Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Bundesgerichtshof
IM
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Sachverhalt
Die
Kl., die ihren Sitz in Hamburg hat, hat nach ihrem Klagevortrag die
Endverkaufspreise der von ihr hergestellten, im Klagantrag
näher bezeichneten Trockenrasierer gebunden, die Preisbindung
bei dem Bundeskartellamt angemeldet und die von ihr direkt belieferten
Groß- und Einzelhändler davon benachrichtigt; sie
liefert nach ihrem Vortrag preisgebundene Trockenrasierer nur noch an
Abnehmer, die einen Revers unterzeichnet haben, und
läßt die Preisbindung von ihren Filialen laufend
überwachen. Sie behauptet, daß der in Bochum
ansässige Bekl., der von ihr nicht beliefert werde, ihre
preisgebundenen Trockenrasierer weit unter den gebundenen Preisen
anbiete und verkaufe. Sie erblickt darin einen Verstoß gegen
§ 1 UWG und zugleich gegen §§ 823, 826 BGB.
Auf
Grund dieses Vortrags erwirkte die Kl. zunächst bei dem LG
Hamburg am 26. April 1960 eine einstweilige Verfügung, durch
die dem Bekl. verboten wurde, die Trockenrasierer der Kl. unter den von
ihr festgesetzten Preisen anzubieten und zu verkaufen. Der Bekl. erhob
daraufhin gegen die Kl. bei dem LG Bochum eine am 24. Mai 1960 dort
eingegangene und der Kl. am 31. Mai 1960 zugestellte Klage, mit der er
die Feststellung begehrt, daß er nicht verpflichtet sei, die
von der Kl. (dortigen Bekl.) festgesetzten Endverbraucherpreise
für ihre Trockenrasierer einzuhalten.
Die
Kl. ihrerseits hat sodann bei dem LG Hamburg die hier in Rede stehende,
am 23. Juni 1960 bei Gericht eingegangene und am 28. Juni 1960 dem
Bekl. zugestellte Klage erhoben mit dem Antrag, den Bekl. zu
verurteilen, es zu unterlassen, Philips-Trockenrasierer 120 S, 120 M
und 120 R unter dem von der Kl. festgesetzten Preis - zur Zeit DM 59,-,
DM 64,50 sowie DM 57,- - anzubieten und zu verkaufen.
Der
Bekl. hat in erster Linie die Einrede der örtlichen
Unzuständigkeit des LG Hamburg und die Einrede der
Rechtshängigkeit erhoben.
Durch
das hier angefochtene Zwischenurteil vom 27. Juli 1960 hat das LG
Hamburg die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und
der Rechtshängigkeit verworfen.
Der
Bekl. hat dagegen mit Zustimmung der Kl. Sprungrevision eingelegt.
Inzwischen
hat das LG Bochum in dem dort anhängigen Rechtsstreit durch
Urteil vom 8. Februar 1961 die vom Bekl. (dortigem Kl.) begehrte
negative Feststellung getroffen. Die Kl. (dortige Bekl.) hat dagegen
bei dem OLG Hamm Berufung eingelegt, über die noch nicht
entschieden ist.
Die
Sprungrevision des Bekl. in der vorliegenden Sache wurde
zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Das
LG Hamburg erachtet sich für örtlich
zuständig, weil die Klage nicht nur auf § 1 UWG,
sondern - unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in einen eingeri
chteten und ausgeübten Gewerbebetrieb - auch auf §
823 Abs. 1 BGB gestützt sei, das durch § 823 Abs. 1
BGB geschützte Rechtsgut - der Gewerbebetrieb der Kl. - an
ihrem Sitz in Hamburg verletzt sei und der Kl. daher neben dem
für eine Klage aus § 1 UWG in Betracht kommenden
ausschließlichen Gerichtsstand des § 24 UWG
(gewerbliche Niederlassung des Bekl., hier also Bochum) der
Gerichtsstand des § 32 ZPO (Ort der Begehung der unerlaubten
Handlung, hier also Hamburg) zur Wahl stehe. Die Einrede der
Rechtshängigkeit sieht das LG deshalb nicht als
begründet an, weil der Streitgegenstand der vor dem LG Bochum
erhobenen negativen Feststellungsklage nicht mit dem Streitgegenstand
der vor dem LG Hamburg erhobenen Leistungsklage identisch sei; denn die
Kl. erhalte, wenn die gegen sie erhobene Feststellungsklage abgewiesen
werde, damit noch nicht den von ihr begehrten Vollstrekkungstitel. Der
Kl. fehle, wie das LG weiter ausführt, für ihre
Leistungsklage auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis; da der
Bekl. offenbar bestreiten wolle, daß die Preisbindung der Kl.
rechtswirksam sei, könne nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, daß er, falls seine negative Feststellungsklage
abgewiesen wird, die Preisbindung einhalten werde; auch müsse
der Kl. die Möglichkeit gegeben werden, durch ein
Unterlassungsurteil ihre Ansprüche durchzusetzen; die
einstweilige Verfügung vom 26. April 1960 gebe ihr keine
genügende Sicherung, da es sich dabei nur um eine
vorläufige Regelung handele.
Der
hiergegen gerichteten Sprungrevision des Bekl. mußte der
Erfolg versagt bleiben.
1.
Ob das LG Hamburg sich zu Recht oder zu Unrecht für
örtlich zuständig erachtet hat, ist hier nicht zu
beurteilen. In Rechtsstreitigkeiten über
vermögensrechtliche Ansprüche kann nach §
549 Abs. 2 ZPO die Revision - ebenso wie nach § 512a ZPO die
Berufung - nicht darauf gestützt werden, daß das
Gericht seine örtliche Zuständigkeit mit Unrecht
angenommen habe. Das gilt namentlich auch dann, wenn - wie hier - das
Gericht der unteren Instanz seine örtliche
Zuständigkeit durch Verwerfung der Einrede der
örtlichen Unzuständigkeit mittels eines
Zwischenurteils nach § 275 in Verbindung mit § 274
Abs. 2 Nr. 1 ZPO bejaht hat (vgl. RGZ 110, 56, 58 f. zu § 512a
ZPO). Eine Berufung oder Revision, die sich gegen ein Zwischenurteil
richtet, durch das lediglich die Einrede der örtlichen
Unzuständigkeit verworfen worden ist, muß daher an
sich als unzulässig verworfen werden (BGH in NJW 1953, 222 Nr.
11). Im Streitfall allerdings würde die Revision im
übrigen gleichwohl zulässig sein, da durch das
angefochtene Urteil zugleich auch die Einrede der
Rechtshängigkeit verworfen und die Revision insoweit, wie noch
ausgeführt wird, statthaft ist. Ob in einem solchen Fall die
Revision, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Einrede der
Unzuständigkeit richtet, als unzulässig zu verwerfen
und als unbegründet zurückzuweisen wäre,
kann hier unerörtert bleiben. Denn weil im Streitfall die
Revision in der schriftlichen Revisionsbegründung unter
Hinweis auf § 549 Abs. 2 ZPO selbst eingeräumt hat,
daß ihr die Rüge der örtlichen
Unzuständigkeit versagt sei, muß ihr Antrag, obwohl
er seinem Wortlaut nach auf Aufhebung des gesamten Zwischenurteils
gerichtet ist, einschränkend dahin ausgelegt werden,
daß das Zwischenurteil, soweit darin die Einrede der
örtlichen Unzuständigkeit verworfen worden ist, nicht
angefochten und insoweit auch nicht seine Aufhebung begehrt wird. Die
von der Revision in der mündlichen Revisionsverhandlung
aufgeworfene Frage, ob § 549 Abs. 2 ZPO mit Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG vereinbar sei, ist zu bejahen (vgl. BGH LM Nr. 71 zu UWG
§ 1 - Italienische Note - [insoweit in GRUR 1959, 138 nicht
abgedruckt] und BGHZ 24, 47, 49 ff.).
2.
Ob das LG die Einrede der Rechtshängigkeit zu Recht verworfen
hat, ist hier nachzuprüfen. Die Bestimmung des § 566a
Abs. 3 ZPO, nach der eine Sprungrevision nicht auf Mängel des
Verfahrens gestützt werden kann, steht dem nicht entgegen, da
es sich bei dem Einwand der Rechtshängigkeit um einen auch in
der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigenden
Punkt handelt (vgl. RGZ 160, 338, 344 f.; BGH in NJW 1952, 1375 Nr. 9
[insoweit in BGHZ 7, 268 nicht abgedruckt];
Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO, 18. Aufl., § 566a
Anm. IV 1; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen
Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 140 I 3, S. 696).
Daß
das LG die Einrede der Rechtshängigkeit nicht als
begründet erachtet hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Bekl. begehrt mit seiner vor dem LG Bochum erhobenen Klage
lediglich die Feststellung, daß er die von der Kl.
festgesetzten Endverbraucherpreise für ihre Trockenrasierer
nicht einzuhalten brauche oder - mit anderen Worten - daß ihm
die Kl. nicht verbieten könne, ihre Trockenrasierer unter den
von ihr festgesetzten Endverbraucherpreisen zu vertreiben, - die Kl.
dagegen begehrt mit ihrer vor dem LG Hamburg erhobenen Klage die
über die bloße Feststellung dieses streitigen
Rechtsverhältnisses hinausgehende, die zwangsweise
Durchsetzung ihres Anspruchs ermöglichende Verurteilung des
Bekl. zur Unterlassung des Vertriebs ihrer Trockenrasierer unter den
von ihr festgesetzten Preisen. Da der Klagantrag bei der Klage der Kl.
ein anderer ist als bei der des Bekl., der Streitgegenstand der beiden
Klagen also nicht derselbe ist, und da ferner das Klagebegehren der Kl.
über das hinausgeht, was sie mit der Abweisung der Klage des
Bekl. erreichen könnte, fehlt es an den in § 263 Abs.
2 Nr. 1 ZPO bestimmten Voraussetzungen für die hier vom Bekl.
erhobene Einrede der Rechtshängigkeit. Daß
gegenüber einer Leistungsklage die zuvor vom beklagten
Anspruchsgegner rechtshängig gemachte negative
Feststellungsklage nicht die Einrede der Rechtshängigkeit zu
begründen vermag, ist auch die herrschende Meinung in
Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. u. a. RGZ 71, 68, 73 f.; RG in DR
1939, 1914 Nr. 3; Stein-Jonas, a.a.O., § 263 Anm. III 3 c;
Baumbach-Lauterbach, ZPO, 26. Aufl., § 263 Anm. 3 B;
Rosenberg, a.a.O., § 98 II 3, S. 483; vgl. auch BGHZ 7, 268,
271 für die positive Feststellungsklage).
3.
Was die Revision hiergegen vorbringt, betrifft nicht die Frage, ob der
in Hamburg erhobenen Klage der Kl. wegen der vom Bekl. in Bochum
erhobenen Klage die Einrede der Rechtshängigkeit im Sinne der
§§ 263 Abs. 2 Nr. 1, 274 Abs. 2 Nr. 4 ZPO
entgegengehalten werden kann, sondern die davon zu unterscheidende
Frage, ob im Hinblick auf die Klage des Bekl. der Kl. für ihre
Klage das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen ist. Die Revision
entnimmt den Entscheidungen des RG in JW 1936, 3185 Nr. 10 (vgl. auch
RGZ 151, 65 1 ) und den Entscheidungen des erkennenden Senats in BGHZ
18, 22, 41 f. und BGHZ 28, 203, 207 2, daß für eine
Feststellungsklage, soweit eine darüber hinausgehende
Leistungsklage erhoben ist, zwar in der Regel das
Rechtsschutzbedürfnis entfällt, daß eine
Feststellungsklage aber trotz späterer Erhebung der
Leistungsklage bei Vorliegen besonderer Umstände auch
zulässig bleiben könne. Sie meint, solche besonderen
Umstände lägen hier bezüglich der vom Bekl.
erhobenen Feststellungsklage vor, weil diese Klage der Beschleunigung
diene und sich der Entscheidungsreife nähere, die Kl. durch
die von ihr erwirkte einstweilige Verfügung vorläufig
geschützt sei und die Hauptsache, wenn sie sie gleichwohl habe
anhängig machen wollen, im Wege der Widerklage gegen die
Feststellungsklage anhängig machen könne. Sie folgert
hieraus, daß es umgekehrt der Unterlassungsklage der Kl. am
Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil anzunehmen sei,
daß der Bekl., falls seine negative Feststellungsklage
abgewiesen wird, dem auch ohne Verurteilung zur Unterlassung Rechnung
tragen werde, und weil es ein Rechtsmißbrauch sei,
daß die Kl. trotzdem eine wei tere Klage, und zwar nicht eine
Widerklage im selben Prozeß, sondern eine
selbständige Klage und zudem bei einem nach Auffassung der
Revision örtlich nicht zuständigen Gericht erhoben
habe.
Mit
diesen Ausführungen kann die Revision schon deshalb nicht
gehört werden, weil Gegenstand der Prüfung durch das
Revisionsgericht hier nur die vom LG ausgesprochene Verwerfung der
Einrede der Rechtshängigkeit, nicht die darüber
hinausgehende Frage des Rechtsschutzbedürfnisses für
die Klage der Kl. ist. Das LG hat sich zwar in den Gründen
seines Urteils auch mit der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses
befaßt, und auch das nur unter dem beschränkten
Gesichtspunkt, ob das Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sei,
wenn davon ausgegangen werden könne, daß der Bekl.
einem die negative Feststellungsklage abweisenden Urteil ohne weiteres
nachkommen werde. Die Formel des Urteils des LG aber enthält
keinen Ausspruch zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses, und
auch im Wege der Auslegung könnte der Formel angesichts ihres
klaren Wortlauts ein solcher Inhalt nicht unterstellt werden. Ob das LG
die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses, da dieses in
§ 274 Abs. 2 ZPO nicht unter den sog.
prozeßhindernden Einreden aufgeführt ist,
überhaupt in einem Zwischenurteil nach § 275 ZPO
hätte entscheiden können, kann dabei
unerörtert bleiben. Es genügt hier, daß das
LG diese Frage, weil die Urteilsformel keinen Ausspruch
darüber enthält, eben gar nicht in einer der
Anfechtung zugänglichen und der formellen Rechtskraft
fähigen Weise entschieden hat. Soweit die Revision die Frage
des Rechtsschutzbedürfnisses aufwirft, richtet sie sich daher
in Wahrheit lediglich gegen einen Teil der Begründung des
angefochtenen Urteils, und noch dazu gegen einen Teil, dessen es zur
Begründung der Verwerfung der Einrede der
Rechtshängigkeit gar nicht bedurft hätte. Auf das
Ergebnis, daß die Einrede der Rechtshängigkeit
rechtsirrtumsfrei verworfen worden ist, könnten die lediglich
auf die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses abzielenden
Ausführungen der Revision keinen Einfluß haben (zur
Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen der Einrede der
Rechtshängigkeit und dem Mangel des
Rechtsschutzbedürfnisses vgl. auch BGH in GRUR 1960, 379 , 380
f.).