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Tätowierung
Tattoo Urheberrecht Übertragung Einräumung
Nutzungsrecht UStG 1993 § 3 Abs. 9, § 12 Abs. 2 Nr.
1, Nr. 7 Buchst. c; UrhG § 31 Abs. 4.
BFH-Aktenzeichen: V R 87/97 |
23. Juli 1998 |
BUNDESFINANZHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Ein
Tätowierer führt sonstige Leistungen aus, die mit dem
allgemeinen
Steuersatz besteuert werden. Eine Einräumung von
Nutzungsrechten an
einem Urheberrecht, für die nach § 12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. c UStG der
ermäßigte Steuersatz gilt, erfordert eine
entsprechende Vereinbarung.
Sachverhalt
I.
Der
Kläger und Revisionskläger (Kläger)
führt nebenberuflich selbständig
Tätowierungen aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt -
FA -) besteuerte diese Leistungen in den angefochtenen
Umsatzsteuerbescheiden für 1994 und 1995 mit dem allgemeinen
Steuersatz. Das FA wies den Einspruch des Klägers
zurück, durch den er
eine Besteuerung seiner Umsätze mit dem
ermäßigten Steuersatz beantragt
hatte, weil die Tätowierungen als Kunstwerke unter §
12 Abs. 2 Nr. 1 i.
V. m. Nr. 53 Buchst. a der Anlage zum Umsatzsteuergesetz 1993 (im
folgenden: UStG) einzureiben seien. Außerdem, so hatte er
geltend
gemacht, habe er bei den Tätowierungen Urheberrechte
übertragen und
dadurch einen Umsatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG
ausgeführt.
Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung
führte es u. a.
aus, die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2
Nr. 1 UStG sei nur für
Lieferungen von Kunstgegenständen anwendbar. Die Aufbringung
einer
Tätowierung sei keine Lieferung eines Gegenstands. Die
Steuerermäßigung
für die Einräumung, Übertragung und
Wahrnehmung von Urheberrechten nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG sei nicht anwendbar, weil das
prägende
Merkmal der Tätigkeit des Klägers das Aufbringen der
Tätowierung sei,
hinter der alle anderen Aspekte im Rahmen des einheitlichen
Leistungsvorgangs in ihrer Bedeutung zurückstünden.
Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf das in den Entscheidungen der Finanzgerichte
1998, 415 veröffentlichte Urteil des FG Bezug genommen.
Mit
der
Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung von
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und
Nr. 7 Buchst. c UStG. Er vertritt die Auffassung, seine individuell und
jeweils einzigartig gefertigten Tätowierungen
erfüllten die in § 12
Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Nr. 53 Buchst. a der Anlage zum UStG bezeichneten
Voraussetzungen für Kunstgegenstände (Position 97.01
des Zolltarifs).
Bei gebotener europarechtskonformer Auslegung müsse das
Tätowieren wie
die Lieferung eines Gegenstands behandelt werden. Wegen des
Benachteiligungsverbotes müsse er anderen Künstlern,
wie Malern und
Bildhauern, gleichgestellt werden. So werde auch in Anlage H zu Art. 12
der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht zwischen
gegenständlichen
Werken ausübender Künstler und Dienstleistungen
unterschieden. Das FG
habe § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG unrichtig angewendet,
weil bei
dem Tätowieren Urheberrechte an die Kunden übertragen
worden seien.
Der
Kläger beantragt, die Umsätze durch
Tätowieren mit dem ermäßigten
Steuersatz zu besteuern. Hilfsweise beantragt er, die Sache dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur
Vorabentscheidung vorzulegen.
Das
FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II.
Die
Revision ist unbegründet.
Das
Urteil des FG hält den Angriffen der Revision stand. Der
Kläger hat
weder steuerermäßigte Leistungen durch Lieferung von
Kunstgegenständen
noch durch Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung
von Rechten, die
sich aus dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) ergeben, erbracht, sondern
regelbesteuerte sonstige Leistungen durch Tätowieren
ausgeführt.
1.
Nach den mit zulässigen und begründeten
Verfahrensrügen nicht
angegriffenen Feststellungen des FG beschränkten sich die
Leistungen
des Klägers auf das "Aufbringen einer Tätowierung".
Dabei
handelt es sich um sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 Satz 1
UStG), weil
nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen nicht - wie bei einer
Lieferung - die Verfügungsmacht an einem Gegenstand
übertragen worden
ist (vgl. § 3 Abs. 1 UStG). Bei einer Tätowierung
werden Ornamente oder
Abbildungen durch Einstechen oder Einritzen auf der menschlichen Haut
angebracht (Brockhaus, Enzyklopädie, 19. Aufl., Stichwort
Tatauierung).
Die Übertragung der Farbstoffe durch den Tätowierer
ist
umsatzsteuerrechtlich nicht als Lieferung eines Gegenstands zu
beurteilen. Sie bleibt sonstige Leistung, weil der Farbstoff nur
Hilfsmittel zu der vereinbarungsgemäß erbrachten
Tätowierung ist. Sie
ist steuerpflichtig und wird mit dem allgemeinen Steuersatz (§
12 Abs.
1 UStG) besteuert.
a)
Die Leistungen des Klägers unterliegen
nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG i. V. m. Nr. 53
Buchst. a der
Anlage zum UStG dem ermäßigten Steuersatz. Die
Steuerermäßigung ist nur
für Lieferungen von Kunstgegenständen vorgesehen.
b)
Die
Leistungen des Klägers unterliegen auch nicht nach §
12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. c UStG dem ermäßigten Steuersatz. Nach
dieser Vorschrift
ermäßigt sich die Steuer auf 7 v. H. für
die Einräumung, Übertragung
und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben.
Es
kann dahinstehen, ob der Kläger durch seine Tätigkeit
Urheberrechte an
Werken der bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG
geschaffen hat.
Selbst wenn dies - wie z. B. bei einem Maskenbildner (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 9. November 1973 I ZR 114/72, Gewerblicher
Rechtsschutz und Urheberrecht 1974, 672; Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
8. Aufl., § 2 Rz. 63; Rehbinder, Urheberrecht, 9. Aufl.,
§ 14) - der
Fall gewesen sein sollte, hat er seinen Leistungsempfängern
keine
Rechte daran eingeräumt. Nach den Feststellungen des FG haben
die
Leistungsempfänger über die Tätowierung
hinaus keine weiteren
Leistungen erhalten. Eine Einräumung von Nutzungsrechten
(§ 31 Abs. 1,
4 UrhG) an einem Urheberrecht i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7
Buchst. c
UStG erfordert eine ausdrückliche oder schlüssige
Vereinbarung, für die
die Vorschriften über die Übertragung von Rechten
nach §§ 398 ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anwendbar sind.
Für eine solche
Vereinbarung sind im Streitfall weder Feststellungen des FG noch
sonstige Erkenntnisse vorhanden. Aber selbst bei einer
schlüssigen
Vereinbarung des Klägers mit seinen
Leistungsempfängern über die
Übertragung von Nutzungsrechten könnte in einer
derartigen
Rechtseinräumung allenfalls eine unselbständige
Nebenleistung (vgl.
auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1997 V R
13/96,
BFHE 182, 423, BStBl II 1997, 372 unter II. 1.) zur
Tätowierungsleistung gesehen werden, die den Steuersatz
für die
Hauptleistung nicht beeinflußt.
2.
Die Besteuerung von sonstigen
Leistungen durch Tätowieren mit dem allgemeinen Steuersatz
verstößt
nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs.
3 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten einen
oder zwei
ermäßigte Sätze anwenden. Die
ermäßigten Sätze sind nur auf Lieferungen
von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H
genannten
Kategorien anwendbar. In Anhang H Kategorie 9 sind Werke bzw.
Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden
Künstlern
sowie deren Urheberrechte verzeichnet, auf die
ermäßigte Steuersätze
angewandt werden können. Weiter ist in Anhang H vor der
Aufzählung der
Kategorien bestimmt worden, daß die Mitgliedstaaten den
genauen
Geltungsbereich der betreffenden Kategorien anhand der Kombinierten
Nomenklatur (eines Warenverzeichnisses als Grundlage für den
Gemeinsamen Zolltarif, der in der Anlage zum UStG mit Zolltarif
bezeichnet wird) abgrenzen können.
Daraus
ergibt sich, daß das
Gemeinschaftsrecht es den Mitgliedstaaten
überläßt, ob und auf welche
Umsätze sie innerhalb der in Anlage H beschriebenen Kategorien
einen
ermäßigten Steuersatz anwenden. Diese Befugnis ist
durch § 12 Abs. 2
Nr. 1 Satz 1 UStG i. V. m. Nr. 53 Buchst. a der Anlage zum UStG auf die
Lieferung von Gegenständen (vgl. auch BFH in BFHE 182, 423,
BStBl II
1997, 372 unter II. 1.) begrenzt worden. Der Senat ist nicht
verpflichtet, die von dem Kläger angeregte Vorabentscheidung
durch den
EuGH nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen
Gemeinschaft herbeizuführen, weil die vom Kläger
gestellten
Rechtsfragen zweifelsfrei beantwortet werden können.
Unterschriften