AG Dresden Wettbewerbswidrigkeit eMail berufsbezogen
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Aktenzeichen:    114 C 2008/05
Verkündet am:
29.07.2005

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

AG Dresden

URTEIL



Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen strafbewehrten Unterlassungsanspruch dahingehend geltend, dass die Beklagte ihr keine E-Mail-Werbung zu übersenden habe.

Die Antragstellerin ist eine Rechtsanwalts-/Steuerberater-Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in D, die Beklagte eine Partnerschaftsgesellschaft, die u. a. Medienseminare und Rhetorikkurse anbietet.

Mit Schreiben vom 25.04.2004 ließ die Beklagte der Klägerin per Briefpost eine Einladung zu zwei Seminaren zukommen; mit Telefax vom 26.08.2004 teilte die Beklagte Korrekturen hinsichtlich der Veranstaltungsdaten mit (vgl. Telefax vom 26.08.2004, Bl. 65 d. A.). Die Klägerin reagierte auf das Schreiben und das Telefax nicht. Mit E-Mail vom 16.02.2005, adressiert an zwei Partner der Klägerin, bot die Beklagte diesen Partnern und der Kanzlei allgemein die Teilnahme am Medienseminar "Anwalt und Öffentlichkeit" an. Wegen der Einzelheiten der E-Mail wird auf die Anlage AST 1, Bl. 6 der Akte Bezug genommen. Mit Schreiben vom 01.03.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie der Verpflichtung zur Übernahme der Rechtsverfolgungskosten der Klägerin auf (vgl. Anlage AST 3, Bl. 8-11 d. A.). Die Beklagte teilte hierauf mit Telefax vom 07.03.2005 mit, sie werde die Klägerin umgehend aus dem Verteiler streichen, weitere Einladungen werde die Klägerin nicht mehr erhalten. Wegen des genauen Wortlautes dieses Schreibens sowie eines Schreibens der Klägerin sowie der Beklagten jeweils vom 08.03.2005 wird auf die Anlagen zum Beklagtenschriftsatz vom 15.06.2005, Bl. 66 f, 68 f und 70 f Bezug genommen.

Der mit Schriftsatz vom 16.03.2005 gestellte Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 31.03.2005 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin wurde mit Nichtabhilfebeschluss vom 11.04.2005 dem Landgericht Dresden zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hob mit Beschluss vom 19.04.2005 den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 31.03.2005 auf und ordnete an, dass es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt werde, an die Antragstellerin per E-Mail Werbung zu übersenden oder an der Versendung von E-Mail-Werbung an die Antragstellerin mitzuwirken, es sei denn, die Antragstellerin habe dem Erhalt der jeweiligen E-Mail-Werbung ausdrücklich zugestimmt oder ihr Einverständnis hierzu könne vermutet werden. Gegen diesen Beschluss legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.05.2005 Widerspruch ein.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünde ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu. Die Zusendung unerwünschter E-Mail an eine Rechtsanwaltskanzlei stelle einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, da Rechtsanwälte aus berufsrechtlichen Gründen ihre E-Mails sorgfältig lesen müssten. Die Klägerin habe der Übermittlung von Werbung durch die Beklagte nicht zugestimmt; Seminare habe sie bei der Beklagten bislang nicht gebucht.

Die Klägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 19.04.2005 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 20.04.2005 den Antrag der Antragstellerin vom 16.03.2005 zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, vor Zusendung des Telefaxes vom 26.08.2004 habe sich die Beklagte bei der Klägerin telefonisch nach einer Fax-Durchwahl erkundigt; diese sei ihr angegeben und auch Interesse an der Einladung bekundet worden. Daher habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin mit der Zusendung weiterer Einladungen – auch in elektronischer Form – einverstanden sei. Weiter habe die Beklagte vor der Übersendung der hier streitigen E-Mail bei der Klägerin angerufen; dort seien ihr die persönlichen E-Mail-Adressen der angesprochenen Rechtsanwälte mitgeteilt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 16.03.2005, 24.03.2005, 08.04.2005, 14.04.2005 und 30.06.2005 sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 15.06.2005, jeweils nebst Anlagen, sowie auf den Inhalt des Protokolls vom 12.07.2005 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Infolge des zulässigen und begründeten Widerspruchs der Beklagten war die einstweilige Verfügung vom 19.04.2005 aufzuheben und der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 16.03.2005 abzuweisen.

I.

Der Klägerin steht ein Verfügungsanspruch für die geltend gemachte Unterlassung nicht zu.

1. Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob sich ein Anspruch der Klägerin aus § 7 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 UWG ergibt. Die Klägerin stützt sich ausdrücklich nur auf §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB als Anspruchsgrundlage; dem Amtsgericht wäre auch gemäß § 13 UWG (2004) die Entscheidung über einen geltend gemachten Anspruch nach dem UWG aufgrund der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts hierfür verwehrt. Darüber hinaus wäre die Klägerin aber auch aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 3 UWG für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 3 UWG nicht aktivlegitimiert.

2. Der Klägerin steht auch kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB zu.

a) Da es sich bei dem hier maßgeblichen Tatbestand des Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb um einen sogenannten offenen Tatbestand handelt, ergeben sich Inhalt und Grenzen des geschützten betrieblichen Bereiches sowie die Rechtswidrigkeit des Eingriffes erst aus einer Interessen- und Güterabwägung im Hinblick auf die im Einzelfall kollidierenden Interessen (vgl. BGHZ 138, 311; OLG München NJW-RR 1994, 1055, LG Berlin NJW 2002, 2569; Palandt, BGB 63. Auflage, Rz. 25/126 zu § 823 BGB). Im Ergebnis einer solchen Abwägung des Interesses der Klägerin an einer ungestörten Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit einerseits sowie des Interesses der Beklagten an einer bequemen und kostengünstigen Werbemethode andererseits ist die E-Mail vom 16.02.2005 nicht bereits als rechtswidriger Eingriff in den Betrieb der Klägerin einzustufen.

Die Störung des Betriebsablaufes auf Seiten der Klägerin ist bereits als äußerst gering einzuschätzen. Bei Empfang von E-Mails ist anders als z. B. bei unerwünschter Telefon- oder Telefaxwerbung der Zeit- und Materialaufwand des Empfängers gering (so auch BGH NJW 2004, 1655), das Empfangsgerät kann – einen aktuellen Ausstattungsstand unterstellt – zeitgleich weitere Nachrichten von anderer Seite empfangen. Weiter war hier aufgrund des eindeutigen Betreffs sowie der Kürze der Mitteilung für den Empfänger auf Klägerseite der werbende Inhalt unmittelbar erkennbar, so dass bei Nichtinteresse für den Vorgang des Erkennens und Löschens der Werbung ein Zeitraum von ca. 10 Sekunden ausreichend gewesen sein dürfte. Wenn sich wie hier ein Marktteilnehmer, der nicht auch Mitwettbewerber ist, gegen eine konkrete Störung wehrt, hat bei der Bestimmung der Schwere der Störung die Gefahr unbeachtet zu bleiben, dass allgemein das Medium der Mail-Werbung aufgrund seiner Schnelligkeit und Kostengünstigkeit massenhaft auch von anderen Personen zur Werbung verwendet werden kann. Soweit sich der Kläger hier auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshof beruft, die die Zulässigkeit der E-Mail-Werbung aufgrund des zu befürchtenden Nachahmungseffektes nur eingeschränkt für zulässig hält, so trifft der BGH diese Aussage jedenfalls in den klägerseits zitierten Entscheidungen ausschließlich im Zusammenhang mit einer wettbewerbsrechtlichen Bewertung von ausufernden E-Mail-Werbung im Rahmen des UWG (vgl. Urteil des BGH vom 25.10.1995, NJW 1996, 660 unter II. 2 a, 11.03.2004, NJW 2004, 1655 unter II. 2 b). Diese Gefahr der E-Mail-Werbung hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung des § 7 Abs. 2 und 3 UWG Rechnung getragen, jedoch weiterhin den Verbraucher diesbezüglich keine Aktivlegitimation gegeben.

Andererseits durfte die Beklagte durchaus davon ausgehen, dass auf Seiten der Klägerin ein Interesse an der Information über die beworbenen Seminare besteht; in einem solchen Fall ist die durch den Zugang einer Werbe-E-Mail hervorgerufene – vorliegend geringe – Belästigung hinzunehmen (vgl. BGH NJW 2004, 1655 und II. 2 b). Die streitige E-Mail bewarb ein Seminar speziell für Rechtsanwälte, mithin besteht eine thematische Verbindung zum beruflichen Tätigkeitsbereich der Klägerin. Weiter hatte die Beklagte unstreitig ca. 6 Monate zuvor der Klägerin bereits per Briefpost ein ähnliches Werbeschreiben für eine jedenfalls sehr ähnliche Seminarveranstaltung zukommen lassen, die die Klägerin ohne Widerspruch entgegen genommen hat. Angesichts dieser Umstände durfte die Beklagte – ohne dass es auf die streitig gebliebenen Beklagtenbehauptungen zur Erlangung der Telefax- bzw. E-Mail-Adressen ankäme – von einem Einverständnis der Klägerin mit dem Empfang von Werbung der hier streitigen Art ausgehen.

Der Klägerin wäre es auch durchaus zuzumuten gewesen, die von der Beklagten ausdrücklich angebotene Möglichkeit zu nutzen, sich durch eine kurze Mitteilung aus dem Verteiler streichen zu lassen. Es ist angesichts der Gestaltung der streitigen E-Mail davon auszugehen, dass hier eine entsprechende Mitteilung mit einer kurzen Antwort-Mail hätte erfolgen können; auch dieser Aufwand ist auf ca. 10 Sekunden zu schätzen. Angesichts des vorprozessualen Verhaltens der Beklagten – sofortige Mitteilung, dass weitere Werbung unterbleibt und offenbar fehlender Zugang weiterer Werbung seitdem – hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass diese Mitteilung bereits den gewünschten Erfolg gehabt hätte. Auch dies darf bei der Abwägung nicht außer Betracht bleiben.

b) Mangels bisheriger rechtswidriger Beeinträchtigung wird eine Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr im Sinne von § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht begründet. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin in Zukunft Werbung in der nunmehr ausdrücklich beanstandeten E-Mail-Form zukommen lassen wird, bestehen nach dem oben Genannten gerade nicht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.