bereits wenige Wochen nach der
Feststellungsklage eingereicht worden ist (17. Dezember 1984 bzw. 23.
Januar 1985); die Tatsache ihrer Einreichung ist ebenfalls bereits bald
danach schriftsätzlich zu diesem Verfahren mitgeteilt worden
(31.
Januar 1985). Zwar hat das Landgericht über die
Feststellungsklage
schon zu einem Zeitpunkt entschieden, als über die
Leistungsklage
noch nicht mündlich verhandelt, diese also noch einseitig
zurückzunehmen war. Als dann aber die mündliche
Verhandlung
über die Leistungsklage stattfand, war die mittlerweile im
Feststellungsverfahren eingelegte Berufung noch nicht
begründet,
der Feststellungsrechtsstreit also, da der Tatsachenstoff für
das
Berufungsverfahren überhaupt noch nicht vorgetragen war, in
der
Sache jedenfalls noch nicht entscheidungsreif, so daß die
Feststellungsklage entsprechend den dargelegten Grundsätzen
der
Rechtsprechung (vgl. BGH aaO. - REHAB) mangels Feststellungsinteresses
unzulässig wurde.
Für
eine
rechtsmißbräuchliche Erhebung der Leistungsklage,
die
ausnahmsweise das Rechtsschutzinteresse für diese entfallen
und
das Feststellungsinteresse infolgedessen bestehen lassen
könnte
(vgl. RG JW 1936, 3185), sind im vorliegenden Fall keine hinreichenden
Anhaltspunkte ersichtlich.
III.
Das
Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Die Feststellungsklage ist in
Abänderung des landgerichtlichen Urteils als
unzulässig
abzuweisen.