Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
AG Dresden
URTEIL
Tatbestand
Die
Klägerin macht gegen die Beklagte einen strafbewehrten
Unterlassungsanspruch dahingehend geltend, dass die Beklagte ihr keine
E-Mail-Werbung zu übersenden habe.
Die
Antragstellerin ist eine
Rechtsanwalts-/Steuerberater-Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in D,
die Beklagte eine Partnerschaftsgesellschaft, die u. a. Medienseminare
und Rhetorikkurse anbietet.
Mit
Schreiben
vom 25.04.2004 ließ die Beklagte der Klägerin per
Briefpost
eine Einladung zu zwei Seminaren zukommen; mit Telefax vom 26.08.2004
teilte die Beklagte Korrekturen hinsichtlich der Veranstaltungsdaten
mit (vgl. Telefax vom 26.08.2004, Bl. 65 d. A.). Die Klägerin
reagierte auf das Schreiben und das Telefax nicht. Mit E-Mail vom
16.02.2005, adressiert an zwei Partner der Klägerin, bot die
Beklagte diesen Partnern und der Kanzlei allgemein die Teilnahme am
Medienseminar "Anwalt und Öffentlichkeit" an. Wegen der
Einzelheiten der E-Mail wird auf die Anlage AST 1, Bl. 6 der Akte Bezug
genommen. Mit Schreiben vom 01.03.2005 forderte die Klägerin
die
Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung
sowie der Verpflichtung zur Übernahme der
Rechtsverfolgungskosten
der Klägerin auf (vgl. Anlage AST 3, Bl. 8-11 d. A.). Die
Beklagte
teilte hierauf mit Telefax vom 07.03.2005 mit, sie werde die
Klägerin umgehend aus dem Verteiler streichen, weitere
Einladungen
werde die Klägerin nicht mehr erhalten. Wegen des genauen
Wortlautes dieses Schreibens sowie eines Schreibens der
Klägerin
sowie der Beklagten jeweils vom 08.03.2005 wird auf die Anlagen zum
Beklagtenschriftsatz vom 15.06.2005, Bl. 66 f, 68 f und 70 f Bezug
genommen.
Der
mit
Schriftsatz vom 16.03.2005 gestellte Antrag der Klägerin auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde mit Beschluss des
Amtsgerichts Dresden vom 31.03.2005 zurückgewiesen. Die
hiergegen
gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin wurde mit
Nichtabhilfebeschluss vom 11.04.2005 dem Landgericht Dresden zur
Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hob mit Beschluss vom
19.04.2005 den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 31.03.2005 auf
und ordnete an, dass es der Beklagten bei Meidung eines für
jeden
Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes
bis zu
250.000,00
EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall
Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt werde, an die Antragstellerin
per E-Mail Werbung zu übersenden oder an der Versendung von
E-Mail-Werbung an die Antragstellerin mitzuwirken, es sei denn, die
Antragstellerin habe dem Erhalt der jeweiligen E-Mail-Werbung
ausdrücklich zugestimmt oder ihr Einverständnis
hierzu
könne vermutet werden. Gegen diesen Beschluss legte die
Beklagte
mit Schriftsatz vom 10.05.2005 Widerspruch ein.
Die
Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde ein
Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823
Abs. 1, 1004
BGB zu. Die Zusendung unerwünschter E-Mail an eine
Rechtsanwaltskanzlei stelle einen Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb dar, da Rechtsanwälte aus
berufsrechtlichen Gründen ihre E-Mails sorgfältig
lesen
müssten. Die Klägerin habe der Übermittlung
von Werbung
durch die Beklagte nicht zugestimmt; Seminare habe sie bei der
Beklagten bislang nicht gebucht.
Die
Klägerin beantragt,
die
einstweilige Verfügung vom 19.04.2005 aufrechtzuerhalten.
Die
Beklagte beantragt,
unter
Aufhebung
der einstweiligen Verfügung vom 20.04.2005 den Antrag der
Antragstellerin vom 16.03.2005 zurückzuweisen.
Die
Beklagte
behauptet, vor Zusendung des Telefaxes vom 26.08.2004 habe sich die
Beklagte bei der Klägerin telefonisch nach einer Fax-Durchwahl
erkundigt; diese sei ihr angegeben und auch Interesse an der Einladung
bekundet worden. Daher habe die Beklagte davon ausgehen
dürfen,
dass die Klägerin mit der Zusendung weiterer Einladungen
–
auch in elektronischer Form – einverstanden sei. Weiter habe
die
Beklagte vor der Übersendung der hier streitigen E-Mail bei
der
Klägerin angerufen; dort seien ihr die persönlichen
E-Mail-Adressen der angesprochenen Rechtsanwälte mitgeteilt
worden.
Zur
Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze
der
Klägerin vom 16.03.2005, 24.03.2005, 08.04.2005, 14.04.2005
und
30.06.2005 sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 15.06.2005,
jeweils nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt des Protokolls vom
12.07.2005 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Infolge
des
zulässigen und begründeten Widerspruchs der Beklagten
war die
einstweilige Verfügung vom 19.04.2005 aufzuheben und der
Antrag
der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
vom
16.03.2005 abzuweisen.
I.
Der
Klägerin steht ein Verfügungsanspruch für
die geltend gemachte Unterlassung nicht zu.
1.
Das Gericht
hat nicht zu prüfen, ob sich ein Anspruch der
Klägerin aus
§ 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 UWG ergibt. Die Klägerin
stützt
sich ausdrücklich nur auf §§ 823 Abs. 1,
1004 BGB als
Anspruchsgrundlage; dem Amtsgericht wäre auch
gemäß
§ 13 UWG (2004) die Entscheidung über einen geltend
gemachten
Anspruch nach dem UWG aufgrund der ausschließlichen
Zuständigkeit des Landgerichts hierfür verwehrt.
Darüber
hinaus wäre die Klägerin aber auch aufgrund der
ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 3 UWG
für die
Geltendmachung von Ansprüchen nach § 3 UWG nicht
aktivlegitimiert.
2.
Der Klägerin steht auch kein Unterlassungsanspruch
gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu.
a)
Da es sich
bei dem hier maßgeblichen Tatbestand des Eingriffes in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen
sogenannten
offenen Tatbestand handelt, ergeben sich Inhalt und Grenzen des
geschützten betrieblichen Bereiches sowie die Rechtswidrigkeit
des
Eingriffes erst aus einer Interessen- und
Güterabwägung im
Hinblick auf die im Einzelfall kollidierenden Interessen (vgl. BGHZ
138, 311; OLG München NJW-RR 1994, 1055, LG Berlin NJW 2002,
2569;
Palandt, BGB 63. Auflage, Rz. 25/126 zu § 823 BGB). Im
Ergebnis
einer solchen Abwägung des Interesses der Klägerin an
einer
ungestörten Ausübung ihrer beruflichen
Tätigkeit
einerseits sowie des Interesses der Beklagten an einer bequemen und
kostengünstigen Werbemethode andererseits ist die E-Mail vom
16.02.2005 nicht bereits als rechtswidriger Eingriff in den Betrieb der
Klägerin einzustufen.
Die
Störung
des Betriebsablaufes auf Seiten der Klägerin ist bereits als
äußerst gering einzuschätzen. Bei Empfang
von E-Mails
ist anders als z. B. bei unerwünschter Telefon- oder
Telefaxwerbung der Zeit- und Materialaufwand des Empfängers
gering
(so auch BGH NJW 2004, 1655), das Empfangsgerät kann
– einen
aktuellen Ausstattungsstand unterstellt – zeitgleich weitere
Nachrichten von anderer Seite empfangen. Weiter war hier aufgrund des
eindeutigen Betreffs sowie der Kürze der Mitteilung
für den
Empfänger auf Klägerseite der werbende Inhalt
unmittelbar
erkennbar, so dass bei Nichtinteresse für den Vorgang des
Erkennens und Löschens der Werbung ein Zeitraum von ca. 10
Sekunden ausreichend gewesen sein dürfte. Wenn sich wie hier
ein
Marktteilnehmer, der nicht auch Mitwettbewerber ist, gegen eine
konkrete Störung wehrt, hat bei der Bestimmung der Schwere der
Störung die Gefahr unbeachtet zu bleiben, dass allgemein das
Medium der Mail-Werbung aufgrund seiner Schnelligkeit und
Kostengünstigkeit massenhaft auch von anderen Personen zur
Werbung
verwendet werden kann. Soweit sich der Kläger hier auf
Rechtsprechung des Bundesgerichtshof beruft, die die
Zulässigkeit
der E-Mail-Werbung aufgrund des zu befürchtenden
Nachahmungseffektes nur eingeschränkt für
zulässig
hält, so trifft der BGH diese Aussage jedenfalls in den
klägerseits zitierten Entscheidungen ausschließlich
im
Zusammenhang mit einer wettbewerbsrechtlichen Bewertung von ausufernden
E-Mail-Werbung im Rahmen des UWG (vgl. Urteil des BGH vom 25.10.1995,
NJW 1996, 660 unter II. 2 a, 11.03.2004, NJW 2004, 1655 unter II. 2 b).
Diese Gefahr der E-Mail-Werbung hat der Gesetzgeber durch die
Neuregelung des § 7 Abs. 2 und 3 UWG Rechnung getragen, jedoch
weiterhin den Verbraucher diesbezüglich keine
Aktivlegitimation
gegeben.
Andererseits
durfte die Beklagte durchaus davon ausgehen, dass auf Seiten der
Klägerin ein Interesse an der Information über die
beworbenen
Seminare besteht; in einem solchen Fall ist die durch den Zugang einer
Werbe-E-Mail hervorgerufene – vorliegend geringe –
Belästigung hinzunehmen (vgl. BGH NJW 2004, 1655 und II. 2 b).
Die
streitige E-Mail bewarb ein Seminar speziell für
Rechtsanwälte, mithin besteht eine thematische Verbindung zum
beruflichen Tätigkeitsbereich der Klägerin. Weiter
hatte die
Beklagte unstreitig ca. 6 Monate zuvor der Klägerin bereits
per
Briefpost ein ähnliches Werbeschreiben für eine
jedenfalls
sehr ähnliche Seminarveranstaltung zukommen lassen, die die
Klägerin ohne Widerspruch entgegen genommen hat. Angesichts
dieser
Umstände durfte die Beklagte – ohne dass es auf die
streitig
gebliebenen Beklagtenbehauptungen zur Erlangung der Telefax- bzw.
E-Mail-Adressen ankäme – von einem
Einverständnis der
Klägerin mit dem Empfang von Werbung der hier streitigen Art
ausgehen.
Der
Klägerin wäre es auch durchaus zuzumuten gewesen, die
von der
Beklagten ausdrücklich angebotene Möglichkeit zu
nutzen, sich
durch eine kurze Mitteilung aus dem Verteiler streichen zu lassen. Es
ist angesichts der Gestaltung der streitigen E-Mail davon auszugehen,
dass hier eine entsprechende Mitteilung mit einer kurzen Antwort-Mail
hätte erfolgen können; auch dieser Aufwand ist auf
ca. 10
Sekunden zu schätzen. Angesichts des vorprozessualen
Verhaltens
der Beklagten – sofortige Mitteilung, dass weitere Werbung
unterbleibt und offenbar fehlender Zugang weiterer Werbung seitdem
– hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass diese Mitteilung
bereits den gewünschten Erfolg gehabt hätte. Auch
dies darf
bei der Abwägung nicht außer Betracht bleiben.
b)
Mangels
bisheriger rechtswidriger Beeinträchtigung wird eine Vermutung
für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr
im Sinne von
§
1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begründet. Anhaltspunkte
dafür,
dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin in Zukunft Werbung in der
nunmehr ausdrücklich beanstandeten E-Mail-Form zukommen lassen
wird, bestehen nach dem oben Genannten gerade nicht.
II.
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.
11, 711,
713 ZPO.